Der Bundesrat hat in seiner 850. Sitzung am 7. November 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten zum Schutz der Umwelt, aber auch der menschlichen Gesundheit vor Pestiziden.
- 2. Der Bundesrat erkennt an, das verfolgte Ziel des Richtlinienvorschlags durch die Festschreibung von grundlegenden Anforderungen an Pestizidausbringungsmaschinen zu erreichen. Er erkennt daher den Vorschlag an, als einen ersten Schritt einheitliche Regelungen zu Umweltschutzanforderungen für Pestizidausbringungsmaschinen (Pflanzenschutzgeräte) einzuführen, um ein einheitliches hohes Schutzniveau für Anwender und Umwelt EU-weit sicherzustellen. Allerdings hält der Bundesrat das gewählte Mittel, Maßgaben in der Richtlinie 2006/42/EG zu verankern, für nicht geeignet. Die Aufnahme von Umweltschutzanforderungen im Allgemeinen wäre eine neue Zielsetzung der Richtlinie und würde die bestehenden Anforderungen an neue Maschinen um einen nicht absehbaren Umfang erweitern. Ferner würde die Ergänzung des Anhangs I der Richtlinie um Pestizidausbringungsmaschinen im Speziellen den Vorgaben der Richtlinie nicht entsprechen. Konkretisierende Mindestanforderungen einzelner Maschinen sind nicht Gegenstand der Richtlinie.
- 3. Der Richtlinienvorschlag spricht in Titel und Begründung ausschließlich von Pestizidausbringungsmaschinen. Der materielle Regelungsgehalt geht darüber aber hinaus: er umfasst alle Maschinen im Sinne der Maschinenrichtlinie. Der Bundesrat sieht insoweit die Begründungspflicht nach Artikel 253 EGV als verletzt an.
- 4. Der Vorschlag der Kommission sieht insbesondere vor, sehr spezielle Bestimmungen zu "Pestizidausbringungsmaschinen" in die bisher weitgehend allgemein gehaltene "Definitionsnorm" Maschinenrichtlinie aufzunehmen. Ein solches Vorgehen wurde bisher bewusst nicht gewählt (z.B. bei Feuerwaffen, Aufzügen, [...]). Es wurden im Gegenteil spezielle fachliche Richtlinien verabschiedet, z.B. die Richtlinie 2000/14/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von Geräten und Maschinen (Outdoor-Richtlinie). Diese Richtlinie ist in Deutschland derzeit durch Verordnung im Bundes-Immissionsschutzgesetz (32. BImSchV - Geräte- und MaschinenschutzVO) umgesetzt.
- 5. Der Vorschlag der Kommission stellt einen Paradigmenwechsel in der Regelungssystematik dar, der bislang nicht ausreichend begründet und auf seine Konsequenzen hin geprüft ist. Eine Abkehr vom bisherigen System müsste z.B. die Reintegration der oben angeführten Richtlinien in die Maschinenrichtlinie zur Folge haben. Im Weiteren würde sich die "Definitionsnorm" in ihrem allgemeinen Inhalt zu einer sich ständig erweiternden und unübersichtlichen Richtlinie verändern.
- 6. Der Bundesrat hält es bei einer Vereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene für geboten, Umweltschutzanforderungen für ausgewählte Maschinen in einer hierfür zu schaffenden Richtlinie festzulegen. Die Anforderungen der Fachverbände und Fachbehörden können besser in einer speziellen Richtlinie als Fachnorm geregelt werden.
- 7. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung darauf hinzuwirken, eine Harmonisierung von Umweltschutzanforderungen an Maschinen auf Grundlage der Richtlinie 2006/42/EG zu vermeiden. Des Weiteren bittet der Bundesrat, die Zielsetzung der Kommission im Hinblick auf Umweltschutzanforderungen an definierten Maschinen durch Vorschlag einer Richtlinie in Anlehnung an die Richtlinie 2000/14/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen zu unterstützen.
- 8. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im Rahmen der weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene für Folgendes einzusetzen:
- - Die Regelungen werden entflochten, indem die Anforderungen an Pestizidausbringungsmaschinen in einer eigenen Fachrichtlinie geregelt werden sowie auf die Verankerung eines allgemeinen Umweltschutzziels in der Maschinenrichtlinie (vorerst) verzichtet wird.
- - Falls dies nicht möglich oder nicht durchsetzbar sein sollte, sollten die Änderungen in Artikeln 2, 4, 9 und 11 sowie im allgemeinen Teil des Anhangs I explizit auf Pestizidausbringungsmaschinen beschränkt werden. Dazu wird vorgeschlagen, die Maschinenrichtlinie wie folgt zu ergänzen:
- -- Artikel 2 Buchstabe m sollte dahingehend geändert werden, dass sichergestellt wird, dass Pestizidausbringungsmaschinen keine Gefahr für die Umwelt darstellen.
- -- Artikel 4 Absatz 1 sollte dahingehend geändert werden, dass sichergestellt wird, dass Pestizidausbringungsmaschinen die Umwelt nicht gefährden.
- -- Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 sollte dahingehend geändert werden, dass die Kommission bei Pestizidausbringungsmaschinen angibt, welche Maßnahmen sie zu ergreifen beabsichtigt, um ein hohes Maß an Umweltschutz zu gewährleisten.
- -- Artikel 11 Absatz 1 sollte dahingehend geändert werden, dass ein Mitgliedstaat bei Pestizidausbringungsmaschinen alle zweckdienlichen Maßnahmen trifft, um bei einer Gefährdung der Umwelt diese Maschine aus dem Verkehr zu ziehen.
- -- Anhang I, Abschnitt "Allgemeine Grundsätze", Nummer 1, 3. Tiret sollte dahingehend geändert werden, dass der Hersteller oder sein Bevollmächtigter bei Pestizidausbringungsmaschinen die Risiken abzuschätzen haben unter Berücksichtigung gegebenenfalls möglicher Schäden für die Umwelt.
- 9. Der Richtlinienvorschlag sieht unter anderem vor, an der Prüfung von Pflanzenschutzgeräten auf Konformität keine externen Stellen zu beteiligen. Vorgesehen ist die Möglichkeit einer "Selbstzertifizierung" durch die Gerätehersteller. Es ist zu befürchten, dass das in Deutschland bestehende hohe Schutzniveau durch geprüfte Pflanzenschutzgerätetechnik nicht erhalten werden kann.
Der Bundesrat erachtet es als problematisch,
- - dass der Nachweis für die Einhaltung der neuen Umweltschutzanforderungen bei Pflanzenschutzgeräten durch eine Hersteller-Selbstzertifizierung und ohne Beteiligung einer externen, unabhängigen Stelle erbracht werden kann und
- - dass die neu aufgenommenen Umweltschutzanforderungen für den gesamten Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/42/EG und nicht nur für Pflanzenschutzgeräte gelten.
Eine Erweiterung der Hersteller-Selbstzertifizierung auf Umweltschutzanforderungen würde dazu führen, dass das seit zwei Jahrzehnten in Deutschland erfolgreich praktizierte und gesetzlich vorgeschriebene Erklärungsverfahren für Pflanzenschutzgeräte, das eine Überprüfung der Herstellerangaben mit einschließt, aufgehoben werden müsste.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene sicherzustellen, dass das in Deutschland seit zwei Jahrzehnten geltende Erklärungsverfahren für neue Pflanzenschutzgeräte unter Beteiligung einer neutralen Stelle (Julius-Kühn-Institut) nicht gefährdet wird.
- 11. Der Bundesrat bezweifelt, dass
- - die Hersteller die Verantwortung, die sie mit einer Selbstzertifizierung für den Bereich Umweltschutz übernehmen, in vollem Umfang wahrnehmen. Die enge Verknüpfung zwischen der Pflanzenschutzmittel-Zulassung und der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an Pflanzenschutzgeräte ist damit in Frage gestellt;
- - die erforderliche Rechtssicherheit, dass nur Pflanzenschutzgeräte in den Verkehr gebracht werden, die die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen erfüllen, gewährleistet werden kann;
- - ohne Mitwirkung einer externen Stelle die Voraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Inverkehrbringen von Pflanzenschutzgeräten eingehalten werden können;
- - eine Selbstzertifizierung für neue Pflanzenschutzgeräte mit der Kontrolle von in Gebrauch befindlichen Pflanzenschutzgeräten vereinbar ist.
- 12. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich im Rahmen der weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene insbesondere dafür einzusetzen, dass der Standard im Richtlinienvorschlag nicht unter den der bundesrechtlichen "Anforderungen an Pflanzenschutzgeräte" gesetzt wird; es darf nicht der Fall der so genannten Umkehrdiskriminierung eintreten.
- 13. Unter Hinweis auf die unter dem zweiten Erwägungsgrund genannten Vorgaben für Kontrolle und Wartung im Rahmen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden bittet der Bundesrat die Bundesregierung, ebenfalls eine Gefährdung des hohen nationalen Schutzniveaus bei der Kontrolle und Wartung für bereits in gewerblichem Gebrauch befindliche Pflanzenschutzgeräte auszuschließen.