A. Problem und Ziel
- An den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beteiligt sich der Bund jährlich mit einem Festbetrag in Höhe von 409 Mio. € ( § 34 Abs. 2 Wohngeldgesetz - WoGG). Die Erstattungsmittel des Bundes werden auf die Länder entsprechend ihrem Anteil an den bundesweiten Aufwendungen für das Wohngeld im Jahr 2002 verteilt. Die Länder leiten den jeweiligen Erstattungsbetrag an die Träger der Grundsicherungsleistungen - die Kommunen - weiter. Der Festbetrag soll die Mehrausgaben ausgleichen, die den Kommunen aufgrund des grundsätzlichen Verzichts auf die Heranziehung unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern, durch Gutachterkosten gegenüber den Rentenversicherungsträgern und wegen des Aufwands für statistische Erfassungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) entstanden sind und entstehen. Weitere den Kommunen in erheblichem Umfang entstehende Kosten, etwa aufgrund vermehrter Antragstellung wegen des weitgehenden Verzichts auf den Unterhaltsrückgriff, sollten nach dem Willen des Bundesgesetzgebers nicht ausgeglichen werden.
- Der Festbetrag sollte aufgrund von § 34 Abs. 2 WoGG erstmals zum 31.12.2004 überprüft und ggf. - sofern die Mehrausgaben für die genannten Kostenpositionen die Höhe des am Stichtag geltenden Festbetrags um mehr als 10 v. H. übersteigen oder unterschreiten - angepasst werden. Diese Überprüfung hat auf Grund einer fehlenden verlässlichen Datengrundlage bislang nicht stattgefunden.
- Da die vom Bund zu erstattenden Mehrkosten wegen der Nichtheranziehung unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern weder erhoben noch nachgewiesen und somit auch nicht quantifiziert werden können, ist die Revision mit kaum zu lösenden Problemen behaftet. Sie könnte letztlich nur an Hand von angreifbaren Schätzungen vollzogen werden.
- Darüber hinaus zeigen die mittlerweile vorliegenden statistischen Daten über die Ausgaben der Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung, dass der im Wohngeldgesetz getroffene Verteilungsschlüssel nicht den tatsächlichen Anteil der Länder an den bundesweiten Ausgaben für die Leistungen der Grundsicherung erfasst. Die aufgetretenen Disparitäten sind so gravierend, dass der derzeitige Verteilungsmodus unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten unverzüglich geändert werden muss.
B. Lösung
- § 34 Abs. 2 WoGG wird gestrichen und stattdessen eine Erstattungsregelung im SGB XII eingeführt. Die Erstattungsquote des Bundes wird in Höhe von 20 v. H. der reinen Ausgaben aller Länder für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung festgeschrieben. Auf ein schwieriges und verwaltungsaufwändiges Revisionsverfahren kann damit künftig verzichtet werden.
- Die Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist von Art. 104a Abs. 3 GG gedeckt. Zwar werden die Leistungen der Sozialhilfe als Dienstleistung, Geldleistung oder Sachleistung erbracht. Jedoch handelt es sich bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung um reine Geldleistungen, die von den sonstigen Leistungen der Sozialhilfe klar abgrenzbar sind. Art. 104a Abs. 3 GG steht somit einer Beteiligung des Bundes an diesen Ausgaben nicht entgegen.
C. Alternativen
- Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- Bei Zugrundelegung der Grundsicherungsausgaben 2004 von rd. 2,1 Mrd. € (= reine Ausgaben) entspricht die derzeitige Bundesbeteiligung von 409 Mio. € der Höhe der Erstattungsleistungen von 19,54 %. Im Interesse einer einfacheren Handhabung wurde dieser Prozentanteil auf 20 v. H. aufgerundet. Für das Jahr 2005 liegen die statistischen Zahlen für die Belastung aller Länder, aus der sich dann die prozentuale Beteiligung des Bundes ergibt, noch nicht vor. Je nach Entwicklung der Grundsicherungsausgaben ergeben sich künftig für den Bund Mehr-oder Minderausgaben.
- Die Kommunen als Träger der Grundsicherungsleistungen werden in ihrer Gesamtheit in Höhe der Bundesbeteiligung entlastet. Durch die Änderung des Verteilungsschlüssels wird sich für einen Teil der Kommunen im Vergleich zur derzeitigen Regelung eine höhere Entlastung ergeben. Diejenigen Kommunen, die durch den derzeitigen Verteilungsschlüssel begünstigt sind, werden Mindereinnahmen zu verbuchen haben.
E. Sonstige Kosten
- Keine.
F. Gleichstellungspolitische Bedeutung
- Keine.
Gesetzesantrag der Freistaaten Bayern, Sachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
Der Bayerische Ministerpräsident München, den 26. Oktober 2006
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident!
Gemäß den Beschlüssen der Bayerischen und Sächsischen Staatsregierungen übermittle ich den in der Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 827. Sitzung am 3. November 2006 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Edmund Stoiber
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Wohngeldgesetzes
- § 34 des Wohngeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 2029), geändert durch Artikel 4 Abs. 16 des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809), wird wie folgt geändert.
- 1. Absatz 2 wird aufgehoben.
- 2. In Absatz 1 wird die Absatzbezeichnung gestrichen.
Artikel 2
Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
- Nach § 46 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558), wird folgender § 46a eingefügt:
§ 46a Beteiligung des Bundes
- Der Bund beteiligt sich zweckgebunden an den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, um diejenigen Mehrausgaben auszugleichen, die den Trägern der Sozialhilfe unmittelbar aufgrund der gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt besonderen Regelungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entstehen.
- Der Bund trägt 20 v. H. der reinen Ausgaben für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
- Das Verfahren zur Auszahlung der Bundesmittel wird durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium des Innern sowie mit Zustimmung des Bundesrates geregelt.
Artikel 3
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2007 in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
- 1. Durch die Einführung des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zum 01.01.2003, dessen Regelungen mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB XII überführt wurden, sollte eine erleichterte Inanspruchnahme von Hilfe zum Lebensunterhalt ermöglicht werden, um Altersarmut und verschämte Armut zu vermeiden. Hierfür wurde insbesondere der grundsätzliche Verzicht auf den Rückgriff gegenüber Kindern und Eltern, die zu Unterhaltszahlungen an die Leistungsberechtigten verpflichtet sind, eingeführt. Im Rahmen des § 34 Abs. 2 WoGG wurde der Bund verpflichtet, den Ländern diejenigen Mehrausgaben auszugleichen, die den Trägern der Sozialhilfe wegen der Nichtheranziehung unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern, wegen der Zahlungspflichten gegenüber den Rentenversicherungsträgern sowie wegen statistischer Erfassungen nach dem SGB XII entstehen. Da die Höhe der Mehrausgaben in den Ländern nicht bereits vor dem Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes erfasst werden konnte, wurde festgelegt, dass die Bundeserstattung auf die Länder entsprechend ihren Aufwendungen für das Wohngeld im Jahr 2002 aufgeteilt werden soll; gleichzeitig wurde die Höhe der Bundesbeteiligung auf 409 Mio. € festgesetzt. Um auf mögliche Änderungen der Mehrausgaben in der Zukunft reagieren zu können, wurde ein Revisionsverfahren zur Überprüfung und ggf. Anpassung des Erstattungsbetrages eingeführt.
Mittlerweile hat sich allerdings herausgestellt, dass das Revisionsverfahren, so wie in § 34 WoGG vorgesehen, in der Praxis nicht durchführbar ist. Die vom Bund zu erstattenden Mehrkosten wegen der Nichtheranziehung unterhaltspflichtiger Kinder und Eltern können weder quantifiziert noch nachgewiesen werden.
Darüber hinaus zeigen die mittlerweile vorliegenden statistischen Daten über die Ausgaben der Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung, dass der im Wohngeldgesetz getroffene Verteilungsschlüssel nicht den tatsächlichen Anteil der Länder an den bundesweiten Ausgaben für die Leistungen der Grundsicherung erfasst. Dieser Verteilungsschlüssel wurde mangels verlässlicher Parameter seinerzeit gewählt, um überhaupt Regeln für die Verteilung der Bundesmittel aufstellen zu können. Entsprechende Parameter sind nunmehr jedoch vorhanden; an Hand der statistischen Unterlagen können die Anteile der Länder an den Gesamtausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung verifiziert werden. Damit ist es möglich, einen Verteilungsmodus festzuschreiben, der den tatsächlichen Gegebenheiten und dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht: jedes Land soll im Verhältnis seiner eigenen Belastung an der Gesamtbelastung aller Länder an den Bundesmitteln partizipieren. Dies ist der einzige Maßstab, der den Interessen aller Länder gerecht wird.
Insoweit ist auch dringender Handlungsbedarf gegeben. Der Verteilungsmaßstab nach Wohngeldrecht führt zu Ergebnissen, die unter objektiver Betrachtungsweise nicht mehr akzeptabel sind. Ein Verteilungsschlüssel, der dazu führt, dass im Jahr 2004 ein Land mit 10,09 v. H. am Festbetrag des Bundes partizipiert, obwohl sich für dieses Land - gemessen an seiner Ausgabenbelastung - nur ein Anteil von 5,8 v. H. errechnen würde, ist untauglich, wenn mittlerweile ein belastungsgerechter Verteilungsschlüssel möglich ist. Andererseits kann es einem Land, dem nach aktuellem Recht ein Anteil von 8,2 v. H. zusteht, nicht zugemutet werden, sich mit diesem Anteil zu begnügen, wenn sich bei einer Verteilung nach tatsächlicher Belastung ein Anteil von 13,7 v. H. errechnet (in absoluten Zahlen bedeutet dieses Beispiel eine Differenz von über 20 Mio. €).
Der Gesetzentwurf verkennt nicht, dass die Neuregelung für einige Länder eine "Verschlechterung" bedeutet. Hätten beim Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes allerdings schon valide Zahlen vorgelegen, so wäre bereits damals ein Verteilungsmodus entsprechend der jeweiligen Belastung des Landes festgeschrieben worden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Länder, die künftig mit einem geringeren Anteil an der Bundeserstattung beteiligt werden, letztlich keinen "Verlust" erleiden; es ist vielmehr festzuhalten, dass sie in den Jahren 2003 bis 2006 einen zwar auf dem Gesetz beruhenden, sachlich aber nicht begründbaren Vorteil erlangt haben.
Dieser Vorteil bleibt ihnen auch erhalten, da der Gesetzentwurf nur auf Änderungen in der Zukunft abzielt. Die bisher vorgenommenen Bundeserstattungen und Verteilungen bis einschließlich 2006 werden durch die vorgesehenen Änderungen nicht berührt.
Die bestehenden Probleme sind lösbar, wenn § 34 Abs. 2 WoGG gestrichen und stattdessen eine sachgerechte und verwaltungsfreundliche Erstattungsregelung im SGB XII eingeführt wird. Die Diskrepanz beim Verteilungsschlüssel wird beseitigt. Die Erstattungsquote wird in Höhe von 20 % der reinen Ausgaben für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung festgeschrieben. Ein schwieriges, verwaltungsaufwändiges und streitbelastetes Revisionsverfahren findet künftig nicht mehr statt.
- 2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bestehen nicht.
Art. 104a Abs. 3 GG erlaubt eine finanzielle Beteiligung des Bundes an Bundesgesetzen, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden. Auch wenn im Rahmen der Sozialhilfe neben Geldleistungen auch Sach- und Dienstleistungen gewährt werden so handelt es sich bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung um reine Geldleistungen, die von den Sachleistungen der Sozialhilfe wie beispielsweise der Hilfe zur Gesundheit eindeutig und klar abtrennbar sind.
An denentstehenden Verwaltungskosten (z.B. Kosten für Gutachten der Rentenversicherungsträger) wird der Bund nicht beteiligt.
Eine neue Mischfinanzierung wird nicht eingeführt, sondern lediglich eine bestehende Mischfinanzierung mit dem Ziel einer gerechten Verteilung der Bundesmittel umgestaltet.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des WoGG)
Die in § 34 Abs. 2 WoGG vorgesehene Revision hat sich als höchst problembelastet und letztlich nicht vollziehbar herausgestellt; insbesondere können die mit dem Unterhaltsverzicht gegenüber Kindern und Eltern verbundenen Mehrausgaben nicht beziffert werden. Zudem ist der gewählte Verteilungsschlüssel nicht sachgerecht, da dieser nicht mit dem tatsächlichen Anteil der Länder an den bundesweiten Ausgaben für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung korrespondiert. Da für die Verteilung der Bundesmittel künftig der tatsächliche Anteil eines Landes an den bundesweiten Grundsicherungsausgaben maßgeblich ist, fehlt der Anknüpfungspunkt zum Wohngeldgesetz. § 34 Abs. 2 WoGG ist aufzuheben.
Zu Artikel 2 (Änderung des SGB XII)
Mit Artikel 2 wird eine sachgerechte und verwaltungsfreundliche Erstattungsregelung in das SGB XII eingeführt. Der Bund beteiligt sich künftig mit 20 v. H. an den reinen Ausgaben für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Ein Revisionsverfahren wird künftig nicht mehr benötigt, da mit der prozentualen Beteiligung des Bundes an den Grundsicherungsausgaben sichergestellt ist, dass sich in der Zukunft mögliche Kostensteigerungen oder Kostensenkungen auch auf den Anteil des Bundes auswirken.
Die Festschreibung eines Bundesanteils von 20 v. H. der reinen Ausgaben entspricht - ausgehend von den Verhältnissen 2004 - im Wesentlichen der bisherigen Bundesbeteiligung durch den Festbetrag. Setzt man den bisherigen Festbetrag zu den Ausgaben der Grundsicherungsträger im Jahr 2004 in Relation, so ergibt sich, dass der Festbetrag 19,54 v. H. der reinen Ausgaben abdeckte. Dieser Betrag wurde im Interesse einer einfacheren Handhabung auf 20 v. H. aufgerundet. Auf Basis der Verhältnisse für 2004 entstünde dem Bund dadurch eine Mehrbelastung von 11,23 Mio. €. Sie ist angesichts der gravierenden Mehrbelastungen, die den Kommunen durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entstanden sind, gerechtfertigt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit den Bundesministerien der Finanzen und des Innern das Nähere über die Auszahlungsmodalitäten der Bundesbeteiligung in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. In die Vergangenheit zurückreichende Änderungen sind nicht beabsichtigt.