COM (2018) 353 final; Ratsdok. 9355/18
Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Verordnungsvorschlag zur Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen als ein Element zur Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums, der vom Bundesrat unterstützt wird (vergleiche BR-Drucksache 067/18(B) ). Die Umsetzung des Verordnungsvorschlags kann einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung eines nachhaltigen europäischen Finanzraums und zum gemeinsamen Verständnis von Nachhaltigkeit in Europa leisten.
- 2. Er sieht es als wichtig an, Finanzflüsse in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu lenken. Das Finanzwesen kann dadurch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Klima- und Nachhaltigkeitsagenda der EU leisten. Insgesamt ergeben sich neue Anlageperspektiven und Möglichkeiten der Mittelbeschaffung.
- 3. Der Bundesrat unterstützt die vorgeschlagene Einführung eines einheitlichen EU-Klassifizierungssystems (Taxonomie), um die notwendige Transparenz für nachhaltige Investitionen zu erlangen und sogenanntes Greenwashing zu verhindern. Die vorgeschlagene Vereinheitlichung der Definition/des Konzeptes von ökologisch nachhaltigen Investitionen dürfte die nachhaltige Kapitalanlage - auch von ausländischen Marktteilnehmern - erleichtern und unterstützen. Die Regelungen für eine gemeinsame Nachhaltigkeitstaxonomie sollen dabei wie vorgeschlagen die Ansichten der verschiedenen Interessenträger und die Ergebnisse der Gespräche mit Finanzinstituten berücksichtigen und dabei auch ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behalten.
- 4. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass eine künftige EU-Norm für "grüne" Anleihen, sogenannte Green Bonds, auf der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie aufbauen soll. Anlegerinnen und Anleger haben hierbei die Erwartung, dass die Emissionserlöse durch den Emittenten für die Finanzierung von Klima- und Umweltschutzprojekten eingesetzt werden. In diesem Bereich existieren vielversprechende, auf Freiwilligkeit basierende Initiativen. Gesetzliche Pflichten, wie die aufgenommenen Mittel verwendet werden müssen, gibt es derzeit nicht. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass es besonders in diesem Anlagesegment leicht nachvollziehbarer und überprüfbarer Ausschlusskriterien bedarf. Ein hierauf basierendes Kennzeichnungssystem würde für Investoren Klarheit schaffen und "Greenwashing" verhindern.
- 5. Der Bundesrat befürwortet, dass perspektivisch nicht nur die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit betrachtet werden, sondern auch soziale Aspekte einbezogen werden, da Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinne verstanden werden sollte. Eine EU-Taxonomie sollte daher mittelfristig auch soziale Nachhaltigkeitsziele abdecken.
- 6. In ihrem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom 8. März 2018 (BR-Drucksache 067/18 (PDF) ) kündigte die Kommission eine Prüfung an, ob Erleichterungen bei den Eigenkapitalanforderungen für Banken und Versicherungen vorgesehen werden könnten ("green supporting factor"). Ein solcher unterstützender Faktor müsste parallel zur Entwicklung der EU-Taxonomie schrittweise eingeführt werden. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vorschlag erneut darum, sich dafür einzusetzen, dass auch für nachhaltige Finanzierungen die Eigenkapitalanforderungen nur dann erleichtert werden dürfen, wenn auch das Risiko tatsächlich gering ist. Dies betonte der Bundesrat bereits ausführlich in seiner Stellungnahme vom 27. April 2018 (BR-Drucksache 067/18(B) ).
- 7. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ihren Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (vergleiche BR-Drucksache 067/18 (PDF) ) zeitnah mit einem Vorschlag für eine Taxonomie zur Bestimmung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten umsetzt. Eine derartige Taxonomie ist das unverzichtbare Fundament für ein nachhaltiges Finanzwesen, dem weitere Schritte im Sinne der ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) folgen können. Sie schafft mit einer einheitlichen Bestimmung des Begriffs der "ökologischen Nachhaltigkeit" Transparenz und damit Vertrauen der Märkte in nachhaltige Finanzierungen. Dies ist notwendig, um das erstrebte Ziel, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten - auch grenzüberschreitend - zu fördern, zu erreichen.
- 8. Er begrüßt ferner den partnerschaftlichen Ansatz der Einrichtung einer "Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen". Auch hier sollte ein hinreichender mitgliedstaatlicher Einfluss sichergestellt werden. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass zum einen neben Vertretern europäischer Behörden auch mitgliedstaatliche Vertreter diesem Gremium angehören. Zum anderen sollte Artikel 15 des Verordnungsvorschlags so spezifiziert werden, dass eine ausgewogene Besetzung der Plattform mit Sachverständigen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten sichergestellt ist. Hierbei sollten Experten für realwirtschaftliche Prozesse und von Stellen mit besonderer Expertise im Bereich "Nachhaltiges Finanzwesen" einbezogen werden.
- 9. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Verordnungsvorschlag im Ergebnis zu einem Binärsystem führt: Eine Wirtschaftstätigkeit ist nachhaltig oder eben nicht. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die ökologische Nachhaltigkeit - unter Beibehaltung der strengen Voraussetzungen des Artikels 3 Buchstabe a bis d des Verordnungsvorschlags - spezifiziert nach den einzelnen Umweltzielen und mit einer graduellen Unterscheidung definiert wird. Dies kann die wichtige Transparenz für die Märkte weiter erhöhen, indem eine sachgerechte Einschätzung über die konkrete Zielrichtung und das Maß der Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit ermöglicht wird. Zudem kann eine solche Differenzierung ungerechtfertigten Eingriffen in andere Politikbereiche der Mitgliedstaaten entgegenwirken.
- 10. Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass nach Inkrafttreten der Verordnung deren Wirkungen evaluiert werden und Finanzmarktteilnehmer in die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für nachhaltige Investitionen eingebunden werden.
- 11. Der Bundesrat kritisiert die zahlreichen Ermächtigungen für delegierte Rechtsakte in den Artikeln 4, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 des Verordnungsvorschlags. Der Verordnungsgeber sollte alle relevanten Rechtsfragen in der Verordnung regeln und nicht a priori wesentliche Teile der Rechtsetzung auf die Kommission verlagern.
Nach dem vorliegenden Vorschlag soll die Taxonomie im Rahmen delegierter Rechtsakte entwickelt werden (Artikel 16 des Verordnungsvorschlags). Auf diese Weise soll nach und nach ein Schema entstehen, das darüber entscheidet, welche Tätigkeiten als nachhaltig gelten. Zum einen gilt es hier, die primärrechtlich vorgegebene Beschränkung delegierter Rechtsakte auf nicht wesentliche Vorschriften zu beachten (Artikel 290 Absatz 1 AEUV). Zum anderen darf die Regelungstechnik nicht zu einem faktischen Ausschluss mitgliedstaatlicher Einflussmöglichkeiten führen. Denn gerade die konkrete Bestimmung des Begriffs der "ökologischen Nachhaltigkeit" weist erhebliche Schnittmengen mit sensiblen Politikbereichen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf - zum Beispiel die Frage des Ausstiegs aus der Nutzung von Atomkraft in der Energiepolitik.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, auf Änderungen der Vorlage hinzuwirken, die sicherstellen, dass alle wesentlichen Entscheidungen auf Level-1 getroffen werden. Abgesehen davon bedarf es Ermächtigungen zu Level-2-Regelungen, um die Taxonomie angesichts künftiger technischer Entwicklungen, wie wissenschaftlicher Erkenntnisse, ausreichend flexibel zu gestalten. Bei diesen nachgeordneten Rechtsetzungsakten sollte - im Hinblick auf Grundsatzfragen mitgliedstaatlicher Politikbereiche - auf ein Verfahren hingewirkt werden, das einen deutlich stärkeren mitgliedstaatlichen Einfluss vorsieht, etwa in Richtung von Durchführungsrechtsakten, die entsprechend auszugestalten sind.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich insoweit um eine entsprechende Änderung des Verordnungsvorschlags einzusetzen.
- 12. Er bittet die Bundesregierung außerdem, im weiteren Beratungsverfahren auf eine textliche Klarstellung in Bezug auf den Begriff "wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz" in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags hinzuwirken. Hierfür sollten vorrangig solche Wirtschaftstätigkeiten angerechnet werden, die dazu beitragen Treibhausgase zu vermeiden oder zu verringern, indem sie den Einsatz von fossilen Energieträgern vermeiden oder verringern und damit zu einer Energiewende beitragen. Die verstärkte Nutzung von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sollte deshalb nicht uneingeschränkt und nicht für sich selbst genommen als ökologisch nachhaltige Investition geltend gemacht werden können, da diese Technologie die fossile Energienutzung nicht reduziert. Des Weiteren bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der langfristigen sicheren Speicherung von abgeschiedenem Kohlenstoff und möglichen nachteiligen Umweltfolgen. Die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sollte deshalb nur als ökologisch nachhaltige Investition anerkannt werden, wenn sie in Verbindung mit weiteren Wirtschaftstätigkeiten auftritt, die einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des Einsatzes von fossilen Energieträgern bewirken.
- 13. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.