Der Bundesrat hat in seiner 840. Sitzung am 20. Dezember 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die maritime Dimension in den verschiedenen Politikbereichen auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der regionalen Regierungen zu verankern. Das Blaubuch berücksichtigt alle maritimen Bereiche und Interessen sowie viele im Konsultationsprozess eingebrachte Vorschläge.
- 2. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass ein integrierter Rahmen die Voraussetzung zur Entscheidungsfindung für eine zukunftsorientierte Meerespolitik ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Erarbeitung der nationalen integrierten Meerespolitiken die Länder frühzeitig und intensiv einzubeziehen.
- 3. Eine aktive Beteiligung aller potenziell Betroffenen und aller Interessenträger, insbesondere der Küstenregionen und der europäischen Hafenstädte, muss wesentlicher Bestandteil sein. Ferner ist eine Entwicklung von Netzwerkstrukturen erforderlich, um die meerespolitische Entscheidungsfindung und Anwendung des integrierten Konzepts zu unterstützen.
- 4. Mit dem Aktionsplan werden die geplanten maritimen Aktivitäten der Kommission für die nächsten zwei bis drei Jahre vorgestellt. Je nach Zuständigkeit werden in den sektoralen Bereichen Verordnungen, Richtlinien oder Empfehlungen angekündigt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber der Kommission für eine konkrete und zeitnahe Ausgestaltung und Umsetzung dieses Arbeitsprogramms einzusetzen. Gleichzeitig weist der Bundesrat darauf hin, dass im Zuge dieses Prozesses die angekündigten Maßnahmen einer eingehenderen und zum Teil auch kritischen Diskussion bedürfen.
- 5. Der Bundesrat sieht die große Herausforderung in der Integration der verschiedenen Wirtschaftsinteressen und den Umwelterfordernissen. Er teilt die Sorge der Kommission über den Zustand der Meeresumwelt und bittet deshalb die Bundesregierung, im Sinne des von den norddeutschen Ländern beschlossenen "Berliner Aufrufs" für eine in ihren Zielen verbindliche Meeresstrategierichtlinie und deren Integration in die Aktionsbereiche des Blaubuchs einzutreten. Für die Mitgliedstaaten und die Regionen wird die Gemeinschaftsebene hier Vorbildcharakter haben müssen.
- 6. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, europäische Häfen wettbewerbsfähig zu halten, deren logistische Anbindung zu gewährleisten und den Schiffstransport als Alternative zur Straße auszubauen. "Short Sea Shipping" und der Ausbau von "Motorways of the Sea" sollen nach Auffassung des Bundesrates weiter gefördert werden.
- 7. Schifffahrtsbedingte Emissionen machen heute einen erheblichen Anteil der Schadstoffbelastung sowohl auf offener See als auch in den Küstenregionen und Häfen aus. Die Verbesserung der Kraftstoffqualität von Schiffen würde einen elementaren Beitrag zum Umwelt- bzw. zum Klimaschutz leisten. Der Bundesrat hält es daher für notwendig, dass der Anteil von hochgiftigem Schweröl in Schiffstreibstoffen innerhalb von zehn Jahren deutlich zurückgedrängt und Schweröl durch modernen und umweltverträglichen Schiffsdiesel ersetzt wird.
Der Bundesrat fordert, bei der Revision der Richtlinie über den Schwefelgehalt in Schiffstreibstoffen (Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen) den maximalen Schwefelgehalt ab 2010 auf 1,0 % und ab 2015 auf 0,5 % zu senken. Die Kommission soll bei der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) darauf hinwirken, dass diese Werte möglichst auch weltweit eingehalten werden müssen.
- 8. Der Bundesrat empfiehlt die Nutzung bereits vorhandener Expertise, insbesondere in den Küstenländern. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Forschungsanstrengungen in diesem zukunftsträchtigen und innovativen Bereich deutlich zu intensivieren. Mit Blick auf die Umsetzung des Aktionsplans in den Mitgliedstaaten bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf eine angemessene Mittelausstattung hinzuwirken. Der Bundesrat begrüßt die geforderte intensivere Koordinierung im Bereich der maritimen Überwachung durch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Küstenwachen. Der Bundesrat geht aufgrund der Mitteilung davon aus, dass die Einrichtung einer europäischen Küstenwache mit eigenen Kompetenzen nicht vorgesehen ist.
- 9. Der Bundesrat hält maritime Wissenschaft, Forschung und Technologie für die nachhaltige Entwicklung der meeresgestützten Tätigkeiten für grundlegend. Er begrüßt die Entwicklung einer Strategie, die den Einsatz der entsprechenden europäischen Fördermittel zu optimieren hilft sowie den Aufbau einer geeigneten Wissens- und Innovationsgrundlage für die Meerespolitik zur Umsetzung dieser Strategie. Der Bundesrat hält insbesondere einen verstärkten Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für notwendig. Innovationen in sowie Vernetzungen zwischen den einzelnen Wirtschaftssektoren, wie z.B. Schiffbau, Umwelttechnologien, maritimer Transport einschließlich Häfen, Logistik und Hinterlandanbindung, Off-Shore-Energien, blaue Biotechnologien und maritimer Tourismus, können die Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft unterstützen. Dies gilt insbesondere für die sichere und umweltfreundliche Entwicklung der Schifffahrt.
- 10. Der Bundesrat begrüßt die Pläne der EU zur Entwicklung von maritimen Clustern und regionalen Zentren maritimer Exzellenz. Der Austausch von "Bestpractice"-Beispielen soll verstärkt werden. Der Bundesrat begrüßt diese Pläne ausdrücklich und bittet die Bundesregierung, entsprechende vorhandene maritime Zentren in Deutschland zu stärken, den Austausch von "Best practice" zu katalysieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf europäischer und internationaler Ebene zu flankieren.
- 11. Die Kommission will die Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten der maritimen Berufe u. a. durch verbesserte Ausbildung und Arbeitsbedingungen optimieren. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass durch diese Maßnahmen auch das Image maritimer Tätigkeiten und der seemännischen Berufe deutlich gesteigert werden kann.
- 12. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, das Fischereimanagement zu verbessern. Er bittet die Bundesregierung, die im 9-Punkte-Programm der norddeutschen Länder genannten Forderungen zu unterstützen. Insbesondere erfordert die vorgesehene Bestandsbewirtschaftung nach dem Konzept des höchstmöglichen Dauerertrags ein konsequentes Vorgehen gegen den illegalen, unregulierten und nicht gemeldeten Fischfang. Aber auch die derzeitige Praxis der Rückwürfe sowie der Einsatz zerstörerischer Fangpraktiken müssen zum Zweck einer nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung beendet werden.
- 13. Der Bundesrat sieht in dem Ausgleich von wirtschaftlicher Entwicklung, ökologischer Nachhaltigkeit und Lebensqualität in den Küstenregionen einen wesentlichen Beitrag zur integrierten Meerespolitik und begrüßt eine entsprechende Berücksichtigung bei der Verteilung von Gemeinschaftsmitteln mit Blick auf die Entwicklung der Infrastruktur der Küstenregionen.
- 14. Der Bundesrat unterstützt das Vorhaben der EU, sich für die Verbesserung der Effizienz der internationalen Lenkung maritimer Angelegenheiten und die Durchsetzung der Bestimmungen zum internationalen Seerecht einzusetzen. Die Einbeziehung von Zielen der Meerespolitik in Dialoge mit Drittstaaten an gemeinsamen regionalen Meeren wird in der Ostseeregion bereits vorbildlich umgesetzt. In diesem Zusammenhang betont der Bundesrat, dass Bemühungen um den Schutz der Meere am effektivsten sind, wenn sie global ansetzen.
Entsprechend sind die diesbezüglichen Absichten in die Arbeit internationaler Organisationen wie der IMO einzuspeisen, deren Erfolge den regionalen Anstrengungen auf europäischer Ebene deutlich vorzuziehen sind.
- 15. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Sichtbarkeit der maritimen Dimension Europas zu verbessern. Damit sind insbesondere auch die Wechselwirkungen mit dem Binnenland eingeschlossen. Die Ausrichtung eines jährlich stattfindenden "Maritimen Tages" sowie die Auslobung entsprechender Preise sind in besonderer Weise zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Die Pflege maritimer Traditionen sowie die Bewahrung der Kultur- und Naturgüter stärken nicht zuletzt die gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung unseres maritimen Erbes.