Der Bundesrat hat in seiner 901. Sitzung am 12. Oktober 2012 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung des Vergütungsrechts für Krankenhäuser
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den
- - die in § 10 des Krankenhausentgeltgesetzes verankerte Kollektivhaftung der Krankenhäuser bei Leistungssteigerungen neben der krankenhausindividuellen Berücksichtigung der Mehrleistungsabschläge schon für die Jahre 2013/2014 abgeschafft wird. Sollten aus Kosten- oder Steuerungsgründen zur Vermeidung angebotsinduzierter Mengensteigerungen auch nach dem Jahr 2014 finanzielle Abschläge für Mehrleistungen notwendig sein, muss hierfür eine neue, gerecht gestaffelte Mehrleistungsregelung oder auch ein anderes Steuerungsinstrument gefunden werden, das in seinen Auswirkungen aber gezielt auf die Mehrleistungen erbringenden Krankenhäuser beschränkt ist;
- - eine stärkere Berücksichtigung der tatsächlichen Kostensteigerungen (Orientierungswert) sichergestellt wird. Hierzu muss anstelle der gegenwärtigen fakultativen Anrechnung von höchstens einem Drittel der Differenz zur Grundlohnrate eine zwingende Anrechnung der tatsächlichen Kostensteigerungen gesetzlich festgeschrieben werden. Notfalls ist statt der vollen Berücksichtigung des Orientierungswerts gegebenenfalls auch ein anteiliger Faktor akzeptabel, der aber die gegenwärtige Grenze von maximal 30 Prozent der Differenz zwischen Grundlohnrate und Orientierungswert deutlich übersteigen muss.
Begründung:
Die Sicherstellung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung ist eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Anliegen. Bislang ist das Versorgungsniveau in Deutschland hervorragend - und zwar sowohl in der wohnortnahen Grundversorgung als auch in der Spitzenmedizin.
Zunehmend wird jedoch die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser gefährdet. Kliniken kämpfen seit Jahren mit einer Lücke zwischen Einnahmen- und Kostensteigerungen. Unabweisbar auftretende Kostensteigerungen (Tarifverträge, Energiepreise und so weiter) werden von den gesetzlich begrenzten Steigerungen der Vergütungen für die Krankenhausleistungen nicht hinreichend abgedeckt.
Zusätzlich wird auf die Krankenhäuser das mit der demographischen Entwicklung einhergehende Morbiditätsrisiko verlagert, weil die Summe der Leistungssteigerungen im Land zum einen bei der Vereinbarung des Landesbasisfallwerts absenkend berücksichtigt wird. Davon sind alle Krankenhäuser betroffen, gleichgültig, ob sie selber Mehrleistungen erbringen oder nicht. Der gleiche Tatbestand wird zum andern aber mindestens bis zum Jahr 2014 als sogenannte "Mehrleistungsabschläge" bei den individuellen Pflegesatzverhandlungen jedes Krankenhauses, das Mehrleistungen erbracht hat, noch einmal als Preisabschlag berücksichtigt.
Insgesamt führt dies zu einer erheblichen Differenz zwischen Kosten und Einnahmen. Vergleicht man die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft jährlich für die Basisfallwertverhandlungen prognostizierten Personal- und Sachkostensteigerungen mit der vom Bundesministerium für Gesundheit bekanntgemachten Veränderungsrate, ergibt sich allein für das Jahr 2012 eine Finanzierungslücke für die Krankenhäuser von rund 1,5 Prozent, entsprechend 900 Millionen Euro bundesweit beziehungsweise 130 Millionen Euro in Bayern. Dabei ist die hälftige Tarifkostenfinanzierung durch das Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen bereits berücksichtigt. Die Situation in den Vorjahren war keineswegs besser. Seit dem Ende der Konvergenzphase im Jahr 2009 mussten die Krankenhäuser in der Summe eine Finanzierungslücke von insgesamt 6,5 Prozent durch Einsparungen schließen. Das entspricht etwa 3,8 Milliarden Euro bundesweit und in Bayern rund 600 Millionen Euro.
Nachdem viele Krankenhäuser aufgrund der in den vergangenen Jahren vorgenommenen Rationalisierungen, insbesondere im Personalbereich, keine weiteren Einsparungen realisieren können, führt das Auseinanderklaffen von Einnahmen und Ausgaben zunehmend zu Defiziten beim Krankenhausbetrieb.
Nach einer Umfrage der Bayerischen Krankenhausgesellschaft vom Dezember 2011 meldeten für das Jahr 2010 etwa ein Viertel der bayerischen Krankenhäuser ein negatives Geschäftsergebnis. Für das Jahr 2011 erhöht sich diese Zahl auf gut ein Drittel. Für das Jahr 2012 rechnet die Bayerische Krankenhausgesellschaft mit einem weiteren Anstieg auf etwa 40 Prozent.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle bundesweite Umfrage des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. unter seinen Mitgliedern, wonach 43 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser für das Jahr 2012 ein Defizit erwarten.
Krankenhäuser der Grundversorgung im ländlichen Raum, die ein breites Versorgungsangebot zur wohnortnahen Versorgung aufrechterhalten müssen und daher keine Möglichkeit haben, sich einen größeren Einzugsbereich zu erschließen, indem sie sich auf planbare Operationen spezialisieren, sind umso härter von den geschilderten Unzuträglichkeiten des gegenwärtigen Vergütungssystems betroffen.
Das gilt insbesondere für die Abschläge beim Basisfallwert. Bei der vom Bundesministerium für Gesundheit angenommenen Mengensteigerung von 2,7 Prozent ergäben sich zum Beispiel für die bayerischen Krankenhäuser über den kollektiven Haftungsmechanismus Abzüge im Landesbasisfallwert in Höhe von rund 50 Millionen Euro - zusätzlich zu den krankenhausindividuellen Mehrleistungsabschlägen. Dieser kollektive Abschlag trifft alle Krankenhäuser, obwohl die Hälfte von ihnen keine Leistungsausweitungen zu verzeichnen hat.
Die Hälfte des kollektiven Abschlags (also etwa 25 Millionen Euro) betrifft Häuser der Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum, obwohl diese nur etwa ein Drittel der Mehrleistungen erbringen.
Der im Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen enthaltene anteilige Tarifausgleich für das Jahr 2012 bringt den Krankenhäusern kurzfristige finanzielle Verbesserungen (laut Berechnungen des Bundesministeriums für Gesundheit in Höhe von 280 Millionen Euro jährlich, entsprechend 42 Millionen Euro für Bayern), beseitigt die strukturellen Finanzierungsschwierigkeiten der Krankenhäuser aber nicht.
Die im Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen vorgesehene künftige Anwendung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Orientierungswerts ist unzureichend. Seine Refinanzierbarkeit ist auf einen Anteil von höchstens einem Drittel der Differenz zur bisherigen Grenze (Grundlohnrate = Steigerung der beitragspflichtigen Einnahmen in der Gesetzlichen Krankenversicherung) beschränkt. Selbst dieses Drittel stellt nur die Obergrenze für eine entsprechende Vereinbarung durch die Selbstverwaltungspartner dar und wird daher angesichts deren widerstreitenden Interessen kaum jemals in voller Höhe ausgeschöpft werden.
Um negative Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur und/oder die Behandlungsqualität zu vermeiden, sind vielmehr - wie in den vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen beschlossenen, von Bundesregierung und Bundestag aber nicht aufgegriffenen Änderungsbegehren gefordert - nachhaltig wirkende Maßnahmen zur Sicherung einer auskömmlichen Finanzierung der von den Krankenhäusern erbrachten Leistungen notwendig.