890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, durch Maßnahmen im Bereich des Vertragsrechts die Entwicklung des europäischen Binnenmarkts weiter zu fördern, es Unternehmen zu ermöglichen, bei grenzüberschreitenden Geschäften Standardisierungsvorteile zu nutzen und ihre vertragsrechtsbedingten Transaktionskosten zu reduzieren, und zugleich durch umfassende Verbraucherschutzvorschriften ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.
- 2. Der Bundesrat sieht in dem Verordnungsvorschlag einen wichtigen Schritt zur Intensivierung und Stärkung des Binnenmarktes zum Vorteil von Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern. Er stellt fest, dass mit der Beschränkung der Verordnung auf ein Kaufrecht der Vorschlag des Bundesrates in seiner Stellungnahme zum "Grünbuch der Kommission: Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen" aufgegriffen worden ist, nicht zuerst ein Europäisches Vertragsrecht zu schaffen, sondern zunächst das in der Praxis wichtige Kaufrecht zu regeln, weil dieses am häufigsten relevant wird (BR-Drucksache 413/10(B) ).
- 3. Der vorliegende Verordnungsvorschlag erweckt den Eindruck, die Verbraucherinteressen in den Vordergrund zu stellen. Insoweit ist insbesondere darauf zu achten, dass die mit dem neuen Instrument intendierten Transaktionskostenreduzierungen für die Unternehmen nicht durch zusätzliche verbraucherschützende Regelungen, wie z.B. umfangreiche Informationspflichten, in der Praxis wieder aufgezehrt werden, so dass für Unternehmen die Option für das neue Rechtsinstrument uninteressant würde.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Vorschlag eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts zahlreiche Regelungen vorsieht, die für die betroffenen Unternehmen im Vergleich zum deutschen Recht eine Schlechterstellung beinhalten. Dies wirkt sich negativ auf die Wahrscheinlichkeit einer Anwendung aus. Derzeit können die Vertragsparteien regelmäßig durch individuelle Verträge das Risiko, das aus unterschiedlichen Rechtsordnungen resultiert, auf ein annehmbares Maß verringern. Das vorgeschlagene Europäische Kaufrecht enthält hingegen umfangreiche vorvertragliche Informationsrechte sowie eine erhebliche Ausdehnung möglicher Widerrufsrechte des Käufers bzw. Kunden.
Zu befürchten ist, dass die Anwendbarkeit des Europäischen Kaufrechts nicht unerhebliche Transaktionskosten und Hindernisse generiert, weil den Unternehmen zunehmend bürokratische Verpflichtungen auferlegt werden.
- 5. Ein - wenn auch fakultativ anwendbares - europäisches Vertragswerk sollte daher von mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern ausgehen sowie praktikable und effiziente Regelungen vorhalten. Aus diesem Grund regt der Bundesrat eine umfassende Überarbeitung des Europäischen Kaufrechts mit dem Ziel einer Verschlankung an.
Rechtsgrundlage
- 6. Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob sich die Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht wie vorgeschlagen auf Artikel 114 AEUV stützen lässt [oder ob Artikel 352 AEUV die einschlägige Rechtsgrundlage ist].
Nach dem in Artikel 5 Absatz 2 EUV normierten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung darf die EU nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig werden, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Artikel 114 AEUV gestattet Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Einrichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Sowohl nach dem Wortsinn als auch nach der Rechtsprechung des EuGH setzt eine Rechtsangleichung voraus, dass eine Maßnahme auf das bestehende nationale Recht einwirkt und nicht zusätzlich neben das bestehende mitgliedstaatliche Recht tretende Regelungen schafft (EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rechtssache C-436/03). So hat es der EuGH in der oben genannten Entscheidung im Fall der Europäischen Genossenschaft für nicht vertretbar gehalten, eine Angleichung der Rechtsvorschriften anzunehmen, weil die Verordnung über die Europäische Genossenschaft die bestehenden nationalen Regelungen zu den Gesellschaftsformen unverändert ließ und nur zusätzlich die Option einräumte, die Europäische Genossenschaft als Gesellschaftsform zu wählen.
Das gleiche Regelungsmodell scheint dem Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht zugrunde zu liegen. Denn die beabsichtigte Verordnung zielt nicht auf eine Änderung des bestehenden innerstaatlichen Vertragsrechts der Mitgliedstaaten, sondern schafft eine fakultative zweite Vertragsrechtsregelung in jedem Mitgliedstaat. Es bestehen daher Zweifel, ob die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten durch den Verordnungsvorschlag angeglichen werden. {Liegt keine Rechtsangleichung vor, könnte die Verordnung statt auf Artikel 114 AEUV nur auf Artikel 352 AEUV gestützt werden.}
Zur Vorlage im Einzelnen
- 7. Durch die Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts werden Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmer voraussichtlich über Jahre hinweg mit einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit belastet werden. Im Interesse aller Marktteilnehmer und zur Förderung der Akzeptanz der fakultativen Vertragsrechtsregelung sollten diese Unsicherheiten durch Maßnahmen sowohl im gerichtlichen als auch im außergerichtlichen Bereich auf ein Minimum reduziert und zugleich effektive Strukturen und Instrumente zur Rechtsdurchsetzung geschaffen werden.
- 8. Daher sollten zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung flankierende Maßnahmen auf dem Gebiet des Internationalen Zivilverfahrensrechts geprüft werden.
- 9. [Als weiteres Instrument,] um die Durchsetzung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts zu erleichtern und damit die Akzeptanz vor allem auf Käuferseite zu stärken, sollte die beabsichtigte Verordnung einen Rahmen für Einrichtungen und Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung bei grenzüberschreitenden Vertragsbeziehungen setzen. Zugleich sollte sich die EU zur Förderung derartiger Einrichtungen und Verfahren verpflichten.
- 10. Das Kaufrecht kann nur insgesamt, nicht aber in Teilen vereinbart werden. In Verträgen zwischen Unternehmen ist vielfach üblich, Schiedsgerichtsklauseln zu verwenden. Dies soll auch im Falle der Vereinbarung des Kaufrechts möglich sein. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Vereinbarung von Schiedsgerichtsklauseln bei Verwendung des Kaufrechts nicht ausgeschlossen ist, weil damit das Kaufrecht uneingeschränkt vereinbart bleibt. Es wird lediglich um eine Regelung für Streitfälle ergänzt, erfährt also keine Einschränkung. Gleichwohl bittet der Bundesrat, aus Gründen der Rechtsklarheit an geeigneter Stelle auf die Zulässigkeit von Schiedsgerichtsklauseln hinzuweisen.
- 11. Der Bundesrat spricht sich des Weiteren dafür aus, den Beteiligten mehr Dispositionsfreiheiten innerhalb des EU-Kaufrechts einzuräumen. Regelungskomplexe oder Einzelregelungen des vorgeschlagenen Europäischen Kaufrechts sollten im Bedarfsfall abbedungen oder verändert werden können, um das Vertragsverhältnis unkompliziert den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls anpassen zu können. Um Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern den grenzüberschreitenden (Ver-)Kauf zu erleichtern, sollten die einzelnen Regelungskomplexe im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht stärker fakultativ im Sinne einer Toolbox zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Fächer von Instrumenten sollten sich die Betroffenen eines oder mehrerer (aufeinander abgestimmter) Instrumente bedienen können und sie auch für ihre eigenen Bedürfnisse anpassen dürfen. Die Instrumente müssten sich in der Praxis durch einfache Handhabung und ausgewogene Lösungen bewähren. Dies hätte den Vorteil, dass von den Betroffenen selbst entschieden werden könnte, ob und in welchem Anwendungsbereich sie im Einzelfall auf eine europäische Regelung zurückgreifen wollen. Ausreichender Verbraucherschutz wird durch die bestehenden Verbraucherschutzregeln gewährleistet, die auch nach Ansicht der Kommission nicht durch das Europäische Vertragsrecht aufgehoben werden sollen.
(bei Annahme entfällt Ziffer 13)
- 12. Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich, dass das Gemeinsame Europäische Kaufrecht in jedem Mitgliedstaat als fakultatives zweites Kaufrecht zur Verfügung steht (vgl. Artikel 3 des Verordnungsvorschlags). [Die Vertragsparteien müssen seine Anwendung für grenzübergreifende Verträge ausdrücklich vereinbaren (vgl. Artikel 8 des Verordnungsvorschlags) und dabei das Standard-Informationsblatt in Anhang II der Verordnung verwenden (vgl. Artikel 9 des Verordnungsvorschlags).] Durch diese Optin-Lösung ist dem [fakultativen] Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht die Möglichkeit eröffnet, sich der Konkurrenz zu anderen Rechtsordnungen zu stellen und sich insoweit zu bewähren.
- 13. Der Bundesrat begrüßt, dass das Gemeinsame Europäische Kaufrecht [jedenfalls bei Verbraucherinnen und Verbrauchern] nur insgesamt und nicht auch teilweise Anwendung finden darf.
- 14. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, den räumlichen Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts grundsätzlich auf grenzübergreifende Verträge zu beschränken. Nach der Stellungnahme des Bundesrates zum Grünbuch vom 17. Dezember 2010 (BR-Drucksache 413/10(B) ) sollte ein fakultatives Europäisches Vertragsrecht der Rechtszersplitterung entgegenwirken und den Weg für einen einfacheren grenzüberschreitenden Handelsverkehr innerhalb Europas ebnen. Mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission steht Europa am Beginn dieses Weges. [Angesichts des Charakters der Vorlage als Pilotprojekt] ist es verfrüht, bereits jetzt eine Ausdehnung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts auf innerstaatliche Rechtsgeschäfte zuzulassen.
- 15. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts im innerstaatlichen Bereich in Betracht gezogen werden kann, bedarf vertiefter Prüfung und kann erst auf der Grundlage einer Praxisanhörung entschieden werden.
- 16. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, über eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs [zu einem späteren Zeitpunkt] und {erst nach der vierjährigen Erprobung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts im grenzüberschreitenden Bereich (Artikel 15 des Verordnungsvorschlags)} zu entscheiden.
- 17. Der Bundesrat ist auch der Auffassung, dass der vorgelegte Verordnungsvorschlag noch der Verbesserung bedarf, und bittet daher die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass insbesondere die nachfolgenden Regelungen geändert werden:
- 18. Die Bezeichnung "Gemeinsames Europäisches Kaufrecht" ist insofern missverständlich, als dieses Kaufrecht nur in der EU und auch im EWR anwendbar ist, nicht jedoch in Europa insgesamt. Es gilt folglich nicht für die Schweiz und andere europäische Staaten, die weder Mitglied der EU noch der EFTA sind. Es wäre daher konsequenter, die Verordnung als "Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames EU-Kaufrecht" zu bezeichnen. Der Bundesrat bittet, die Bezeichnung der Verordnung daraufhin zu überprüfen.
- 19. Im Vorschlag wird durchgängig der Begriff "grenzübergreifend" im Zusammenhang mit Verträgen verwendet, die von Vertragspartnern aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten geschlossen werden. Die bisher übliche Terminologie dafür ist jedoch "grenzüberschreitend". Da jedoch nicht erkennbar ist, dass mit dem Begriff "grenzübergreifend" etwas anderes als mit "grenzüberschreitend" gemeint ist, sollte im Sinne einer besseren Rechtsetzung in der deutschen Sprachfassung der Begriff "grenzüberschreitend" auch weiterhin verwendet werden.
(Bei Annahme entfällt Ziffer 22)
- 20. Der Bundesrat regt an, die "verbundenen Dienstleistungen" aus dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht zu entfernen, da diese in der Praxis - gerade im Handwerksbereich - zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten mit Werkverträgen führen dürften. Der Verordnungsvorschlag ordnet den im Handwerk gängigen Werkvertrag teils dem Kaufrecht mit verbundenen Dienstleistungen zu. Folge ist eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit. Für werkvertragliche Leistungen ist das EU-Kaufrecht weder zugeschnitten, noch praktikabel.
- 21. Der Verordnungsvorschlag sieht einen beschränkten sachlichen Anwendungsbereich für das Gemeinsame Europäische Kaufrecht vor. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich eine Einschränkung.
(Bei Annahme entfällt Ziffer 22)
- 22. Der Bundesrat begrüßt die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts im Rahmen des Artikels 5 des Verordnungsvorschlags (Kaufverträge, Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte, Verträge über verbundene Dienstleistungen) sowie die ausdrücklichen Einschränkungen in Artikel 6 des Verordnungsvorschlags.
- 23. Eine abschließende Bewertung des durch die Artikel 5 und 6 des Verordnungsvorschlags festgelegten Anwendungsbereichs kann erst nach der erforderlichen Praxisanhörung vorgenommen werden.
- 24. Der Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts im Bereich der Wirtschaft wird dadurch eingeschränkt, dass Artikel 7 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags die Verwendung des Kaufrechts in Kaufverträgen zwischen Unternehmen nur dann zulässt, wenn wenigstens ein Vertragspartner KMU ist. Diese Einschränkung ist problematisch, weil sie dazu zwingt, stets zu prüfen, ob ein Unternehmen die KMU-Kriterien erfüllt. Würde sich beispielsweise nach Vertragsschluss herausstellen, dass bei einem Kaufvertrag keines von beiden beteiligten Unternehmen die KMU-Kriterien erfüllt, dürfte der Vertrag unwirksam sein, ohne dass dies in der Verordnung ausdrücklich als Rechtsfolge vorgesehen ist. Das Erfordernis, dass wenigstens ein Vertragspartner ein KMU sein muss, ist zwar vor dem Hintergrund verständlich, dass mit dem fakultativen Kaufrecht insbesondere die KMU unterstützt werden sollen. Dennoch ist diese restriktive Regelung nicht sinnvoll. Der weitaus größte Teil der Unternehmen erfüllt die KMU-Kriterien. Bei Vertragsschlüssen sind sie stets gezwungen, ihre KMU-Eigenschaft oder die des Vertragspartners zu überprüfen. Dies ist ein unzumutbarer Aufwand und sollte im Sinne einer besseren Rechtsetzung vermieden werden. Sinnvoller wäre es deshalb, bereits in der Verordnung selbst das Gemeinsame Europäische Kaufrecht allen Unternehmen als Kaufvertragsrecht zur Verfügung zu stellen. Großunternehmen können selbst entscheiden, ob sie von diesem fakultativen Recht Gebrauch machen wollen. Verzichten sie darauf, ist dies unschädlich. Jedenfalls entfiele für die KMU die Notwendigkeit, ihre KMU-Eigenschaft stets vor Vertragsschluss oder in Rechtstreitigkeiten nachzuweisen. Es sollte daher bereits in der Verordnung selbst das Kaufrecht allen Unternehmen fakultativ zur Verfügung gestellt werden. Dies vereinfacht die Anwendung des Kaufrechts und würde auch die in Artikel 13 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags vorgesehene Option zugunsten der EU-Mitgliedstaaten, die Verwendung des Kaufrechts für alle Unternehmen zuzulassen, entbehrlich machen. Zugleich würde dies die EU-Einheitlichkeit der Rechtslage in diesem Punkt eindeutig verbessern. Weiter würde damit die Notwendigkeit entfallen, gegebenenfalls zu ermitteln, welche Personen als unternehmensangehörig anzusehen sind. Zwar sieht Artikel 7 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags hinsichtlich der KMU-Definition diejenigen Schwellenwerte für Beschäftigte, Jahresumsatz und Bilanzsumme vor, die auch in Artikel 2 der geltenden KMU-Definition verwendet werden (Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 2 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen - ABI. L 124 vom 20. Mai 2003, Seite 36). Die vorgeschlagene Verordnung enthält aber keine Regelung, wie die Beschäftigtenzahl zu ermitteln ist. Diese Probleme entfielen, wenn die Verordnung auf das KMU-Erfordernis für die Vertragspartner verzichten würde. Weder KMU noch Großunternehmen hätten davon Nachteile zu erwarten, im Gegenteil wäre das Kaufrecht leichter handhabbar und die Rechtslage innerhalb der EU in diesem Punkt einheitlich. Der Bundesrat bittet daher, das Gemeinsame Europäische Kaufrecht allen Unternehmen als fakultatives Recht zur Verfügung zu stellen.
(Bei Annahme entfällt Ziffer 25)
- 25. Der Bundesrat hält die Anwendung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern für sachgerecht. Für eine Anwendung dieses Instruments auch im unternehmerischen Rechtsverkehr sprechen beachtliche Gründe. Jedoch lässt die vorgeschlagene Regelung befürchten, dass die Abgrenzung zwischen KMU und sonstigen Unternehmen in der Praxis Schwierigkeiten bereiten wird, da die Erfüllung der Kriterien (weniger als 250 Mitarbeiter, Jahresumsatz unter 50 000 000 Euro) dem Vertragspartner regelmäßig unbekannt sein wird bzw. diese auch ständigen Schwankungen unterliegen dürfte. Darüber hinaus ist bislang ungeklärt, welche Rechtsfolgen eine Missachtung der Vorgaben des Artikels 7 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags nach sich ziehen würde. Der Bundesrat regt daher an, den persönlichen Anwendungsbereich insoweit zu überprüfen sowie ggf. in praktikabler Weise zu präzisieren.
(Entfällt bei Annahme von Ziffer 24)
- 26. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorvertraglichen Informationspflichten des Verordnungsvorschlags nur dann ihre volle Wirkung entfalten können, wenn sie unabhängig vom tatsächlichen Zustandekommen des Vertrages gelten. Der Bundesrat sieht daher die Anknüpfung der vorvertraglichen Informationspflichten an den Vertragsschluss gemäß Artikel 11 Satz 2 des Verordnungsvorschlags als nicht sachgerecht an. Der Bundesrat hält es für erwägenswert, den Eintritt der vorvertraglichen Wirkungen des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts nicht erst an eine Verwendungsvereinbarung, sondern schon daran anzuknüpfen, dass der Unternehmer seine Leistungen grenzübergreifend und mit der Option des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts anbietet.
Zu Anhang I
- 27. Was das in Anhang I der Vorlage formulierte Gemeinsame Europäische Kaufrecht betrifft, hält der Bundesrat folgende Hinweise für erforderlich:
- 28. Der Bundesrat spricht sich auch dafür aus, die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen erheblichen vorvertraglichen Informationspflichten (u.a. Teil II, Kapitel 2, Abschnitt 1) dahingehend zu überarbeiten, dass ein unbürokratischer, transparenter und übersichtlicher Vertragsschluss erfolgen kann.
- 29. Der Bundesrat weist darauf hin, dass wesentliche Rechtsbereiche fehlen - wie etwa Regelungen zur Geschäftsfähigkeit und zum Minderjährigenschutz. Für Verträge zwischen Unternehmen dürfte dies eher zu vernachlässigen sein, da dort beide Fragen nahezu bedeutungslos sind. Bei Verträgen zwischen Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern sieht dies anders aus, da minderjährige und/oder geschäftsunfähige Unternehmenskunden (Verbraucher) keine Seltenheit sind. Ob der Rückgriff auf die nationalen Vorschriften dazu im Einzelfall für die Unternehmen sinnvoll ist, muss bezweifelt werden, weil die verkaufenden Unternehmen sich diesbezüglich auf 27 unterschiedliche Rechtslagen einstellen müssten. Dies sollte vermieden werden. Der Bundesrat bittet daher, Regelungen zur Geschäftsfähigkeit und zum Minderjährigenschutz in das Kaufrecht einzustellen.
- 30. Weiterhin sollten insbesondere bei der Inhaltskontrolle und im Bereich des Gewährleistungsrechts Nachbesserungen zugunsten der Unternehmen vorgenommen werden. Insbesondere die Verlängerung der Verjährungsfristen (Artikel 179) sowie die Aufgabe des Grundsatzes vom Vorrang der Nacherfüllung (Artikel 106) dürften die Akzeptanz des optionalen Europäischen Kaufrechts stark einschränken.
(Bei Annahme entfällt Ziffer 31)
- 31. Der Bundesrat begrüßt, dass mit Teil IV des Anhangs I ein moderner Ansatz zur Regelung der Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen vorgeschlagen wird, der zu einer breiten Akzeptanz bei Unternehmern sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern führen kann.
- 32. Darüber hinaus sollten die im Vorschlag benutzten zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe überarbeitet werden. Dies betrifft insbesondere den Begriff "unfair", der in mehreren Vorschriften (etwa Artikel 51, 84 oder 85) verwendet wird. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe wären erst nach Auslegung durch Gerichte für die Praxis anwendbar. Die betreffenden Regelungen erleichtern daher den Rechtsverkehr nicht, sondern beinhalten ein erhebliches Risiko für die Vertragspartner und schrecken somit von einer Optierung für das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ab.
- 33. Zur Vermeidung von Disparitäten sollte im Interesse der Rechtsanwender sowohl in inhaltlicher als auch in sprachlicher Hinsicht ein uneingeschränkter Gleichlauf zwischen den Vorschriften des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts und der bereits beschlossenen Richtlinie über die Rechte der Verbraucher hergestellt werden, soweit die beiden Rechtsakte identische Regelungsbereiche beinhalten.
Weiteres
- 34. Der Entwurf eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts stellt sich als wesentlicher Schritt zur Fortentwicklung des europäischen Vertragsrechts dar. Er ist geeignet, die rechtliche Gestaltung von Massengeschäften im Binnenmarkt, aber auch die nationalen Vertragsrechte wesentlich zu beeinflussen.
- 35. Vor diesem Hintergrund erscheint es bereits im Interesse der Minimierung künftiger rechtlicher Unwägbarkeiten sowie auch der Akzeptanz des neuen Regimes bei den angesprochenen Wirtschaftsteilnehmern unabdingbar, die Regelungen über das Gemeinsame Europäische Kaufrecht einem umfassenden, sorgfältigen Beratungsprozess ohne vermeidbaren Zeitdruck zu unterziehen.
- 36. Der Bundesrat hält eine ergebnisoffene und umfassende Diskussion dieses Vorschlags für unverzichtbar. In diese Erörterung sollten nicht nur die Rechtswissenschaft [, Verbände] und einige Stakeholder, sondern insbesondere auch die Richterschaft und die rechtsberatenden Berufe eingebunden werden. Nur auf diesem Wege wird ein unionsrechtliches Gesetzgebungsverfahren zureichende und tragfähige Entscheidungsgrundlagen gewinnen können.
- 37. Der Bundesrat behält sich eine nähere Bewertung der vorgeschlagenen Regelungen[, insbesondere eine Beurteilung der damit verbundenen Auswirkungen auf das Verbraucherschutzniveau,] vor, sobald die Ergebnisse der erforderlichen Praxisanhörung vorliegen.
Direktzuleitung an die Kommission
- 38. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.