Der Bundesrat hat in seiner 877. Sitzung am 26. November 2010 gemäß § § 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Anpassung an den Vertrag über die Arbeitsweise der EU
- 1. Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit an, dass die in der Verordnung nach dem bisherigen Komitologiebeschluss vorgesehenen Durchführungsbefugnisse der Kommission überprüft und an die mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Möglichkeiten angepasst werden müssen.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass der Vorschlag den Vorgaben des Vertrags von Lissabon und der Mitteilung der Europäischen Kommission zur Umsetzung von Artikel 290 AEUV (BR-Drucksache 875/09 (PDF) ) nicht ausreichend Rechnung trägt.
- 3. Um eine einheitliche Umsetzung der mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Möglichkeiten in allen Sektoren zu gewährleisten, hält der Bundesrat bei der Wahl zwischen delegierten Rechtsakten (Artikel 290 AEUV) und Durchführungsrechtsakten (Artikel 291 AEUV) eine einheitliche Vorgehensweise für erforderlich.
- 4. Er fordert die Kommission auf, bei dieser Wahl in allen Fällen, in denen eine Notwendigkeit einheitlicher Bedingungen für die Durchführung von EU-Rechtsakten besteht, gemäß den Vorgaben des Vertrags von Lissabon (Artikel 291 AEUV) die Festlegungen im Wege von Durchführungsrechtsakten zu treffen. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn es sich nicht um Rechtsakte handelt, die bislang unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle im Sinne des Komitologie-Beschlusses fallen.
- 5. Da die Definition delegierter Rechtsakte in Artikel 290 Absatz 1 AEUV weitgehend der Definition der Rechtsakte entspricht, die unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle fallen, sollten diese Fälle im Regelfall gleich behandelt werden. Umgekehrt sollten die anderen Verfahren des Komitologie-Beschlusses in der Regel durch Durchführungsrechtsakte ersetzt werden. Dies entspricht auch der Logik des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung zu den Durchführungsrechtsakten nach Artikel 291 AEUV, durch die die bestehenden Komitologieverfahren ersetzt werden sollen, jedoch nicht das Regelungsverfahren mit Kontrolle, für das Artikel 290 AEUV anwendbar sein soll. Nur so kann auch sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union unmittelbar beteiligt werden und die Kommission - wie primärrechtlich in Artikel 291 Absatz 3 AEUV vorgesehen - bei der Wahrnehmung ihrer Durchführungsbefugnisse kontrollieren können.
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates darf die Anpassung nicht dazu führen, dass bei Einschränkungen der Beteiligungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten das für Vollzugvorgaben notwendige regional differenzierte Expertenwissen nicht mehr in die einheitlichen Regeln einfließt.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kommission dennoch in dem vorliegenden Vorschlag Ermächtigungen für delegierte Rechtsakte vorsieht, obwohl eine Notwendigkeit einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union besteht und es sich um Rechtsakte handelt, die bislang nicht unter das Regelungsverfahren mit Kontrolle fallen (z.B. die Vorschriften zu den Kontrollgrundsätzen in Artikel 1 Nummer 14 - Artikel 27a).
- 8. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen,
- - dass keine zusätzlichen Tatbestände aufgenommen werden, die über die bisherigen Ermächtigungen in der Ratsverordnung und die Regelungsinhalte der bisherigen Durchführungsbestimmungen in den Verordnungen (EG) Nr. 1120/2009, Nr. 1121/2009 und Nr. 1122/2009 hinausgehen; - dass Regelungen, die sich auf die verwaltungsmäßige Umsetzung in den Mitgliedstaaten auswirken, vor allem Aspekte der Finanzierungs-, Verwaltungs-, Kontroll- und Sanktionsbestimmungen im Wege von Durchführungsrechtsakten festgelegt werden;
- - dass, sofern bestimmte nicht wesentliche Änderungen oder Ergänzungen im Wege von delegierten Rechtsakten festgelegt werden, diese erst nach vorheriger Anhörung von Experten erlassen werden.
In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 12. Februar 2010 (BR-Drucksache 875/09(B) ).
- 9. Der Bundesrat bittet insbesondere darauf hinzuwirken, dass folgende Regelungsinhalte im Wege von Durchführungsrechtsakten unter Beteiligung der Mitgliedstaaten festgelegt werden:
- - die Ermächtigungen gemäß dem neuen Artikel 27a, der u.a. Regelungen zu Vorschriften zu den Kontrollgrundsätzen, den Sanktionen, den Ausschlüssen und den Kürzungen bei Cross Compliance vorsieht (Artikel 1 Absatz 14); - die Ermächtigungen gemäß den neuen Artikeln 45a - Artikel 1 Absatz 28, 54a - Artikel 1 Absatz 30, Artikel 62a - Artikel 1 Absatz 35 und Artikel 67a - Artikel 1 Absatz 37, die Regelungen zu grundlegenden Vorschriften zu Zahlungsansprüchen und zur Betriebsprämienregelung vorsehen;
- - die Bedingungen zur Zustimmung der Kommission zu Maßnahmen der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 68 Absatz 7 (Artikel 1 Absatz 38 Buchstabe b);
- - auch die Bedingungen für die Gewährung gekoppelter Beihilfe, wie z.B. die Beihilfe für Stärkekartoffelerzeuger und für Eiweißpflanzen (Artikel 76a ff. - Artikel 1 Absatz 42 ff.).
Zu den inhaltlichen Vorschlägen
- 10. Angesichts der laufenden Bemühungen einiger Mitgliedstaaten um notwendige Vereinfachungen insbesondere im Bereich von Cross Compliance bedauert der Bundesrat, dass sich die Vorschläge auf marginale Vereinfachungen beschränken.
- 11. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, weitere Vorschläge der von den Mitgliedstaaten vorgelegten 39 Vereinfachungen bereits jetzt umzusetzen. Die Kontrollvorgaben der EU überfordern inzwischen die Landwirte und Verwaltung und müssen deshalb auf ein angemessenes Verhältnis von Nutzen zu Kosten zurückgeführt werden. Der Bundesrat hält die Umsetzung insbesondere folgender Vorschläge für dringend erforderlich:
- - Halbierung der Vor-Ort-Kontrollquoten bei InVeKoS und Cross-Compliance: Vor dem Hintergrund der inzwischen fünfjährigen Erfahrung des ordnungsgemäßen Vollzugs bei der Umsetzung des Cross Compliance- Systems auf der Basis der gut funktionierenden, computergestützten Kontrollsysteme wie GIS und HI-Tier hält es der Bundesrat für vertretbar, die Kontrollquote bei InVeKoS von derzeit 5 Prozent auf 2,5 Prozent und bei Cross Compliance von ein Prozent auf 0,5 Prozent zu verringern. Dies würde nicht nur die Akzeptanz der Systeme bei den Landwirten erhöhen, sondern auch Verwaltungskosten erheblich verringern; - Vermeidung von Doppelkontrollen, wo das Fachrecht selbst entsprechende systematische Kontrollen vorsieht;
- - Anhebung von Toleranzgrenzen, u.a. im Zusammenhang mit Rückforderungen und Flächenmessungen.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.