Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 304433 - vom 5. April 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. Februar 2005 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 24. Juni 2004 an den Rat und das Europäische Parlament über die öffentlichen Finanzen in der WWU - 2004 (KOM (2004) 0425),
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. September 2004 an den Rat und das Europäische Parlament über die Stärkung der Economic Governance und die Klärung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (KOM (2004) 0581),
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. November 2002 an den Rat und das Europäische Parlament über die Verstärkung der haushaltspolitischen Koordinierung (KOM (2002) 0668),
- - unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. November 2002 an den Rat und das Europäische Parlament über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, die Qualität der statistischen Daten zur öffentlichen Haushaltslage zu verbessern (KOM (2002) 0670),
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Lissabon vom 23. und 24. März 2000 und des Europäischen Rates von Göteborg vom 15. und 16. Juni 2001, unter besonderer Bezugnahme auf die vereinbarte Strategie für Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, nachhaltige Entwicklung und sozialen Zusammenhalt,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Amsterdam vom 16. und 17. Juni 1997 zum Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken1 und des vom ECOFIN-Rat am 10. Juli 2001 angenommenen Verhaltenskodex zu Inhalt und Form der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des ECOFIN-Rates vom 13. September 2004 zum Stabilitäts- und Wachstumspakt,
- - unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juli 20042 zu bestimmten vom ECOFIN-Rat am 25. November 2003 getroffenen Maßnahmen,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A6-0025/2005),
A. in der Erwägung, dass der luxemburgische Ratsvorsitz eine Prüfung der Funktionsregeln und eine Klärung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen hat und das Europäische Parlament im Frühjahr 2005 eine Entschließung zu möglichen Änderungen der Vorschriften und Verhaltensregeln für seine Anwendung verabschieden muss,
B. in der Erwägung, dass das Wachstum der EU-Wirtschaft im letzten Jahrzehnt weit unter ihrem Potenzial lag und ein Rückgang nicht nur bei den privaten Investitionen, sondern auch bei den öffentlichen Bruttoinvestitionen zu verzeichnen war, die von 4% des BIP in den frühen 70er Jahren auf 2,4% in der Euro-Zone zurückgegangen sind; in der Erwägung, dass die Wachstumsrate des BIP im Euro-Raum unter anderem wegen des Ausbleibens struktureller Reformen und produktiver Investitionen in vielen Mitgliedstaaten erneut hinter den Voraussagen zurückgeblieben ist,
C. in der Erwägung, dass das Haushaltsdefizit des Euro-Raums, nachdem es im Jahr 2000 noch 1,1% und 2001 l,6% betrug, 2003 auf 2,7% des BIP angestiegen ist und sich 2004 mit 2,9% des BIP der 3%-Schwelle genähert hat,
D. in der Erwägung, dass Ende 2002 nur vier Mitgliedstaaten des Euro-Raums - auf die insgesamt über 18% des BIP des Euro-Raums entfielen - und 2004 fünf Mitgliedstaaten des Euro-Raums eine nahezu ausgeglichene Haushaltsposition aufwiesen; in der Erwägung, dass umgekehrt die Zahl der Mitgliedstaaten des Euro-Raums mit einem Haushaltsdefizit von über 3% des BIP von drei auf vier gestiegen ist; in der Erwägung, dass seit Einführung des Stabilitäts- und Wachstumspakts 12 Mitgliedstaaten dessen Bestimmungen bzw. die Bestimmungen des EG-Vertrags verletzt haben, darunter fünf Mitgliedstaaten, die dem Euro-Raum angehören - Portugal, Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Griechenland - , und das Vereinigte Königreich, auf das das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit keine Anwendung findet, das aber dennoch an die Bestimmung von Artikel 116 Absatz 4 des EG-Vertrags gebunden ist, wonach die Mitgliedstaaten in der zweiten Stufe "bemüht (sind), übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden"; in der Erwägung, dass das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auch gegen die sechs neuen Mitgliedstaaten eingeleitet wurde, die über der 3%-Schwelle liegen: die Tschechische Republik, Zypern, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakische Republik,
E. in der Erwägung, dass Kommissionsmitglied Almunia im September 2004 als Reaktion auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen den 1997 aufgestellten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts und den jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen Reformvorschläge vorgelegt hat, die in der oben genannten Mitteilung der Kommission vom 24. Juni 2004 dargelegt wurden,
- 1. nimmt zur Kenntnis, dass der Konjunkturzyklus nach Ansicht der Kommission nur zum Teil für die höheren nominalen Defizite verantwortlich ist, die in Wirklichkeit weitgehend auf eine auf eigenem Ermessen beruhende Lockerung der Haushaltspolitik in einigen Mitgliedstaaten zurückzuführen sind;
- 2. nimmt zur Kenntnis, dass einige Mitgliedstaaten auf die gegen sie erfolgte Einleitung des Defizit-Verfahrens nicht mit ausreichenden Maßnahmen zur Bekämpfung ihres Defizits reagiert haben und dass es, was ihre Aussichten für eine baldige Senkung ihres Defizits unter 3% des BIP betrifft, genügend Grund zur Sorge gibt;
- 3. unterstreicht die Bedeutung sowohl der Einführung struktureller Reformpakete als auch verstärkter Investitionstätigkeiten, die mittel- und langfristig entscheidend für die finanzielle Nachhaltigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und das Wachstum sein werden;
- 4. nimmt zur Kenntnis, dass die Bewältigung der wirtschaftlichen Veränderungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas in einigen neuen Mitgliedstaaten gravierende Auswirkungen auf das Defizit und den öffentlichen Schuldenstand hatte; vertritt die Auffassung, dass ehrgeizigere Steuerreformen in Verbindung mit Strukturreformen notwendig sind, um mehr Anreize für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für Investitionen zur Steigerung der Produktivität zu schaffen;
- 5. betont, dass es keine Ausnahme von den Bestimmungen und Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts gibt, fordert jedoch alle EU-Organe auf, sich ihrer Verantwortung für die Durchführung, Kontrolle und Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht zu entziehen; fordert, dass alle Mitgliedstaaten - die kleinen wie die großen - eine Gleichbehandlung erfahren sollten, und geht davon aus, dass dazu die Rolle der Kommission - insbesondere im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit - gestärkt werden sollte; fordert sämtliche Mitgliedstaaten auf, die Prüfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts während des luxemburgischen Ratsvorsitzes erfolgreich abzuschließen, indem sie sich um entschiedene, faire und praktikable Lösungen bei sämtlichen Rubriken bemühen, wie dies vom ECOFIN-Rat am 13. September 2004 festgelegt wurde, während gleichzeitig der präventive Aspekt verstärkt wird, die Unterschiede der wirtschaftlichen Lage stärker beachtet werden und die Umsetzung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (der korrigierende Teil des Pakts) sowie die Economic Governance verbessert werden;
- 6. fordert alle Mitgliedstaaten eindringlich auf, ihr Defizit, sofern nicht bereits geschehen, deutlich unter 3% des BIP zu senken, um in einer erweiterten Europäischen Union die Finanz- und Preisstabilität sicherzustellen, und in guten Zeiten ausreichende Finanzrücklagen zu bilden, damit in schlechten Zeiten konjunkturpolitische Maßnahmen getroffen werden können, ohne Gefahr zu laufen, gegen die Bestimmungen des Stabilitäts - und Wachstumspakts zu verstoßen;
- 7. unterstreicht die Bedeutung von verbesserten Haushaltsstatistiken mit genaueren und standardisierten Definitionen, Berechnungsmethoden und Verfahren, die in einem Handbuch für methodologische Leitlinien festzulegen sind, und begrüßt die Initiative der Kommission, Vorschläge für Mindeststandards für die Unabhängigkeit, Integrität und Qualität der nationalen statistischen Ämter und für eine verstärkte Zuständigkeit von Eurostat für die Koordinierung, Überwachung und Durchführung von vor Ort-Kontrollen der von den Mitgliedstaaten übermittelten Zahlen vorzulegen;
- 8. fordert die neuen Mitgliedstaaten eindringlich auf, die Reform ihrer öffentlichen Finanzen durch eine Umschichtung von Mitteln zu beschleunigen und damit einen weiteren Schritt hin zur Sicherstellung einer echten Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu unternehmen und sich dabei insbesondere auf die Modernisierung ihrer Renten- und Sozialleistungssysteme zur Unterstützung einer wirksamen Beschäftigungspolitik zu konzentrieren;
- 9. unterstreicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Verbesserungen im Bereich der Finanzverwaltung und der Errichtung eines wirksamen Steuererhebungssystems, um günstige Bedingungen für die Unternehmenstätigkeit im gesamten Binnenmarkt zu schaffen, eine Kultur des Unternehmertums zu fördern und Unternehmensneugründungen zu ermutigen;
- 10. erinnert die Mitgliedstaaten an ihre im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingegangene Verpflichtung, für einen "nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden" Haushalt zu sorgen; ist der Auffassung, dass übermäßige Defizite vermieden werden sollten, um so einen Beitrag zur Preisstabilität zu leisten und die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten; macht warnend darauf aufmerksam, dass übermäßige Regierungsausgaben die Preisstabilität, niedrige Zinsen und das Niveau der staatlichen Investitionen gefährden und zusätzlich die Fähigkeit einschränken, der Herausforderung aufgrund der demokratischen Veränderungen und der alternden Bevölkerung in der Europäischen Union entgegen zu treten;
- 11. wiederholt seine Forderung nach einer klaren Methode zur Quantifizierung der öffentlichen Haushaltspositionen und ihres Beitrags zu Wachstum und Investitionen einschließlich einer Definition des Begriffs der qualitativ hochwertigen öffentlichen Ausgaben, um einen positiven Beitrag zu den Lissabon-Zielen zu leisten; fordert des Weiteren eine Neuausrichtung der öffentlichen Ausgaben, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Haushaltsrubriken sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene den wichtigsten für 2010 gesetzten Prioritäten entsprechen;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dem Ausschuss der Regionen und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
1 ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.
2 Rechtssache C-27/04, Kommission/Rat.