Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 05. Oktober 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 26. September 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss werden an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 273/05 (PDF) = AE-Nr. 050990,
Drucksache 288/05 (PDF) = AE-Nr. 051041 und AE-Nr. 052255
Begründung
1. Hintergrund der Vorschläge
Am 6. April 2005 verabschiedete die Kommission ihren Vorschlag1 für das siebte Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kerntechnik (2007 bis 2011). Die Kommission gab darin an, dass die Maßnahmen in zwei spezifischen Programmen zusammengefasst würden, die den "indirekten" Maßnahmen zu Fusionsenergieforschung, Kernspaltung und Strahlenschutz sowie den "direkten" Forschungsmaßnahmen der Gemeinsamen Forschungsstelle im Bereich der Kernenergie entsprechen. Diese spezifischen Programme sind Gegenstand der vorliegenden Vorschläge. Die Kommission wird ferner Vorschläge für die hierfür geltenden "Beteiligungs- und Verbreitungsregeln" vorlegen.
Der politische Hintergrund und die Ziele dieses Vorschlags sind in der Mitteilung "Die Schaffung des EFR des Wissens für Wachstum"2 dargelegt.
Mit den spezifischen Programmen des siebten Euratom-Rahmenprogramms sollen - in Verbindung mit den ebenfalls erforderlichen nationalen und industriellen Maßnahmen - die wichtigen Fragen und Herausforderungen in diesem Forschungsbereich in Europa behandelt werden.
Finanzielle Unterstützung auf europäischer Ebene bietet die Möglichkeit, Leistung und Wirksamkeit der Forschung in einem Maße zu erhöhen, das auf nationaler Ebene nicht erreicht werden kann. Die spezifischen Programme des 7. Euratom-Rahmenprogramms ermöglichen eine weitere Konsolidierung des Europäischen Forschungsraums im genannten Bereich. Sie tragen dazu bei, auf neuen Forschungsgebieten und auf neuen Wegen eine kritische Masse zu erreichen, und fördern den freien Austausch von Ideen, Kenntnissen und Forschern.
Das Potenzial europäischer Maßnahmen zur Förderung hervorragender Leistungen in der Forschung wird während der gesamten Durchführung der spezifischen Programme optimal genutzt. Dies beinhaltet die Ermittlung und Förderung der in der Europäischen Union vorhandenen Kompetenzen und die Schaffung von Kapazitäten für künftige Forschungshöchstleistungen.
Wo immer möglich wird die Wirkung der spezifischen Programme durch die Komplementarität mit anderen Programmen der Gemeinschaft (z.B. den Strukturfonds) verstärkt. Dies entspricht dem Ansatz des spezifischen EG-Programms "Kapazitäten", denn ein wichtiger Aspekt des spezifischen Euratom-Programms für indirekte Maßnahmen ist ebenfalls die Unterstützung von Forschungsinfrastrukturen, allerdings in diesem Fall im Bereich der Nuklearwissenschaften und -technologien.
2. VORHERIGE Konsultation
Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Vorschläge hat die Kommission - wie bereits beim Rahmenprogramm - die Ansichten berücksichtigt, die die anderen EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten sowie viele Interessengruppen, darunter auch die Wissenschaftsgemeinschaft und die Industrie, im Zuge einer breiten Konsultation geäußert haben. Die Vorschläge für die spezifischen Programme stützen sich ferner auf die ausführliche Folgenabschätzung, die für den Vorschlag für das 7. Rahmenprogramm3 vorgenommen wurde, sowie auf das Ergebnis der Fünfjahresbewertung des Rahmenprogramms4.
3. Rechtliche Aspekte
Die Vorschläge für die spezifischen Programme decken den gleichen Zeitraum ab wie das Rahmenprogramm (2007-2011). Dieser ist wiederum abhängig von Artikel 7 des Euratom-Vertrags. Entsprechend diesem Artikel (Absatz 2) werden Forschungsprogramme für höchstens fünf Jahre festgelegt. Daher entspricht der Zeitraum, für den diese Vorschläge vorgelegt werden, nicht dem der spezifischen EG-Programme.
Die Kommission schlägt vor, die spezifischen Euratom-Programme nach den vorgesehenen Legislativverfahren um den Zeitraum 2012-2013 zu verlängern, sofern die Umstände dem nicht entgegenstehen.
4. Verwendung der Haushaltsmittel
Der diesem Beschluss beigefügte "Finanzbogen für Rechtsakte" erläutert die finanziellen Auswirkungen und den Bedarf an personellen und administrativen Ressourcen. Er enthält ferner vorläufige Zahlenangaben für den Zeitraum 2012 bis 2013.
Die Kommission beabsichtigt, eine Exekutivagentur einzurichten und diese mit bestimmten Aufgaben zu betrauen, die für die Durchführung des spezifischen Programms für indirekte Maßnahmen erforderlich sind5.
5. EINHEITLICHE und flexible Durchführung
5.1 Neue Erfordernisse und Möglichkeiten
Die Durchführung der spezifischen Programme muss flexibel genug sein, um bei wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen im Nuklearbereich weiterhin eine Spitzenposition einnehmen zu können und um auf sich abzeichnende industrielle, politische oder gesellschaftliche Erfordernisse eingehen zu können. Dies wird bei den indirekten Maßnahmen vor allem durch die Arbeitsprogramme erreicht, die mit Unterstützung der Ausschüsse der Vertreter der Mitgliedstaaten jährlich aktualisiert und in denen die Themen für die geplanten Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen genannt werden. Korrekturen können schneller vorgenommen werden, wenn neue Prioritäten unmittelbare Maßnahmen erfordern, insbesondere bei unvorhergesehenen politischen Erfordernissen.
Diese mehrjährige Planung steht vielen Beiträgen offen, um sicherzustellen, dass die unterstützten Maßnahmen auch für neuen Forschungsbedarf der Industrie und der EU-Politik im Nuklearbereich weiterhin unmittelbar relevant sind. Einen Beitrag wird die externe Beratergruppe für Energie leisten, die im Rahmen des spezifischen EG-Programms "Zusammenarbeit" eingesetzt und Vertreter unterschiedlicher Disziplinen umfassen wird (wobei ein Gleichgewicht wissenschaftlicher und industrieller Positionen angestrebt wird).
Zusätzliche externe Beiträge könnten die Technologieplattformen liefern, die gemäß der Planung demnächst in einigen Themenbereichen der spezifischen Programme eingerichtet werden könnten.
Auch andere Foren und Gruppen wie das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) können der Kommission rechtzeitigen Rat bezüglich Möglichkeiten und Prioritäten geben, die für den Euratom-Forschungsbereich von Bedeutung sind.
5.2 Querschnittsthemen
Die Kommission wird bei der Durchführung des 7. Euratom-Rahmenprogramms für die erforderliche Kohärenz sorgen. Die Arbeitsprogramme der spezifischen Programme werden in enger Koordinierung überarbeitet, um Querschnittsthemen in ausreichendem Maße zu berücksichtigen.
Die Ausschüsse der Vertreter der Mitgliedstaaten haben ebenfalls eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, indem sie die Kommission bei der Gewährleistung von Kohärenz und Koordinierung der Durchführung innerhalb und zwischen den spezifischen Programmen unterstützen. Deshalb müssen sich die Vertreter der Mitgliedstaaten in den verschiedenen Ausschüssen auf nationaler Ebene gut untereinander abstimmen.
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Maßnahmen, deren Inhalte sowohl spezifische Euratom-Programme als auch EG-Programme betreffen (z.B. Nutzung fortgeschrittener Reaktoren zur Wasserstoffherstellung, Entwicklung fortgeschrittener Werkstoffe). Soweit dies angesichts der Schwierigkeiten möglich ist, die sich durch zwei Rahmenprogramme ergeben, deren Rechtsgrundlage unterschiedliche Verträge sind, können unter Nutzung der Erfahrungen aus dem 6. Rahmenprogramm gemeinsame Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen veröffentlicht werden.
Bei folgenden besonders wichtigen Themen sind spezielle Vorkehrungen zur Gewährleistung eines koordinierten Konzepts vorgesehen:
- - Internationale Zusammenarbeit: Dies ist ein wichtiger Aspekt des Euratom-Programms. Hier soll ein strategisches Konzept zur Förderung entsprechender Maßnahmen und zur Behandlung bestimmter Fragen verfolgt werden, wenn dies von gegenseitigem Interesse und Nutzen ist.
- - Forschungsinfrastrukturen: Eine enge Zusammenarbeit mit dem EG-Programm "Kapazitäten" ist erforderlich, um die Unterstützung zentraler kerntechnischer Forschungseinrichtungen sicherzustellen, die allgemeinere Anwendung in der Forschung finden.
- - Verbindung zur Gemeinschaftspolitik: Es werden Vorkehrungen für eine wirksame Koordinierung innerhalb der Kommissionsdienststellen getroffen, insbesondere um sicherzustellen, dass die Tätigkeiten auch weiterhin den Erfordernissen aufgrund der Entwicklung der EU-Politik entsprechen. Die Nutzergruppen verschiedener Kommissionsdienststellen, die für die jeweiligen Politikbereiche zuständig sind, können bei der mehrjährigen Programmplanung in diesem Zusammenhang Hilfestellung leisten.
- - Verbreitung und Transfer von Kenntnissen: Die Förderung der Übernahme von Forschungsergebnissen ist ein zentrales Merkmal aller spezifischen Programme, wobei spezieller Nachdruck auf der Übertragung von Kenntnissen zwischen den Ländern, über Disziplinen hinweg sowie von der Wissenschaft zur Industrie liegt. Hierunter fallen auch Maßnahmen für die Mobilität von Forschern.
- - Wissenschaft und Gesellschaft: Diese Maßnahme im EG-Programm "Kapazitäten" weist Parallelen zu Maßnahmen im Nuklearsektor auf. Es ist eindeutig das Potenzial für einen fruchtbaren Austausch in Bereichen wie "staatliche Verwaltung" und "Fragen im Zusammenhang mit den Akteuren" gegeben, insbesondere bezüglich der Akzeptanz kontroverser Einrichtungen durch die lokale Bevölkerung.
6. Vereinfachung der Verwaltungsverfahren
Eine signifikante Vereinfachung ergibt sich bei der Durchführung des 7. Rahmenprogramms aus den Vorschlägen, die die Kommission in ihrem Arbeitspapier vom 6. April 2005 dargelegt hat, und den anschließenden umfassenden Gesprächen. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sollen in die Beteiligungs- und Verbreitungsregeln aufgenommen werden und dienen insbesondere dazu, den "Bürokratiefaktor" beträchtlich zu verringern und die Förderformen und Berichterstattungsanforderungen zu vereinfachen.
In dem die Kernspaltung betreffenden Teil des spezifischen Programms für indirekte Maßnahmen werden Verbesserungen vorgeschlagen, die denen vergleichbar sind, die für Maßnahmen im Teil "Kooperation" des EG-Programms vorgesehen sind.
7. Inhalt der spezifischen Programme
7.1 Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kerntechnik (indirekte Maßnahmen)
Dieses spezifische Programm umfasst die folgenden zwei vorrangigen Themenbereiche:
- (i) Fusionsenergieforschung: Schaffung der Wissensgrundlage für den Bau von Prototypreaktoren für sichere, nachhaltige, umweltverträgliche und wirtschaftliche Kraftwerke und Realisierung des ITER als wichtigsten Schritt im Hinblick auf dieses Ziel. Dieser Themenbereich beinhaltet folgende Maßnahmenbereiche:
- - Realisierung des ITER
- - FuE zur Vorbereitung der Betriebsphase des ITER
- - technologische Maßnahmen zur Vorbereitung des Kraftwerks DEMO
- - langfristige FuE-Maßnahmen
- - Humanressourcen, Aus- und Weiterbildung
- - Infrastrukturen
- - Reaktion auf sich abzeichnende oder unvorhergesehene Erfordernisse der Politik
- (ii) Kernspaltung und Strahlenschutz: Förderung der sicheren Nutzung der Kernspaltung und anderer Einsatzmöglichkeiten von Radioaktivität in Industrie und Medizin. Dieser Themenbereich beinhaltet folgende Maßnahmenbereiche:
- - Entsorgung radioaktiver Abfälle
- - Reaktorsysteme
- - Strahlenschutz
- - Unterstützung von und Zugang zu Forschungsinfrastrukturen
- - Humanressourcen und Ausbildung (einschließlich Mobilität).
Dieses spezifische Programm weist generell eine starke Kontinuität zu früheren Rahmenprogrammen auf und stützt sich auf den nachgewiesenen zusätzlichen Nutzen einer Förderung auf europäischer Ebene. Einige wichtige Neuerungen in diesem spezifischen Programm erfordern besondere Überlegungen hinsichtlich der Durchführung:
- - ein verbessertes Konzept für die Koordinierung nationaler Forschungsprogramme im Bereich der Kernspaltung und des Strahlenschutzes,
- - die gemeinsame Realisierung des ITER in einem internationalen Rahmen, die Schaffung eines gemeinsamen Unternehmens für ITER auf der Grundlage des Euratom-Vertrags sowie eine verstärkte Koordinierung der integrierten europäischen Maßnahmen in der Fusionsenergieforschung,
- - ein gezielter Ansatz im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Themenbereiche, wobei in den Arbeitsprogrammen spezifische Kooperationsmaßnahmen angegeben werden sollen, im Einklang mit dem geplanten strategischen Konzept für die internationale Zusammenarbeit,
- - ein Bestandteil, der eine flexible Reaktion auf sich abzeichnende und unvorhergesehene politische Erfordernisse ermöglicht; dieser soll für jeden Themenbereich aufgenommen werden. Bei der Umsetzung wird man sich auf die Erfahrungen mit den Maßnahmen zur wissenschaftlichen Unterstützung der Gemeinschaftspolitik und für neue und sich abzeichnende wissenschaftliche und technologische Entwicklungen des sechsten Rahmenprogramms stützen, außerdem auf den Bereich "neue und künftige Technologien" im Bereich der IKT.
Während der Laufzeit dieses spezifischen Programms und seiner geplanten Verlängerung bis 2013 können sich jedoch Möglichkeiten für die Schaffung sinnvoller gemeinsamer Unternehmen ergeben, z.B. im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle6. Die Kommissionsdienststellen werden zum gegebenen Zeitpunkt dem Rat Vorschläge für solche gemeinsame Unternehmen vorlegen.
7.2 GFS (direkte Maßnahmen)
Die GFS wird ihren Auftrag unter Berücksichtigung der internen Entwicklung innerhalb der Kommissionsdienststellen sowie des europäischen und globalen Kontextes im Nuklearbereich erfüllen.
Im Hinblick darauf wird sie sich systematisch um die Intensivierung ihrer Beziehungen mit den Forschungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten bemühen.
Im Zusammenhang mit der Agenda von Lissabon und auf Wunsch der meisten ihrer Auftraggeber wird die GFS beträchtliche Anstrengungen im Hinblick auf Ausbildung und Wissensmanagement unternehmen. Sie wird ihre FuE-Maßnahmen in den Bereichen fortsetzen, die mit der Abfallentsorgung und Umweltauswirkungen zusammenhängen.
Im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit betreffen die wichtigsten neuen Aspekte die Reaktion auf Entwicklungen in der Gemeinschaftspolitik, auf neue Erfordernisse der Kommissionsdienststellen und die Beteiligung der Gemeinschaft an internationalen Initiativen wie dem Forum "Generation IV".
Die GFS arbeitet nun seit 30 Jahren im Bereich der nuklearen Sicherheit. Der internationale Kontext hat sich allerdings in jüngster Zeit beträchtlich verändert und die Dimension der Nichtverbreitung gewinnt an Bedeutung. Die interne Arbeit der Kommissionsdienststellen stützt sich jedoch auch auf eine kontinuierliche Unterstützung durch die GFS in traditionellen Bereichen.
8. Wachstum durch einen EFR des Wissens
Die notwendigen raschen Fortschritte in der Entwicklung zur wissensgestützten Wirtschaft und Gesellschaft setzen eine ehrgeizigere und effizientere europäische Forschung voraus. Sämtliche Akteure in der Europäischen Union - Regierungen der Mitgliedstaaten, Forschungseinrichtungen, Industrie - haben hier ihre Rolle zu spielen.
Alle spezifischen Programme zur Durchführung der siebten Rahmenprogramme (EG und Euratom) sind darauf ausgerichtet, den Hebeleffekt und die Wirkung der Forschungsausgaben auf europäischer Ebene - im Rahmen der verfügbaren Mittel - zu maximieren. Zentrale Aspekte sind hier: der Schwerpunkt auf vorrangigen Themenbereichen in den entsprechenden spezifischen Programmen und die geeigneten Maßnahmen und Durchführungsmodalitäten im Hinblick auf die Ziele, eine starke Kontinuität, ein durchgehender Schwerpunkt auf der Unterstützung bestehender Kompetenzen und der Schaffung der Kapazitäten für künftige Spitzenleistungen, die Straffung und Vereinfachung der Verwaltung im Hinblick auf Nutzerfreundlichkeit und Kosteneffizienz und eine Flexibilität, die es ermöglicht, dass das Rahmenprogramm sich auf neue Erfordernisse und Möglichkeiten einstellen kann.
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates
über das von der Gemeinsamen Forschungsstelle innerhalb des 7. Rahmenprogramms (2007 bis 2011) der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kerntechnik durch direkte Maßnahmen durchzuführende spezifische Programm (Text von Bedeutung für den EWR)
Der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft;
insbesondere auf Artikel 7;
auf Vorschlag der Kommission7,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments8,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses9,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Nach Artikel 7 des Vertrags erfolgt die Durchführung des Beschlusses Nr. .../Euratom des Rates über das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Kernforschungs- und Ausbildungsmaßnahmen (2007 bis 2011) (nachstehend "das Rahmenprogramm") durch spezifische Programme, in denen die Einzelheiten der Durchführung, die Laufzeit und die für notwendig erachteten Mittel festgelegt werden.
(2) Die Gemeinsame Forschungsstelle, (nachstehend "GFS") sollte die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mit Hilfe sogenannter direkter Aktionen im Rahmen eines spezifischen Programms der GFS unter Umsetzung des Euratom-Rahmenprogramms durchführen.
(3) Ihrem Auftrag gemäss sollte die GFS auftragorientierte wissenschaftlichtechnische Unterstützung für die Gestaltung der EU-Politik leisten - sowohl durch Unterstützung bei der Durchführung und Ueberwachung bestehender politischer Massnahmen als auch durch Reaktion auf neue politische Erfordernisse. Um ihren Auftrag zu erreichen, führt die GFS Forschung von hoher Qualität durch.
(4) Bei der Durchführung dieses Programms sollte der Förderung der Mobilität und Ausbildung von Forschern und Innovation in der Gemeinschaft Nachdruck verliehen werden. Insbesondere sollte die GFS angemessene Ausbildungsaktivitäten in nuklearer Sicherheit und Sicherheitsüberwachung unternehmen.
(5) Das vorliegende spezifische Programm sollte auf flexible, effiziente und transparente Weise durchgeführt werden, wobei den einschlägigen Erfordernissen der Nutzer der GFS und der Gemeinschaftspolitik sowie dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft Rechnung zu tragen ist. Die im Rahmen dies Programms durchgeführten Forschungsaktivitäten sollten gegebenenfalls diesen Erfordernissen sowie den wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen angepaßt werden und darauf abzielen, wissenschaftliches Spitzenniveau zu erreichen.
(6) Die Regeln des EG Rahmenpgrogramms für die Teilnahme von Unternehmen, Forschungszentren und Universitäten sowie für die Verbreitung von Forschungsergebnissen (nachstehend "die Regeln für Teilnahme und Verbreitung") sollten auch auf die F&E Aktivitäten dieses spezifischen Programms angewandt werden.
(7) Bei der Durchführung diese Programms kann neben der Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Assoziierungsabkommens eine internationale Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen insbesondere auf der Grundlage von Artikeln 2h, 101 und 102 des Vertrags zweckmässig sein.
(8) Die GFS bemüht sich im Hinblick auf Erweiterung und Integration, Organisationen und Wissenschaftler der neuen Mitgliedstaaten in ihre Tätigkeiten zur Umsetzung der wissenschaftlichtechnischen Komponenten des gemeinschaftlichen Besitzstands einzubinden und die Zusammenarbeit mit Stellen von Kandidatenländern auszubauen. Daneben ist eine schrittweise Öffnung gegenüber den Nachbarstaaten vorgesehen, vor allem im Hinblick auf die vorrangigen Themen der Europäischen Nachbarschaftspolitik.
(9) Bei den im Rahmen dieses Spezifischen Programms durchgeführten Forschungsaktivitäten sind ethische Grundprinzipien, darunter jene der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, zu beachten.
(10) Die GFS sollte sich weiterhin bemühen, zusätzliche Ressourcen durch kompetitive Aktivitäten zu erzielen; dieses schliesst eine Teilnahme an den indirekten Aktionen des Rahmenprogramms, Arbeit für Dritte sowie zu einem geringerem Ausmaß die Verwertung von geistigem Eigentum ein.
(11) Für das Rahmenprogramm sollten eine wirtschaftliche Haushaltsführung, eine möglichst effiziente und nutzerfreundliche Durchführung und leichte Zugänglichkeit für alle Teilnehmer sichergestellt werden, im Einklang mit der Verordnung des Rates (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, Verordnung der Kommission (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung sowie allen künftigen Aenderungen derselben.
(12) Ferner sollten geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Betrug und Unregelmäßigkeiten ergriffen und die notwendigen Schritte unternommen werden, um entgangene, zu Unrecht gezahlte oder nicht ordnungsgemäß verwendete Beträge wieder einzuziehen, im Einklang mit der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung sowie allen künftigen Änderungen derselben, der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft10, der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten11 und der Verordnung (EG) Nr. 1074/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfungen (OLAF)12.
(13) Die Kommission sollte zu gegebener Zeit eine unabhängige Bewertung der Tätigkeiten veranlassen, die auf den unter dieses Programm fallenden Gebieten durchgeführt worden sind.
(14) Der wissenschaftliche und technische Ausschuß und der Aufsichtsrat der GFS sind über den wissenschaftlichen und technologischen Inhalt dieses spezifischen Programms konsultiert worden -
HAT folgende Entscheidung erlassen:
Artikel 1
Hiermit wird das von der Gemeinsamen Forschungsstelle durch direkte Maßnahmen im Bereich der Forschung und Ausbildungsmaß durchzuführende spezifische Programm (nachstehend "spezifisches Programm") für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2011 beschlossen.
Artikel 2
In dem spezifischen Programm sind die Maßnahmen der Gemeinsamen Forschungsstelle im kerntechnischen Bereich festgelegt, mit denen das gesamte Spektrum der in internationaler Zusammenarbeit durchgeführten Forschungsmaßnahmen in folgenden Themenbereichen unterstützt wird:
- (a) Entsorgung nuklearer Abfälle, Umweltauswirkungen und Grundlagenwissen
- (b) Kerntechnische Sicherheit
- (c) Sicherheitsüberwachung. Ziele und Grundzüge der Maßnahmen werden im Anhang dargelegt.
Artikel 3
In Einklang mit Artikel 3 des Rahmenprogramms werden für die Durchführung des spezifischen Programms 539 Millionen Euro veranschlagt.
Artikel 4
(1) Bei allen Forschungstätigkeiten des spezifischen Programms müssen ethische Grundprinzipien eingehalten werden.
(2) Folgende Forschungsgebiete werden im Rahmen dieses Programms nicht finanziert:
- - Forschungsmaßnahmen, die in allen Mitgliedstaaten untersagt sind,
- - Forschungsmaßnahmen, die in einem Mitgliedstaat ausgeführt werden sollen, in dem sie untersagt sind.
Artikel 5
(1) Das spezifische Programm wird mittels der in Anhang II des Rahmenprogramms festgelegten Förderformen durchgeführt.
(2) Für dieses spezifische Programm gelten in Bezug auf die Verbreitung der Forschungsergebnisse die Beteiligungs- und Verbreitungsregeln.
Artikel 6
(1) Die Kommission stellt ein mehrjähriges Arbeitsprogramm zur Durchführung des spezifischen Programms auf, das die im Anhang genannten Ziele und wissenschaftlichen und technologischen Prioritäten sowie den Zeitplan für die Durchführung genauer darlegt.
(2) Im mehrjährigen Arbeitsprogramm werden relevante Forschungstätigkeiten der Mitgliedstaaten, der assoziierten Staaten sowie europäischer und internationaler Einrichtungen berücksichtigt. Es wird gegebenenfalls aktualisiert.
Artikel 7
Die Kommission veranlasst die in Artikel 6 des Rahmenprogramms vorgesehene unabhängige Bewertung der Tätigkeiten, die auf den unter das spezifische Programm fallenden Gebieten erfolgt sind.
Artikel 8
Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Brüssel, den
Im Namen des Rates Der Präsident
Anhang - Programm GFS-Euratom
1. ZIEL
Bedarfsorientierte wissenschaftlichtechnische Unterstützung der Gemeinschaftspolitik im Nuklearbereich, Unterstützung der Umsetzung und Beaufsichtigung bereits vorhandener Strategien sowie flexible Reaktion auf neue politische Erfordernisse.
2. Ansatz
Die GFS soll die Konzipierung, Durchführung und Überwachung der EU-Politik auf bedarfsorientierte Weise wissenschaftlichtechnisch unterstützen. Im Mandat der GFS wird auch deren Aufgabe betont, qualitativ hochwertige Forschung im engen Kontakt mit der Industrie und anderen Stellen zu betreiben und eine Vernetzung mit öffentlichen und privaten Institutionen in den Mitgliedstaaten zu entwickeln. In allen Tätigkeiten der GFS sind beide Dimensionen präsent, deren jeweilige Bedeutung variiert jedoch von unmittelbarer Unterstützung der Kommissionsdienststellen bis zur Grundlagenforschung in einer breiten europäischen bzw. internationalen Perspektive.
Die Maßnahmen der GFS im Nuklearbereich sind darauf ausgerichtet, den aus dem Euratom-Vertrag erwachsenden Verpflichtungen im Bereich Forschung und Entwicklung gerecht zu werden und sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten in den Bereichen Sicherheitsüberwachung und Nonproliferation, Abfallentsorgung, Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und des Brennstoffkreislaufs, Radioaktivität in der Umwelt und Strahlenschutz zu unterstützen.
Die Ziele dieses spezifischen Programms bestehen darin, Wissen zu generieren und zu sammeln, essentielle wissenschaftlichtechnische Daten bereitzustellen sowie kerntechnische Sicherheit und Sicherheitsüberwachung, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Beherrschung der Atomenergie zu unterstützen, darunter Aspekte innovativer bzw. künftiger Systeme. Die Beteiligung an den indirekten Aktionen des Rahmenprogramms wird die grösstmögliche Komplementarität mit dem institutionellen Arbeitsprogramm anstreben, wie in Abschnitt 3 weiter unten erläutert.
Auf dem Gebiet der Kerntechnik bereitet derzeit u.a. der befürchtete Verlust von Wissen und Sachverstand sowie insbesondere des technologischen Knowhows und der Kapazitäten für die Handhabung radioaktiver Stoffe und von Strahlungsfeldern große Sorge. Die GFS wird auch künftig als europäischer Bezugspunkt für die Informationsverbreitung sowie für die Aus- und Fortbildung junger Wissenschaftler fungieren.
3. Tätigkeiten
3.1. Entsorgung nuklearer Abfälle, Umweltauswirkungen und Grundlagenwissen
3.1.1. Charakterisierung, Zwischen- und Endlagerung von abgebranntem Brennstof
Die Entsorgung abgebrannter Brennstoffe und hochaktiver nuklearer Abfälle umfasst die Konditionierung für den Transport, Zwischenlagerung und geologische Endlagerung. Hauptziel ist, die Freisetzung von Radionukliden in die Biosphäre über einen sehr langen Zeitraum zu verhindern. Die Auslegung, die Bewertung und das Funktionieren der technischen und natürlichen Rückhaltesysteme über die entsprechenden Zeiträume sind zentrale Faktoren für das Erreichen dieser Ziele; sie hängen unter anderem vom Verhalten der Brennstoffe ab.
Die GFS bemüht sich um die Erarbeitung von Daten über das langfristige Verhalten abgebrannter Brennstoffe und um die Entwicklung von Methoden für die zuverlässige Bewertung der technischen Systeme, wobei der Schwerpunkt auf der Integrität der Abfallpakete sowie dem Benchmarking risikoorientierter Entscheidungskriterien liegt.
Laborexperimente über das Brennstoffverhalten unter repräsentativen Bedingungen werden den entsprechenden Input für die Modelle zur langfristigen Prognose liefern und deren Validierung ermöglichen. Die GFS wird sich auch an den verschiedenen europäischen Initiativen für sichere Abfallendlagerungslösungen beteiligen und den Wissenstransfer zwischen verschiedenen Staaten aktiv unterstützen.
3.1.2. Trennung, Transmutation und Konditionierung
Die größten Herausforderungen dieses Programms bleiben die Optimierung der Brennstofftrennung zur Separation ausgewählter langlebiger Radionuklide sowie die Herstellung und Charakterisierung sicherer und zuverlässiger Brennstoffe bzw. Targets für die Aktinidenumwandlung.
Der Untersuchung dieser alternativen Abfallentsorgungsstrategien kommt weiter zunehmende Aufmerksamkeit zu, weil sie die langfristigen Risiken der Abfallendlagerung erheblich verringern würden. Für die Transmutation werden neben speziellen Aktinidenverbrennungsanlagen sowohl schnelle Reaktoren als auch Thermoreaktoren in Betracht gezogen. Die meisten vorgeschlagenen Konzepte für künftige Reaktorsysteme schließen diese selektive Radionuklidtrennung ein.
Aufgrund der starken Reduzierung der Menge langlebiger Radionuklide und der deutlichen Volumenverringerung in Abfalllagern wird die Entwicklung inerter Matrizen für die Konditionierung hochaktiver Abfälle langfristig eine zentrale Verbesserung bei der Entsorgung nuklearer Abfälle darstellen.
Die GFS wird in diesem Bereich neue Anlagen für die fortgeschrittene Trennung und die Erzeugung von Brennstoffen und Targets betreiben (Laboratorium für geringe Aktinide). Daneben wird sie Bestrahlungstests mit Targets und Brennstoffen sowie Versuche zur Erzeugung grundlegender Daten zur Transmutation durchführen. Schließlich wird durch Studien zur Korrosion und Auslaugung die chemische Haltbarkeit der Matrizen zur Konditionierung von Aktiniden ermittelt.
3.1.3. Aktinidengrundlagenforschung
Durch die Tätigkeiten im Bereich der Grundlagenforschung soll Wissen zur Vertiefung des Verständnisses physikalischer Prozesse in nuklearen Brennstoffen (von der Energieerzeugung bis zur Abfallentsorgung) gewonnen werden; sie stehen in engem Zusammenhang mit den Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Die Grundlagenforschungsmaßnahmen konzentrieren sich auf die thermophysikalischen Materialeigenschaften, die Oberflächeneigenschaften von Aktinidenträgersystemen sowie grundlegende physikalische und chemische Eigenschaften.
In den Anlagen der GFS, beispielsweise im Aktiniden-Benutzer-Labor, werden auch künftig Gastprogramme für Wissenschaftler, insbesondere von europäischen Universitäten, stattfinden.
3.1.4. Kerntechnische Daten
Aus der vorgeschlagenen Konzeption spezieller Verbrennungsanlagen für geringe Aktinide und fortgeschrittenen Konzepten für die Kernenergiegewinnung ergibt sich im kerntechnischen Bereich neuer Bedarf an weitaus präziseren Informationen.
Die GFS wird Messungen kerntechnischer Daten für die Entsorgung nuklearer Abfälle durchführen. Neue technologische Entwicklungen haben zu bedeutenden messtechnischen Verbesserungen geführt. Daneben unterstützt die GFS eine wichtige Initiative zur Entwicklung kerntechnischer Grundlagentheorie für die Modellierung von Reaktionen, die experimentell nicht durchführbar sind.
Die Radionuklidmetrologie ergänzt diese Arbeit durch Messungen zum Erhalt besserer Zerfallsdaten von spaltbaren Materialien und Spaltprodukten. Daneben werden präzise experimentelle Daten zur Validierung von Theorien und Modellen benötigt, auf denen Strahlenschutzverordnungen beruhen.
3.1.5. Medizinische Anwendungen aus der kerntechnischen Forschung
Aus den kerntechnischen Anlagen der GFS und ihrem Fachwissen sind mehrere medizinische Anwendungen hervorgegangen. Sie sind entstanden bei Forschungsarbeiten zur Herstellung neuer Isotope, der Entwicklung klinischer Referenzmaterialien und der Unterstützung neuer Krebstherapien. Die GFS ist bestrebt, diese neuen Anwendungen für den Einsatz in Kliniken und in der pharmazeutischen Industrie verfügbar zu machen.
3.1.6. Messung der Radioaktivität in der Umwelt
Die GFS setzt ihr Knowhow in der Spurenanalyse zur Ermittlung radioaktiver Ableitungen und Emissionen aus kerntechnischen Anlagen ein. Die Arbeit umfasst auch Studien zur Speziation, zu Migrationsmustern in der Biosphäre und zur Radiotoxizität von Aktiniden. Die GFS wird im Hinblick auf die neuen Grenzwerte für Radionuklide in Lebensmittelzutaten Analysetechniken entwickeln und entsprechende Referenzmaterialien herstellen. In Zusammenarbeit mit den Überwachungslabors der Mitgliedstaaten werden Laborvergleiche organisiert, um die Vergleichbarkeit der registrierten Überwachungsdaten zu bewerten und die Harmonisierung der Systeme zur Messung von Radioaktivität zu fördern.
3.1.7. Wissensmanagement, Aus- und Fortbildung
Es ist wichtig, dass die neuen Generationen von Forschern und Technikern im Nuklearbereich den Wissensstand der kerntechnischen Forschung durch die in der Vergangenheit durchgeführten Experimente und gewonnenen Ergebnisse, Interpretationen und Fähigkeiten aufrechterhalten und ausbauen. Dies gilt insbesondere für die Gebiete, auf denen die drei Jahrzehnte überspannende Erfahrung in der Analyse von Reaktorleistung und -sicherheit sich in komplexen analytischen Instrumenten wie Modellen und Computercodes konzentriert niedergeschlagen hat. Der GFS wird einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Wissen rasch verfügbar, in zweckmäßiger Weise organisiert und gut dokumentiert ist; daneben wird sie Maßnahmen im Rahmen der Hochschulausbildung in Europa unterstützen. Ferner wird die GFS dazu beitragen, bessere Kommunikation über kerntechnische Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der öffentlichen Akzeptanz, und Strategien zur allgemeinen Sensibilisierung für Energiefragen zu entwickeln.
3.2. Kerntechnische Sicherheit
3.2.1. Kernreaktorsicherheit
Um das Sicherheitsniveau von Kernkraftwerken sowohl westlicher als auch russischer Bauart zu verbessern, müssen fortgeschrittene und ausgefeiltere Methoden der Sicherheitsbewertung sowie entsprechende analytische Instrumente ausgebaut und validiert werden. Die GFS wird gezielte experimentelle Untersuchungen durchführen, um die Validierung und Verifizierung von Sicherheitsbewertungsinstrumenten zu ermöglichen und das Verständnis der zu Grunde liegenden physikalischen Phänomene und Prozesse zu vertiefen. Sie ist in die internationalen Anstrengungen zur Steigerung der Kernreaktorsicherheit umfassend einbezogen.
3.2.2. Brennstofsicherheit in Leistungsreaktoren in der EU
Die Brennstoffsicherheit konzentriert sich auf die Verhütung sowie auf die Begrenzung der Folgen hypothetischer Unfälle. Die beiden Hauptaspekte dieses Forschungsbereichs betreffen die mechanische Integrität der Brennelemente während der Reaktorlebenszeit und das Brennstoffverhalten in Übergangszuständen sowie bei schweren Reaktorunfällen bis zur Kernschmelze.
Dabei ist die GFS an der laufenden Strategie zur Brennstoffentwicklung beteiligt, die darauf ausgerichtet ist, höhere Brennstoffsicherheit zu erreichen und die zivilen und militärischen Plutoniumbestände zu verringern. Die GFS wird Brennstoffverhalten und -eigenschaften im Hochflussreaktor testen. Ferner werden Messungen leistungsrelevanter Eigenschaften durchgeführt.
3.2.3. Sicherer Betrieb fortgeschrittener Kernenergiesysteme
Weltweit werden in offener Forschung neue Reaktorstrategien untersucht, z.B. im Rahmen des Szenariums der vierten Reaktorgeneration, das auf eine umfassende Bewertung unter Einbeziehung von Anliegen der Öffentlichkeit (z.B. verbesserte Sicherheit), geringeres Abfallaufkommen und bessere Nonproliferationsvorkehrungen ausgerichtet ist.
Es ist für die GFS von zentraler Bedeutung, in diesen weltweiten Anstrengungen, an denen die wichtigsten Forschungsorganisationen beteiligt sind, unmittelbar und durch die Koordinierung der europäischen Beiträge eine Rolle zu spielen. Dies schließt in erster Linie die Aspekte der kerntechnischen Sicherheit und der Sicherheitsüberwachung in innovativen Kernbrennstoffzyklen und insbesondere die Charakterisierung, Erprobung und Analyse neuer Brennstoffe ein. Die GFS wird sich mit der Entwicklung von Sicherheits- und Qualitätszielen, Sicherheitsanforderungen und fortgeschrittenen Evaluierungsmethoden für Reaktoren befassen. Die entsprechenden Informationen werden systematisch an die betreffenden Behörden der Mitgliedstaaten und die Kommissionsdienststellen weitergeleitet, insbesondere durch regelmäßige Koordinierungssitzungen.
3.3. Sicherheitsüberwachung
3.3.1. Sicherungsmaßnahmen im Nuklearbereich
Die Tätigkeiten der GFS in diesem Bereich bestehen in technischer Unterstützung der Kommissionsdienststellen gemäß dem Euratom-Vertrag sowie der Internationalen Atomenergie-Organisation im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrags. Angestrebt wird die Verwirklichung stärkerer Automatisierung und besserer Werkzeuge zur Informationsanalyse, um sowohl die Arbeitslast der Inspektoren als auch den Aufwand für die kerntechnische Industrie zu reduzieren.
Trotz der über 30-jährigen Erfahrung der GFS bei der Unterstützung des Euratom-Vertrags und des Nichtverbreitungsvertrags sind zur Umsetzung der sich fortentwickelnden Sicherheitsüberwachungspolitik technische Innovationen und Verbesserungen weiterhin notwendig. Während sich die Tätigkeiten der GFS ebenfalls entwickeln, um mit den neuen Zielen Schritt zu halten, betreffen sie auch künftig Technologien zur Überprüfung, Ermittlung, Begrenzung und Eindämmung, Überwachung, Messmethoden für Kernmaterialien, die Erzeugung nuklearer Referenzmaterialien und das Angebot von Ausbildungsmaßnahmen, insbesondere für Inspektoren der IAEO und der Kommission.
3.3.2. Zusatzprotokoll
Das Zusatzprotokoll soll nicht deklarierte kerntechnische Tätigkeiten unterbinden. Seine Umsetzung erfordert eine Reihe anderer Techniken als jene, die bei der Überprüfung der Buchführung über Kernmaterialien zum Einsatz kommen. Es setzt eine umfassende Beschreibung der kerntechnischen Tätigkeiten eines Landes, ausführlichere Erklärungen zu den Standorten und vielfältigere Inspektionsanforderungen voraus. Dies kann Fernüberwachung und die Analyse von Umweltpartikeln als Instrument zur Ermittlung nicht deklarierter kerntechnischer Tätigkeiten umfassen.
Die GFS erstrebt den Übergang zur Echtzeit-Verfolgung von Kernmaterialtransfers und integrierter Informationsanalyse. Sie wird insbesondere an der Weiterentwicklung und Validierung von Instrumenten zur Informationsanalyse und einer systemanalysegestützten Methodik arbeiten.
3.3.3. Erfassung von Informationen zur nuklearen Nonproliferation aus öffentlich zugänglichen Quellen
Zur Unterstützung der Kommissionsdienststellen und im Rahmen der Zusammenarbeit mit der IAEO und den Behörden der Mitgliedstaaten wird die GFS weiterhin systematisch aus unterschiedlichen Quellen (Internet, Fachliteratur, Datenbanken) Informationen zu Aspekten der Nichtverbreitung erfassen und analysieren (nach Möglichkeit unter Einbeziehung von nichtnuklearen Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen). Diese Informationen dienen zur Erstellung von Länderberichten, in denen die Entwicklung der kerntechnischen Tätigkeiten sowie der Ein- und/oder Ausfuhr von nuklearen und Dual-Use-Ausrüstungen und -Technologien in bestimmten Ländern genau verfolgt wird. Die Informationen aus diesen öffentlich zugänglichen Quellen werden durch Satellitenbilder untermauert. Zur Unterstützung dieser Arbeit wird die GFS die mehrsprachige Internet-Recherche, Wissensmanagement und Datenschürftechnologien weiterentwickeln.
3.3.4. Bekämpfung des illegalen Kernmaterialhandels und nuklearforensische Analyse
Die Ermittlung und Identifizierung rechtswidrig transportierten oder gelagerten Kernmaterials ist eine der Säulen der Bekämpfung des illegalen Kernmaterialhandels. Die nuklearforensische Forschung gibt Hinweise auf den Ursprung sichergestellten Materials. Die Erstellung geeigneter Reaktionspläne für das Vorgehen nach der Entdeckung von Materialien bleibt eine wesentliche Frage. Die GFS wird auf dem Gebiet der Nuklearforensik und des illegalen Kernmaterialhandels ihre Zusammenarbeit mit einzelstaatlichen Behörden und internationalen Organisationen (z.B. ITWG, IAEO) ausbauen.
Ethische Aspekte
Bei der Durchführung dieses spezifischen Programms und den damit verbundenen Forschungstätigkeiten müssen ethische Grundprinzipien beachtet werden. Hierzu gehören unter anderem die Prinzipien, auf die sich die Charta der Grundrechte der Europäischen Union stützt, wie der Schutz der menschlichen Würde und des menschlichen Lebens, der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre sowie der Tier- und Umweltschutz gemäß dem Gemeinschaftsrecht und den letzten Fassungen der einschlägigen internationalen Übereinkommen, Leitlinien und Verhaltensregeln wie die Erklärung von Helsinki, das am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnete Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin und seine Zusatzprotokolle, die UN-Kinderrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO, das UN-Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen und von Toxinwaffen, der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft wie auch die einschlägigen Entschließungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Zu berücksichtigen sind ferner die Stellungnahmen der Europäischen Sachverständigengruppe für Ethik in der Biotechnologie (1991-1997) sowie der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (ab 1998).
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und angesichts der Vielfalt der Ansätze in Europa müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten geltende Rechtsvorschriften, Regelungen und ethische Regeln der Länder, in denen die Forschung durchgeführt wird, einhalten. Es gelten in jedem Fall die einzelstaatlichen Bestimmungen, so dass Forschungsarbeiten, die in einem Mitgliedstaat oder einem anderen Land verboten sind, von der Gemeinschaft in diesem Mitgliedstaat bzw. Land nicht finanziell unterstützt werden.
Gegebenenfalls müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten vor der Aufnahme von FTE-Tätigkeiten Genehmigungen der zuständigen nationalen oder lokalen Ethikausschüsse einholen. Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen oder solchen, bei denen ethische Aspekte nicht ausreichend gewürdigt wurden, führt die Kommission systematisch eine Ethikprüfung durch. In Einzelfällen kann eine Ethikprüfung auch während der Durchführung des Projekts vorgenommen werden.
Das Protokoll zum Vertrag von Amsterdam über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere bestimmt, dass die Gemeinschaft bei der Formulierung und Durchführung der Gemeinschaftspolitiken einschließlich der Forschung den Erfordernissen des Wohlergehens von Tieren vollumfänglich Rechnung trägt. Die Richtlinie des Rates 86/609/EWG über den Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere bestimmt, dass alle Versuche so konzipiert sind, dass Ängste, unnötige Schmerzen und Leiden der Versuchstiere vermieden werden, die Zahl der verwendeten Tiere auf ein Minimum beschränkt bleibt, Tiere mit der geringsten sinnesphysiologischen Entwicklung verwendet werden und Schmerzen, Leiden, Ängste und dauerhafte Schäden auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Die Veränderung des genetischen Erbguts von Tieren und das Klonen von Tieren können nur in Erwägung gezogen werden, wenn die Ziele aus ethischer Sicht gerechtfertigt, das Wohlbefinden der Tiere gewährleistet und die Prinzipien der genetischen Vielfalt gewahrt sind.
Während der Durchführung dieses Programms werden wissenschaftliche Fortschritte, einzelstaatliche und internationale Bestimmungen von der Kommission regelmäßig überwacht, damit sämtliche Entwicklungen berücksichtigt werden können.
1 KOM (2005) 119.
2 KOM (2005) 118.
3 SEK(2005) 430.
4 KOM (2005) 387.
5 Gemäß Artikel 54 Absatz 2 Buchstabe a der Haushaltsordnung (EG, Euratom) kann die Kommission Exekutivagenturen hoheitliche Aufgaben übertragen. Die Verordnung (EG) Nr. 058/2003 des Rates zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen, die mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt werden, und die Verordnung (EG) Nr. 1653/2004 der Kommission betreffend die Standardhaushaltsordnung für Exekutivagenturen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 058/2003 sind jedoch EG-Verordnungen, die für Euratom nicht gelten. Die Kommission beabsichtigt, den Rat um eine Erweiterung des Geltungsbereichs dieser Verordnungen auf den Euratom-Vertrag zu bitten.
6 s. Begründung des überarbeiteten Vorschlags der Kommission für ein "Nuklearpaket" - KOM (2004) 526 vom 8.9.2004.
7 ABl. C ..., ..., S. ....
8 ABl. C ..., ..., S. ....
9 ABl. C ..., ..., S. ....
10 ABl. L 312 vom 23.12.1995, S. l.
11 ABl. L 292 vom 15.11.1996, S. 2.
12 ABl. L 136 vom 31.05.1999, S. l.