940. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2015
A
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:
1. Zu Nummer 3
Nummer 3 ist zu streichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Nummer 3 ist darauf gerichtet, Anreize für Verbraucher zu schaffen, ihr Kapital in Wagniskapitalfonds anzulegen. Dies sind Alternative Investmentfonds, die ihrerseits in innovative Unternehmensgründungen ("Start-Ups") investieren. Als Anreiz wird insbesondere ein staatlicher Zuschuss zum Anlagekapital des Verbrauchers nach dem Vorbild des "INVEST"-Programms vorgeschlagen, bei dem Privatinvestoren staatliche Förderungen für direkte Geldanlagen in Start-Ups erhalten.
Eine staatliche Bezuschussung von Geldanlagen in Wagniskapitalfonds ist abzulehnen, da diese regemäßig mit hohem Verlustrisiko verbunden sind. Durch den Anreiz eines staatlichen Zuschusses könnten insbesondere unerfahrene Kleinanleger, für die diese Anlageformen nicht geeignet sind, zu dieser Anlage bewegt werden. Die Entscheidung für eine Anlage sollte aber nicht auf einmaligen finanziellen Zuschüssen beruhen, sondern auf einer individuellen Prüfung der Nachhaltigkeit und Geeignetheit des Finanzprodukts. Insofern stellt der Zuschuss einen klaren Fehlanreiz dar. Hinzu kommt, dass der Umstand einer staatlichen Förderung gerade bei unerfahrenen Anlegern ein Sicherheitsgefühl erzeugen kann, das für derartige riskante Produkte insbesondere bei geschlossenen Fonds nicht gerechtfertigt ist.
Ferner ist unklar, welche Geldanlagen von dem Begriff der Wagniskapitalfonds erfasst sein sollen. Der Begriff weist insbesondere keinen zwingenden Bezug zur Förderung von Start-Up-Unternehmen auf. Auch ist gerade mit Blick auf die Ausnahmeregelungen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) nicht gewährleistet, dass alle von dem Vorschlag umfassten Wagniskapitalfonds unter die verbraucherschützenden Vorschriften des KAGB fallen.
Zudem hat sich der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2015 zum Grünbuch der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion kritisch zu den Überlegungen geäußert, die kreditgestützte Unternehmensfinanzierung verstärkt durch Geldanlagen von Privatanlegern zu ersetzen. Die Umschichtung privaten Vermögens in Kapitalmarktinstrumente entspräche häufig weder den Anlagezielen noch der finanziellen Situation von Kleinanlegern, da insbesondere die Gefahr eines Totalverlustes, der von vielen Privatanlegern nur schwer abzufedern sei, erhöht wäre (BR-Drucksache 063/15(B) -, Ziffer 12).
2. Zu Nummer 4
Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:
"4. Die steuerliche Behandlung in Deutschland ansässiger Wagniskapitalfonds hängt entscheidend von der Frage ab, ob diese als gewerblich oder als vermögensverwaltend einzuordnen sind. Der Vorteil des vermögensverwaltenden Status liegt darin, dass die Einkünfte des Fonds direkt den Gesellschaftern bzw. Investoren zugerechnet werden (Steuertransparenz des Fonds). Ausgehend von der gesetzlichen Definition des Gewerbebetriebs hat die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen - auch für den Bereich des Wertpapierhandels - eine Trennlinie zwischen Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit gezeichnet. Auf dieser Basis hat die Finanzverwaltung im so genannten Private-Equity-Erlass vom 16. Dezember 2003 dargelegt, wie diese Grundsätze bei Beteiligungskapitalfonds auszulegen sind. Der Bundesrat stellt fest, dass der PrivateEquity-Erlass aus verschiedenen Perspektiven kritisiert wird. Aus Sicht der Investoren sind die Kriterien zu streng ausgelegt, die Rechtsprechung hat dagegen angedeutet, dass die Auslegung der Finanzverwaltung eine Verschiebung der Trennlinie zugunsten der Vermögensverwaltung bedeuten könnte. Vor diesem Hintergrund besteht seitens der Investoren ein erhebliches Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu prüfen, ob durch das Setzen eines verbindlichen Rechtsrahmens für privilegierte Wagniskapitalfonds in Form eines Gesetzes mehr Klarheit und Rechtssicherheit für Investoren und Fonds geschaffen werden kann."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen aus dem Jahr 2008 wurde bereits ein Versuch unternommen, den vermögensverwaltenden Status begünstigter Wagniskapitalfonds zu fixieren, der jedoch weder die Erwartungen der Betroffenen erfüllen konnte noch einer beihilferechtlichen Prüfung durch die Kommission standhielt. Grundsätzliches Problem ist, dass sich viele Beteiligungskapitalfonds in einer schmalen Zone zwischen Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit bewegen. Eine gesetzliche Regelung, die lediglich abstrakt den Status quo festschreibt, wird kaum weiterhelfen. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass dadurch eine Fortführung der bisherigen Verwaltungspraxis nicht mehr möglich ist, wodurch auch die Handlungsspielräume der Fonds eingeschränkt würden. Auch könnten die bisher im Private-Equity-Erlass fixierten Auslegungsgrundsätze in den Fokus der Kommission - mit ungewissem Ausgang - geraten.
Eine gesetzliche Regelung zur "Steuertransparenz" sollte sich daher auf privilegierte Wagniskapitalfonds beschränken. In diesem Fall könnte innerhalb eines eigenen Rechtsrahmens den Besonderheiten von Wagniskapitalinvestitionen Rechnung getragen werden, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen gewerblicher Tätigkeit und Vermögensverwaltung zu beeinflussen.
3. Zu Nummer 5
In Nummer 5 sind die Sätze 2 und 3 wie folgt zu fassen:
"Die bestehende Stille-Reserven-Klausel ist in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben; sie ist allerdings gerade bei innovativen Startups, bei denen selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern eine erhebliche Bedeutung zukommt, sehr risikobehaftet. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit bei begünstigten Wagniskapitalfinanzierungen praxistaugliche Ausnahmen von der Notwendigkeit einer Bewertung der stillen Reserven geschaffen werden können."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Bewertung selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter wird sich unabhängig davon, ob die Finanzverwaltung Hinweise und Konkretisierungen zur Anwendung der Stille-Reserven-Klausel gibt, in der Praxis stets als schwierig und damit konfliktbehaftet erweisen. Deswegen sollten für den Wagniskapitalbereich praxistaugliche Lösungen gefunden werden, durch die eine Bewertung der stillen Reserven für steuerliche Zwecke überflüssig wird. Es geht um Rechts- und Planungssicherheit für die betroffenen Startups sowie Wagniskapitalinvestoren. In Nummer 4 des Entschließungsantrags wird gerade kritisiert, dass eine Verwaltungsanweisung hierfür nicht ausreichend ist. Etwas anderes kann auch nicht für die Stille-Reserven-Klausel der Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften gelten. Bei zielgenauer Beschränkung der vereinfachten Ausnahme auf Wagniskapitalfinanzierungen wird auch das Risiko von Gestaltungsmöglichkeiten minimiert.
4. Zu Nummer 6
In Nummer 6 ist Satz 2 durch folgende Sätze zu ersetzen:
"Die bestehende Steuerfreistellung dieser Gewinne im Körperschaftsteuerrecht ist dabei zweifellos eine Stärke des Wagniskapitalstandortes Deutschland, da die Rendite des Wagniskapitalinvestors im Wesentlichen durch den Veräußerungsgewinn nach Steuern bestimmt wird. Vor diesem Hintergrund sollten im Rahmen dieser Überprüfung keine Konsequenzen gezogen werden, die zu einer Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital führen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Innerhalb der Großen Koalition ist eine ergebnisoffene Prüfung vereinbart, so dass Vorabfestlegungen vermieden werden sollten. Einigkeit besteht darüber, dass es in keinem Fall zu einer Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital kommen darf. Auf diese Positionierung sollte sich der Bundesrat beschränken.
5. Zu Nummer 7
Nummer 7 ist zu streichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die in der Nummer 7 zum Ausdruck kommende Intention, Versicherungen und Pensionskassen für Investitionen in Wagniskapital zu gewinnen, gibt zu Besorgnis Anlass. Gerade vor dem Hintergrund teils hochriskanter Investments bestehen begründete Zweifel an ausreichenden Sicherungen für die finanziellen Rücklagen breiter Kundenkreise von Versicherungen und Pensionskassen.
6. Zu Nummer 8 Satz 3, Satz 5 - neu -, Satz 6 - neu
Nummer 8 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 3 sind die Wörter "nicht isoliert auf nationaler, sondern" zu streichen.
- b) Nach Satz 4 sind folgende Sätze einzufügen:
"Solange ein einheitlicher Regulierungsrahmen für Crowdinvestment-Plattformen auf europäischer Ebene nicht existiert, bedarf es allerdings nationaler Vorgaben, die insbesondere den Belangen von Kleinanlegern Rechnung tragen. Das durch nationale Regelungen bereits erreichte Schutzniveau für Kleinanleger sollte durch europäische Regelungen nicht wieder abgesenkt werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Das Ziel eines einheitlichen rechtlichen Rahmens für Crowdinvestment-Plattformen auf europäischer Ebene ist grundsätzlich zu begrüßen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich beim Crowdinvesting um eine spekulative Anlageform mit teils hohem Risiko handelt. Im schlimmsten Fall ist auch ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich. Die meisten Kleinanleger sind finanziell aber nicht in der Lage, einen Totalverlust abzufedern und daher besonders schutzbedürftig. Solange ein einheitlicher europäischer Regulierungsrahmen nicht besteht, müssen daher Regelungen zum Schutz von Kleinanlegern auf nationaler Ebene geschaffen werden. Auch sollte klargestellt werden, dass verbraucherschützende nationale Regelungen, wie beispielsweise die absehbar in Kraft tretenden Regelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes, nicht durch europäische Regelungen wieder aufgeweicht werden dürfen.
B
Der Finanzausschuss hat seine Beratungen noch nicht abgeschlossen.*
- *. Das Land Berlin hat beim Präsidenten des Bundesrates beantragt, die Vorlage auf die Tagesordnung der
940. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2015 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.