Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zu Maßnahmen zur optimalen Auslastung bestehender Stromnetze

Der Bundesrat hat in seiner 967. Sitzung am 27. April 2018 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst

Anlage
Entschließung des Bundesrates zu Maßnahmen zur optimalen Auslastung bestehender Stromnetze

Begründung:

Die Energiewende bedeutet nicht weniger als einen fundamentalen Umbau des Energieversorgungssystems. Von zentraler Bedeutung ist dabei der unverzügliche Ausbau des Übertragungsnetzes, wie er im Energieleitungsausbaugesetz und im Bundesbedarfsplan vorgesehen ist. Bis zur Realisierung dieser Netzausbauvorhaben werden sich die gegenwärtigen Engpässe im Übertragungsnetz allerdings noch deutlicher bemerkbar machen. Um einen weiteren Zubau der Erneuerbaren Energien zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten für Netzstabilisierungsmaßnahmen zu begrenzen, ist es dringend erforderlich, sämtliche Optimierungspotentiale im bestehenden Übertragungsnetz umgehend auszuschöpfen.

Insbesondere der Einsatz von Freileitungsmonitoring und von Hochtemperaturleiterseilen ist besonders geeignet, um kurzfristig einen entlastenden Effekt im Übertragungsnetz zu bewirken. Netzengpässe entstehen, wenn ein Betriebsmittel (das kann beispielsweise eine Leitung oder ein Transformator sein) den notwendigen Leistungsbedarf nicht übertragen kann. Ausschlaggebend sind dabei insbesondere physikalische Grenzen wie etwa die mit steigendem Stromfluss ansteigende Temperatur des Betriebsmittels. Die Erwärmung eines Leiterseils etwa führt zu dessen Verlängerung und dies wiederum zu einem starken Durchhang bei Freileitungen. Diese thermische Grenze kann durch den Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, die auch bei starker Erwärmung nur eine geringfügige Längenveränderung aufweisen, erheblich angehoben werden, sodass die Übertragungskapazität um bis zu 100 Prozent erhöht werden kann. Die Übertragungsleistung ist zudem von weiteren, externen Faktoren wie Umgebungstemperatur, Globalstrahlung und Windgeschwindigkeit abhängig. Die nach einer DIN-Norm erfolgende Berechnung der maximalen Strombelastung legt für diese Faktoren starre Werte zugrunde, die im tatsächlichen Betrieb häufig erheblich unterschritten werden. Mit einem Freileitungsmonitoring können die Temperatur oder Durchhang oder Witterungsbedingungen vor Ort erfasst werden und so die maximal zulässige Strommenge dynamisch angepasst werden.

Ein weiteres zu prüfendes Instrument ist das in Schleswig-Holstein auf der 110 kV-Netzebene erfolgreich eingeführte Auslastungsmonitoring. Mit der intelligenten Auslastung der statischen Reservekapazitäten in den Stromtrassen kann die Übertragungskapazität von identifizierten engpassbildenden Teilstrecken, unabhängig von den Wetterbedingungen, um bis zu 50 Prozent erhöht werden, ohne dabei die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität zu gefährden. Die Übertragung dieses digitalen intelligenten Steuerungsinstruments auf die Ebene der Übertragungsnetze kann durch Umstellung auf den netzdynamischen (n-1)-Betrieb kurzfristig einen erheblichen Beitrag zur Engpassbewältigung leisten.

Zudem kann durch Lastflusssteuerung mittels Querregeltransformatoren Strom von einer überlasteten auf eine nicht ausgelastete Leitung verlagert werden. So können auch lastflusssteuernde Elemente wie Phasenschieber bzw. Querregeltransformatoren einen kurzfristigen Entlastungseffekt bewirken, deren Potentiale und Einsatzmöglichkeiten von der Bundesregierung zu prüfen sind.

Diese, auch dem NOVA-Prinzip entsprechenden, Technologien können mit verhältnismäßig geringen und kosteneffizienten Eingriffen in das bestehende Übertragungsnetz integriert werden und die Übertragungskapazität signifikant erhöhen. Gleichzeitig erlaubt gerade das Freileitungsmonitoring eine effizientere Netzführung.

Die Bundesregierung und die Übertragungsnetzbetreiber sind daher aufgefordert, flächendeckend das Potential eines Einsatzes dieser Technologien zu analysieren und die erforderliche digitale Infrastruktur schnellstmöglich zu installieren.

Häufig sind für diese, dem NOVA-Prinzip entsprechenden, Optimierungs- und Verstärkungsmaßnahmen keine umfassenden Änderungen an bestehenden

Masten erforderlich, sodass die räumlichen Auswirkungen als geringfügig anzusehen sind.

Da die im Bundesbedarfsplan vorgesehenen Netzausbauvorhaben dringend und zeitnah benötigt werden, begrüßt der Bundesrat, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern nach Möglichkeiten sucht, den Ausbau zu beschleunigen. Dies darf aber nicht zu Lasten der Beteiligung von Bürgern gehen.