983. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019
A
1. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 7. November 2019 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B
Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
2. Zu Artikel 1 Nummer 19 (§ 260 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 und Absatz 5 SGB V)
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass durch die beabsichtigte Aufhebung des § 260 Absatz 5 SGB V für die Krankenkassen mehr Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Haushaltsplanungen und der Festlegung ihrer Zusatzbeiträge für das Jahr 2020 hergestellt werden soll.
- b) Der Bundesrat sieht aber die weiteren in § 260 SGB V vorgenommenen Änderungen als zu weitgehend an. Der Bundesrat stellt fest, dass sie eine weitere Verschärfung der bereits in seiner Stellungnahme zum GKV-Versichertenentlastungsgesetz kritisierten Änderungen darstellen.
- c) Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren auf die vorgesehenen Änderungen in § 260 Absatz 2 SGB V zu verzichten oder hilfsweise die zulässigen Rücklagen künftig auf das 1,5-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe zu erhöhen.
Begründung:
Soweit durch eine Klarstellung eine bessere Planungssicherheit für die Haushaltsaufstellung der Krankenkassen beabsichtigt ist, ist die Neuregelung zu begrüßen.
Bedenken bestehen aber zu der beabsichtigten inhaltlichen Definition der Rücklagen. Die Mittel nach § 263 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V dienen der Finanzierung künftiger Investitionen und können beispielsweise aus den jährlichen Abschreibungsbeträgen gebildet werden. Eine beliebige Bildung dieser Rückstellungen, um überschüssige Betriebs- oder Rücklagemittel aufzunehmen, ist allerdings auch nach geltendem Recht unzulässig. Dies wird als ausreichend und zielführend angesehen.
Durch das GKV-Versichertenentlastungsgesetz wurde die Soll-Obergrenze für das Finanzvermögen in eine feste Obergrenze ("dürfen nicht") geändert. Gleichzeitig erfolgte eine Absenkung dieser Obergrenze der nicht für die laufenden Ausgaben benötigten Betriebsmittel zuzüglich der Rücklage nach § 261 SGB V auf durchschnittlich monatlich das Einfache einer Monatsausgabe. Dies hat der Bundesrat bei den Beratungen zum GKV-Versichertenentlastungsgesetz als unzureichend angesehen und gefordert, die zulässigen Rücklagen stattdessen künftig auf das 1,5-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe zu erhöhen (vgl. BR-Drucksache 375/18(B) ).
Inzwischen weisen die aktuellen Finanzprognosen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das Haushaltsjahr 2020 einen höheren Finanzbedarf und einen Überschuss der Ausgaben auf. Insofern steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Zusatzbeiträge wieder steigen werden.
Insgesamt gehen die aktuellen Prognosen zur Konjunkturentwicklung einhellig von rückläufigen Wachstumsraten in den nächsten Jahren aus - bis hin zu Befürchtungen einer etwaigen Rezession. Diese gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird entsprechende belastende Auswirkungen auf die Einnahmensituation der GKV haben.
Gleichzeitig werden zahlreiche Gesetze im Gesundheitsbereich, die in den letzten Monaten beschlossen wurden oder in Kraft getreten sind, in den kommenden Jahren zu weiteren deutlichen Mehrausgaben für die gesetzlichen Krankenkassen führen.
Zu erwähnen sind hier insbesondere das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG), das Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG), das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das E-Health-Gesetz und das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG).
Vor diesem Hintergrund wird das kurzfristige Abschmelzen der verfügbaren Rücklagen der Höhe nach weiterhin kritisch gesehen und eine zusätzlich weiter einschränkende Definition der Rücklagen im Rahmen des vorliegenden Gesetzes abgelehnt.
3. Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 275c SGB V)
- a) Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die mit dem Gesetz verfolgte Stärkung des MDK sowie die Gewährleistung seiner Unabhängigkeit. Der Bundesrat sieht auch die Notwendigkeit der Schaffung von Anreizen für eine regelkonforme Abrechnung von Krankenhausleistungen.
- b) Die vom Deutschen Bundestag neben einer Verlängerung der Frist von drei auf vier Monate für die Einleitung der Prüfung und zusätzlich einer Erhöhung der Prüfquote ab dem Jahr 2020 aufgrund von Änderungsanträgen beschlossene Einführung einer pauschalierten Strafzahlung bereits für das Jahr 2020 auch bei kleinsten Fehlern in der Abrechnung geht aber weit über dieses Ziel hinaus und wird vom Bundesrat abgelehnt.
Begründung:
Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Fassung des MDK-Reformgesetzes sieht in § 275c SGB V zugunsten der Krankenkassen neben einer Verlängerung der Frist von drei auf vier Monate für die Einleitung der Prüfung und Erhöhung der Prüfquote von 10 auf 12,5 Prozent für das Jahr 2020 die Einführung eines Aufschlages auf den zurückzuzahlenden Differenzbetrag im Jahr 2020 und Mindestbetrages in Höhe von 300 Euro vor. Dies stellt eine Verschärfung der Strafzahlungen gegenüber der bislang vorgesehenen Regelung dar, die dazu führt, dass zukünftig Krankenhäuser bereits ab dem Jahr 2020 bei kleinsten Fehlern in der Abrechnung pauschalierte Strafzahlungen leisten müssen. Nach der vorgesehenen Regelung soll auch bei Abrechnungsbeträgen unterhalb von 3 000 Euro ein Aufschlag in Höhe des Mindestbetrages von 300 Euro anfallen.
Die Krankenhäuser befinden sich bundesweit im Strukturwandel und müssen in der Finanzierung ihrer Betriebskosten gestärkt werden. Die nunmehr vorgesehenen verschärften Regelungen führen jedoch zur wirtschaftlichen Schwächung der Krankenhäuser. Ein solches Vorgehen gefährdet die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten. Die Sanktionen müssen deswegen - zumindest in den Jahren 2020 und 2021 - beschränkt bleiben.
4. Hilfsempfehlung zu Ziffer 3
Zu Artikel 1 Nummer 23 (§ 275c SGB V)
- a) Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die mit dem Gesetz verfolgte Stärkung des MDK sowie die Gewährleistung seiner Unabhängigkeit. Der Bundesrat sieht auch die Notwendigkeit der Schaffung von Anreizen für eine regelkonforme Abrechnung von Krankenhausleistungen.
- b) Die Änderungen im Bereich der Strafzahlungen für Krankenhäuser bei nicht korrekter Abrechnung - insbesondere die Einführung eines Mindestbetrages und die Streichung eines maximalen Deckelungsbetrages - konterkarieren die Zielsetzung des MDK-Reformgesetzes und werden vom Bundesrat abgelehnt.
Begründung:
Ein Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro ist nicht sachgerecht und würde die Zielstellung des MDK-Reformgesetzes konterkarieren, wonach unter anderem die durch die im Auftrag der Krankenkassen vom MDK durchgeführten Krankenhausabrechnungsprüfungen vielfach verursachten Streitigkeiten sowie der bei allen Beteiligten anfallende Verwaltungsaufwand reduziert werden sollen.
Durch den bundesweiten Strukturwandel der Krankenhäuser müssen diese auch in der Finanzierung ihrer Betriebskosten gestärkt werden. Dies gilt umso mehr, da die Krankenhäuser die Strafzahlungen zusätzlich zu den Rückzahlungen des Differenzbetrages leisten. Gerade bei hohen Rückforderungen, wie beispielsweise aus dem Bereich der Arzneimitteltherapie, kann eine zusätzliche Strafzahlung - die keinerlei Deckelung enthält - schwerwiegende finanzielle Auswirkungen für die Führung eines Krankenhauses bedeuten.
Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Rechnungsbeanstandungen wegen einer Kürzung der Verweildauer erfolgt. In diesen Fällen wird die Behandlung insbesondere aus einer zeitlichen Komponente kritisiert. Das Krankenhaus hat die Patienten in diesen Fällen länger versorgt und dafür sind Kosten entstanden, die nicht refinanziert werden, und muss in diesen Fällen dann noch eine Strafzahlung leisten. Auch hier ist eine maximale Deckelung sachgerecht. Denn die Krankenhäuser stehen in Anbetracht der vielen Neuerungen bundesweit vor einem Strukturwandel im Bereich der Betriebskostenfinanzierung und benötigen eine planbare Grundlage für die Betriebsführung. Dies ist erforderlich, damit auch in Zukunft eine hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten stattfinden kann.