Der Bundesrat hat in seiner 856. Sitzung am 6. März 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zum Richtlinienvorschlag im Allgemeinen
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Anliegen der Kommission, den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr rechtlich zu vereinheitlichen und damit einfacher und transparenter auszugestalten.
Der Bundesrat begrüßt daher grundsätzlich das Vorhaben der Kommission, die dem Thema Verbraucherschutz gewidmeten Einzelrichtlinien in einer einheitlichen Richtlinie zusammenzuführen und dadurch die verbraucherrelevanten Regelungen übersichtlicher und einheitlicher zu gestalten.
Die Bemühungen zur Verwirklichung eines echten Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und wettbewerbsfähigen Unternehmen unter gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist, werden unterstützt.
- 2. In der derzeitigen Ausgestaltung begegnet der Richtlinienvorschlag allerdings erheblichen inhaltlichen Bedenken.
- 3. Der Richtlinienvorschlag entspricht nicht der Politik der "Besseren Rechtsetzung", die ausweislich des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission auch 2009 im Interesse der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit ein Kernelement der Rechtsetzung der Kommission sein soll. Der Vorschlag wird dem angestrebten Ziel der Vereinheitlichung des Verbraucherrechts auf der europäischen Ebene nicht gerecht:
- 4. In Bezug auf den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags erscheint die Auswahl der überarbeiteten Richtlinien nicht zielführend. Denn statt der ursprünglich geplanten Vereinheitlichung von acht Richtlinien werden jetzt nur noch vier Richtlinien vereinheitlicht. Bereits deren Auswahl war allerdings nach der Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007 (BR-Drucksache 112/07(B) ) zum Grünbuch der Kommission "Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz" - KOM (2006) 744 endg. erheblich zu kurz gegriffen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007, Ziffer 10). Damit führt die Kommission das im europäischen Verbraucherrecht bestehende Flickwerk fort, ohne die Chance für eine sachgerechte Vereinheitlichung zu ergreifen.
- 5. Durch den so eingeschränkten Anwendungsbereich wird das Verbraucherschutzrecht - entgegen der Intention des Richtlinienvorschlags - erneut nur fragmentarisch geregelt. Die von der Kommission als Notwendigkeit für eine Überarbeitung der bestehenden Richtlinien herangezogenen Brüche und Ungereimtheiten im gemeinschaftlichen Besitzstand im Verbraucherschutz werden sich durch den Richtlinienvorschlag deshalb letztlich nicht befriedigend lösen lassen; die von der Kommission als Binnenmarkthemmnis erkannte Rechtszersplitterung im Verbraucherrecht bleibt bestehen.
Dies gilt umso mehr, als sich der Vorschlag im Wesentlichen darauf beschränkt, den Inhalt der überarbeiteten Richtlinien zusammenzufassen, ohne entscheidende inhaltliche Verbesserungen und Rechtsfortbildung im Bereich des Verbraucherschutzes zu leisten.
- 6. Der Richtlinienvorschlag enthält in seiner zentralen Vorschrift (Artikel 4) die europaweite Rechtsangleichung weiter Teile aus dem Bereich des Verbraucherschutz- und Vertragsrechts in Form der Vollharmonisierung.
Das Konzept der vollständigen Harmonisierung bewirkt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf den erfassten Sachbereich keine Regelungen beibehalten oder einführen dürfen, die nicht in der Richtlinie genannt sind, d. h. die europäische Regelung ist erschöpfend und abschließend. Die Vollharmonisierung führt auf diese Weise zu einer verordnungsgleichen Wirkung, die gleichzeitig erhebliche Ausstrahlungseffekte auf die Zivilrechtsordnungen der Mitgliedstaaten haben wird.
Eine vollständige Harmonisierung hätte für die Mitgliedstaaten zur Folge, dass sie ihre nationalen Vorschriften auch im Bereich des Vertrags- und Leistungsstörungsrechts anzugleichen hätten und nicht mehr über das in der Richtlinie vorgegebene Verbraucherschutzniveau hinausgehen dürften. Die Bundesrepublik Deutschland wäre von Letzterem in besonderer Weise betroffen, da das deutsche Verbraucherrecht ein im EU-Vergleich sehr hohes Schutzniveau aufweist.
Denn im Zuge der verordnungsgleichen Wirkung werden faktisch ein europäisches Verbraucherschuldrecht und ein europäisches Verbrauchsgüterkaufgesetz geschaffen, das die entsprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches obsolet machen wird (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007 - (BR-Drucksache 112/07(B) -, Ziffer 8).
- 7. Für ein solches Vorhaben fehlt der Gemeinschaft die Rechtsetzungskompetenz. Artikel 95 EGV kommt als Rechtsgrundlage nur dann in Betracht, wenn der geplante Rechtsakt tatsächlich den Zweck hat, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern oder spürbare Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. Die Erreichung dieses Zwecks hat die Kommission indes nicht hinreichend belegt. Artikel 95 EGV ist weder für die Umgestaltung des gesamten Vertrags- und Schuldrechts noch für die verbindliche Regelung des gesamten Verbraucherschutzes die richtige Kompetenzgrundlage. Die Mitgliedstaaten sind sowohl für das Vertrags- und Schuldrecht als auch für den Verbraucherschutz primär verantwortlich.
- 8. Zudem ist die Kommission, soweit sie eine binnenmarktunabhängige Verbraucherschutzpolitik anstrebt, auf "Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten" beschränkt (Artikel 153 Absatz 3 Buchstabe b EGV). Es wird daher auch zu prüfen sein, ob die angeführten Wettbewerbsverzerrungen tatsächlich vorliegen und ob sich der vorgelegte Richtlinienvorschlag auf Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten beschränkt.
- 9. Die verordnungsgleiche Wirkung der Vollharmonisierung mit den Folgen der Aushebelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in seinem Kernbestand stellt einen erheblichen Eingriff in die originäre Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedstaaten dar, der gegen das Prinzip der Subsidiarität verstößt. Es ist daher eine äußerst sorgfältige Abwägung vonnöten, in welchen Bereichen ein solch schwerwiegender Eingriff gerechtfertigt werden kann.
- 10. Aufgrund der verordnungsgleichen Wirkung und der damit verbundenen weitreichenden Folgen verstößt der Richtlinienvorschlag auch gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Es wird durch die in Betracht gezogene Maßnahme faktisch nicht diejenige Rechtsform vorgesehen, die die Mitgliedstaaten am wenigsten belastet. Gleichzeitig wird bezweifelt, ob das von der Kommission angestrebte Ziel der Vertrauensstärkung in Geschäfte mit ausländischen Verbrauchern und Unternehmen tatsächlich durch die Vollharmonisierung erreicht wird. Denn diese Schlussfolgerung ist jedenfalls für die deutschen Verbraucher fragwürdig, da sie durch die mit dem Richtlinienvorschlag einhergehende Absenkung des Schutzniveaus eher nicht zu mehr grenzüberschreitenden Einkäufen bereit sein werden.
- 11. Ein umfassend geltender Grundsatz der Vollharmonisierung hätte überwiegend Nachteile zur Folge.
Der Bundesrat hält vor dem geschilderten Hintergrund an seiner bisherigen Haltung fest, im Grundsatz das bewährte und Artikel 153 Absatz 5 EGV entsprechende Prinzip der Mindestharmonisierung beizubehalten.
Die Beibehaltung des Ansatzes der Mindestharmonisierung sorgt für einen - positiven - Systemwettbewerb der Vorschriften unter den Mitgliedstaaten und bietet die Möglichkeit, dass bewährte nationale Vorschriften von anderen Mitgliedstaaten übernommen werden ("best practice"). Der Ansatz der Mindestharmonisierung steht zudem im Einklang mit Artikel 5 der erst kürzlich verabschiedeten Rom-I-Verordnung, wonach Verbraucher einen Anspruch auf das in ihren Heimatländern erreichte Verbraucherschutzniveau haben.
- 12. Die von dem Richtlinienvorschlag nach Auffassung des Bundesrates in der vorgelegten Form ausgehende verordnungsgleiche Wirkung kann nur durch eine Beschränkung der Vollharmonisierung auf einzelne Bereiche beseitigt werden.
- 13. Es sollte nur in begründeten Einzelfällen, in denen sich die bisher bestehenden unterschiedlichen nationalen Regelungen als nachweisbare Belastung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen erwiesen haben, punktuell vom Mittel der Vollharmonisierung Gebrauch gemacht werden (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007 - BR-Drucksache 112/07(B) -, Ziffer 3), d. h. dieses auf technische oder sehr spezielle, in sich geschlossene Regelungen zu beschränken und im Übrigen nur eine Mindestharmonisierung vorzusehen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007, Ziffer 14).
- 14. In den übrigen Bereichen muss den Mitgliedstaaten hingegen die Möglichkeit verbleiben, ihre Zivilrechtsordnungen selbst zu gestalten und hier ggf. auch über die europäischen Schutzstandards hinauszugehen. Nur so können die Mitgliedstaaten den vorhandenen nationalen und regionalen Besonderheiten im Verbraucherschutz angemessen Rechnung tragen, wie jüngst in Deutschland im Bereich der unerlaubten Telefonwerbung - einem Problem, das in anderen Mitgliedstaaten bisher nicht in vergleichbarer Weise aufgetreten ist - geschehen.
- 15. Nach wie vor sieht der Bundesrat keine Notwendigkeit, das allgemeine Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht in einem horizontalen Instrument zu regeln (vgl. BR-Drucksache 112/07(B) , Ziffern 26 und 31).
Auch eine Vollharmonisierung des Rechts der Allgemeinen Vertragsbedingungen würde eher zu einer Verunsicherung seitens der Unternehmer wie auch der Verbraucher führen und damit dem Anliegen einer Belebung des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs zuwiderlaufen. Dieser Rechtsbereich ist überwiegend durch Rechtsprechung geprägt. Zu der deutschen Rechtsprechung, die sich der neuen Rechtslage anpassen müsste, käme ergänzend eine schwer zu berechnende Spruchpraxis des EuGH hinzu.
- 16. Vom Prinzip der Vollharmonisierung können nach Auffassung des Bundesrates allenfalls ausgewählte Bereiche des Richtlinienvorschlags erfasst werden, so z.B. die gemeinsamen Begriffsbestimmungen in Artikel 2, die allgemeinen Informationspflichten in Artikel 5 sowie einzelne Regelungen aus dem Bereich des Widerrufsrechts nach Kapitel III, soweit sie technische Fragen wie Beginn und Dauer der Widerrufsfrist oder die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufs regeln. Anders verhält es sich hingegen mit Bestimmungen, die nur durch einen Eingriff in die Zivilrechtsdogmatik der jeweiligen Mitgliedstaaten umgesetzt werden könnten, wie z.B. die Bestimmungen des Kapitels III, die sich über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Widerrufsrechts verhalten, sowie die Bestimmungen über Verbraucherrechte in Bezug auf Kaufverträge (Kapitel IV) und Vertragsklauseln (Kapitel V). Gerade im Bereich des in Kapitel IV und V über das reine Verbraucherrecht hinaus mitgeregelten Vertrags-, insbesondere Leistungsstörungsrechts hätte die im Richtlinienvorschlag vorgesehene vollständige Harmonisierung für die Mitgliedstaaten - vor allem diejenigen, die über Kodifikationen im Bereich des Zivilrechts verfügen - einschneidende, über den Regelungszweck des Richtlinienvorschlags und damit dessen Zielsetzung hinausgehende Ausstrahlungseffekte zur Folge (sogenannter "Spillover-Effekt").
- 17. Ungeachtet der notwendigen Beschränkung der Vollharmonisierung ist aus Sicht des Bundesrates anzustreben, dass europaweit ein hohes Verbraucherschutzniveau, orientiert an den in Deutschland bestehenden Verbraucherschutzstandards, gewährleistet wird. Damit werden nicht nur Wettbewerbsnachteile von Unternehmen in Mitgliedstaaten mit hohen Verbraucherschutzstandards verringert, sondern auch die Rechte der Verbraucher in einem zusammenwachsenden Binnenmarkt effektiv gestärkt.
- 18. Der Bundesrat stellt aber fest, dass der Richtlinienvorschlag mit einer nennenswerten Absenkung des Verbraucherschutzniveaus in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere in Deutschland, verbunden wäre.
Nach dem vorliegenden Richtlinienvorschlag müssten deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher deutliche Einschränkungen geltender nationaler Schutzrechte hinnehmen, die insgesamt nicht akzeptabel sind.
Der Bundesrat hält insoweit an seiner bisherigen Haltung fest, dass die Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz nicht zu einer Absenkung des Verbraucherschutzniveaus führen darf, sondern vielmehr die Chance genutzt werden sollte, bestehende Lücken zu schließen und Inkonsistenzen zu beheben (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007, Ziffer 1). Wegen der erheblichen Auswirkungen des Richtlinienvorschlags auf die nationalen Rechtsordnungen legt der Bundesrat Wert auf die Feststellung, dass im folgenden EU-Verfahren ausreichend Zeit für die Diskussion sowohl der grundsätzlichen Konzeption als auch der Einzelregelungen des Richtlinienvorschlags verbleiben muss.
Zu einzelnen Aspekten des Richtlinienvorschlags:
Zu Kapitel I (Gegenstand, Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich):
- 19. Der Bundesrat begrüßt zwar im Grundsatz eine EU-weit einheitliche Fassung der Begriffsbestimmungen, wie sie der Richtlinienvorschlag mit Artikel 2 anstrebt. Dies setzt aber voraus, dass die jeweiligen Definitionen - was bisher nicht der Fall ist - ausreichend klar gefasst sind, damit sie ohne Brüche in die jeweiligen (Zivil-)Rechtsordnungen eingepasst werden können. Bedenken bestehen insoweit insbesondere im Hinblick auf die Definitionen "Verbraucher" (Artikel 2 Absatz 1), "Gewerbetreibender" (Artikel 2 Absatz 2), "Kaufvertrag" (Artikel 2 Absatz 3), "Waren" (Artikel 2 Absatz 4), "Fernabsatzvertrag" (Artikel 2 Absatz 6), "Versteigerung" (Artikel 2 Absatz 15), "Hersteller" (Artikel 2 Absatz 17) und "gewerbliche Garantie" (Artikel 2 Absatz 18). So erschließt sich zum Beispiel im Rahmen der Verbraucherdefinition der Sinn des Abgrenzungsmerkmals "handwerklich" neben "gewerblich", "geschäftlich" und "beruflich" nicht. Auch Handwerker üben ein Gewerbe aus, der Hobbyhandwerker soll sicherlich nicht den Verbraucherschutz verlieren.
- 20. Beim Anwendungsbereich der Richtlinie ist vor allem darauf zu achten, dass der Verbraucherbegriff nicht enger als die deutsche Regelung in § 13 BGB gefasst wird und die Verbrauchereigenschaft nur dann entfällt, wenn der jeweilige Vertrag in Ausübung der jeweiligen beruflichen, gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit geschlossen wird.
- 21. Außerdem wird eine generelle Ausnahme für Versorgungsverträge über Strom, Gas und Wasser von den Verbraucherschutzbestimmungen der Gemeinschaft als nicht sachgerecht angesehen.
- 22. Bei der Definition des Fernabsatzvertrages wird die bis dato geltende Beschränkung auf Vertragsschlüsse im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems aufgegeben. Dies würde dazu führen, dass auch Anbieter, die nur vereinzelt Bestellungen per Telefon oder E-Mail annehmen bzw. ausführen, den Verpflichtungen der Richtlinie, insbesondere den umfassenden Informationspflichten, unterfallen. Dies erscheint nicht interessengerecht.
- 23. Für den Bereich Finanzdienstleistungen ist zweifelhaft, ob die Zielsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie erreicht werden kann. Eine wirkliche Systematisierung des Verbraucherrechts und eine Beseitigung von Unstimmigkeiten können nur dann herbeigeführt werden, wenn der Ansatz, den Bereich der Finanzdienstleistungen nur partiell in den Anwendungsbereich der Richtlinie mit einzubeziehen, aufgegeben wird. Ein großer Teil der Regelungen, die Eingang in die Richtlinie über Rechte der Verbraucher finden sollen, soll in zum Teil inhaltlich abweichender Weise auch in der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG) und in der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG) geregelt werden. So erscheint es wenig zielführend, z.B. das Widerrufsrecht des Verbrauchers oder den Verbraucherbegriff im Rahmen der Richtlinie über Rechte der Verbraucher zu überarbeiten, bei Verbraucherkreditverträgen jedoch einen abweichenden Verbraucherbegriff zu Grunde zu legen und ein abweichend ausgestaltetes Widerrufsrecht vorzusehen. Sowohl aus Sicht der Unternehmen als auch der Verbraucher würde ein Nebeneinander derart unterschiedlicher Regelungen zu einer anhaltenden Rechtszersplitterung und einer intransparenten und unübersichtlichen Rechtslage führen.
Zu Kapitel II (Information der Verbraucher):
- 24. Im Grundsatz ist eine einheitliche Regelung für bestimmte zentrale Informationspflichten im Sinne einer Vollharmonisierung zu begrüßen. Dies setzt voraus, dass die Reichweite der durch eine Vollharmonisierung eintretenden Sperrwirkung klarer als bisher herausgearbeitet wird. So ist zum Beispiel der konkrete Anwendungsbereich der Artikel 5 ff. angesichts der vorgesehenen Ausnahme "sofern sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben", die weder aus sich heraus noch unter Heranziehung der Erwägungsgründe verständlich erscheint, weitgehend unklar.
- 25. Den Mitgliedstaaten sollte zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Bedarf über den Inhalt der Artikel 5 ff. hinaus zusätzliche Informationspflichten festlegen zu können. Eine vollständige Vereinheitlichung der Informationspflichten im Sinne des Richtlinienvorschlags erscheint wenig sinnvoll, da verschiedene - häufig vom jeweiligen Recht der Mitgliedstaaten abhängige -Vertragstypen auch in Zukunft verschiedene Informationspflichten erfordern werden.
- 26. Sofern an einer Regelung über allgemeine Informationspflichten gemäß Artikel 5 des Richtlinienvorschlags festgehalten werden soll, ist außerdem sicherzustellen, dass die Vorgaben der deutschen Preisangabenverordnung wie beispielsweise zur gesonderten Ausweisung von rückerstattbaren Sicherheiten (z.B. Pfand auf Einweggetränkeverpackungen) weiterhin Bestand haben können.
Zu Kapitel III (Information der Verbraucher und Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen):
- 27. Im Hinblick auf Kapitel III kommt eine Vollharmonisierung aus Sicht des Bundesrates allenfalls im Hinblick auf die technischen Modalitäten des Widerrufsrechts wie Beginn und Dauer der Widerrufsfrist sowie die an die Ausübung des Widerrufsrechts zu stellenden Anforderungen in Betracht. Im Übrigen sollte eine Richtlinie hingegen nur Mindeststandards setzen, um Brüche mit dem materiellen Zivilrecht der Mitgliedstaaten zu verhindern und es ihnen zugleich zu ermöglichen, auf besondere Fallgestaltungen, die sich unter Umständen nur in einem oder wenigen Mitgliedstaaten stellen, angemessen und flexibel reagieren zu können.
- 28. Eine Vollharmonisierung ist insbesondere für die Frage des Bestehens- oder Nichtbestehens von Widerrufsrechten abzulehnen. So stehen zum Beispiel die in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a, f und g geregelten Ausnahmen vom Widerrufsrecht dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen (BT-Drucksache 016/10734) entgegen, dem von Bund und Ländern für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland erhebliche verbraucherpolitische Bedeutung zugemessen wird, während sich entsprechende Problemstellungen in anderen Mitgliedstaaten - soweit ersichtlich - bisher nicht in vergleichbarem Ausmaß gestellt haben.
- 29. Eine Vollharmonisierung kommt aus Sicht des Bundesrates z.B. auch nicht im Bereich von Formvorschriften (Artikel 10 des Richtlinienvorschlags) in Betracht:
- - Artikel 10 Absatz 2 macht die Gültigkeit eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags generell von der "Unterzeichnung eines Bestellformulars" durch den Verbraucher abhängig und führt damit - abweichend von dem in vielen Mitgliedstaaten, u. a. Deutschland, vorherrschenden Grundsatz der Formfreiheit - ein zumindest einseitiges Schriftformerfordernis für Verbraucherverträge ein. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, im Grundsatz an der Möglichkeit des Abschlusses mündlicher Verträge auch bei Verbraucherverträgen festzuhalten, da eine vollständige Abkehr vom Mündlichkeitsprinzip völlig unangemessen wäre, insbesondere bei geringfügigen Vertragswerten (z.B. Eisverkauf an der Haustür) oder für den Verbraucher vorteilhaften Vertragsänderungen (z.B. Tarifwechsel), zu einem Übermaß an Bürokratie für die betroffenen Unternehmen führen würde.
- - Mit Nachdruck spricht sich der Bundesrat zudem gegen das in Artikel 10 Absatz 3 vorgesehene Verbot für die Mitgliedstaaten aus, andere als die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Formvorschriften zu erlassen. Dies würde u. a. in Deutschland zu Konflikten mit der für bestimmte Vertragstypen vorgesehenen notariellen Beurkundungspflicht führen. So soll der Ausschluss des Artikels 10 Absatz 3 auch für Mietkäufe und Bauträgerverträge gelten (vgl. Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags). Dies wiederum hätte zur Folge, dass die notarielle Beurkundung mit ihrer umfassenden Aufklärung und Beratung der Beteiligten für einen wichtigen Teil der Grundstücksgeschäfte abgeschafft würde - mit erheblichen negativen Folgen für Richtigkeitsgewähr, Rechtssicherheit und Vollzug. Insgesamt wird verkannt, dass die Form ein ungleich effektiveres Verbraucherschutzmittel sein kann als ein bloßes Widerrufsrecht.
- - Durch die Regelung in Artikel 31 Absatz 4 sind nationale Formvorschriften auch dann nicht mehr zulässig, wenn der in Frage stehende Vertrag (auch) Klauseln enthält, welche der AGB-Kontrolle unterfallen. Dies würde bedeuten, dass die vorgesehenen nationalen Formvorschriften dann entfallen, wenn ein an sich einer Formvorschrift unterfallender Vertrag inhaltlich aufgrund vorgefertigter Vertragsklauseln dem Kapitel V der Richtlinie unterfällt. Bei B2B-Verträgen könnten die Formvorschriften auch künftig Anwendung finden. Wäre ein Verbraucher beteiligt, könnten die schützenden Formvorschriften nicht mehr angewandt werden. Dieses Ergebnis ist sinnwidrig.
- 30. Soweit in Kapitel III die formalen Fragen des Widerrufsrechts wie Widerrufsfristen und Ausübungsmodalitäten geregelt werden, stellen diese entgegen der Intention des Richtlinienvorschlags in einigen Punkten keine ausgewogene Balance zwischen Unternehmer- und Verbraucherinteressen her.
- 31. Die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Bestimmungen zum Widerruf bei Fernabsatz- und Haustürgeschäften sind insbesondere dahingehend zu ändern, dass
- - die einheitlich festzulegende Widerrufsfrist unabhängig von einem etwaigen Erlöschen des Widerrufsrechts nicht bei fehlender oder unrichtiger Belehrung zu laufen beginnt,
- - die Kosten der Rücksendung nicht generell vom Verbraucher zu tragen sind,
- - auch künftig bei Internetauktionen ein Widerrufsrecht nach nationalem Recht bestehen kann und
- - den Verbraucher bei der Rückabwicklung keine Vorleistungspflicht trifft.
- 32. Beispielhaft sei ferner auf folgende Punkte hingewiesen:
- - Artikel 12 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags knüpft für den Beginn der Widerrufsfrist an die Unterzeichnung des Bestellformulars (bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen) bzw. Inbesitznahme der Ware (bei Fernabsatzgeschäften) an. Zum einen erschließt sich die Differenzierung in der Sachbehandlung zwischen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auf der einen und Fernabsatzgeschäften auf der anderen Seite nicht. Zum anderen kann der Umstand, dass es bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen allein auf die Unterzeichnung des Bestellformulars ankommt, im Ergebnis dazu führen, dass die Widerrufsfrist abgelaufen ist, bevor der Verbraucher jene in Besitz und damit die Möglichkeit hat, sie in Augenschein zu nehmen, z.B. wenn der Vertragsschluss auf Grundlage eines - in der Regel unverbindlichen - Musters oder eines Katalogs erfolgt ist.
- - Darüber hinaus sollte der Beginn der Widerrufsfrist - wie bisher im deutschen Recht geregelt - ergänzend an eine ordnungsgemäße Belehrung geknüpft und, falls dies nicht der Fall ist, eine Verlängerung der Widerrufsfrist, zum Beispiel auf einen Monat vorgesehen werden. Denn nur durch eine solche oder vergleichbare Sanktion wird überhaupt ein Anreiz für die Gewerbetreibenden geschaffen, ordnungsgemäß zu belehren.
- - Artikel 13 des Richtlinienvorschlags sieht den Ablauf der Widerrufsfrist auch bei unterlassener Belehrung spätestens drei Monate nach dem Tag vor, an dem der Gewerbetreibende seinen anderen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Diese Frist erscheint auch unter Berücksichtigung der Unternehmerinteressen zu kurz bemessen, um eine fehlende Belehrung angemessen zu sanktionieren. Sie könnte außerdem geradezu als Einladung missverstanden werden, die vorgeschriebenen Hinweise nicht zu erteilen. Der Bundesrat hält deshalb eine Frist von mindestens sechs Monaten für erforderlich.
- - Die in Artikel 14 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit nur durch schriftliche (gegebenenfalls elektronische) Widerrufserklärung erscheint sowohl aus Verbraucher- als auch aus Unternehmersicht (Bürokratieaufwand) unzureichend. Vielmehr sollte der Verbraucher wie bisher die Möglichkeit haben, den Widerruf durch schlichte Rücksendung der Ware zu erklären.
- - Gemäß Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 werden dem Verbraucher generell und vorbehaltlos die Kosten für die Rücksendung der Waren nach Ausübung des Widerrufsrechts auferlegt. Damit wird dem Widerrufsrecht viel von seiner Wirksamkeit genommen.
Einführung eines einheitlichen Musters für Widerrufsbelehrungen:
- 33. Allerdings spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass mit der Richtlinie anstelle des vorgesehenen Katalogs mit Informationen, die im Widerrufsformular enthalten sein müssen, ein - in allen EU-Mitgliedstaaten anzuerkennendes - Muster für eine Widerrufsbelehrung eingeführt wird. Dies würde die Rechtssicherheit erheblich erhöhen und auch die Gerichte von Auseinandersetzungen wegen der korrekten Formulierung der Widerrufsbelehrung entlasten.
Ausnahmekatalog zum Widerrufsrecht:
- 34. Der in Artikel 19 des Richtlinienvorschlags enthaltene Ausnahmekatalog zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften lässt in Abweichung von der Fernabsatzrichtlinie einen Ausnahmetatbestand für solche Waren vermissen, die für die Rücksendung nicht geeignet sind.
Eine Reihe von Waren darf auf Grund hygienerechtlicher Vorgaben nach einmaligem Gebrauch nicht mehr wiederverkauft werden. Beispielhaft zu nennen sind Unterwäsche, Hygieneartikel, Arzneimittel, Parfum, Kontaktlinsen etc. Es wäre nicht interessengerecht und insbesondere dem Versandhandel nicht zuträglich, wenn für diese Waren nicht weiterhin eine Ausnahme vom Widerrufsrecht gelten würde. Dies kann durch den Richtlinienvorschlag nicht beabsichtigt sein.
Die Bundesregierung wird gebeten, sich im weiteren Verfahren dafür einzusetzen, dass bezogen auf Waren, die zur Rücksendung nicht geeignet sind, kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften besteht.
Der Richtlinienvorschlag sieht in Artikel 19 vor, dass Verträge, die im Fernabsatz auf einer Versteigerung geschlossen werden, nicht widerrufen werden können. Erfasst werden dem Wortlaut nach amtliche Versteigerungen ebenso wie gewerbliche Versteigerungen z.B. über die Internetplattform "Ebay".
Gewerbliche Anbieter, die über "Ebay" ihre Produkte versteigern, werden damit gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt, die sich nicht der Versteigerungsplattform bedienen, sondern das "normale" Fernabsatzgeschäft wählen. Ein sachlicher Grund für diese unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers in den Fällen des Erwerbs über die Versteigerungsplattform bei gewerblichen Anbietern ist (mindestens) genauso hoch einzuschätzen. Der Ausnahmetatbestand würde damit lediglich zu einer nicht gerechtfertigten Wettbewerbsverzerrung führen.
Daher wird die Bundesregierung gebeten, im Rahmen der Verhandlungen zum Richtlinienvorschlag darauf hinzuwirken, dass gewerbliche Anbieter auf Versteigerungsplattformen nicht durch Ausschluss des Widerrufsrechts gegenüber anderen gewerblichen Anbietern privilegiert werden.
Zu Kapitel IV (Sonstige Verbraucherrechte in Bezug auf Kaufverträge):
- 35. Der Bundesrat lehnt die vorgeschlagene Vollharmonisierung im Hinblick auf die Bestimmungen in Kapitel IV wegen der damit verbundenen Sperrwirkung und der daraus wiederum resultierenden einschneidenden Auswirkungen auf die nationalen Zivilrechtsordnungen mit Nachdruck ab. Ein Bedürfnis zu einer EU-weiten vollharmonisierten Regelung des materiellen Kauf-, insbesondere Leistungsstörungsrechts, besteht nicht (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007, Ziffern 26 und 31).
- 36. Davon abgesehen, begegnen die Bestimmungen des Kapitels IV auch zahlreichen inhaltlichen Bedenken, wie anhand nachstehender Beispiele aufzuzeigen ist.
- 37. Artikel 22 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags sieht eine dreißigtägige Lieferfrist für den Unternehmer vor, während zum Beispiel nach deutschem Recht ein Kaufvertrag im Zweifel sofort erfüllt werden muss und der Händler nach Ablauf von 30 Tagen unter Umständen bereits in Verzug gerät.
- 38. Liefert der Händler innerhalb der 30 Tage des Artikel 22 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags nicht, soll der Verbraucher nach Artikel 22 Absatz 2 die Rückzahlung aller geleisteten Zahlungen binnen sieben Tagen verlangen können. Offen bleibt, welche Folgen eine Überschreitung der 30-Tage-Frist auf den Bestand des Vertragsverhältnisses hat, d. h. ob damit der Vertrag nach 30 Tagen eo ipso aufgelöst sein soll und in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Dies wiederum würde bedeuten, dass der Verbraucher - anders als nach deutschem Schuldrecht - nach Ablauf der 30-Tage-Frist nicht mehr auf einer Vertragserfüllung bestehen könnte.
- 39. Als Gewährleistungsrechte sieht der Richtlinienvorschlag in den Artikeln 26 und 27 - anders als zum Beispiel das deutsche Recht - gleichrangig nur Nachbesserung oder Ersatzlieferung (Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a), Minderung (Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe b) und Rücktritt (Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe c), nicht aber Schadensersatz vor. Artikel 27 Absatz 2 legt insoweit fest, dass der Verbraucher den Ersatz der Schäden verlangen kann, "denen nicht gemäß Artikel 26 abgeholfen wurde". Es ist völlig unklar, was mit dieser Formulierung gemeint sein soll. Der Wortlaut lässt sowohl eine Auslegung dahingehend zu, dass der Verbraucher nur den Ersatz der Schäden verlangen kann, "denen nicht gemäß Artikel 26 abgeholfen wurde". Dann bliebe offen, inwieweit Schäden ersetzbar sind, die dem Verbraucher durch die Vertragswidrigkeit trotz geleisteter Abhilfe entstanden sind. Alternativ kann die Regelung aber auch dahingehend verstanden werden, dass Artikel 27 Absatz 2 als verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage für sämtliche Mangel- und Mangelfolgeschäden dienen soll. Die Regelung des Artikels 27 Absatz 2 ist daher unbedingt klarer zu fassen.
- 40. Die Bundesregierung wird ferner gebeten, sich im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Richtlinienvorschlags zum Verbrauchsgüterkauf in besonderem Maße dafür einzusetzen, dass
- - der Verbraucher die Lieferung im Zweifel sofort verlangen kann,
- - der Rücktritt vom Vertrag durch eine allgemein gefasste Zumutbarkeitsklausel wie in § 323 Absatz 2 Nummer 3 BGB erleichtert wird (z.B. bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Nachbesserung oder Ersatzlieferung) und
- - im Falle einer Einführung einer Rüge- und Ausschlussfrist diese auf einen angemessenen Zeitraum verlängert wird.
Zu Kapitel V (Verbraucherrechte in Bezug auf Vertragsklauseln):
- 41. Ein Bedürfnis zu einer EU-weiten vollharmonisierten Regelung des AGB-Rechts besteht wegen der damit verbundenen einschneidenden Auswirkungen auf das Vertragsrecht ebenfalls nicht (vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 11. Mai 2007 - BR-Drucksache 112/07(B) -, Ziffern 26 und 31).
- 42. Die Regelungen in Kapitel V des Richtlinienvorschlags einschließlich der "Schwarzen" und "Grauen Liste" missbilligter Klauseln sind mit dem deutschen Recht zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Einklang zu bringen. Viele der im Richtlinienvorschlag aufgeführten Klauseln sind auf die deutsche Zivilrechtsdogmatik überhaupt nicht oder nur zum Teil zugeschnitten. Auf der anderen Seite sieht der Richtlinienvorschlag für zahlreiche praxisrelevante Rechtsbereiche des deutschen Zivilrechts (z.B. das Werkvertragsrecht oder das allgemeine Vertrags- und Leistungsstörungsrecht) überhaupt keine Klauseln vor, obwohl auch dort aus Sicht von Verbrauchern wie Unternehmern ein Bedürfnis für klare gesetzliche Vorgaben besteht, die eine ausgewogene und gerichtsfeste Vertragsgestaltung ermöglichen. Dies wiegt umso schwerer, als der Anwendungsbereich des Kapitels V der Richtlinie nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt ist, es den Mitgliedstaaten aufgrund der Sperrwirkung der Vollharmonisierung also verwehrt wäre, für ihr individuelles Vertragsrecht individuelle Regelungen im Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu treffen. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass die Mitgliedstaaten auch in Zukunft die Möglichkeit haben, auf Besonderheiten des nationalen Zivilrechts durch passgenaue Vorschriften reagieren zu können.
- 43. Angesichts der mit einer Missbilligung bestimmter Klauseln verbundenen einschneidenden Auswirkungen auf die Zivilrechtsordnungen der Mitgliedstaaten lehnt der Bundesrat auch das gemäß Artikeln 39, 40 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Komitologieverfahren zur Abänderung bzw. Ergänzung der in Anhang II und III enthaltenen Klauseln mit Nachdruck ab. Die Einführung neuer "grauer" und "schwarzer" Klauseln ist unter allen Umständen dem formellen Gesetzgeber und damit der parlamentarischen Kontrolle vorzubehalten.
- 44. Wie schon die wenigen im Rahmen dieser Stellungnahme aufgegriffenen Beispiele zeigen, sind die Auswirkungen des Richtlinienvorschlags auf das Verbraucherschutzniveau und die (Zivil-)Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten von erheblichem Ausmaß. Der Bundesrat legt deshalb Wert auf die Feststellung, dass im Rechtsetzungsverfahren ausreichend Zeit zur Prüfung, Diskussion und gegebenenfalls Neufassung der Einzelregelungen zur Verfügung steht. Deshalb ist insbesondere von etwaigen Überlegungen Abstand zu nehmen, eine Verabschiedung der Richtlinie aus praktischen oder politischen Gründen noch vor der Europawahl 2009 anzustreben.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 45. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.