Der Bundesrat hat in seiner 896. Sitzung am 11. Mai 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die in dem Verordnungsvorschlag zum Ausdruck kommenden Bemühungen der Kommission, die Zollverfahren durch eine neue elektronische Datenverarbeitungsumgebung zu vereinfachen sowie den Zollkodex an die Anforderungen des Vertrages von Lissabon anzupassen.
- 2. Soweit die Angaben der Wirtschaftsbeteiligten den Zollbehörden und den anderen an der Überwachung beteiligten Stellen (wie z.B. Polizei, Veterinär- und Umweltschutzbehörden) gemeinsam zugänglich zu machen sind, ist dies grundsätzlich positiv für die Wirtschaftsbeteiligten zu bewerten. Kosten in nicht absehbarer Höhe könnten jedoch für die Länder anfallen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich in den anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die mit dem Projekt der Datenvernetzung ("Single Window") anfallenden Kosten minimiert werden, da länderseitig hierfür keine Mittel zur Verfügung stehen.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den Beratungen auf europäischer Ebene auf eine Präzisierung von Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a des Verordnungsvorschlags hinzuwirken. Es sollte klargestellt werden, dass die genannte Bestimmung nationalen Regelungen nicht entgegensteht, mit denen dem gerichtlichen Rechtsschutz ein behördliches Vorverfahren obligatorisch vorgeschaltet wird. Denn der Wortlaut von Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a des Verordnungsvorschlags - wie auch derjenige von Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 450/2008 vom 23. April 2008 (Modernisierter Zollkodex), ABl. L 145 vom 4. Juni 2008, S. 1 - ist insofern mehrdeutig, als er auch die Auslegung zulässt, dass - anders als nach dem derzeit anwendbaren Europa- und nationalen Recht - ein Wahlrecht besteht, ob in Bezug auf zollbehördliche Entscheidungen zunächst der verwaltungsinterne oder sogleich gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen wird. Angesichts der Ausgestaltung der Finanzgerichte als obere Landesgerichte sollte aber daran festgehalten werden, dass der Anrufung des Gerichts in zollrechtlichen Angelegenheiten regelmäßig ein behördliches Vorverfahren vorausgeht.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass die mündliche Zollanmeldung bestehen bleibt. Bei Ein- und Ausfuhren unter einer Wertschwelle von 1 000 Euro genügt bislang eine mündliche Zollanmeldung. Ein Wegfall dieser Vereinfachung würde zu erheblichen administrativen und finanziellen Mehrbelastungen für kleine und mittlere Unternehmen führen. Darauf hat auch das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 1. Dezember 2011 zur Modernisierung des Zollverfahrens hingewiesen. Bei einem Wegfall der mündlichen Zollanmeldung entstehen der deutschen Wirtschaft erhebliche Mehrkosten. Hinzu kommen Folgekosten, z.B. durch Zeitverzögerungen, die durch das aufwändigere förmliche Verfahren verursacht werden. Die Möglichkeit der mündlichen Zollanmeldung wird intensiv von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt. Viele der Unternehmen mit hohem Ausfuhranteil an Kleinsendungen wären bei einem Wegfall der mündlichen Zollanmeldung kaum noch zukunftsfähig. Die Möglichkeit der mündlichen Zollanmeldung sollte daher beibehalten werden.
- 5. Der Bundesrat sieht mit Besorgnis, dass mit dem modernisierten Zollkodex der Kommission umfangreiche Befugnisse zu delegierten Rechtsakten übertragen werden. Weiterhin wird bei den Regelungen zum Warenursprung der Kommission die Kompetenz übertragen, in Fällen äußerster Dringlichkeit unmittelbar anwendbare Durchführungsrechtsakte zu erlassen. Damit werden Entscheidungen ohne vorherige Ausschussbehandlung ermöglicht. Ein solches Verfahren kann aber nur bei ganz speziellen Materien in Betracht kommen, zu denen das Zollverfahren nicht zählen dürfte. Zum einen stehen in aller Regel keine überragenden Rechtsgüter auf dem Spiel, so dass die bestehenden Instrumentarien (z.B. verkürzte Ladungsfristen für Ausschusssitzungen) ausreichen sollten. Zum anderen sind gerade Warenursprungsregeln das Ergebnis langer internationaler Verhandlungen, so dass eine äußerste Dringlichkeit nur schwer zu begründen ist. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, das Eilverfahren zu streichen.