Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 120741 - vom 29. November 2006. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 25. Oktober 2006 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Ziele, die Demokratie und die politischen Freiheiten in der Russischen Föderation zu konsolidieren, wie sie im am 1. Dezember 1997 in Kraft getretenen Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit EU-Russland festgeschrieben sind, und des im Jahr 2006 vorgesehenen Beginns der Verhandlungen über ein neues Abkommen,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und Erklärungen zur Pressefreiheit und Redefreiheit in Russland und insbesondere die Entschließung vom 26. Mai 2005 zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland1,
- - unter Hinweis auf die Verpflichtungen der Russischen Föderation in Bezug auf die Menschenrechte, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Russland derzeit den Vorsitz im Ministerausschuss des Europarates innehat,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die russische Journalistin Anna Politkowskaja im Fahrstuhl ihres Wohnhauses am Sonnabend, dem 7. Oktober 2006, in einer Weise erschossen wurde, die auf einen Auftragsmord schließen lässt,
B. in der Erwägung, dass Anna Politkowskaja zahlreiche Artikel und mehrere Bücher zur Situation der Menschenrechte in Russland und speziell in Tschetschenien sowie im Nordkaukasus veröffentlicht hat,
C. in der Erwägung, das Anna Politkowskaja auch eine ausgewiesene Verfechterin der Menschenrechte in Russland gewesen ist und den Opfern von Menschenrechtsverletzungen speziell in Tschetschenien wirksam geholfen hat,
D. in der Erwägung, dass dieser Mord dem an Andrej Kozlow, dem stellvertretenden Vorsitzenden der russischen Zentralbank, folgte, der versucht hatte, das russische Bankensystem zu reformieren; in der Erwägung, dass auch der Verwaltungschef der Nachrichtenagentur Itar-Tass, Anatoli Woronin, am 16. Oktober 2006 in seiner Wohnung getötet wurde,
E. in der Erwägung, dass die Ermordung politischer Gegner zu einem beunruhigenden Phänomen im politischen Leben Russlands geworden ist,
F. in der Erwägung, dass Russland laut der Organisation Reporter ohne Grenzen und dem Komitee zum Schutz von Journalisten mit an der Spitze der Länder steht, in denen Journalisten ermordet wurden,
G. in der Erwägung, dass die Untersuchungen dieser Morde unzureichend gewesen sind und in den meisten Fällen die Mörder nie ermittelt wurden,
H. in der Erwägung, dass sowohl international als auch in Russland selbst öffentliche Besorgnis bezüglich der zunehmenden Einschränkung von Presse- und Redefreiheit geäußert wurde,
I. in der Erwägung, dass die Freiheit der Medien, ein wirksamer Schutz von unabhängigen Journalisten und eine umfassende Unterstützung der Tätigkeit von Menschenrechtsorganisationen ein wesentliches Element der demokratischen Entwicklung in einem Land sind,
- 1. zollt der Arbeit und den Verdiensten von Anna Politkowskaja Respekt, einer hoch anerkannten Enthüllungsjournalistin, die bekannt ist als das Symbol des ehrlichen Journalismus in Russland, die zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Olof Palme-Preis, erhalten hat und die sich mutig dafür eingesetzt hat, Menschenleben und Menschenwürde zu verteidigen und verschiedene Formen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit insbesondere in Tschetschenien aufgedeckt sowie objektiv darüber berichtet hat;
- 2. bekundet sein aufrichtiges Beileid mit der Familie von Anna Politkowskaja, mit ihren Freunden und Journalistenkollegen sowie der Menschenrechtsbewegung;
- 3. verurteilt die Ermordung von Anna Politkowskaja auf das Schärfste und fordert die russischen Behörden auf, eine unabhängige und wirksame Untersuchung durchzuführen, um die Verantwortlichen für dieses feige Verbrechen ausfindig zu machen und zu bestrafen; fordert die Europäische Union und den Europarat auf, diese Untersuchungen sehr genau zu überwachen;
- 4. äußert seine tiefe Sorge über die zunehmende Einschüchterung, Schikanierung und Ermordung unabhängiger Journalisten und anderer der derzeitigen Regierung kritisch gegenüberstehender Personen und erinnert die russische Regierung daran, dass eine Fortsetzung dieser Tendenz sich negativ auf das allgemeine Ansehen Russlands auswirken wird;
- 5. fordert die russischen Behörden auf, aktiv gegen die Einschüchterung unabhängiger Journalisten und Menschenrechtsaktivisten zu kämpfen und unabhängige Journalisten, die schwere Fälle von Ungerechtigkeit in ihrem Land aufdecken, sowie Menschenrechtsorganisationen und deren Vertreter, die die Opfer von Menschenrechtsverletzungen verteidigen, umfassend zu schützen;
- 6. fordert die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, in den Verhandlungen über ein neues Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation prinzipiell und zuverlässig auf der Gewährleistung von Pressefreiheit und der Anerkennung eines unabhängigen Journalismus gemäß den europäischen Normen zu bestehen;
- 7. fordert in diesem Zusammenhang den Rat auf, die künftigen Beziehungen mit der Russischen Föderation grundlegend zu überdenken und das Thema mit dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft zu erörtern, um Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu Kernpunkten jedes künftigen Übereinkommens zu machen und einen eindeutigen Mechanismus zur Beobachtung der Umsetzung aller Bestimmungen eines solchen Übereinkommens festzulegen;
- 8. fordert, den Dialog zwischen der Europäischen Union und Russland zu Menschenrechtsfragen zu intensivieren, um diesen wirksamer und ergebnisorientierter unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments auf allen Ebenen zu gestalten, damit diese Komponente in dem neuen Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit, das demnächst ausgehandelt werden soll, gestärkt wird;
- 9. ist der Auffassung, dass alle demokratischen Institutionen, einschließlich des Europäischen Parlaments, ihrer moralischen Verpflichtung gerecht werden müssen, solche Verbrechen unverzüglich zu verurteilen, indem sie ihre Entschlossenheit zeigen, Menschenrechte unabhängig von politischen Umständen zu verteidigen;
- 10. äußert seine tiefe Sorge darüber, dass nach dem Erlass der neuen Rechtsvorschriften über die Organisationen der Zivilgesellschaft mehr als 90 nicht staatliche Organisationen gezwungen waren, ihre Tätigkeit in Russland zu beenden; fordert die russischen Behörden auf, die Anmeldungsverfahren zu beschleunigen und zwischenzeitlich den Organisationen zu gestatten, ihre Aktivitäten fortzusetzen bis ihre Anträge korrekt bearbeitet und in das Register aufgenommen sind; fordert die russische Regierung auf, die Ungenauigkeit der Bestimmungen des neuen Gesetzes nicht als Vorwand zu nutzen, um die kritischen Stimmen der Zivilgesellschaft zum Verstummen zu bringen;
- 11. ist sich bewusst, dass der einzige Weg zur wirklichen Ehrung von Anna Politkowkajas engagiertem Einsatz für Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde darin besteht, gemeinsame Bemühungen zu unternehmen, um den Traum von Anna Politkowskaja von einem demokratischen Russland, das voll die Rechte und Freiheiten seiner Bürger anerkennt, zu verwirklichen;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation und dem Europarat zu übermitteln.
1 ABl. C 117 E vom 18.5.2006, S. 235.