Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, ein EU-weit hohes Gesundheitsschutzniveau für Patientinnen und Patienten im Medizinproduktebereich sicherzustellen, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und einen Rechtsrahmen zu schaffen, der Innovationen fördert und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Medizinprodukte-Industrie verbessert.
- 2. Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Verordnungsvorschlags, aktuell auftretende Divergenzen bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten künftig zu reduzieren und damit zur Steigerung der Sicherheit und Qualität von Invitro-Diagnostika (IVD) für Patientinnen und Patienten beizutragen.
- 3. Der Bundesrat ist gleichwohl der Auffassung, dass die im Verordnungsvorschlag enthaltenen Regelungen dem Patientenschutz nicht ausreichend Rechnung tragen. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, sich im weiteren Verfahren für die Aufnahme konkreter Regelungen zur Verbesserung der Patientensicherheit einzusetzen.
- 4. Insbesondere bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Regelungen für die Durchführung klinischer Leistungsstudien um das Erfordernis einer zwingenden Zustimmung durch eine unabhängige und interdisziplinär besetzte nationale Ethik-Kommission ergänzt werden.
- 5. Des Weiteren bittet der Bundesrat die Bundesregierung im Interesse des Probandenschutzes auf eine Regelung hinzuwirken, wonach die von den Mitgliedstaaten für die Durchführung der Verordnung benannten zuständigen Behörden die Durchführung klinischer Leistungsstudien überwachen.
- 6. Der Bundesrat hält das Rechtsinstrument der Verordnung im Medizinproduktebereich in der vorliegenden Form ohne den erforderlichen Detaillierungsgrad nicht für geeignet, das hohe Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen. Der fehlende Detaillierungsgrad wird aus der Vielzahl von Ermächtigungen für delegierte Rechtsakte und Durchführungsverordnungen ersichtlich. Insbesondere aufgrund unklarer und fehlender Regeln würde die unmittelbare Geltung der vorgeschlagenen Verordnung auch zu erheblichen Vollzugsproblemen für die Länder führen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher darauf hinzuwirken, dass die vorgeschlagene Verordnung entsprechend überarbeitet wird, um dem Charakter einer Verordnung zu genügen. Anderenfalls wäre zu prüfen, ob im derzeitigen Detaillierungsgrad durch das Rechtsinstrument der Richtlinie die Umsetzung der Ziele insbesondere zur Patientensicherheit auch erreicht werden kann.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass mit der im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über Invitro-Diagnostika vorgenommenen Anpassung der Regelungen an den neuen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten (Beschluss Nr. 768/2008) sowie mit der teilweisen Übernahme von Vorschriften aus der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 neue Pflichten und Aufgaben für die Wirtschaftsakteure und für die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten eingeführt werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiterhin, bei den weiteren Beratungen des Vorschlags darauf hinzuwirken, dass durch diese neuen Pflichten und Aufgaben für die Wirtschaftsakteure und für die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten keine unnötigen bürokratischen Kosten entstehen (zum Beispiel durch zusätzliche Meldeverpflichtungen oder durch das elektronische System für die Marktüberwachung).
Als Beispiele hierfür können etwa die zusätzlichen Berichtspflichten der Unternehmen, die neuen Anforderungen an ein System zur Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Produkten oder die geänderten Produktklassifizierungen genannt werden, durch die eine Verschiebung der Produkte hin zu hohen Risikoklassen droht. Es besteht die Gefahr, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen, die das Rückgrat der IVD-Industrie bilden, über Gebühr belastet werden. Dies ist insbesondere auch deshalb problematisch, weil von IVD im Regelfall ein geringeres Gefahrenpotential ausgeht als von Medizinprodukten, die in den Körper eingebracht werden.
- 8. Der Bundesrat bittet mithin die Bundesregierung, bei den weiteren Beratungen des Vorschlags darauf hinzuwirken, dass die neuen Verwaltungs- und Überwachungsregelungen auf ein unbedingt erforderliches Maß beschränkt werden, um die Belastung der betroffenen Unternehmen möglichst gering zu halten.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass das vom Verordnungsgeber genannte Ziel, einen innovationsfördernden Rechtsrahmen zu schaffen, durch geeignete Maßnahmen auch für die auf Nischenprodukte spezialisierten KMU erreicht werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden personalisierten Medizin muss die Rentabilität innovativer IVD-Produkte gerade mit geringen Stückzahlen auch weiterhin sicher gestellt werden können, um auch weiterhin eine qualitativ hohe Versorgung der Patientinnen und Patienten mit solchen Produkten gewährleisten zu können.
- 10. Aus Sicht des Bundesrates sollte insbesondere bei den Regelungen zum Inverkehrbringen und zur Inbetriebnahme in Artikel 4 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags der letzte Halbsatz "ordnungsgemäß geliefert, korrekt installiert und gewartet und bestimmungsgemäß verwendet wird" durch die Formulierung "bei ordnungsgemäßer Lieferung, korrekter Installation und Wartung, sowie bei bestimmungsgemäßer Verwendung die Gesundheit von Patientinnen und Patienten, Anwendern und Dritten nicht gefährdet" ersetzt werden. Die Klarstellung ist erforderlich, da bei der gegenwärtigen Formulierung ein Medizinprodukt nur in Verkehr gebracht werden dürfte, wenn es anschließend bestimmungsgemäß gewartet und verwendet wird. Die bestimmungsgemäße Wartung und Verwendung liegt jedoch in der Verantwortung des jeweiligen Betreibers und kann nicht vom Inverkehrbringer garantiert werden.
- 11. Zudem regt der Bundesrat an, dass bei den Regelungen zu den allgemeinen Pflichten der Händler in Artikel 12 Absatz 1 und 2 des Vorschlags die Wörter "in Verkehr bringen" durch die Wörter "auf dem Markt bereitstellen" ersetzt werden, da nach den Begriffsbestimmungen des Verordnungsvorschlags (Artikel 2 Nummer 14 in Verbindung mit Nummer 19) Händler Produkte nicht in Verkehr bringen, sondern auf dem Markt bereitstellen. Ohne diese Klarstellung würden die in Artikel 12 Absatz 1 und 2 aufgeführten Verpflichtungen ins Leere laufen.