Punkt 5 der 877. Sitzung des Bundesrates am 26. November 2010
Der Bundesrat möge beschließen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 28. Oktober 2010 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel einer Aufhebung des Gesetzes zu verlangen.
Begründung:
- 1. Das Haushaltsbegleitgesetz erfüllt nicht die Anforderungen an eine sozial ausgewogene und nachhaltige Haushaltskonsolidierung.
Während die Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise weitestgehend verschont bleiben, entfällt ein wesentlicher Teil der Sparmaßnahmen auf die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Zudem wird durch den Gesetzentwurf die Binnennachfrage geschwächt und der Aufschwung gefährdet. Sinnvoll wäre stattdessen, die Finanzierung der Krisenkosten und der Haushaltskonsolidierung nach dem Verursacher- und dem Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten. Die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer wäre eine Möglichkeit, die Lasten gerechter auszugestalten. Neben dem fiskalischen Effekt bewirkt diese Steuer auch, dass von der Realwirtschaft losgelöste Spekulationen auf den Finanzmärkten eingedämmt werden.
Im Vermittlungsverfahren ist daher sicherzustellen, dass eine stärker sozial ausgeglichene und dauerhaft zielgerechte Planung zur Haushaltskonsolidierung vorgenommen wird, die weder bestimmte Bevölkerungsschichten, noch bestimmte Branchen einseitig belastet.
- 2. Die strukturelle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte stellt vor dem Hintergrund des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der nationalen Schuldenbremse für alle politischen Ebenen eine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre dar. Allerdings haben die vom Bund benannten Maßnahmen in maßgeblichen Teilen negative Rückwirkungen auf die Haushalte von Ländern, Kommunen sowie der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme.
Das Haushaltsbegleitgesetz sieht neue Steuern ausschließlich zu Gunsten des Bundes vor und erhöht bereits bestehende Bundessteuern. Die Mehreinnahmen des Bundes werden in den Ländern und Kommunen allerdings zu steuerlichen Mindereinnahmen führen. In Folge dieser einseitig ausgerichteten Finanzpolitik werden sich die einnahmeseitigen Rahmenbedingungen für Länder und Kommunen für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer verfassungsgemäßen Aufgaben und der Vorgaben der Schuldenbremse gem. Art. 109 Abs. 3 GG - zusätzlich zu den seit Ende 2008 zu verkraftenden Steuerentlastungen - weiter verschlechtern.
So wird der in Artikel 19 des Gesetzentwurfs vorgesehene Wegfall der Versicherungspflicht der Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Verschiebung von finanziellen Lasten vom Bund auf die Kommunen durch einen Anstieg der Aufwendungen im Bereich der Grundsicherung im Alter führen. Auch ist durch den Wegfall der Heizkostenkomponente im Wohngeldgesetz (Artikel 22 des Gesetzentwurfs) betreffend die Kommunen mit zusätzlichen Aufwendungen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu rechnen.
Insoweit werden bei Betrachtung der finanziellen Auswirkungen wesentliche Aspekte ausgeklammert, die im Rahmen des Vermittlungsverfahrens einer die tatsächlichen Verhältnisse abbildenden Vervollständigung und Validierung bedürfen.
- 3. Folgende Maßnahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 stellen sich als besonders kritisch bzw. unausgewogen und nicht nachhaltig dar:
- a) Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngelds bei Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Artikel 14 HBeglG 2011) hat zur Konsequenz, dass vor allem einkommensschwache Familien und Alleinerziehende bei der Betreuung und Erziehung eines Kindes in der ersten Lebensphase von einer Unterstützung ausgenommen werden. Dabei wurde das Elterngeld erst vor drei Jahren u.a. mit dem Ziel eingeführt, auch Eltern zu unterstützen, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren. Daneben ist es aus Aufwands- und Akzeptanzgründen erforderlich, das Inkrafttreten der Änderungen zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz im Interesse der Eltern und der mit dem Vollzug befassten Länder mit einer Stichtagsregelung für Neufälle zu verbinden, die den Eingriff in laufende Fälle vermeidet.
Weiterhin sind Anpassungen in Bezug auf die in Artikel 14 des Gesetzentwurfs vorgesehenen Änderungen erforderlich, soweit sie zu Kürzungen beim Elterngeld oder bei anderen Sozialleistungen führen.
- b) Der Wegfall des befristeten Zuschlags für Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Artikel 15 HBeglG 2011) geht mit einem massiven Sozialabbau einher. Ziel der Leistung eines befristeten Zuschlags war ursprünglich, finanzielle Härten beim Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II abzufedern. Zugleich sollte auch verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe entgegengewirkt werden. Der befristete Zuschlag war ein Kernbestandteil im Grundkonzept der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
- c) Eine Streichung der Heizkostenkomponente im Wohngeldrecht (Artikel 22 HBeglG 2011) kann in vielen Fällen zu einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führen, da Wohngeld als vorrangige Leistung gegenüber dem SGB II gewährt wird.
- d) Der Wegfall der Versicherungspflicht von Empfängern der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der gesetzlichen Rentenversicherung (Artikel 19 HBeglG 2011) führt zu einer weiteren Schlechterstellung insbesondere für ehemalige Arbeitslosenhilfebezieher unter den ALG II-Beziehern. Durch den Wegfall der Versicherungspflicht werden ALG II-Bezieher künftig auch ihren Anspruch auf die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge ("Riester"- Rente) verlieren. In dem Maß, in dem die Alterssicherung durch Leistungseinschränkungen im Alter ausreichende Renten nicht mehr gewährleisten kann, werden die Kommunen mit steigenden Sozialhilfeleistungen belastet.
- e) Der Wegfall der Erstattung bestimmter Aufwendungen der Rentenversicherungsträger für einigungsbedingte Leistungen (Artikel 19 HBeglG 2011) hat zur Folge, dass diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe nicht mehr steuerfinanziert, sondern - den Bundeshaushalt entlastend - allein der Versichertengemeinschaft übertragen wird. Für die Rentenversicherung bedeutet die Streichung der Erstattung vereinigungsbedingter Leistungen sowie die Streichung der Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeitslosengeld II-Bezieher zusammen eine beitragsrelevante Mindereinnahme von rund 2,1 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Mindereinnahme trägt mit dazu bei, dass eine Verminderung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung in immer weitere Ferne rückt. Anstatt die Beitragszahlung zur Vermeidung drohender Altersarmut zu erhöhen, soll sie durch dieses Gesetz gänzlich entfallen.
- a) Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngelds bei Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Artikel 14 HBeglG 2011) hat zur Konsequenz, dass vor allem einkommensschwache Familien und Alleinerziehende bei der Betreuung und Erziehung eines Kindes in der ersten Lebensphase von einer Unterstützung ausgenommen werden. Dabei wurde das Elterngeld erst vor drei Jahren u.a. mit dem Ziel eingeführt, auch Eltern zu unterstützen, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren. Daneben ist es aus Aufwands- und Akzeptanzgründen erforderlich, das Inkrafttreten der Änderungen zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz im Interesse der Eltern und der mit dem Vollzug befassten Länder mit einer Stichtagsregelung für Neufälle zu verbinden, die den Eingriff in laufende Fälle vermeidet.