Antrag des Landes Schleswig-Holstein
Entschließung des Bundesrates - Neuregelung des Elternunterhaltes bei Pflegebedürftigkeit

Schleswig-Holstein Kiel, 26. März 2019
Der Chef der Staatskanzlei

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates - Neuregelung des Elternunterhaltes bei Pflegebedürftigkeit zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 976. Sitzung am 12. April 2019 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dirk Schrödter

Entschließung des Bundesrates - Neuregelung des Elternunterhaltes bei Pflegebedürftigkeit

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuches mit dem Ziel zu initiieren, dass auch bei Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel entsprechend der Regelungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern erst ab einem jährlichen Gesamteinkommen pro Kind in Höhe von mehr als 100.000 Euro berücksichtigt werden.

Begründung:

Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland ist eine menschenwürdige Pflege für Pflegebedürftige und für Pflegende flächendeckend sicherzustellen und die finanzielle Belastung einer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu verteilen. Die Pflege der eigenen Eltern oder naher Angehöriger darf nicht zu einem untragbaren finanziellen Risiko oder sogar zu einem Armutsrisiko von Familien führen.

Die Pflegeversicherung ist keine Vollkaskoversicherung, d.h., zusammen mit den Einkünften der Pflegebedürftigen werden die Kosten einer Heimunterbringung oftmals nicht vollumfänglich gedeckt. In der Folge muss beim Sozialamt ein Antrag auf Hilfe zur Pflege gestellt werden, welche nach dem sogenannten Nachranggrundsatz aber nur gewährt wird, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, den Bedarf zu decken. In einem ersten Schritt werden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten geprüft; sofern nicht sämtliche Kosten gedeckt werden können, werden die Kinder von pflegebedürftigen Eltern im Rahmen einer Unterhaltsüberprüfung zur Deckung der Heimkosten herangezogen. Das Nachrangprinzip oder der Grundgedanke der familiären Einstands- und Unterhaltspflicht soll nicht aufgegeben werden, denn die zivilrechtliche Unterhaltspflicht von erwachsenden Kindern gegenüber ihren Angehörigen ist Wesensmerkmal der Gesellschaft wie die subsidiär steuerfinanzierte Sozialleistung im Sozialrecht.

Zugleich besteht aber das Problem, dass Pflegebedürftige aus Sorge, ihrer Familie zu Last zu fallen, vor einer Beantragung von Leistungen gegenüber dem Sozialamt absehen. Vor diesem Hintergrund befürchten die Betroffenen durch eine mögliche Zahlungspflicht oftmals Einbußen beim eigenen Lebensstandard; oder die Prüfung durch das Sozialamt führt zu Streitigkeiten zwischen den Eltern und Kindern. Der Gang zum Sozialamt ist für viele Familien nach wie vor mit Scham besetzt und die Offenbarung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, insbesondere die der Kinder, mit Unverständnis belegt.

Der Grundgedanke der familiären Einstands- und Unterhaltspflicht soll nicht gänzlich aufgegeben werden. Vielmehr soll durch den Entschließungsantrag das richtige Maß zwischen Verantwortung und Entlastung bestimmt werden. Vor diesem Hintergrund sind Familien bis zu einem mittleren Einkommen zu schützen und unterhaltspflichtige Kinder überhaupt erst heranzuziehen, wenn ihre Jahreseinkommen 100.000 Euro übersteigen.

Eine entsprechende Regelung reduziert darüber hinaus Verwaltungsaufwand, denn die Ermittlung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kinder ist in vielen Fällen sehr aufwändig und oftmals streitbefangen.

Der Bundesrat ist zudem der Auffassung, dass die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Pflege auch eine faire Lösung für zusätzliche Finanzbedarfe von Ländern und Kommunen wegen steigender Sozialhilfeausgaben zu berücksichtigen hat und eine Regelung für einen angemessenen Lastenausgleich zu treffen ist.