COM (2018) 387 final; Ratsdok. 9615/18
971. Sitzung des Bundesrates am 19. Oktober 2018
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLwie folgt Stellung zu nehmen:
A Konzept der Ausschüsse und Wi
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, durch investitionsstabilisierende Maßnahmen die Ausstrahlungswirkung von asymmetrischen Schocks auf weitere Mitgliedstaaten zu begrenzen.
- 2. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Aufrechterhaltung öffentlicher Investitionen in wirtschaftlichen Krisenzeiten primäre Aufgabe der Mitgliedstaaten ist und durch nachhaltige und vorausschauende Haushaltspolitik zu gewährleisten ist. Investitionsstabilisierende Maßnahmen auf EU-Ebene dürfen daher die Notwendigkeit solider und nachhaltiger Staatsfinanzen nicht untergraben. Vor diesem Hintergrund hält der Bundesrat bei investitionsstabilisierenden Maßnahmen auf EU-Ebene eine anreizkompatible Ausgestaltung für zwingend erforderlich. Die Voraussetzungen, die ein Mitgliedstaat ex ante erfüllen muss, um Zugang zu der Funktion zu erhalten (insbesondere solide Haushaltsführung), müssen konsequent angewendet werden.
- 3. Vor diesem Hintergrund lehnt der Bundesrat die von der Kommission vorgeschlagene Investitionsstabilisierungsfunktion ab, weil sie die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für nachhaltige Staatsfinanzen schwächen würde. Auch die im Vorschlag enthaltenen Anspruchskriterien (Einhaltung des makroökonomischen Überwachungsrahmens) hält der Bundesrat für nicht ausreichend, um die notwendige Anreizkompatibilität herzustellen.
- 4. Die vorgeschlagene Zahlung von Zinszuschüssen lehnt der Bundesrat ab. Die Zinszuschüsse würden in Krisenzeiten de facto ein zinsloses Darlehen an Mitgliedstaaten ermöglichen und damit die Anreize zu nachhaltiger Haushaltsführung massiv untergraben.
- 5. Der Bundesrat lehnt auch die von der Kommission vorgeschlagene Darlehenskomponente ab. Er kritisiert, dass die Kommission in diesem Rahmen beabsichtigt, Anleihen an den Finanzmärkten aufzunehmen und an Mitgliedstaaten weiterzuvermitteln, die sich naturgemäß in einer wirtschaftlichen Krise befinden. Weil daraus ein erhebliches finanzielles Risiko für den EU-Haushalt entstehen würden, sieht der Bundesrat einen Widerspruch zu den Haushaltsgrundsätzen des Artikels 310 AEUV.
- 6. Der Bundesrat lehnt die vorgeschlagene Aufteilung der Beiträge zum einzurichtenden Stabilisierungsfonds auf die Mitgliedstaaten ab. Die Orientierung am Anteil der monetären Einkünfte der jeweiligen nationalen Zentralbank führt zu einer einseitigen Belastung wirtschaftlich starker Staaten. Aus Sicht des Bundesrates sollte die Aufteilung von Beiträgen auf die Mitgliedstaaten nach dem Äquivalenzprinzip entsprechend der Haushaltsdisziplin erfolgen.
- 7. Der Bundesrat kritisiert an der formalen Ausrichtung der Stabilisierungsfunktion, dass damit ein Auseinanderfallen von Entscheidungskompetenz und Haftungsverantwortung verbunden wäre, weil die Mittelaufnahme und -vergabe in ausschließlicher Kompetenz der Kommission liegen sollen, während die Mitgliedstaaten das Ausfallrisiko für die vergebenen Kredite tragen würden.
- 8. Der Bundesrat kritisiert, dass die Investitionsstabilisierungsfunktion eine ähnliche Funktion wie der Europäische Stabilitätsmechanismus einnehmen soll, indem sie an Mitgliedstaaten bei Wachstumseinbrüchen Darlehen vergibt. Er sieht insoweit Konfliktpotential zwischen den beiden Instrumenten, dem der Verordnungsvorschlag nur unzureichend begegnet. Den vorgeschlagenen Einsatz von delegierten Rechtsakten durch die Kommission zur Herstellung der Komplementarität lehnt der Bundesrat als zu weitgehend ab.
B Konzept des Fz-Ausschusses
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) dazu genutzt werden muss, die Stabilität der Eurozone auszubauen. Dies gilt für Zeiten einer guten konjunkturellen Entwicklung und für Krisenzeiten gleichermaßen.
- 10. Eine europäische Investitionsstabilisierungsfunktion entspricht nach Auffassung des Bundesrates einer gemeinsamen Verantwortung der Eurostaaten auch für Fälle asymmetrischer Schocks. Dabei stehen die und ihr Haushalt für Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.
- 11. Eine Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion kann nach Auffassung des Bundesrates auf europäischer Ebene den Folgen eines asymmetrischen wirtschaftlichen Schocks wie einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage oder einem Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegenwirken. Sie kann den Anpassungspfad dämpfen, die Investitionstätigkeit auf nationaler Ebene stützen und verhindern helfen, dass die Mitgliedstaaten durch prozyklische Maßnahmen den Schock verstärken. Zudem kann sie Spekulationsanreize bei höheren krisenbedingten Defizit- und Schuldenstandspositionen vermindern.
- 12. Eine Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion ist nach Auffassung des Bundesrates kein Ersatz für eigene Anpassungsmaßnahmen und darf keinen Anreiz bieten, auf die Entwicklung nationaler Potenziale zur Vermeidung und Bekämpfung wirtschaftlicher Schocks zu verzichten. Der Zugang muss an strikte, vordefinierte Kriterien gebunden sein. Damit könnte die Funktion auch einen zusätzlichen Anreiz für die Einhaltung einer soliden Haushalts- und Strukturpolitik schaffen. Es ist sicherzustellen, dass die Investitionsstabilisierungsfunktion nicht dazu führt, dass ein nicht nachhaltiges Investitionsniveau (Investitionsblase) aufrechterhalten wird.
- 13. Der Bundesrat sieht erheblichen weiteren Konkretisierungsbedarf zum Beispiel hinsichtlich der Implikationen eines von der am Kapitalmarkt refinanzierten Darlehens sowie eines Zinssubventionsmechanismus. Der von der Kommission vorgeschlagene Fonds zur Gewährung von Zinshilfen könnte Gefahr laufen, angesichts der strikten Kriterien an die Haushaltsführung ins Leere zu greifen. Die von der Kommission beanspruchten Entscheidungsbefugnisse sollten kritisch im Hinblick auf eine angemessene Mitwirkung der Mitgliedstaaten überprüft werden. Demokratische Kontrolle und Rechenschaftspflicht müssen gewährleistet bleiben.
- 14. Der Bundesrat betont, dass auch durch dieses Instrument die Förderung von Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit unterstützt werden soll, Fehlanreize vermieden werden müssen und Haftungsregeln durch eine angemessene Solidarität unter den Mitgliedstaaten nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. In diesem Zusammenhang sollte aus Sicht des Bundesrates alternativ ein Europäischer Stabilisierungsfonds für Arbeitslosigkeit ohne einzugehende Transferleistungen für den Fall schwerer Wirtschaftskrisen geprüft werden.
- 15. Die Schaffung einer Europäischen Investitionsstabilisierungsfunktion muss in die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen und die weitere Vertiefung der WWU einbezogen werden. Hier ist insbesondere auf eine ausdifferenzierte Aufgabenzuweisung in Abgrenzung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus bzw. zu einem möglichen zukünftigen Europäischen Währungsfonds zu achten.
- 16. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, seine Stellungnahme in ihren Stellungnahmen an die gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLmaßgeblich zu berücksichtigen.
C
- 17. Der Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLKenntnis zu nehmen.