878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission, mit der die Situation der mittel- und langfristigen Zielerreichung der Energie- und Klimaschutzpolitik analysiert und festgestellt wird, dass schon für die für 2020 formulierten Ziele weitere Maßnahmen insbesondere zur Steigerung der Energieeffizienz und für den Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich sind.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das in der Mitteilung formulierte Ziel, bis 2020 zwei Drittel des Stroms aus CO₂-armen Quellen zu erzeugen, weder unter Transparenz- noch unter fachlichen Aspekten sinnvoll ist. Für die erneuerbaren Energien sollten vielmehr eigenständige und klare Ausbauziele formuliert werden.
- 3. Der Bundesrat unterstützt daher das Ziel, dass die erneuerbaren Energien möglichst zügig eine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ohne staatliche Förderung erreichen sollten. Er weist jedoch darauf hin, dass die Eigenwirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien davon abhängt, dass gleichzeitig die staatlichen Förderungen für konventionelle Energieträger abgebaut werden müssen. Das in der Mitteilung formulierte Ziel einer Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien bis 2020 sollte daher nicht zeitlich, sondern sachlich an die genannten Voraussetzungen konditioniert werden.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland kontinuierlich und kosteneffizient fortgeführt wird. Der Bundesrat hält vor diesem Hintergrund eine Harmonisierung der Instrumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien weder für erforderlich noch für sinnvoll. Die Vorgabe verbindlicher Ziele und die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Umsetzung mit geeigneten Instrumenten, die entsprechend angepasst und verbessert werden, haben sich bewährt.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass auf europäischer Ebene das Ziel zur Energieeinsparung in einer verbindlichen Form formuliert wird und ausreichend geeignete Maßnahmen zur Erreichung der EU-weit angestrebten Minderung des Energieverbrauchs um mindestens 20 Prozent bis 2020 angeboten werden.
- 6. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, einen Energiefahrplan 2050 mit Szenarien und Fahrplänen für eine Dekarbonisierung der europäischen Energieversorgung bis 2050 vorzulegen. Für die erforderliche langfristige Planungssicherheit aller Akteure sollte das Ziel einer EU-weiten Minderung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 konkretisiert werden, insbesondere bezüglich der dafür erforderlichen Energie-Einsparziele sowie der Ziele bezüglich der Versorgungsbeiträge der erneuerbaren Energien in den Teilmärkten Strom, Wärme und Kraftstoffe für die Jahre 2030, 2040 und 2050.
- 7. Der Bundesrat begrüßt die Vorlage einer EU-Energiestrategie 2020 durch die Kommission und ist der Auffassung, dass hierdurch geeignete Rahmenbedingungen für die Marktakteure geschaffen werden können, um den notwendigen Aus- und Umbau der europäischen Energieversorgung voranzutreiben.
- 8. Der Bundesrat verweist auf seine Stellungnahme vom 16. Juni 2006 (BR-Drucksache 207/06(B) ) zum "Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie". Der Bundesrat bekräftigt seine Bitte an die Bundesregierung, insbesondere darauf hinzuwirken, dass
- - die Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, - der Subsidiaritätsgrundsatz eingehalten wird, - die primäre Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für ihre Versorgungssicherheit berücksichtigt wird,
- - die Entscheidungskompetenz und Verantwortung der Unternehmen für Investitionen in die Energieinfrastruktur und deren Finanzierung berücksichtigt wird,
- - der dafür notwendige energiepolitische Gestaltungsspielraum auf nationaler Ebene bewahrt wird,
- - vorrangig auf marktgestützte und kosteneffiziente Instrumente, wie zum Beispiel Information und freiwillige Vereinbarungen gesetzt wird und die Grenzen der Belastbarkeit von öffentlichen Haushalten, Unternehmen und Verbrauchern sowie die bereits erreichten unterschiedlichen Effizienzniveaus der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.
- 9. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass die schnelle und vollständige Umsetzung des Dritten Binnenmarktpakets und ein koordinierter Ausbau der Energieinfrastruktur auf europäischer Ebene unabdingbare Voraussetzungen für das Erreichen des energiepolitischen Ziels einer sicheren, bezahlbaren und klimafreundlichen Energieversorgung sowohl auf europäischer als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene sind.
- 10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung der Energiestrategie 2020 der Kommission vermehrt auf marktwirtschaftliche Lösungen zu setzen und die Länder frühzeitig und angemessen bei der weiteren Entwicklung und Konkretisierung der EU-Energiestrategie zu beteiligen.
- 11. Durch die Ankündigung der Kommission, Investitionsanreize und Energiekennzeichnung zur Verbesserung der Energieeffizienz anzugehen, darf es nicht zu unverhältnismäßigen Mehrausgaben der öffentlichen Haushalte kommen.
- 12. Es sollten dabei allenfalls im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Gebäude Berücksichtigung finden.
- 13. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass neue verpflichtende Vorgaben im Bereich der Energieeffizienz ökonomisch effiziente Energieeinsparungen nicht gewährleisten können und ordnungspolitischen Bedenken begegnen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, rigiden Vorgaben auf europäischer Ebene entgegenzutreten und stattdessen vermehrt Anreize zum Energiesparen auf mitgliedstaatlicher Ebene zu setzen.
- 14. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung insbesondere auf, sich gegenüber der Kommission dafür auszusprechen, dass die Überprüfung des Ökodesign-Konzepts nicht zu ineffizienten Maßnahmen führt und der Fokus nicht auf eine Ausweitung der Ökodesign-Vorschriften, sondern auf die Implementierung bestehender Vorgaben gelegt wird.
- 15. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben einer Blaupause für die europäische Energie-Infrastruktur für den Zeitraum 2020 bis 2030 und dass ein geeigneter Finanzierungsrahmen geschaffen werden soll. Der Bundesrat hält es für erforderlich, seitens der EU konkrete und verbindliche Planungsvorgaben für Transeuropäische Stromnetze vorzuschlagen und mit den Mitgliedstaaten abzustimmen.
- 16. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Finanzierung des als dringend notwendig erkannten Energieinfrastrukturausbaus vornehmlich Aufgabe der Unternehmen ist. Aufgabe der EU und der Mitgliedstaaten ist nach Überzeugung des Bundesrates die politische Begleitung wichtiger Energieinfrastrukturvorhaben und das Schaffen der richtigen Rahmenbedingungen für die Marktakteure. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, einer dauerhaften Ko-Finanzierung von Energieinfrastrukturprojekten auf europäischer Ebene aus EU-Haushaltsmitteln entgegenzutreten.
- 17. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass der Ausbau der Energieinfrastruktur erheblich beschleunigt werden muss, um den Umbau zu einer weitgehend CO₂- freien Energieversorgung rechtzeitig zu schaffen. Der Bundesrat gibt jedoch zu bedenken, dass die Straffung der Genehmigungsverfahren für Energieinfrastrukturprojekte potentiell einen starken Eingriff in das Planungsrecht der Mitgliedstaaten sowie in die Beteiligungsrechte von Betroffenen und der Öffentlichkeit darstellen kann.
- 18. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf sich dafür einzusetzen, dass die verfassungsmäßig garantierte Zuständigkeit der Länder für die Durchführung und Ausgestaltung der Planungs- und Genehmigungsverfahren auch bei Vorhaben von europäischer Bedeutung beachtet wird.
- 19. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass weitere neuartige europäische Investitionsprogramme und Finanzierungsmechanismen angesichts der bereits nicht mehr überschaubaren Anzahl an Anreizsystemen und Fördermechanismen auf europäischer Ebene nicht automatisch zu vermehrten Investitionen durch die Marktakteure führen werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung insoweit auf, darauf hinzuwirken, dass bestehende Finanzierungsinstrumente auf europäischer Ebene zunächst evaluiert und ggf. gestärkt und neue Finanzierungsinstrumente sorgfältig auf ihren zusätzlichen Nutzen untersucht werden, bevor diese implementiert werden.
- 20. [21]Die "Schaffung eines geeigneten Finanzierungsrahmens" darf die Position der Nettozahler unter den Mitgliedstaaten nicht verschlechtern bzw. die Haushalte der Länder nicht durch zusätzliche Ausgaben belasten. Die "innovativen Finanzierungsinstrumente" dürfen [nicht zu einer Umgehung der Pflicht zur Haushaltsdisziplin führen und] nicht gegen das Verschuldungsverbot verstoßen. Die Mobilisierung zusätzlicher Mittel innerhalb des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens darf angesichts des Umfangs der geplanten Ausgaben nicht zu Forderungen nach ungeplanten Aufstockungen an anderer Stelle führen.
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- 22. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Ausschuss für Kulturfragen und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß § § 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.