Empfehlungen der Ausschüsse
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts
(Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 - ErbStR 2019)

981. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2019

A

Der federführende Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift gemäß Artikel 108 Absatz 7 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:

1. Zu Artikel 1 (R E 13b.6 Absatz 6 ErbStR 2019)

In Artikel 1 R E 13b.6 Absatz 6 ist das Wort "schriftlichen" zu streichen.

Begründung:

Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 20. Februar 2019, II R 25/16) kann die Verpflichtung zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung der hinsichtlich der Verfügung gebundenen Gesellschafter sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. R E 13b.6 Absatz 6 ist daher entsprechend anzupassen, indem das Wort "schriftlich" gestrichen wird.

2. Zu Artikel 1 (R E 13b.29 Absatz 3 ErbStR 2019)

Artikel 1 R E 13b.29 Absatz 3 ist wie folgt zu fassen:

(3) 1Werden innerhalb eines Verbundes Finanzmittel weitergereicht, werden diese nicht zu jungen Finanzmitteln. 2Junge Finanzmittel können nur entstehen, wenn eine Einlage von außerhalb des Verbundes erfolgt. 3Eine Einlage von außerhalb des Verbundes ist auch eine Einlage des Gesellschafters oder Einzelunternehmers in das übertragene Unternehmen. 4Zum Verbund der übertragenen wirtschaftlichen Einheit gehören die unmittelbar und mittelbar beteiligten Gesellschaften. 5Entnahmen innerhalb des Verbundes sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen. 6Entnahmen des Gesellschafters oder Einzelunternehmers aus dem übertragenen Unternehmen gelten als Entnahmen außerhalb des Verbundes. 7Negative junge Finanzmittel werden mit positiven jungen Finanzmitteln aus nachgeordneten Stufen verrechnet."

Begründung:

Junge Finanzmittel werden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer von der Steuerbefreiung für Unternehmensvermögen ausgeschlossen, um Missbräuche durch deren Inanspruchnahme über den Weg einer kurzfristigen Einlage von Finanzmitteln vor der Übertragung zu vermeiden. Sie liegen vor, wenn der Saldo zwischen Einlagen und Entnahmen von Finanzmitteln innerhalb von zwei Jahren vor der Übertragung positiv ist (§ 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG).

Wenn das Unternehmen, welches übertragen wird oder dessen Anteile übertragen werden, an weiteren Unternehmen beteiligt ist, erfolgt unter anderem hinsichtlich der jungen Finanzmittel eine Verbundbetrachtung ( § 13b Absatz 9 ErbStG). Das Vorliegen junger Finanzmittel ist dabei auf jeder Beteiligungsstufe zu prüfen. Legt ein Unternehmen des Verbundes in ein anderes Unternehmen des Verbundes Finanzmittel ein, handelt es sich bei diesem um eine Einlage. Bei dem einlegenden Unternehmen wird der Betrag aber nicht als Entnahme, sondern als Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung behandelt. Wenn die eingelegten Finanzmittel innerhalb des Zweijahreszeitraumes wiederum in ein anderes Unternehmen des Verbundes eingelegt werden, ergäbe sich eine Mehrfacherfassung junger Finanzmittel. Eine Begrenzung des Werts der jungen Finanzmittel auf den Wert der Finanzmittel erfolgt erst auf der obersten Stufe.

Grundsätzlich stellt § 13b Absatz 9 ErbStG zwar eine Rechentechnik dar. Dies rechtfertigt jedoch nicht eine fiktive Generierung von jungen Finanzmitteln - insbesondere in den Fällen, in denen dem Verbund innerhalb der Zweijahresfrist keine neuen Finanzmittel zugeführt werden. Es lässt sich nicht rechtfertigen, dass eine bloße Weitergabe von Finanzmitteln im Verbund ganz oder teilweise zum Verlust der Steuerbefreiung führen sollte.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 (1 BvL 21/ 12) ausdrücklich eine Änderung der Berechnungsmodalitäten hinsichtlich des Verwaltungsvermögens bei im Unternehmensvermögen gehaltenen Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteilen an Kapitalgesellschaften gefordert, um den positiven Kaskadeneffekt des bis zum 30. Juni 2016 geltenden Rechts zu vermeiden (Rz. 260 ff des Urteils). Behandelt man im ab 1. Juli 2016 geltenden Recht auch Einlagen innerhalb des Verbundes als junge Finanzmittel, ergibt sich ein negativer Kaskadeneffekt durch die künstliche Schaffung von jungen Finanzmitteln im Verbund, ohne dass sich die Finanzmittel im gesamten Verbund geändert haben. Eine solche Vorgehensweise steht im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Verbundbetrachtung. Sie erweist sich als unvereinbar mit dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Gesetzesbegründung zu § 13b Absatz 7 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in BR-Drucksache 353/15 (PDF) ), an dem sich § 13b Absatz 9 ErbStG orientiert.

Einlagen, die durch ein verbundenes Unternehmen erfolgen, sind deshalb bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel nicht zu berücksichtigen. Hingegen sollen Einlagen, die von außerhalb des Verbundes getätigt werden, bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel Berücksichtigung finden.

In der Konsequenz sind Entnahmen aus verbundenen Unternehmen bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Es kann nicht einerseits auf den Ansatz der die jungen Finanzmittel erhöhenden Einlagen verzichtet werden, aber andererseits der Abzug der die jungen Finanzmittel mindernden Entnahmen zugelassen werden.

3. Zu Artikel 1 (R E 13b.29 Absatz 4 Satz 1a - neu - ErbStR 2019)

In Artikel 1 ist in R E 13b.29 Absatz 4 nach Satz 1 folgender Satz einzufügen:

"1aIm Falle des Satzes 1 wird jedoch die Besitzzeit der übertragenden Gesellschaft auf den Zweijahreszeitraum gemäß § 13b Absatz 7 Satz 2 ErbStG bei der erwerbenden Gesellschaft angerechnet, sofern beide Unternehmen während dieses Zeitraums verbunden waren und in Bezug auf die Obergesellschaft Beteiligungsidentität besteht."

Begründung:

Die Steuerbefreiung für Unternehmensvermögen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird für junges Verwaltungsvermögen nicht gewährt. Hierbei handelt es sich um Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens im Sinne von § 13b Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG, die dem Unternehmen weniger als zwei Jahre zuzurechnen sind (§ 13b Absatz 7 Satz 2 ErbStG). Bei verbundenen Unternehmen erfolgt die Ermittlung des jungen Verwaltungsvermögens über die Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Absatz 9 ErbStG). Dabei wird das junge Verwaltungsvermögen auf jeder Beteiligungsstufe ermittelt und nach oben weitergereicht.

Durch die Rechtsfigur des jungen Verwaltungsvermögens soll verhindert werden, dass Unternehmen vor dem Besteuerungsstichtag gezielt Verwaltungsvermögen aufhäufen, um dies steuerschonend zusammen mit dem begünstigten Vermögen übertragen zu können.

Bei verbundenen Unternehmen werden zwischen diesen Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens überwiegend aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen bewegt. Hierbei handelt es sich nicht um missbräuchliche Gestaltungen, denen durch die Rechtsfigur des jungen Verwaltungsvermögens zu begegnen ist.

Grundgedanke des § 13b Absatz 9 ErbStG ist die Betrachtung von verbundenen Unternehmen als eine Einheit. Deshalb bedarf es bei der Prüfung des Vorliegens von jungem Verwaltungsvermögen im Verbund im Fall einer Einlage von Verwaltungsvermögen durch ein anderes Unternehmen des Verbunds oder eines Erwerbs von Verwaltungsvermögen von einem anderen Unternehmen des Verbunds innerhalb des Zweijahreszeitraumes der Anrechnung der Vorbesitzzeiten des übertragenden Unternehmens bei der erwerbenden Gesellschaft, sofern die beiden Unternehmen während dieses Zeitraums verbunden waren und in Bezug auf das Unternehmen auf der obersten Stufe Beteiligungsidentität besteht.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 (1 BvL 21/ 12) ausdrücklich eine Änderung der Berechnungsmodalitäten hinsichtlich des Verwaltungsvermögens bei im Unternehmensvermögen gehaltenen Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteilen an Kapitalgesellschaften gefordert, um den positiven Kaskadeneffekt des bis zum 30. Juni 2016 geltenden Rechts zu vermeiden (Rz. 260 ff des Urteils). Diesen positiven Kaskadeneffekt würde man im ab 1. Juli 2016 geltenden Recht bei der Nichtberücksichtigung der Vorbesitzzeiten im Verbund durch einen negativen Kaskadeneffekt ersetzen, was sich gerade vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtfertigen lässt.

4. Zu Artikel 1 (R E 28a.2 Absatz 2 Satz 6 und R E 28a.4 Absatz 2 Satz 8 ErbStR 2019)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Überschreitet das übertragene begünstigte Unternehmensvermögen den Schwellenwert von 26 Millionen Euro, kann der Erwerber zwischen der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG und der Abschmelzung des Verschonungsabschlages nach § 13c ErbStG wählen. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung wird die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer erlassen, soweit sie nicht aus dem verfügbaren Vermögen gezahlt werden kann. Zum verfügbaren Vermögen gehören nach § 28a Absatz 2 Nummer 1 ErbStG unter anderem 50 Prozent des miterworbenen nicht begünstigten Vermögens.

Die auf das miterworbene nicht begünstigte Vermögen entfallende Steuer ist bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens abzuziehen.

§ 28a ErbStG wird von dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen getragen, dass das nicht begünstigte vorhandene Privatvermögen des Erwerbers und das von ihm durch Erbschaft bzw. Schenkung erworbene nicht begünstigte Vermögen zu 50 Prozent für die Begleichung der aus dem unentgeltlichen Erwerb erwachsenden Steuerschuld eingesetzt werden muss. Würde der Wert des miterworbenen, nicht begünstigten Vermögens brutto, d.h. ohne vorherigen Abzug der hierauf ohnehin entfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, ermittelt, hätte dies zur Folge, dass diese gesetzgeberische Grundentscheidung unterlaufen und damit bei wirtschaftlicher Betrachtung Steuer auf die Steuer entrichtet werden müsste.

Im Falle eines Erlasses nach § 28a ErbStG soll der Teil der Steuer erlassen werden, der nicht durch für die Zahlung der Steuer zur Verfügung stehendes Vermögen beglichen werden kann. Dabei ist auf das Vermögen im Zeitpunkt der Steuerentstehung abzustellen, welcher im Grundsatz der Todestag bzw. der Tag der Ausführung der Schenkung ist. Auch die Steuer für das miterworbene nicht begünstigte Vermögen entsteht zu diesem Zeitpunkt, auch wenn sie erst nach der Steuerfestsetzung zu zahlen ist.

Die Erbschaftsteuer des Erben ist eine Nachlassverbindlichkeit, da sie allein durch den Erbfall und ohne Zutun des Erben entsteht (Urteil des BFH vom 5. April 2017 (II R 30/15, BStBl II S. 971)). Einem Abzug der Erbschaftsteuer allgemein bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage steht § 10 Absatz 8 ErbStG entgegen. Diese Regelung gilt jedoch nicht in den Fällen des § 28a ErbStG. Wenn es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, kann diese nicht anders behandelt werden als die übrigen Nachlassverbindlichkeiten. Letztere werden auch bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens abgezogen. Diese Grundsätze sind auch auf die Schenkung zu übertragen.

Zu Buchstabe b:

Hat der Erwerber die Verschonungsbedarfsprüfung gewählt, lebt die erlassene Steuer insoweit wieder auf, als sie aus weiterem innerhalb von zehn Jahren geschenkten oder von Todes wegen erworbenen verfügbaren Vermögen gezahlt werden kann (§ 28a Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 ErbStG). Das verfügbare Vermögen ergibt sich hierbei wiederum aus 50 Prozent des erworbenen nicht begünstigten Vermögens. Hinsichtlich der auf das hinzuerworbene nicht begünstigte Vermögen entfallenden Steuer ist entsprechend der Steuer auf das beim ursprünglichen Erwerb miterworbene nicht begünstigte Vermögen vorzugehen.

5. Zu Artikel 1 (R B 97.6 Absatz 1 Satz 2 ErbStR 2019)

In Artikel 1 R B 97.6 Absatz 1 Satz 2 ist in der Klammer die Angabe " § 29 Absatz 2" durch die Angabe " § 29 Absatz 3" zu ersetzen.

Begründung:

Die Änderung beseitigt einen Verweisfehler. Der ursprüngliche § 29 Absatz 2 GmbHG ist bereits am 19.12.1985 durch das Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) zu Absatz 3 geworden.

B

6. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift gemäß Artikel 108 Absatz 7 des Grundgesetzes zuzustimmen.