Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Kommissionsmitteilung an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 2. März 2006 mit dem Titel "Eine Partnerschaft zwischen der EU und der Karibik zur Förderung von Wachstum, Stabilität und Entwicklung", (KOM (2006) 0086), (nachstehend "Kommissionsmitteilung")
- - in Kenntnis des Evaluationsberichts zur regionalen Strategie der Kommission für die Karibik, Bände 1 und 2 vom April 2005,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen" vom 10. April 2006 und der darin vorgenommenen Bekräftigung des Gemeinsamen Standpunktes zu Kuba vom 2. Dezember 1996,
- - unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union mit dem Titel "Der Europäische Konsens"1,
- - in Kenntnis der Erklärung von Wien des Dritten europäischlateinamerikanischkaribischen Civil Society Forums vom 1. April 2006,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. März 2006 zu den Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) auf die Entwicklung2,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Entwicklungsausschusses (A6-0211/2006),
A. in der Erwägung, dass manche der karibischen Staaten bis 2020 den Status von entwickelten Ländern erreicht haben werden, anderen jedoch ein Absinken von der Gruppe der Länder mittleren Einkommens in die Kategorie der Länder mit niedrigem Einkommen droht,
B. in der Erwägung, dass diese kleinen Inselstaaten von Natur aus anfällig für Naturkatastrophen und andere von außen kommende Schocks sind,
C. in der Erwägung, dass ein Dialog zwischen der Kommission und Vertretern des Cariforum3 über die Kommissionsmitteilung stattgefunden hat, als diese sich noch im Entwurfsstadium befand,
D. in der Erwägung, dass die selbst bestimmte Schaffung des gemeinsamen karibischen Marktes und Wirtschaftsraums (CSME) ein wichtiges Instrument der regionalen Integration darstellt,
E. in der Erwägung, dass die Cariforum - Staaten die WPA-Verhandlungen mit einer klaren entwicklungspolitischen Dimension begleitet haben wollen, um in der Lage zu sein, wachsende Armut und Ungleichheiten zu bekämpfen, soziale Kohäsion zu fördern und die Millenniumsentwicklungsziele umzusetzen,
F. unter Hinweis auf die Tatsache, dass über 60% der Bevölkerung der Region unter 30 Jahre alt sind und abgesehen von Kuba in den Staaten der Karibik der Zugang zu Bildung für alle ein ungelöstes Problem darstellt,
G. in der Erwägung, dass die belgische Regierung den kritischen Dialog und die Entwicklungskooperation mit der kubanischen Regierung positiv bewertet hat,
H. in der Erwägung, dass die Programmierungsphase für die Mittel des Zehnten Europäischen Entwicklungsfonds begonnen hat und diese Mittel künftig schneller und effizienter ausgezahlt und besser auf die Bedürfnisse der Länder der Region zugeschnitten werden sollten,
- 1. lobt die Einbindung der Cariforum - Gruppe in die Diskussion des Entwurfs der Kommissionsmitteilung und begrüßt die Berücksichtigung der meisten von den Staaten der Region vorgetragenen Sorgen in der Mitteilung;
- 2. begrüßt, dass die Kommission ihrer Strategie das Ethos von Gleichheit, Partnerschaft und Besitz voranstellt;
- 3. hält die faktische Marginalisierung des Europäischen Parlaments durch einen Zeitplan, der seine Beteiligung an der Formulierung der Kooperationsstrategie für die Karibik ausschloss, für einen höchst bedauerlichen Bruch mit der einvernehmlichen Vorgehensweise der drei Europäischen Organe, die sich sowohl in der Formulierung der Afrika-Strategie als auch im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union bewährt hatte;
- 4. bedauert, dass die Kommission den Empfehlungen aus ihrem Evaluationsbericht nicht entsprechend Rechnung trägt;
- 5. stimmt der Analyse der Kommission zu, dass die Kooperation beider Regionen bislang nicht von einem adäquaten politischen Dialog begleitet wurde; hält die Praxis, einmal alle zwei Jahre ein einstündiges Treffen zwischen der EU-Troika und den Cariforum - Regierungschefs abzuhalten, für unzureichend und begrüßt das Vorhaben, einem solchen Dialog künftig auf allen Ebenen die notwendige Zeit einzuräumen;
- 6. begrüßt die geplante Einbindung der zu der Region gehörenden französischen Übersee-Departements (Guadeloupe, Französisch-Guyana und Martinique) und der karibischen überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG) in den künftigen politischen Dialog; unterstützt dabei jedoch die Auffassung der karibischen Staaten, dass die Modalitäten dieser Einbeziehung erst noch mit jenen Staaten verhandelt werden müssen, die im Rahmen des Cotonou-Abkommens4 die Vereinbarung zur Methodologie des politischen Dialogs unterzeichnet haben;
- 7. teilt die Haltung der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP), dass die Definition separater EU-Politiken für die drei AKP-Regionen keinesfalls zur Unterminierung der Gesamtbeziehung zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten führen darf; begrüßt das durch die Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (LAK-Staaten) geschaffene zusätzliche Forum des politischen Dialogs, besteht jedoch auf dem Vorrang der im Cotonou - Abkommen getroffenen Vereinbarungen;
- 8. begrüßt die in der Kommissionsmitteilung geäußerte Absicht, glaubwürdige Institutionen zu stärken und gute Regierungsführung sowie Transparenz in den Bereichen Finanzen, Steuern und Justiz in den karibischen Staaten zu fördern; fordert alle karibischen Staaten auf, die UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität bzw. gegen die Korruption zu ratifizieren;
- 9. billigt die Absicht der Kommission, der Förderung des neu geschaffenen CSME Priorität einzuräumen; bekräftigt erneut seine Ansicht, dass die WPA-Verhandlungsführung zentral von Entwicklungszielen bestimmt sein muss und der junge karibische Binnenmarkt einer angemessenen handelsbezogenen Unterstützung und des Kapazitätsaufbaus bedarf und dass die Liberalisierung des Handels vernünftig gestaffelt sein muss;
- 10. fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass die WPA so strukturiert sind, dass den regionalen Realitäten und Sachzwängen Rechnung getragen wird, erforderlichenfalls mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf eine variable Geometrie; fordert, dass alle im Rahmen der WPA - Verhandlungen übernommenen Verpflichtungen sorgfältig zeitlich abgestimmt werden mit der Gewährung der WPA - bezogenen Entwicklungsunterstützung, die auf die wichtigsten Anliegen der betroffenen Regierungen, darunter die wirtschaftliche Umstrukturierung zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Steueranpassungen und Maßnahmen zur Erleichterung des Handels, zielgerichtet ist;
- 11. verweist erneut auf die hohe Bedeutung der Zolleinkünfte für die Haushalte und Investitionsmöglichkeiten eines Teils der karibischen Staaten und folgert daraus, dass die Maßnahmen, die zu einem Verlust dieser Einkünfte führen und steuerlich derzeit nicht ausgeglichen werden können, nicht ohne adäquate Kompensation ergriffen werden sollten; betont jedoch, dass die Ausweitung des Handels zwischen den karibischen Staaten und den Entwicklungsländern im Allgemeinen dazu beitragen könnte, Verluste bei den Zolleinkünften auszugleichen und stabilere Einkommensquellen zu sichern;
- 12. stimmt der Kommission zu, dass die kleinen offenen Volkswirtschaften der Region besonders anfällig für globale Marktkräfte sind; gibt jedoch zu bedenken, dass eine allmähliche Handelsliberalisierung mit angemessenen Schutzmechanismen und ausreichend Zeit für Anpassungen die Entwicklung fördert und deshalb ein Mittel zur Bekämpfung der Armut sein kann;
- 13. vertritt die Auffassung, dass bei handelsbezogenen Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau Sachzwänge auf der Angebotsseite in Angriff genommen werden müssen, u.a. durch Förderung der Verarbeitung von Grunderzeugnissen und Produktionsdiversifizierung, Förderung von Konsultationen kleiner und mittlerer Unternehmen und ihrer Unterstützung, Beseitigung von bürokratischen Investitionsbarrieren und somit Förderung der Wirtschaftsentwicklung in der Region;
- 14. fordert die Kommission nachdrücklich auf, Empfehlung 7 ihres Evaluationsberichts umzusetzen, die Prinzipien des "Small Island Developing States Network" der Vereinten Nationen zu berücksichtigen; ersucht die Kommission, die zu den Auswirkungen der Handelsliberalisierung und Globalisierung auf die nachhaltige Entwicklung solcher Staaten durchgeführte Studie zu veröffentlichen;
- 15. hält die Kompensations- und Adaptionsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Änderungen auf dem Zucker- und Bananenmarkt für unterfinanziert und befürchtet unter Verweis auf die jüngsten Demonstrationen in der Region eine starke Gefährdung des Kooperationszieles des sozialen Zusammenhalts;
- 16. fordert die Kommission auf, Programme zur Förderung der landwirtschaftlichen Konversion zu entwickeln, die unter sozialpolitischen, die Ernährung sichernden, energiepolitischen und umweltpolitischen Aspekten den Erhalt und die Schaffung von akzeptablen Arbeitsplätzen in bislang konventionell und nicht wettbewerbsfähig bewirtschafteten Betrieben ermöglichen;
- 17. fordert ein stärkeres Gewicht der sozialen, kulturellen und umweltrelevanten Folgen in der Kooperationsstrategie und den Aufbau einer systematischen Folgenabschätzung und Evaluation auf der Basis der Indikatoren der Millenniumsentwicklungsziele;
- 18. begrüßt, dass wichtige Umweltschutzaufgaben in die Entwicklungszusammenarbeit mit der karibischen Region einbezogen wurden, und fordert, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie die Energieeffizienz massiv finanziell gefördert werden, um ruinöse Folgen des Preisanstiegs für Erdöl zu vermeiden und den Klimawandel zu verlangsamen;
- 19. teilt die Sorgen der Kommission, dass es in Folge des globalen Klimawandels zu noch häufigeren und stärkeren Wetterkatastrophen in der Region kommt, und unterstützt das Ziel eines verbesserten Naturkatastrophenmanagements, bedauert aber, dass die 2005 geschaffene EU - AKP - Naturkatastrophenfazilität überhaupt nicht erwähnt wird; fordert die Kommission auf, die dauernde und langfristige Einrichtung einer solchen Fazilität zu unterstützen; fordert die Kommission auf, den Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments sowie den Ausschuss für soziale Angelegenheiten und Umwelt der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU regelmäßig über den Verlauf dieses Prozesses zu informieren; verweist auf die Verletzbarkeit der Volkswirtschaften der Karibik-Staaten durch Naturkatastrophen und begrüßt die Ankündigung der Kommission, für Wiederaufbauhilfe neue und schnellere Auszahlungsmodalitäten anzuwenden, die eine Verpflichtung zur Vorfinanzierung vorsehen;
- 20. kritisiert, dass sich die Strategie für die Karibik viel zu wenig mit der Bewältigung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit und der wachsenden Frustration unter Jugendlichen beschäftigt; ist besorgt, dass sich diese Situation durch die bevorstehende Krise der karibischen Landwirtschaft noch verschärfen wird;
- 21. betont die Schlüsselrolle des Ausbaus eines nachhaltigen Tourismus für die Wirtschaftsentwicklung, und empfiehlt, den dafür erforderlichen Infrastrukturaufbau (Straßen, Häfen, Flughäfen usw.) langfristig finanziell zu unterstützen; vermisst bei der Kommission jedoch die Einsicht, dass zu dieser Nachhaltigkeit auch regional und lokal verankertes Eigentum an Tourismusobjekten gehört und dieses gefördert werden muss, um das Abfließen der erzielten Gewinne zu verringern, damit die Bevölkerung vor Ort nicht in ein reines Dienstbotenverhältnis gezwungen wird und verhindert wird, dass es irgendwann zu einer Denaturierung der Landschaft kommt;
- 22. begrüßt das Angebot der Kommission, die Tür für einen politischen Dialog mit Kuba offen zu halten; kritisiert jedoch die engen Beschränkungen, die solchen Dialogen auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunktes von 1996 auferlegt werden;
- 23. weist darauf hin, dass ein erfolgreiches Einwirken der Europäischen Union auf die USA für ein Ende der Embargopolitik erhebliche ökonomische Potenziale für die gesamte Region erschließen könnte; fordert im Sinne einer an den politischen, sozialen, individuellen und ökonomischen Menschenrechten ausgerichteten Politik nachdrücklich die Aufnahme eines kritischen Dialoges mit der kubanischen Regierung;
- 24. betont die Wichtigkeit der Abstimmung von Entwicklungsvorhaben auch mit außereuropäischen Akteuren in der Region, insbesondere Kanada, China, Brasilien und Venezuela, und bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Darstellung des Engagements anderer Akteure durch die Kommission von einem gewissen Grad an Misstrauen geprägt ist;
- 25. unterstreicht die Heterogenität der Region und empfiehlt eine stärkere Differenzierung in der Kooperationsstrategie; fordert die Kommission vor diesem Hintergrund auf, für jeden karibischen Staat u.a. anhand der Frage, inwieweit Transparenz, starke und unabhängige Institutionen und verantwortungsvolle Regierungsführung gegeben sind, einzeln zu prüfen, ob eine Konzentration auf Budgethilfe die geeignete Methode zum Erreichen der Entwicklungsziele darstellt;
- 26. verweist ausdrücklich auf die besondere Notlage Haitis und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein Sonderprogramm für Haiti zu entwickeln, das über die allgemeine Kooperation mit der Karibik hinausgeht und zusätzliche Mittel erfordern wird; begrüßt den allgemein zufrieden stellenden Ablauf der im Februar und April 2006 in Haiti abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen;
- 27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten sowie den Regierungen und Parlamenten der karibischen Staaten zu übermitteln.
1 ABl. C 46 vom 24.2.2006, S. 1.
2 Angenommene Texte, P6_TA(2006)0113.
3 Das Karibik-Forum der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten).
4 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnet (ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3).