883. Sitzung des Bundesrates am 27. Mai 2011
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1.
- - Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Initiative der Kommission für eine schnellere und umfassendere Realisierung intelligenter Stromnetze in der EU. Im Rahmen einer beschleunigten Energiewende sind der Ausbau und die Optimierung der Energieinfrastruktur ein wichtiger Punkt, um erneuerbare wie konventionelle Energien zukünftig effizienter nutzen zu können.
- - Der Bundesrat begrüßt die Unterstützung der Kommission bei der Gestaltung und dem Ausbau intelligenter Stromnetze in Europa als Beitrag zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Energieinfrastruktur. Hierzu gehören auch eine Strategie, die Chancen und Potenziale intelligenter Stromnetze genauer zu ermitteln, bevor breite Maßnahmen ergriffen werden, und vorrangig eine umfangreiche Kosten-Nutzen-Analyse. - Der Bundesrat sieht in der schnellen Entwicklung und Verabschiedung europäischer Normen für intelligente Netze einen Punkt, der vordringlich von der Kommission vorangetrieben werden sollte, um die Entwicklung neuer, innovativer Energiedienstleistungen zu befördern.
- - Der Bundesrat hält für die erforderliche Netzintegration der erneuerbaren Energien die alleinige Einführung intelligenter Netze nicht für ausreichend. Netzausbau und der Bau von Stromspeichern sind daneben unumgänglich. Daher sind bei jedem Schritt zum Ausbau intelligenter Netze Aufwand und Nutzen kritisch zu hinterfragen. Im Rahmen der Regulierung sollten daher nur Investitionen in intelligente Netze begünstigt werden, soweit damit Effizienzzuwächse und niedrigere Kosten für die Deckung der Spitzenlast verbunden sind und auch die Endverbraucher hiervon einen Vorteil haben.
- - Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit zu einem prinzipiellen Übergang von einer zielorientierten zu einer mehr inhaltlich bestimmten Beschreibung intelligenter Netze und schlägt zugleich eine umfassende Information aller Stromverbraucher vor. Ohne eine klare Ausweisung des Mehrwertes für künftige Nutzer wären Akzeptanzprobleme für anfallende Mehrkosten zu besorgen. - Der Bundesrat betont, dass für den Erfolg intelligenter Netze insbesondere auch die Akzeptanz beim Endverbraucher erforderlich ist. Daher wird es ganz wesentlich sein, dass mit dem Ausbau intelligenter Netze auch die intelligenten Endgeräte zur Verfügung stehen. Die derzeitige kommerziell verfügbare Technik (nicht ergonomische intelligente Zähler, noch keine intelligenten Haushaltsgeräte) macht derzeit noch keine sinnvolle flächendeckende Nutzung von intelligenten Netzen möglich.
- - Vor dem Hintergrund der hohen Sensibilität der digital erhobenen Energieverbrauchsdaten (sekundengenaue Erfassung des Verbrauchs) sieht der Bundesrat die Notwendigkeit, den Datenschutz bei den intelligenten Messeinrichtungen und Netzen durch entsprechende technische Systeme (Standards) und ggf. Ergänzung rechtlicher Regelungen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird der von der Task Force "Intelligente Netze" vorgeschlagene Ansatz "Privacyby-Design", bei dem der Schutz der Privatsphäre von Anfang an vorgesehen ist, ausdrücklich unterstützt.
- - Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene im Rahmen der Festlegung von Eckpunkten für die Entwicklung und Umsetzung intelligenter Netze für realistische Zeitplanungen einzusetzen.
Begründung zum 2., 5. und 8. Spiegelstrich (nur gegenüber dem Plenum):
Die Diskussion um intelligente Netze für Europa wird derzeit mehr von Zielen als von inhaltlichen Vorstellungen dominiert. Insbesondere die 85 Prozent der Kosten erfordernde Modernisierung und Aufrüstung der Netzkommunikationssysteme wird inhaltlich kaum beschrieben, was zu den Informationsdefiziten der Öffentlichkeit beiträgt. Dabei wird von der EU ein gewisser Automatismus der Zielerreichung angenommen, der keinesfalls als gesichert angesehen werden kann. So kann ein an lastabhängigen Tarifen ausgerichtetes Lastmanagement besonders im gewerblichen Bereich zu neuen Lastspitzen und mehr Netzausbaubedarf führen. Die Generierung von Einspareffekten stellt an die Verbraucher hohe Anforderungen sowohl an das technische Verständnis als auch an die Akzeptanz für die Mehrkosten, zumal neben der Installation von intelligenten Zählern weitere Nachrüstungen erforderlich werden können. Zur Akzeptanzverbesserung bei den Verbrauchern bedarf es daher belastbarer Aussagen über Vorteile und Kosten.
Die Entwicklung intelligenter Netze steht derzeit noch am Anfang und für viele Herausforderungen sind noch keine großflächig anwendbaren Lösungen entwickelt worden. Ambitionierte Zielstellungen müssen mit dem Ziel einer marktgetragenen Einführung konform sein und dürfen nicht zu absehbaren Erfüllungsdefiziten führen, die zu Lasten der Gestaltungsmöglichkeiten der Staaten scheinbar ein Mehr an direkten Eingriffen rechtfertigen.
B
- 2. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Ausschuss für Kulturfragen und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.