Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mit Schreiben vom 24. Juli 2007 zu der oben genannten Entschließung des Bundesrates (siehe Drucksache 670/06(B) ) wie folgt Stellung genommen:
Der Bundesrat hat am 15. Dezember 2006 in seiner Entschließung zur Verbesserung der Folsäureversorgung der Bevölkerung die Bundesregierung aufgefordert, durch eine gezielte Aufklärungs- und Informationskampagne (Folsäure-Kampagne) die Bevölkerung über die Folgen einer zu geringen Folsäurezufuhr, insbesondere in der Frühschwangerschaft aufzuklären. Dabei sollten auch die Prinzipien einer gesunden und ausgewogenen Ernährung und einer vitaminschonenden Nahrungszubereitung vermittelt werden.
Die Kampagne sollte alle Gesellschaftsschichten ansprechen und möglichst viele Multiplikatoren, wie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte und ihre Fachverbände, Lehrerinnen und Lehrer, Selbsthilfegruppen, Wohlfahrtsverbände, Verbraucherzentralen oder Krankenversicherungen einbeziehen. .
Auch das Internet sollte als Informationsplattform genutzt werden;
- bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen und beim Gemeinsamen Bundesausschuss darauf hinzuwirken, dass die Kostenübernahme für eine perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe gesichert wird.
- mit der pharmazeutischen Industrie zu verhandeln, dass in den Beipackzetteln von Empfängnisverhütungsmitteln der Hinweis aufgenommen wird, dass bei Absätzen des Empfängnisverhütungsmittels und Kinderwunsch auf eine ausreichende Folsäurezufuhr zu achten ist.
- durch Human-Biomonitoring bei einem repräsentativen Bevölkerungsteil zu ermitteln, wie hoch derzeit der durchschnittliche Folsäurespiegel ist.
- durch Monitoring- und Evaluationsprogramme regelmäßig zu überprüfen, ob der durchschnittliche Folsäurespiegel, insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter, durch die Maßnahmen angestiegen ist.
Hierzu teile ich folgendes mit:
Im Rahmen der bestehenden Verbraucheraufklärung über gesunde und vollwertige Ernährung wird in den Medien und Maßnahmen der Bundesregierung regelmäßig die Bedeutung der Folsäure für eine vollwertige Ernährung hingewiesen und Tipps gegeben, die Ernährung so zu gestalten, dass sie ausreichend natürliche Folatquellen enthält. Verbraucherinnen und Verbraucher haben darüber hinaus bei allen Lebensmitteln mit Folatzusatz, die in der Regel nährwertbezogene Angaben tragen, durch die Nährwertkennzeichnung auf dem Etikett die Möglichkeit, die zusätzliche Folatzufuhr den jeweiligen persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Es ist ferner zu erwarten, dass die Möglichkeit, gesundheitsbezogene Aussagen zu Folsäure gemäß der seit dem 1. Juli 2007 anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu verwenden, künftig von den Herstellern verstärkt genutzt wird.
Spezielle Materialien zur Verbesserung der Folsäureversorgung, die mit Bundesmitteln gefördert werden, werden vom aid, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dem Bundesinstitut für Risikobewertung, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Hierbei werden zwar unterschiedliche Zielgruppen angesprochen, aber - wie auch im Rahmen der Familienplanung - stets die besondere Bedeutung der Folsäure für Frauen mit Kinderwunsch betont.
Aufklärung und Information:
Primäres Ziel für die Bundesregierung bleibt die Reduzierung von Neuralrohrdefekten, d.h. die Hauptzielgruppe für die Verbesserung der Folsäurezufuhr sind Frauen im gebärfähigen Alter.
Zur Prävention von Fehlbildungen des Neuralrohrs werden aber über den normalen Bereich deutlich hinausgehende Mengen von synthetischer Folsäure empfohlen, die mit einer vollwertigen Ernährung nicht erreicht werden können, sondern nur mit Hilfe von Supplementen und/oder angereicherten Lebensmitteln.
Große Aufklärungskampagnen, die sich mit Hilfe der Massenmedien an die gesamte Bevölkerung richten, müssen eine einheitliche und klare Botschaft vermitteln, um erfolgreich zu sein. Bei der Folsäure ist die Botschaft komplexer und nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleich. Für eine dauerhafte und strukturell verankerte Verbesserung der Prävention von Neuralrohrdefekten durch die Einnahme von Supplementen und/oder dem gezielten Verzehr von angereicherten Lebensmitteln bietet sich deshalb an, die gezielte Ansprache der Frauen im gebärfähigen Alter zu intensivieren und auszubauen. Hierbei sollen wichtige Ansprechpartner für die Frauen, vor allem Ärztinnen und Ärzte und ihre Verbände, Familienberatungsstellen und Krankenkassen einbezogen werden. Da in Deutschland bislang kaum Untersuchungen durchgeführt worden sind, in denen die Intensität, Qualität und Konsistenz bisheriger Aufklärungsversuche für diese Zielgruppe nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet wurden, ist darüber hinaus vorgesehen, diese Maßnahmen begleitend zu evaluieren, um daraus ableiten zu können, wie die Aufklärungsmaßnahmen erfolgreich und langfristig in die bestehenden Strukturen eingebaut werden können.
Die Bundesregierung wird für Aufklärungsmaßnahmen und deren Evaluierung in den nächsten drei Jahren zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Die Planung, Durchführung und Auswertung dieser Maßnahmen wird der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) übertragen.
Kostenübernahme für eine perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe durch die GKV:
Die Entscheidung zur Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung wird von der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen getroffen. Wichtigstes Organ ist hier der Gemeinsame Bundesausschuss, der sich aus Vertretern der Vertragsärzte, der Vertragszahnärzte, der gesetzlichen Krankenkassen, der Krankenhäusern sowie der Patienten zusammensetzt. Zu seinen Aufgaben gehört es daher auch zu klären, ob die perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe Gegenstand der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ist.
Gespräche mit der pharmazeutischen Industrie zur Ergänzung der Beipackzettel:
Die Inhalte der Packungsbeilage von Arzneimitteln sind europaweit harmonisiert und im Arzneimittelgesetz abschließend festgelegt. Neben den vorgegebenen Pflichtangaben über die Merkmale des betreffenden Arzneimittels sind weitere Angaben in der Packungsbeilage nur zulässig, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind (§ 11 Abs. 1 Satz 5 AMG): Die Angaben müssen mit der Anwendung des betreffenden Arzneimittels in Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten und Patientinnen wichtig sein und dürfen den Angaben der Fachinformation nicht widersprechen. Packungsbeilagen von Arzneimitteln kommen grundsätzlich nicht als Informationsträger allgemeiner gesundheitlicher Anliegen in Betracht, die nicht mit der Anwendung eines konkreten Arzneimittels in Zusammenhang stehen. Insbesondere wäre eine unkritische Empfehlung in der Packungsbeilage eines Empfängnisverhütungsmittels zur Einnahme eines anderen Arzneimittels, für welches auch bekannte Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zu beachten sind, nicht zulässig.
Der Bitte des Bundesrats, Verhandlungen mit der pharmazeutischen Industrie zur Aufnahme entsprechender Hinweise in die Packungsbeilagen von Empfängnisverhütungsmitteln zu führen, kann damit nicht entsprochen werden.
Monitoring:
Der tatsächliche Versorgungszustand der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen mit Folsäure ist nicht ausreichend bekannt. Sowohl zur Beschreibung der Ausgangssituation als auch zur Feststellung der Wirksamkeit von zu ergreifenden Maßnahmen, ist der
- - Aufbau eines bundesweiten Fehlbildungsregisters (Länder),
- - einer repräsentativen Bestimmung des Folsäurestatus sowie
- - die genaue Erfassung der Folsäureaufnahme durch native und angereicherte Lebensmittel, Arzneimittel/NEM für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, spez. der gebärfähigen Frauen unerlässlich.
Die Einrichtung eines nationalen Fehlbildungsregisters ist Voraussetzung für die Feststellung, welchen Effekt unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der Folsäureversorgung von gebärfähigen Frauen auf die Fehlbildungsrate haben. Bisher werden Fehlbildungsregister nur in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und im Bereich der Ärztekammer Nordrhein in NRW nach unterschiedlichen Kriterien geführt.
Eine repräsentative Bestimmung des Folsäurestatus ist im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung beim Robert Koch-Institut für den für 2008/2009 geplanten Erwachsenensurvey vorgesehen.
Zur Klärung des letzten Punktes wird die für April 2008 erwartete Auswertung der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) herangezogen, ggf. nötige detaillierte Auswertungen - auch im Hinblick auf die Auswirkungen einer immer wieder geforderten Anreicherung von Mehl bzw. einzelner Mehlsorten auf die Versorgung bestimmter, besonders gefährdeter Bevölkerungsteile - werden im Anschluss durchgeführt.