Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Grünbuch der Kommission: Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik KOM (2010) 284 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.


Hinweis: vgl. AE-Nr. 090056
Europäische Kommission
Brüssel, den 2.6.2010
KOM (2010) 284 endgültig

Grünbuch
Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik {KOM (2010) 285 endgültig} {KOM (2010) 286 endgültig} {SEK(2010) 669}(Text von Bedeutung für den EWR)

1. Einleitung

Das Ausmaß der durch den Konkurs der Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 infolge einer unzweckmäßigen Verbriefung amerikanischer "Subprime"-Hypotheken ausgelösten Finanzkrise hat die Behörden weltweit dazu veranlasst, die tatsächliche Solidität der Finanzinstitute sowie ihre Regulierung und Beaufsichtigung angesichts der finanzwirtschaftlichen Innovationen in einer globalisierten Welt einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Die massive Bereitstellung öffentlicher Mittel - bis zu 25% des BIP - in den Vereinigten Staaten und in Europa war begleitet vom nachdrücklichen politischen Willen, Lehren aus sämtlichen Dimensionen der Finanzkrise zu ziehen, um die Wiederholung einer derartigen Situation künftig zu vermeiden.

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 4. März 20091, die praktisch ein Reformprogramm für den Regulierungs- und Aufsichtsrahmen der Finanzmärkte auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des de-Larosière-Berichts2 darstellt, angekündigt, dass sie

Die Stärkung der Corporate Governance ist das Herzstück des von der Kommission erstellten Programms zur Finanzmarktreform und Krisenverhütung. Nachhaltiges Wachstum ist ohne Verantwortungsbewusstsein und gesundes Risikomanagement in den Unternehmen nicht denkbar.

Wie im de-Larosière-Bericht betont wird, muss festgestellt werden, dass sowohl die Verwaltungsräte als auch die Aufsichtsinstanzen oftmals weder die Art noch den Umfang der Risiken verstanden haben, mit denen sie konfrontiert waren. Die Aktionäre sind ihrer Rolle als Unternehmenseigner nicht immer einwandfrei gerecht geworden. Selbst wenn die Krise nicht unmittelbar der Corporate Governance anzulasten ist, so hat doch das Fehlen wirksamer Kontrollmechanismen wesentlich dazu beigetragen, dass Finanzinstitute überhöhte Risiken eingegangen sind. Diese allgemeine Feststellung ist um so beunruhigender, als der Corporate Governance als Regulierungsinstrument der Unternehmen in den letzten Jahren zahlreiche Qualitäten zugeschrieben wurden. Folglich war das in den Finanzinstituten bestehende Corporate-Governance-System entweder unzulänglich, oder es wurde nicht korrekt angewandt.

Im Sektor der Finanzdienstleistungen muss die Corporate Governance aufgrund des systemischen Charakters zahlreicher Akteure den Interessen anderer Beteiligter (Einleger, Sparer, Inhaber von Lebensversicherungen usw.) sowie der Stabilität des Finanzsystems Rechnung tragen. Gleichzeitig ist jegliche Gefahr fahrlässigen Fehlverhaltens ("moral hazard") zu vermeiden, weswegen privatwirtschaftliche Akteure nicht aus der Verantwortung entlassen werden dürfen. Es obliegt also dem Verwaltungsrat, unter der Aufsicht der Aktionäre den Ton vorzugeben und insbesondere die Strategie, das Risikoprofil und die Risikoaffinität des von ihm geleiteten Instituts festzulegen.

Die in diesem Grünbuch behandelten Ansätze können die zur Konsolidierung des Finanzsystems getroffenen oder ins Auge gefassten rechtlichen Vorkehrungen, insbesondere im Rahmen der Reform der europäischen Aufsichtsstruktur3, der Eigenkapitalrichtlinie4, der Solvency-II-Richtlinie5 für Versicherungsgesellschaften, der OGAW-Neuordnung und der Vorschriften für Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM), begleiten und ergänzen.

Außerdem müssen die Governance-Vorschriften der Art (Privatkundenbank, Investmentbank) und natürlich der Größe des Instituts Rechnung tragen. Die in diesem Grünbuch zur Konsultation vorgelegten Grundsätze ordnungsgemäßer Governance richten sich in erster Linie an große Finanzinstitute. Um wirksam auf Institute geringerer Größe angewandt werden zu können, müssten sie angepasst werden.

Dieses Grünbuch sollte in Verbindung mit dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen (SEK(2010) 669) "Corporate Governance in Financial Institutions: Lessons to be drawn from the current financial crisis, best practices" gelesen werden. Darin wird eine Bestandsaufnahme vorgenommen.

Daneben ist zu betonen, dass die G-20 seit ihrer Tagung vom 15. November 2008 in Washington bemüht ist, auf eine strengere Reglementierung u. a. des Risikomanagements und der Vergütungspraktiken in Finanzinstituten hinzuwirken6.

Und schließlich möchte die Kommission bereits jetzt ankündigen, dass sie demnächst breitere Überlegungen zur Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften allgemein und insbesondere zur Stellung und Rolle der Aktionäre, zur Aufteilung der Aufgaben zwischen Aktionären und Verwaltungsräten im Hinblick auf die Beaufsichtigung der Geschäftsführung, zur Zusammensetzung der Verwaltungsräte sowie zur sozialen Verantwortung von Unternehmen anstellen wird.

2. der Begriff der Corporate Governance und die Finanzinstitute

Corporate Governance im herkömmlichen Sinn bezeichnet die Beziehungen zwischen der Geschäftsführung eines Unternehmens, seinem Verwaltungsrat, den Aktionären und anderen Beteiligten wie Beschäftigten und ihren Vertretern. Daneben bestimmt der Begriff die Struktur, durch die die Unternehmensziele sowie die Mittel zu deren Verwirklichung und zur Gewährleistung der Überwachung der erzielten Resultate festgelegt werden7.

Der Konkurs eines Finanzinstituts und insbesondere einer Bank kann aufgrund der Art der Geschäftstätigkeit und der wechselseitigen Abhängigkeit innerhalb des Finanzsystems durch einen Domino-Effekt die Insolvenz weiterer Finanzinstitute nach sich ziehen. Dies kann, wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, unverzüglich eine drastische Einschränkung der Kreditvergabe nach sich ziehen und durch die so entstehende Kreditklemme in die Rezession führen. Dieses systemische Risiko hat die Regierungen veranlasst, den Finanzsektor mit Mitteln der öffentlichen Hand zu stützen. Daher ist der Steuerzahler zwangsläufig als Akteur am Funktionieren der Finanzinstitute beteiligt, wobei die Zielsetzung auf langfristige finanzielle Stabilität und wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet ist.

Im Übrigen stehen die Interessen der Gläubiger von Finanzinstituten (Einleger, Inhaber von Versicherungspolicen oder Begünstigte von Pensionsplänen sowie, in gewissem Maße, Beschäftigte) potenziell den Interessen ihrer Aktionäre entgegen. Die Aktionäre profitieren von Aktienkurssteigerungen und der kurzfristigen Profitmaximierung und haben daher potenziell geringeres Interesse an einem zu niedrigen Risikoniveau. Einleger und andere Gläubiger konzentrieren ihre Aufmerksamkeit hingegen auf die Fähigkeit des Finanzinstituts zur Rückzahlung ihrer Einlagen und sonstigen Forderungen bei Fälligkeit - also dessen langfristige Lebensfähigkeit. Die Einleger ziehen daher tendenziell ein sehr niedriges Risikoniveau vor8.

Die meisten Finanzinstitute unterliegen insbesondere aufgrund dieser mit ihrer Geschäftstätigkeit verbundenen Besonderheiten einer strengen Reglementierung und Aufsicht. Aus denselben Gründen kann die interne Governance von Finanzinstituten nicht auf einen einfachen Interessenkonflikt zwischen Aktionären und der Geschäftsführung reduziert werden. Daher müssen die Regeln zur Corporate Governance von Finanzinstituten so angepasst sein, dass sie der spezifischen Art dieser Unternehmen Rechnung tragen. Insbesondere kommt den Aufsichtsbehörden, deren Auftrag zur Wahrung der Finanzstabilität sich mit den Interessen der Einleger und anderen Gläubiger deckt, die vom Finanzsektor eingegangenen Risiken zu kontrollieren, eine wichtige Rolle bei der Festlegung vorbildlicher Governance-Verfahren in Finanzinstituten zu.

Diesen Besonderheiten der Finanzinstitute und der Rolle der Aufsichtsbehörden wird in verschiedenen Rechtsinstrumenten und Empfehlungen für Finanzinstitute und insbesondere für Banken auf internationalem und europäischem Niveau bereits Rechnung getragen9.

Allerdings sind die bestehenden Regeln und Empfehlungen vorwiegend von aufsichtspolitischen Erwägungen diktiert und konzentrieren sich auf das Bestehen zweckmäßiger Strukturen für die interne Kontrolle, das Risikomanagement sowie Revision und Compliance innerhalb von Finanzinstituten. Sie haben, wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, die Übernahme übermäßiger Risiken durch die Finanzinstitute nicht verhindert.

3. Mängel und Schwächen der Corporate Governance in Finanzinstituten

Nach Auffassung der Kommission dürfte ein wirksames Corporate-Governance-System mit Kontroll- und Ausgleichsmechanismen ("Checks and Balances") dazu führen, dass die wichtigsten Beteiligten in den Finanzinstituten (Verwaltungsräte, Aktionäre, Geschäftsleitung usw.) stärker in die Pflicht genommen werden. Leider musste die Kommission feststellen, dass die Finanzkrise und ihre schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen wiederum zu einem ernsthaften Verlust an Vertrauen in die Finanzinstitute geführt haben; dies gilt insbesondere für die nachfolgend genannten Bereiche und Akteure.

3.1. Interessenkonflikte

Die Problematik von Interessenkonflikten und des Umgangs damit ist nicht neu. Diese Problematik besteht in jeder Organisation und jedem Unternehmen. Bei Finanzinstituten stellt sie sich aufgrund des systemischen Risikos, des Transaktionsvolumens, der Vielfalt der erbrachten Finanzdienstleistungen und der komplexen Struktur großer Finanzkonzerne in besonders zugespitzter Forum. Die Gefahr von Interessenkonflikten kann sich in unterschiedlichen Situationen ergeben (Ausübung inkompatibler Funktionen oder Tätigkeiten, z.B. Investitionsberatung bei gleichzeitigem Management von Investitionsfonds oder gleichzeitiger Mittelverwaltung auf eigene Rechnung, Wahrnehmung nicht zu vereinbarender Mandate bei verschiedenen Kunden/Finanzinstituten). Diese Problematik kann sich auch in den Beziehungen zwischen dem Finanzinstitut und seinen Aktionären/Investoren ergeben, insbesondere im Falle des Bestehens von gegenseitigen Beteiligungen oder Handelsbeziehungen zwischen dem institutionellen Investor (zum Beispiel über dessen Muttergesellschaft) und dem Finanzinstitut, in das er investiert.

Auf Gemeinschaftsebene stellt die MiFID-Richtlinie10, die einen spezifischen Abschnitt zur Behandlung gewisser Aspekte dieser Problematik enthält, einen wichtigen Fortschritt dar.

Dennoch stellt sich aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen den Investoren und Aktionären einerseits und dem Finanzinstitut andererseits (die durch die stetig zunehmende Komplexität und Diversifizierung der von den Finanzinstituten erbrachten Dienstleistungen noch verschärft wird) die Frage, ob die verschiedenen Situationen, in denen sich Interessenkonflikte in Bezug auf Finanzinstitute ergeben, von den Märkten wirksam erkannt und überwacht werden. Daneben ist, wie auch in dem gemeinsamen Bericht der Ausschüsse CEBS, CEIOPS und CESR über die interne Governance11 bemerkt wurde, ein Mangel an Kohärenz in Bezug auf den Inhalt und die Einzelheiten der Vorschriften zu Interessenkonflikten festzustellen, denen unterschiedliche Finanzinstitute je nachdem, ob sie den Bestimmungen der MiFID-Richtlinie, der Eigenkapitalrichtlinie, der OGAW-Richtlinie12 oder der Solvency-II-Richtlinie anwenden müssen, unterliegen.

3.2. Das Problem der wirksamen Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze durch Finanzinstitute

Nach allgemeiner Auffassung13 wurden die mit der Finanzkrise deutlich gewordenen Probleme durch die bestehenden Corporate-Governance-Grundsätze - seien es die Prinzipien der OECD, die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für den Bankenbereich oder das einschlägige Gemeinschaftsrecht14 - bereits in gewissem Umfang erfasst. Insofern hat die Finanzkrise gezeigt, dass die Grundsätze der Corporate Governance im Sektor der Finanzdienstleistungen und insbesondere im Bankensektor keine ausreichende praktische Wirkung haben. Zur Erklärung dieses Umstandes wurden mehrere Gründe angeführt:

3.3. Verwaltungsrat15

Die Finanzkrise hat deutlich belegt, dass die Verwaltungsräte der Finanzinstitute ihre Schlüsselrolle als Machtzentrum nicht wahrgenommen haben. Deshalb waren sie nicht in der Lage, die Geschäftsführung wirksam zu kontrollieren und eine kontradiktorische Analyse der ihnen zur Genehmigung vorgelegten Maßnahmen oder strategischen Orientierungen vorzunehmen.

Nach Auffassung der Kommission war ihr Versagen bei der Einschätzung, dem Verständnis und letztlich der Beherrschung der Risiken, denen ihre Finanzinstitute ausgesetzt waren, eine zentrale Ursache der Finanzkrise. Für dieses Versagen waren mehrere Gründe oder Faktoren maßgeblich:

Die Kommission ist der Auffassung, dass diese gravierenden Schwächen oder Versäumnisse schwerwiegende Fragen in Bezug auf die Qualität der Benennungsverfahren aufwerfen. Die wichtigste Qualität eines Verwaltungsrates besteht in seiner Zusammensetzung.

3.4. Risikomanagement

Risikomanagement ist eines der Schlüsselelemente der Corporate Governance, insbesondere für Finanzinstitute. So sind mehrere große Finanzinstitute gescheitert, weil elementare Risikokontroll- und -managementregeln vernachlässigt wurden. Daneben haben die Finanzinstitute dem Risikomanagement kein ganzheitliches Konzept zu Grunde gelegt. Die wichtigsten Schwächen oder Unzulänglichkeiten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Kommission betrachtet die oben aufgezeigten Mängel und Unzulänglichkeiten als sehr besorgniserregend, da sie offenbar das Fehlen einer gesunden Risikomanagementkultur belegen, und zwar bei einigen Finanzinstituten auf sämtlichen Ebenen. In Bezug auf den letztgenannten Punkt tragen die Leiter der Finanzinstitute eine besondere Verantwortung; zur Vermittlung einer gesunden Risikomanagementkultur auf sämtlichen Ebenen müssen sie nämlich selbst diesbezüglich beispielhaft sein.

3.5. Rolle der Aktionäre

Im Zuge der Finanzkrise ist jetzt festzustellen, dass das Vertrauen in das Modell des Aktionärs als Eigentümer und an der langfristigen Überlebensfähigkeit des Unternehmens Beteiligter erheblich beschädigt wurde. Die zunehmende "Finanziarisierung" der Ökonomie infolge der Vervielfältigung der Finanzierungsquellen und der Kapitalzufuhr hat neue Kategorien von Aktionären auf den Plan gerufen. Diese zeigen offenbar oftmals geringes Interesse an den langfristigen Zielen der Governance der Unternehmen/Finanzinstitute, in die sie investieren, und können aufgrund ihres relativ kurzen und teilweise sogar extrem kurzen Anlagehorizonts (drei bis sechs Monate) selbst Triebkräfte einer übermäßigen Risikoneigung sein17. In dieser Hinsicht hat die angestrebte Angleichung der Interessen der Geschäftsleitung an jene der neuen Aktionärskategorien die Risikoneigung noch verstärkt, und in vielen Fällen - auf der Grundlage des kurzfristigen Aktienkurses des Unternehmens/Instituts als alleiniges Leistungskriterium - zu übermäßigen Vergütungen der Geschäftsführer beigetragen18. Für diese zunehmende Passivität bzw. das Desinteresse der Aktionäre gegenüber den Finanzinstituten, an denen sie beteiligt sind, gibt es mehrere mögliche Gründe:

Die Kommission ist sich der Tatsache bewusst, dass diese Problematik nicht nur die Finanzinstitute betrifft. Sie wirft allgemeiner die Frage nach der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Regeln, die von einer wirksamen Kontrolle durch die Aktionäre ausgehen, auf. Aufgrund dieses Umstandes wird die Kommission breiter angelegte Reflexionen in Bezug auf börsennotierte Gesellschaften im Allgemeinen anstellen.

3.6. Rolle der Aufsichtsorgane

Die jüngste Finanzkrise hat ganz allgemein die Grenzen des bestehenden Aufsichtssystems aufgezeigt: Obwohl sie über bestimmte Instrumente verfügen, die ihnen Eingriffe in die interne Governance der Finanzinstitute erlauben19, waren die Aufsichtsbehörden auf nationaler wie europäischer Ebene vor dem Hintergrund finanzwirtschaftlicher Innovationen und der raschen Entwicklung des Geschäftsmodells der Finanzinstitute nicht immer in der Lage, ihre Aufsichtsfunktion wirksam wahrzunehmen20.

Außerdem haben die Aufsichtsbehörden es versäumt, für die Einrichtung guter Corporate-Governance-Praktiken in den Finanzinstituten Sorge zu tragen. In vielen Fällen haben die Aufsichtsorgane sich nicht davon vergewissert, dass die Risikomanagementsysteme und die Initiativgeist der Aktionäre in dieser Frage, dem explosionsartigen Anstieg des variablen Vergütungsanteils und insbesondere der zunehmenden Vielfalt von Plänen zur Beteiligung am Unternehmensgewinn durch die Zuteilung von Aktien oder Aktienoptionen zusammenhängen, erschien es der Kommission notwendig, am 30. April 2009 eine neue Empfehlung zu verabschieden22. Diese zielt auf eine strengere Reglementierung der Managervergütung ab und enthält mehrere Grundsätze, durch die die Vorstandsgehälter strukturell enger mit der langfristigen Leistung verknüpft werden sollen. interne Organisation der Finanzinstitute den Veränderungen im Geschäftsmodell der Finanzinstitute und den Innovationen im Finanzsektor angemessen waren. Teilweise haben die Aufsichtsbehörden es auch versäumt, die strikten Kriterien der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung ("Fit & Proper-Test") für die Auswahl von Verwaltungsratsmitgliedern21 der Finanzinstitute ordnungsgemäß anzuwenden.

Generell wurden die mit der Governance der Aufsichtsbehörden selbst verbundenen Probleme, insbesondere die Möglichkeiten zur Eindämmung des Risikos der Vereinnahmung von Rechtsvorschriften ("regulatory capture") oder der Ressourcenmangel niemals wirklich erörtert. Außerdem zeigt sich in zunehmendem Maße, dass die territorialen und sachlichen Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden nicht mehr der geographischen und sektoralen Ausdehnung der Geschäftstätigkeiten der Finanzinstitute entsprechen. Dadurch wird für Letztere das Risikomanagement und die Einhaltung der Regulierungsvorschriften erschwert, während sich für die Aufsichtsbehörden Schwierigkeiten bei der Organisation und der gegenseitigen Zusammenarbeit ergeben.

3.7. Rolle der Revisoren

Revisoren spielen im Corporate-Governance-System der Finanzinstitute eine zentrale Rolle, da sie dem Markt die Sicherheit geben, dass die von den Instituten erstellten Finanzübersichten wahrheitsgemäß sind. Allerdings können Interessenkonflikte bestehen, da die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von den Unternehmen, deren Bücher sie prüfen sollen, beauftragt und bezahlt werden.

Gegenwärtig ist auch nicht zu belegen, dass die den Revisoren gemäß Richtlinie 2006/48/EG obliegende Verpflichtung, die zuständigen Behörden zu verständigen, wenn sie Kenntnis von Umständen erhalten, die ernsthafte Auswirkungen auf die Finanzlage des betreffenden Finanzinstituts haben können, in der Praxis wirklich eingehalten wurde.

4. Erste Antworten

Die Kommission hatte sich im Rahmen ihrer Mitteilung vom 4. März 2009 und ihrer Maßnahmen zur Belebung der europäischen Wirtschaft verpflichtet, die Frage der Vergütung zu behandeln. Die Kommission hat die internationale Debatte über missbräuchliche Vergütungspraktiken angestoßen und hat sich an erster Stelle für die Umsetzung der Grundsätze des FSB und der G20 zur Vergütungspolitik in der Europäischen Union stark gemacht. Die Kommission ließ dabei die Frage der Angemessenheit bestimmter Vergütungsniveaus außer Acht und ging von zwei Feststellungen aus:

Trotz günstiger Rahmenbedingungen für strikte einschlägige Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten ergibt sich ein Jahr nach Annahme der beiden oben genannten Empfehlungen aus der Sicht der Kommission ein gemischtes Bild in den Mitgliedstaaten24.

In mehreren Mitgliedstaaten ist zwar eine entschlossene Rechtsetzungstätigkeit zur Steigerung der Transparenz in Bezug auf die Vergütung von Managern börsennotierter Unternehmen und eine Stärkung der diesbezüglichen Aktionärsrechte zu beobachten, doch haben lediglich zehn Mitgliedstaaten die Empfehlungen der Kommission in ihrer Mehrheit umgesetzt. Viele Mitgliedstaaten haben diesbezüglich immer noch keine Maßnahmen getroffen. Und selbst wenn die Empfehlungen Maßnahmen auf nationaler Ebene nach sich zogen, stellt die Kommission große Unterschiede in Bezug auf den Inhalt und die Anforderungen der entsprechenden Regeln fest, insbesondere bei sensiblen Fragen wie der Vergütungsstruktur und den Abfindungen. Auch im Hinblick auf die Vergütungspolitik im Bereich von Finanzdienstleistungen hegt die Kommission weiterhin Bedenken. Nur 16 Mitgliedstaaten haben die Empfehlung der Kommission vollständig oder teilweise umgesetzt, 5 nehmen die Umsetzung derzeit vor. Sechs Mitgliedstaaten haben bislang keine Maßnahmen auf diesem Gebiet getroffen und haben auch nicht vor, dies zu tun. Diese Zahl ist immer noch zu hoch. Außerdem bestehen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten große Unterschiede in Bezug auf die Intensität der getroffenen Maßnahmen (insbesondere der Vorschriften zur Vergütungsstruktur) und ihren Geltungsbereich. So wenden nur sieben Mitgliedstaaten die in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze - wie von der Kommission ausdrücklich angeregt - auf den gesamten Finanzsektor an.

5. Ansätze für die zukunft

Nach Auffassung der Kommission müssen für die in Abschnitt 3 dargelegten Mängel konkrete Lösungen erarbeitet werden, die zu einer Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken in den Finanzinstituten führen, wobei der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzindustrie zu wahren, Rechnung zu tragen ist. In diesem Abschnitt werden verschiedene Ansätze zur Behebung dieser Mängel entwickelt und der Versuch unternommen, die einerseits erforderliche Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken der Finanzinstitute mit der andererseits bestehenden Notwendigkeit, ihnen die Möglichkeit zu geben, durch die Finanzierung der Unternehmen und Haushalte einen Beitrag zur Konjunkturerholung zu leisten, in Einklang zu bringen. Die Kommission fordert alle interessierten Parteien auf, ihren Standpunkt zu den unten beschriebenen Überlegungen zu äußern. Jeder dargestellte Lösungsansatz könnte zur Erarbeitung von Maßnahmen im Bereich der Corporate Governance von Finanzinstituten führen. Der zusätzliche Nutzen solcher Maßnahmen müsste allerdings durch Folgenabschätzungen gemäß den einschlägigen Leitlinien25 der Kommission bewertet werden.

Die Kommission prüft derzeit insbesondere die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Verbesserung des Funktionierens, der Zusammensetzung und der Kompetenzen des Verwaltungsrats, zur Stärkung der Risikomanagementfunktionen, zur Ausdehnung der Rolle externer Wirtschaftsprüfer und zur Stärkung der Rolle der Aufsichtsbehörden auf dem Gebiet der Governance von Finanzinstituten. Der Platz und die Rolle, die den Aktionären zukommen, werden ebenfalls untersucht.

Das Verhalten der verschiedenen Akteure zu verändern, ist die eigentliche Herausforderung jeder Maßnahme zur Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken. Dieses Ziel kann nicht allein durch Einführung neuer Regeln erreicht werden. Eine wirksame Finanzaufsicht ist ebenfalls notwendig.

Die unterschiedlichen Lösungen, die nachfolgend vorgestellt werden, bilden ein Gesamtkonzept, mit dem die Unternehmensführung in Finanzinstituten allgemein verbessert werden soll. Die konkrete Anwendung der entsprechenden Maßnahmen sollte verhältnismäßig sein und könnte nach Maßgabe der Rechtsform, Größe, Art und Komplexität des betreffenden Finanzinstituts sowie der verschiedenen bestehenden juristischen und ökonomischen Modelle variieren.

5.1. Verwaltungsrat

Angesichts der Mängel, die in der jüngsten Krise zu Tage getreten sind, scheint es notwendig, im Verwaltungsrat ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Kompetenz zu gewährleisten. Auswahlverfahren, die den Kompetenzbedarf des Verwaltungsrats präzise erfassen und auf die Gewährleistung der Objektivität und Unabhängigkeit der Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder ausgerichtet sind, könnten dazu beitragen, die Fähigkeit des Verwaltungsrats zur wirksamen Kontrolle der Geschäftsführung zu verbessern.

Um die Objektivität und Unabhängigkeit der Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder zu wahren, müssen offensichtlich die Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Verwaltungsrat, aber auch im Finanzinstitut allgemein, gestärkt werden, indem insbesondere klare Verfahren zum Umgang mit Interessenkonflikten eingerichtet werden.

Angesichts der zentralen Rolle des Vorsitzenden bei der Organisation der Arbeit des Verwaltungsrats sollten dessen Kompetenzen, seine Rolle und Verantwortlichkeiten klar definiert sein.

Außerdem sollten Überlegungen zur Vielfalt bei der Zusammensetzung der Verwaltungsräte angestellt werden. Größere Vielfalt bei der Besetzung (z.B. Frauen, Verwaltungsratsmitglieder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft) entspräche nicht nur der Notwendigkeit, über spezifische individuelle Qualitäten (Unabhängigkeit, Kompetenz, Erfahrung usw.) zu verfügen, sondern kann auch zur Qualität der Arbeiten des Verwaltungsrats beitragen.

Angesichts der zunehmenden Komplexität der Strukturen und Aktivitäten von Kreditinstituten sollten geeignete Mittel gefunden werden, um die Arbeit des Verwaltungsrats wirkungsvoller zu machen. Insbesondere sollte eine Begrenzung der Anzahl der Mandate von Verwaltungsratsmitgliedern in Betracht gezogen werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben genug Zeit zu widmen.

Daneben scheint es notwendig, den Prozess der Leistungsbewertung des Verwaltungsrats stärker zu formalisieren, indem insbesondere die Rolle der externen Bewerter genau definiert und die Bewertungsergebnisse den Aufsichtsbehörden und/oder den Aktionären mitgeteilt werden, um diesen eine Beurteilung der Befähigung und Wirksamkeit des Verwaltungsrats zu ermöglichen.

Außerdem erscheint es notwendig, das Mandat und die Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrats, und zwar insbesondere dessen Rolle bei der Risikoüberwachung, zu stärken. Die Einrichtung eines auf die Risikoüberwachung spezialisierten Ausschusses innerhalb des Verwaltungsrates sollte in Betracht gezogen werden. Die Billigung der Risikostrategie und des Risikoprofils durch den Verwaltungsrat in einer veröffentlichten Erklärung über die Beherrschung der Risiken könnte ebenfalls zu einem ordnungsgemäßen Risikomanagement und einer korrekten Risikoüberwachung innerhalb der Finanzinstitute beitragen.

Es scheint generell notwendig, dass die Verwaltungsratsmitglieder die Struktur ihres Finanzinstituts kennen und dafür Sorge tragen, dass die Komplexität ihrer Organisation einer wirksamen Kontrolle sämtlicher Aktivitäten nicht im Wege steht.

Ferner müssen offensichtlich die jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Entscheidungsträger im Finanzinstitut, namentlich der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsführung, geklärt werden. Insbesondere sollte der Verwaltungsrat die Einrichtung klarer Verantwortlichkeitsstrukturen sicherstellen, welche die gesamte Organisation einschließlich Filialen, Zweigstellen und angeschlossenen Organen erfassen.

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Verwaltungsrat und den Aufsichtsbehörden erscheint ebenfalls wünschenswert. Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, den Verwaltungsrat zur Unterrichtung der Aufsichtsorgane über ihm gegebenenfalls bekannte erhebliche/systemische Risiken zu verpflichten.

Daneben prüft die Kommission, inwiefern Finanzinstitute dazu übergehen sollten, nicht nur dem Aktionärsinteresse Rechnung zu tragen, das ein wesentlicher Aspekt des herkömmlichen Unternehmensführungskonzepts ist, sondern auch den Interessen der anderen Beteiligten. Die Einführung einer spezifischen Verpflichtung für den Verwaltungsrat, bei Entscheidungen den Interessen der Einleger und anderen Gläubiger Rechnung zu tragen ("Sorgfaltspflicht") könnte dazu beitragen, den Verwaltungsrat zur Verfolgung weniger riskanter Strategien zu veranlassen und das langfristige Risikomanagement des Finanzinstituts zu verbessern. Die Begründung einer solchen Pflicht würde allerdings eine aufmerksame Prüfung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehenden rechtlichen Regelungen erfordern. Daraufhin müsste die Kommission in Abhängigkeit von den Ergebnissen dieser Prüfung entscheiden, ob eine Maßnahme auf europäischer Ebene als Beitrag zur Stärkung der Finanzstabilität in der gesamten Union notwendig ist.

Allgemeine Frage 1:

Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Zusammensetzung, die Rolle und das Funktionieren des Verwaltungsrats zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

5.2. Funktionen mit Risikorelevanz

Eine der wichtigsten Feststellungen infolge der jüngsten Krise war das Versagen der mit dem Risikomanagement betrauten Funktionen, insbesondere wegen der mangelnden Autorität dieser Funktionen sowie der Unzulänglichkeiten des Systems zur Unterrichtung über die Risiken und zur diesbezüglichen Kommunikation.

Die Unabhängigkeit und die Autorität der Risikomanagementfunktion sollte daher gestärkt werden, indem insbesondere die hierarchische Stellung des Risikomanagers (Chief Risk Officer) aufgewertet wird. Es erscheint insbesondere wünschenswert, dass der Risikomanager in der internen Organisation eines Finanzinstituts einen dem Finanzvorstand mindestens ebenbürtigen Status hat und den Verwaltungsrat unmittelbar von jeglicher risikorelevanten Problematik in Kenntnis setzen kann. Die Schaffung enger Beziehungen zwischen dem Risikomanager und dem Verwaltungsrat (und seinem Risikoausschuss) könnte ebenfalls dazu beitragen, die Rolle des Risikomanagers zu stärken.

Außerdem erscheint es wünschenswert, das Kommunikationssystem der Risikomanagementfunktion dahingehend zu verbessern, dass ein Verfahren eingeführt wird, um Konflikte und aufgetretene Probleme zur Lösung an die Hierarchie zu verweisen. Der Verwaltungsrat sollte festlegen, mit welcher Häufigkeit ihm regelmäßig Risikoberichte vorzulegen sind und welche Informationen diese enthalten sollten. Die Modernisierung der Computerinfrastruktur sollte ebenfalls eine Priorität sein, um die Risikomanagementkapazitäten der Finanzinstitute deutlich zu erweitern und die rechtzeitige Übermittlung risikorelevanter Informationen zu ermöglichen.

Allgemein sollte die Einführung einer Strategie zur Sensibilisierung sämtlicher Mitarbeiter, einschließlich der Verwaltungsratsmitglieder, für die Risikoproblematik ("Risikokultur") vorgeschrieben werden. Insbesondere erscheint es wünschenswert, vor der Einführung neuer Finanzprodukte bzw. Erschließung neuer Marktsegmente und Geschäftsfelder eine Bewertung der damit verbundenen Risiken vorzunehmen.

Schließlich scheint es angezeigt, dass die Geschäftsleitung einen Evaluierungsbericht über das Funktionieren des internen Kontrollsystems und dessen Angemessenheit annimmt, um zu gewährleisten, dass in den Finanzinstituten wirksame interne Kontrollsysteme bestehen, die sich auch auf die Risiken erstrecken.

Allgemeine Frage 2:

Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf das Risikomanagement zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

5.3. Externe Revisoren

Zur Lösung der in Abschnitt 3 dargelegten Probleme sollten die Möglichkeiten einer Ausdehnung des Systems zur Meldung erheblicher Risiken, welche die externen Revisoren im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermitteln, auf den Verwaltungsrat und die Aufsichtsbehörden geprüft werden ("Meldepflicht").

Es scheint generell wünschenswert, die Zusammenarbeit zwischen den externen Revisoren und den Aufsichtsbehörden zu intensivieren, um - unter Berücksichtigung der durch das Berufsgeheimnis bedingten Beschränkungen - die Kenntnisse der Revisoren über die einzelnen Finanzinstitute wie auch über den Finanzsektor insgesamt zu nutzen.

Außerdem sollten allgemeinere Überlegungen zu der Rolle angestellt werden, die den externen Revisoren im Hinblick auf Informationen über Risiken in Finanzinstituten zukommen sollte. Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, dass externe Revisoren künftig auch andere, derzeit nicht erfasste Informationen überprüfen, die für Investoren relevant sind, um das Vertrauen der Investoren in diese Art von Informationen zu verbessern und damit das reibungslose Funktionieren der Märkte zu fördern.

Allgemeine Frage 3:

Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Rolle externer Revisoren zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

5.4. Aufsichtsbehörden

Als Reaktion auf die bei der jüngsten Krise deutlich gewordenen Unzulänglichkeiten in der Corporate Governance der Finanzinstitute scheint es notwendig, die Rolle der Aufsichtsbehörden in der internen Governance der Finanzinstitute neu zu definieren und zu stärken. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine deutliche Trennung der jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsorgane und der Unternehmensleitung gewahrt bleibt.

Insbesondere könnte in Betracht gezogen werden, die Aufsichtsorgane dazu zu verpflichten, das ordnungsgemäße Funktionieren und die Wirksamkeit des Verwaltungsrats zu überprüfen und die Risikomanagementfunktion regelmäßig zu kontrollieren, um sich ihrer Wirksamkeit zu vergewissern. Die Aufsichtsbehörden sollten den Verwaltungsrat über die von ihnen festgestellten Mängel unterrichten, damit das Finanzinstitut diese rechtzeitig beheben kann.

Daneben scheint es notwendig, dass die Aufsichtsbehörden die Kriterien für die Auswahl künftiger Verwaltungsratsmitglieder ("Fit & Proper-Test") auf fachliche und berufliche Kompetenzen, auch auf dem Gebiet der Risiken, sowie auf typische Verhaltensmuster der Kandidaten ausdehnen, um sicherzustellen, dass die künftigen Verwaltungsratsmitglieder in ihrem Urteil unabhängiger sind.

Außerdem sollte die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsgremien im Bereich der Corporate Governance grenzübergreifender Finanzinstitute verstärkt werden, insbesondere innerhalb der Kollegien von Aufsichtsbehörden, aber auch im Rahmen künftiger europäischer Aufsichtsbehörden.

Allgemeine Frage 4:

Interessierte Beteiligte sind aufgerufen, ihre Haltung zu den vorgeschlagenen Lösungen in Bezug auf die Rolle der Aufsichtsbehörden zu äußern und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu nennen, die sie für notwendig halten.

Spezifische Fragen:

5.5. Aktionäre

Die mit der besonderen Rolle der Aktionäre in den Finanzinstituten verbundene Problematik wurde ansatzweise bereits oben behandelt. Das Desinteresse der Aktionäre an der Corporate Governance wirft generell die Frage nach der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Regeln auf, die bei allen börsennotierten Gesellschaften auf der Grundannahme einer wirksamen Kontrolle durch die Aktionäre beruhen. Im Falle der Finanzinstitute stellt die Einbeziehung der Aktionäre ebenfalls eine reale Herausforderung dar.

Um die Aktionäre zur Beteiligung am Dialog mit dem Finanzinstitut, zur Kontrolle der Entscheidungen der Geschäftsleitung sowie zur Berücksichtigung der langfristigen Lebensfähigkeit des Finanzinstituts zu bewegen, wird die Kommission Überlegungen zu den folgenden Themen anstellen:

Allgemeine Frage 5:

Interessierte Beteiligte werden um ihre Einschätzung zu der Frage gebeten, ob eine Kontrolle der Finanzinstitute durch die Aktionäre weiterhin realistisch ist. Bei Zustimmung werden Vorschläge zur besseren Einbeziehung der Aktionäre in der Praxis erbeten.

Spezifische Fragen:

5.6. Wirksame Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze in der Praxis

Neben der oben angesprochenen Rolle der Aufsichtsbehörden bei der Verwirklichung guter Corporate-Governance-Praktiken durch die Finanzinstitute sollte die rechtliche Verantwortung der Geschäftsführung für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Grundsätze untersucht werden. Um Verhaltensänderungen der betreffenden Personen zu bewirken, könnten wirksame und effiziente Sanktionen notwendig sein. Nach Auffassung der Kommission sollte jedoch jegliche Verschärfung der zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Haftung der Geschäftsführung mit Sorgfalt geprüft werden. Diese Frage sollte zuvor unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten eingehend untersucht werden.

Allgemeine Frage 6:

Interessierte Beteiligte sind aufgerufen anzugeben, welche Maßnahmen nach ihrer Ansicht die Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze wirksam verbessern könnten.

Spezifische Fragen:

5.7. Vergütung

Die Kommission hat zu dieser Frage bereits mehrere Empfehlungen abgegeben28. Daneben werden derzeit Rechtsetzungsvorschläge für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Rahmen der Änderung der Eigenkapitalrichtlinie sowie für alternative Investmentfonds verhandelt29. Die Kommission ist der Auffassung, dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Finanzinstituten verschiedener Sektoren für die anderen Finanzdienstleistungsbereiche, insbesondere OGAW und Versicherungsgesellschaften, weitere ähnliche Rechtsetzungsmaßnahmen folgen sollten.

Im Hinblick auf die Vergütung der Geschäftsführer börsennotierter Gesellschaften zeigt der Bericht der Kommission über die Durchführung der Maßnahmen zur Förderung der Anwendung der bestehenden Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten, dass diese Empfehlungen weder einheitlich noch in befriedigender Weise angewandt werden. Obwohl eine spezifische Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor vorliegt, gelten die Empfehlungen zur Vergütung der Unternehmensleitung auch für die Geschäftsführer börsennotierter Finanzinstitute und enthalten zusätzliche Regeln, insbesondere in Bezug auf Transparenz bei der Managementvergütung. Deshalb stellt die Kommission in diesem Grünbuch Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und zum Inhalt von Rechtsetzungsmaßnahmen auf diesem Gebiet an.

Allgemeine Frage 7:

Interessierte Beteiligte werden gebeten, Wege zur Steigerung von Kohärenz und Wirksamkeit der EU-Maßnahmen in Bezug auf die Vergütung der Manager börsennotierter Gesellschaften vorzuschlagen.

Spezifische Fragen:

Allgemeine Frage 7a:

Interessierte Beteiligte werden gebeten anzugeben, ob sie ergänzende Maßnahmen zur Gestaltung und Lenkung der Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor für notwendig erachten. Falls ja, was könnten entsprechende Maßnahmen beinhalten?

Spezifische Frage:

5.8. Interessenkonflikte

Angesichts des Gewichts und der Rolle des Finanzsektors in der Wirtschaft sowie der Überlegungen in Bezug auf die Finanzstabilität ist es gerechtfertigt, Interessenkonflikte zumindest teilweise durch sehr klare gesetzliche Vorschriften zu regeln und den Aufsichtsbehörden bei der Überwachung ihrer ordnungsgemäßen Anwendung eine genau definierte Rolle zuzuweisen.

Allgemeine Frage 8:

Interessierte Beteiligte werden gebeten anzugeben, ob sie die Einschätzung der Kommission teilen, dass ungeachtet der bestehenden Transparenzverpflichtungen in Bezug auf Interessenkonflikte die bloße Überwachung von Interessenkonfliktsituationen durch die Märkte nicht immer möglich oder wirksam ist.

Spezifische Fragen:

6. Die nächsten Schritte

Die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und andere interessierte Parteien werden aufgerufen, zu den in diesem Grünbuch enthaltenen Vorschlägen Stellung zu nehmen, damit ein breiter Konsens über alle in Betracht kommenden Maßnahmen gebildet werden kann. Beiträge werden bis zum 1. September 2010 an folgende E-Mail-Adresse erbeten: marktcgfininst@ec.europa.eu. Im Anschluss an dieses Grünbuch und auf der Grundlage der erhaltenen Antworten wird die Kommission über die nächsten Schritte entscheiden. Jedem künftigen Vorschlag mit oder ohne Rechtsetzungscharakter wird eine eingehende Folgenabschätzung vorausgehen.

Die eingegangenen Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Daher sollte die diesem Grünbuch beigefügte spezielle Datenschutzerklärung gelesen werden, die Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge enthält.