Empfehlungen der Ausschüsse
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus (Neufassung) KOM (2009) 554 endg.; Ratsdok. 14959/09

865. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2009

A.

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

Allgemeines

Zu Artikel 18

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, im weiteren Verlauf der Rechtssetzung auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen, dass die Gewährung von unentgeltlicher Rechtsberatung in Verfahren nach Kapitel III des Richtlinienvorschlags auch erfordert, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig erscheint.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Zu Ziffer 9:

Artikel 18 "Anspruch auf Rechtsberatung und -vertretung" sieht in Absatz 3 die Streichung des (bisher in Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe d geregelten) Erfordernisses vor, dass unentgeltliche Rechtsberatung nur gewährt wird, wenn hinreichende Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bestehen. Nunmehr soll durch den neugefassten Absatz 3 Satz 2 in Verfahren nach Kapitel V (Rechtsbehelfs-, d. h. gerichtliche Verfahren) unentgeltliche Rechtsberatung soweit erfolgen, wie dies zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist.

Die Streichung des Kriteriums "hinreichende Erfolgsaussicht" ist abzulehnen. Sowohl aus fiskalischen Gründen als auch mit Blick auf eine Missbrauchsanfälligkeit und die Möglichkeit willkürlicher Einlegung von Rechtsbehelfen bedarf es weiterhin der Einschränkung, dass eine unentgeltliche Rechtsberatung/-vertretung nur in Fällen der hinreichenden Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs gewährt werden kann.

Der Bundesrat hatte sich bereits im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (Neufassung), BR-Drucksache 961/08(B) HTML PDF , entsprechend positioniert und die Bundesregierung gebeten, in den weiteren Verhandlungen dafür Sorge zu tragen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten muss und nicht mutwillig erscheint.

Zu Ziffer 10:

Nach Artikel 18 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass in den in Bezug genommenen Verfahren die rechtliche Beratung und/oder Vertretung unentgeltlich gewährt wird. Neben der Voraussetzung der Bedürftigkeit gemäß Artikel 18 Absatz 3 Satz 1 Buchstabe a sowohl für das erstinstanzliche Verfahren nach Kapitel III als auch für das gerichtliche Verfahren nach Kapitel V wird das Erfordernis der Mutwilligkeit nach Artikel 18 Absatz 3 Satz 2 jedoch nur für das gerichtliche Verfahren nach Kapitel V, nicht auch für das erstinstanzliche Verfahren nach Kapitel III gefordert. Das heutige nationale Recht der Beratungshilfe fordert über die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Antragstellers hinaus, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig sein darf. Diese begrenzende Voraussetzung hat sich im nationalen Recht bewährt und bietet einen hinreichenden Rechtsschutz. Der Verzicht auf diese die Gewährung von Beratungshilfe begrenzende Voraussetzung würde zu einer Erhöhung der von den Ländern zu tragenden Kosten in diesem Bereich führen. Die Bundesregierung soll daher gebeten werden, sich im weiteren Verfahren für eine Aufnahme dieser begrenzenden Voraussetzung in die beabsichtigte Richtlinie einzusetzen.

Zu Artikel 24

Zu Artikel 27

Zu Artikel 32 ff

Zu Artikel 41

{Begründung zu Ziffern 15 und 16 (nur gegenüber dem Plenum):

Das deutsche Asylverfahrensrecht geht mit § 75 AsylVfG von dem Grundsatz aus, dass Klagen gegen ablehnende Asylentscheidungen keine aufschiebende Wirkung haben. Dagegen sieht Artikel 41 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags vor, dass Rechtsbehelfe die Folge haben, dass Antragsteller bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im betreffenden Mitgliedstaat verbleiben dürfen. Begrenzte Ausnahmen dieses Grundsatzes sieht lediglich Artikel 41 Absatz 6 des Richtlinienvorschlags vor.

Mit § 75 AsylVfG hat Deutschland von der in Artikel 39 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2005/85/EG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Frage, ob ein Rechtsbehelf zur Folge hat, dass sich der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im betreffenden Mitgliedstaat aufhalten darf, selbst zu regeln. Diese bisherige Regelung ist gegenüber der des neuen Richtlinienvorschlags vorzugswürdig. Sie ermöglicht insbesondere eine Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung.}

Begründung zu Ziffern 17 und 18 (nur gegenüber dem Plenum):

Nach Artikel 41 Absatz 9 des Richtlinienvorschlags legen die Mitgliedstaaten für das Gericht Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde fest. Diese verbindliche Festlegung von Fristen geht über die bisherigen Regelungen hinaus. Artikel 39 Absatz 4 der Richtlinie 2005/85/EG bestimmte, dass die Mitgliedstaaten für das Gericht Fristen für die Prüfung der Asylentscheidungen vorsehen können. Auf dieser Grundlage erfolgte die Einführung des § 36 Absatz 3 Satz 5 AsylVfG, der eine Entscheidungsfrist in bestimmten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festlegt. Eine ähnliche Vorgabe enthält § 26 Absatz 3 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), KOM (2008) 820 endg.; Ratsdok. 16929/08, BR-Drucksache 965/08. Auch die dort genannte Frist betrifft eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Zwingende Entscheidungsfristen in Hauptsacheverfahren bestehen bisher nicht.

Ungeachtet dessen, dass bereits die Einführung der Wochenfrist in § 36 Absatz 3 Satz 5 AsylVfG zu - sicherlich streitbarer - verfassungsrechtlicher Kritik mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit geführt hatte (vgl. nur Schoch, DVBl. 1993, 1161, 1169, m.w.N.), sollte jedenfalls die Regelung weiterer (zwingender) Fristen für gerichtliche Entscheidungen unterbleiben. Es ist grundsätzlich kritisch zu sehen, unabhängig von der Spruchreife eines anhängigen Verfahrens zu bestimmen, dass die Entscheidung innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat. Die Freiheit der Sachentscheidung und die Frage, ob ein Verfahren beschleunigt zu behandeln ist oder nicht, sollte dem zur Sachentscheidung berufenen Gericht überlassen bleiben. Das gilt insbesondere für gerichtliche Hauptsacheverfahren und dort in besonderem Maße für asylrechtliche Hauptsacheverfahren, in denen instanzabschließend über das Schicksal eines Asylantragstellers entschieden wird.

B.