Punkt 16 der 956. Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017
Der Bundesrat möge beschließen, den Gesetzentwurf nach folgender Maßgabe beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 81e Absatz 2 Satz 2 StPO), Nummer 2 (§ 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO)
Artikel 1 ist wie folgt zu fassen:
'Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I, S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 81e wird wie folgt geändert:
- a) ... <entspricht Artikel 1 Nummer 1 der Vorlage>
- b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- aa) Nach Satz 1 werden folgende Sätze 2 und 3 eingefügt:
"Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen auch Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe, das biologische Alter sowie die biogeographische Herkunft der Person getroffen werden. Feststellungen über andere als die in Satz 2 bezeichneten Tatsachen dürfen nicht erfolgen; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig."
- bb) ... <entspricht Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b der Vorlage>
- aa) Nach Satz 1 werden folgende Sätze 2 und 3 eingefügt:
2. In § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 wird die Angabe " § 81e Abs. 2" durch die Wörter " § 81e Absatz 2 zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts" ersetzt."
Folgeänderungen:
- a) Im Vorblatt ist der Text im Abschnitt "B. Lösung" wie folgt zu fassen:
"Es sollen die Untersuchungsmöglichkeiten in § 81e StPO auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, biologisches Alter sowie biogeographische Herkunft erweitert werden."
- b) Die Begründung "A. Allgemeiner Teil" ist wie folgt zu ändern:
- aa) Ziffer I ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Dem zweiten Absatz ist folgender Satz anzufügen:
"Nach Auskunft der Gemeinsamen Kommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute liegen darüber hinaus aussagekräftige DNA-Tests vor, die ermöglichen, aus kleinsten DNA-Mengen die kontinentale Herkunft einer Person mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99,9 Prozent zu bestimmen."
- bbb) Der vierte und fünfte Absatz sind wie folgt zu fassen:
"Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Ausweitung der Untersuchungsmöglichkeiten bestehen im Ergebnis nicht (so auch SK-Rogall, StPO, 4. Auflage 2014, § 81e Rn. 9). Ziel und Zweck der Regelungen über die Beschränkung der DNA-Analyse war es, "die Ausforschung schutzbedürftiger genetischer Anlagen des Betroffenen und die Feststellung genetisch bedingter schutzbedürftiger Persönlichkeitsmerkmale einem ausdrücklichen Verbot" zu unterstellen (BT-Drucksache 013/667, S. 7). Dies gilt beispielsweise für psychische, charakter- und krankheitsbezogene Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften, Krankheiten oder Krankheitsanlagen (BT-Drucksache 013/350, S. 12). Die Untersuchung von DNA-fähigem Material auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, biologisches Alter sowie biogeographische Herkunft berührt - wie auch die Untersuchung auf das Geschlecht (vgl. LöweRosenberg/Krause, StPO, 26. Auflage 2008, § 81e Rn. 24) - nicht den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit, da diese Merkmale, auch in Kombination, regelmäßig auch ohne genetische Untersuchung optisch wahrgenommen werden können.
Die molekulargenetische Untersuchung weiterer Merkmale wird in § 81e Absatz 1 Satz 3 sowie in Absatz 2 Satz 3 StPO-E ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen, die ein Persönlichkeitsprofil ergeben (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 -, BVerfGE 103, 21-41, Rn. 50 - zitiert nach juris). Von diesem Verbot umfasst ist - im Einklang mit der Gesetzesbegründung bei der Einführung des § 81e StPO (BT-Drucksache 013/667, S. 7) und der wohl überwiegenden Kommentarliteratur (vgl. Löwe-Rosenberg/Krause, StPO, 26. Auflage 2008, § 81e Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 81e Rn. 4) - auch das Verbot der Verwertung sogenannter Überschussinformationen, also Informationen über schutzbedürftige Persönlichkeitsmerkmale, die im Rahmen einer Untersuchung gegebenenfalls unvermeidbar anfallen. Damit ist auch ausgeschlossen, dass mittels DNA-Analyse Merkmale untersucht oder verwertet werden, die beispielsweise Rückschlüsse auf Infektionskrankheiten zulassen, sofern und soweit dies überhaupt technisch möglich ist."
- aaa) Dem zweiten Absatz ist folgender Satz anzufügen:
- bb) Ziffer II ist wie folgt zu fassen:
"II. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Es sollen die Untersuchungsmöglichkeiten in § 81e StPO auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, das biologische Alter sowie die biogeographische Herkunft erweitert werden."
- aa) Ziffer I ist wie folgt zu ändern:
- c) Die Begründung "B. Besonderer Teil" ist zu Artikel 1 wie folgt zu ändern:
- aa) In der Unterüberschrift "Zu Nummer 1 (§ 81e Absatz 1 StPO-E)" ist nach der Angabe "Nummer 1" die Angabe "Buchstabe a" einzufügen.
- bb) Die Unterüberschrift "Zu Nummer 2 (§ 81e Absatz 2 StPO-E)" ist durch die Unterüberschrift "Zu Nummer 1 Buchstabe b (§ 81e Absatz 2 StPO-E)" zu ersetzen.
- cc) Der Text der neuen Unterüberschrift "Zu Buchstabe b (§ 81e Absatz 2 StPO-E)" ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Die Absätze 1 und 2 sind wie folgt zu fassen:
"Durch die Änderung des Absatzes 2 sollen die zulässigen Untersuchungen von DNA-fähigem Material um die Merkmale Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, biologisches Alter sowie biogeographische Herkunft erweitert werden.
Diese im Regelfall, auch in Kombination, optisch und somit auch ohne DNA-Untersuchung wahrnehmbaren Körpermerkmale können nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Untersuchungen genetischer Informationen mit der im Folgenden jeweils angegebenen Vorhersagegenauigkeit bestimmt werden:
- - Augenfarbe blau oder braun: 90 bis 95 Prozent, - Haarfarben rot, blond, braun oder schwarz: 75 bis 90 Prozent,
- - Hautfarbe: helle und dunkle Hauttypen: 98 Prozent,
- - biogeographische kontinentale Herkunft: 99,9 Prozent."
- bbb) Nach dem vierten Absatz ist folgender Absatz einzufügen:
"Hinsichtlich der biogeographischen Herkunft lässt sich die kontinentale Herkunft einer Person durch die Untersuchung genetischer Informationen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent bestimmen. Möglich sind darüber hinaus auch bestimmte regionalspezifische Aussagen. Insbesondere auch in Kombination mit den übrigen feststellbaren Merkmalen sind bereits auf Grundlage des aktuellen Stands der Wissenschaft aussagekräftige Ergebnisse zu erwarten, die den Kreis von Verdächtigen - auch zu deren Schutz - einschränken können und so zielgerichtete und effektive Ermittlungsmaßnahmen ermöglichen."
- aaa) Die Absätze 1 und 2 sind wie folgt zu fassen:
- dd) Folgende Begründung ist anzufügen:
"Zu Nummer 2 (§ 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO-E)
Die Ergänzung in § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO zielt darauf ab, den Umfang der in der DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamts zu speichernden Daten gegenüber der bisherigen Rechtslage unverändert zu lassen. Der in § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO bislang enthaltene Verweis auf den gesamten § 81e Absatz 2 StPO hätte infolge dessen Erweiterung ansonsten zur Folge, dass künftig auch Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe, biologisches Alter sowie biogeographische Herkunft in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden dürften. Ein Bedarf hierfür ist derzeit indes nicht erkennbar."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Nummer 1:
Neben der Erweiterung der DNA-Analyse um die Merkmale der Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie des biologischen Alters ist auch die Aufnahme des Merkmals der biogeographischen Herkunft notwendig, um zum einen die Vorschriften der Strafprozessordnung an den heutigen Stand der Wissenschaft und Technik anzupassen und um zum anderen den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit zu eröffnen, bei einem unbekannten Täter den Kreis möglicher Tatverdächtiger so weit einzuschränken, dass zielgerichtete und effektive Ermittlungsmaßnahmen möglich sind. Auf diese Weise können auch Unbeteiligte frühzeitig aus dem Kreis möglicher Tatverdächtiger ausgeschieden und von Ermittlungsmaßnahmen, wie beispielsweise einem Reihengentest, verschont werden.
Die Aufnahme des Merkmals der biogeographischen Herkunft in den Katalog der feststellbaren Merkmale stellt auch kein "racial profiling" dar. Der Begriff bezeichnet eine Vorgehensweise, bei der eine Person an Hand von Kriterien wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft ohne konkrete Verdachtsmomente gegen das Individuum als verdächtig eingeschätzt wird. Bei der Feststellung des Merkmals der biogeographischen Herkunft geht es jedoch gerade darum, den Kreis möglicher Tatverdächtiger an Hand möglichst vieler Indizien so weit einzugrenzen, dass zielgerichtete Ermittlungsmaßnahmen möglich sind.
Zu Nummer 2:
Durch die Ergänzung des § 81g Absatz 5 Satz 2 Nummer 2 StPO soll Befürchtungen entgegengewirkt werden, es könnten in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamts über die bisher gespeicherten Kriterien hinaus auf Grund der Erweiterung der DNA-Analysemöglichkeiten zusätzliche Merkmale gespeichert werden, obwohl dazu derzeit keine Notwendigkeit gesehen wird.