Der Bundesrat hat in seiner 940. Sitzung am 18. Dezember 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Mitteilung allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung grundsätzliche Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung der Handelspolitik der EU vorstellt.
Die weiterhin zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft, der globale Wettbewerb der Standorte und Regionen und die damit verbundene Gefahr eines Wettlaufs sozialer und ökologischer Standards nach unten sowie die noch immer unzureichende Perspektive weniger entwickelter Staaten und Gesellschaften machen einen Ordnungsrahmen für eine neue Welthandelspolitik nötig. Technologischer Wandel und Digitalisierung, globale Wertschöpfungsketten und Lieferketten sowie grenzüberschreitende Arbeitsmigration s i.d.R. alität und prägen das Handeln von Gesellschaft und Unternehmen. Die europäische Handelspolitik muss sich in den Dienst der Verwirklichung einer fairen Welthandelsordnung stellen, die allen Menschen nutzt. Die EU hat sich dabei zu den Prinzipien zu bekennen, von denen sie sich auch im Inneren leiten lässt. Sie muss ihr politisches und wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale legen, damit das multilaterale System der Welthandelsorganisation (WTO) revitalisiert und so eine faire Welthandelsordnung durch eine handlungsfähige institutionelle Struktur möglich und getragen wird. Die Handelspolitik der EU muss im Inneren dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger an den veränderten ökonomischen Realitäten teilhaben und von ihnen profitieren. Die Kommission muss sich der Herausforderung stellen, verlorengegangenes Vertrauen in die Ziele und Absichten der europäischen Handelspolitik durch eine Politik der Offenheit und des Dialoges wiederzugewinnen.
Der Bundesrat begrüßt es, dass die Kommission die anhaltende Debatte in den Gesellschaften Europas über die Handels- und Investitionspolitik aufgreift und mit der Mitteilung ihre Strategie weiterentwickelt und zur Diskussion stellt.
- 2. Er unterstützt grundsätzlich das Anliegen der Kommission, die Handels- und Investitionspolitik den aktuellen Herausforderungen anzupassen und auf eine wertebasierte und kohärente Grundlage zu stellen. Er begrüßt insbesondere das angekündigte Engagement der EU zur Neubelebung des multilateralen Handelssystems.
- 3. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission als einen wichtigen Beitrag für eine neue wertebasierte Handels- und Investitionspolitik zur Kenntnis. Er begrüßt die Zusage der Kommission, eine Politik zu verfolgen, die der Gesellschaft insgesamt zugutekommt und europäische und weltweite Standards und Werte in Kombination mit zentralen wirtschaftlichen Interessen fördert, indem sie nachhaltige Entwicklung, Menschenrechte, Kampf gegen Steuervermeidung, Verbraucherschutz und verantwortlichen, fairen Handel unterstützt. Dazu gehört zum einen, die Auswirkungen der Handelspolitik auf die Menschenrechte zu verbessern. Instrumente hierfür sind sowohl Folgenabschätzungen als auch Expost-Evaluierungen und in Fällen systemischer Korruption und schlechter Regierungsführung Konsultationsmechanismen. Zum anderen zählt hierzu das Engagement der EU für faire und ethisch begründete Handelssysteme, die unter anderem zur Entwicklung nachhaltigerer Handelsmöglichkeiten für kleine Produzenten in Drittländern beitragen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt weiterhin, dass die Kommission in ihrer Mitteilung Handelspolitik als ein wertebasiertes politisches Instrument definiert, welches eine nachhaltige Entwicklung, die Menschenrechte und verantwortungsvolles Regierungshandeln fördern kann. Er weist daher darauf hin, dass die dafür erforderlichen Regulierungen nicht in erster Linie als Handelshemmnis betrachtet werden sollten. Starke Finanz-, Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheitsoder Sozialstandards können negative gesellschaftliche Effekte der wirtschaftlichen Globalisierung korrigieren und die gesellschaftliche Akzeptanz der Globalisierung sichern. Er vertritt daher die Auffassung, dass hohe europäische Standards gewahrt bleiben sollen. Schutzniveaus, zum Beispiel für Verbraucherinnen und Verbraucher, Umwelt, Gesundheit und öffentliche Daseinsvorsorge, dürfen nicht zur Disposition stehen.
- 5. Er begrüßt die Ankündigung der Kommission, bei der Ausgestaltung der zukünftigen Handels- und Investitionspolitik Werte wie nachhaltige Entwicklung, Menschenrechte, fairen und ethischen Handel sowie die Bekämpfung der Korruption in den EU-Handelsabkommen und globalen Handelssystemen verankern zu wollen.
- 6. Ein grenzüberschreitender und offener Handel kann zur Sicherung und Verbesserung von Frieden und Wohlstand nur dann beitragen, wenn Regelungen und Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz, auch mit Blick auf eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung, bei dem Abschluss von Handelsabkommen gewahrt werden. Der Bundesrat bittet deswegen nachdrücklich darum, diese Aspekte bei allen weiteren Überlegungen zur Ausgestaltung eines Handels für alle zu berücksichtigen.
- 7. Er regt vor diesem Hintergrund an, über eine entsprechende Weiterentwicklung bereits bestehender multilateraler Organisationen, wie etwa der WTO, nachzudenken. Das von der Kommission angestrebte Ziel der Vereinheitlichung von Regulierungsstandards zur Stärkung von Skaleneffekten und globalen Wertschöpfungsketten könnte so mittel- bis langfristig wirksamer erreicht werden. Wichtig wäre dabei eine bessere Verzahnung mit anderen internationalen Organisationen wie etwa dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).
- 8. Der Bundesrat begrüßt die erklärte Absicht der Kommission, in ihrer Handelspolitik ihr Engagement für nachhaltige Entwicklung fortzusetzen, und stimmt mit ihr überein, dass Handelspolitik in Kombination mit Entwicklungszusammenarbeit ein starker Wachstumsmotor in Entwicklungsländern ist.
- 9. Er begrüßt die Auffassung der Kommission, dass die Handelspolitik auch zur Förderung der sozialen und umweltpolitischen Voraussetzungen einer nachhaltigen Entwicklung eingesetzt werden soll. Es ist daher wichtig, dass die Kommission die Auswirkungen der Handelspolitik nicht nur im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Handel bewertet. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit muss sichergestellt werden, dass auch die Auswirkungen auf Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz und Mindeststandards des Arbeitnehmerschutzes sowie originäre Länderverantwortung auch bei Handelsöffnung bewertet werden.
- 10. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission um Kohärenz der Politikfelder. Die europäische Handelspolitik kann nur dann nachhaltig wirken, wenn sie verzahnt wird mit den internen Politiken, der Außen-, Menschenrechts-, Nachhaltigkeits- und Entwicklungspolitik. Dabei ist die Unterstützung der in völkerrechtlich verbindlichen Abkommen sowie Vereinbarungen der Vereinten Nationen formulierten Ziele und Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte und Umweltschutz durch die Handelspolitik der EU von herausgehobener Bedeutung.
- 11. Er bekräftigt, dass die Rahmenbedingungen vor Ort in den Entwicklungsländern so gestaltet werden müssen, dass eine gerechte Partizipation am Handel mit der EU und anderen Handelspartnern möglich wird und die natürlichen Ressourcen geschont werden. Hinzu kommen sehr weitreichende Folgen des Klimawandels, die auch in den betroffenen Entwicklungsländern zu grundlegenden Veränderungen in der Wirtschaft, bei den natürlichen Ressourcen und damit auch bei der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handel führen.
- 12. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine nachhaltige Entwicklung der Staaten des globalen Südens im Sinne der Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen nur gelingen kann, wenn diese nicht durch einseitige Maßnahmen, wie zum Beispiel subventionierte Exporte, benachteiligt werden. Dazu ist es notwendig, Handels- und Entwicklungspolitik aufeinander abzustimmen und zu einer kohärenten Gesamtstrategie weiterzuentwickeln.
- 13. Er befürwortet das Anliegen der Kommission, durch Handel und Investitionen ein integratives Wachstum in Entwicklungsländern auszulösen (Nummer 4.2.1.). Dies sollte nicht allein durch die vorgeschlagene Förderung der Marktintegration dieser Länder geschehen. Angesichts oft fehlender Wettbewerbsfähigkeit lokaler Produkte mit Importen müssen für entwicklungspolitisch bedeutsame Sektoren wirksame Mechanismen etabliert werden, welche die Zerstörung von lokalen und regionalen Wertschöpfungsketten verhindern. Dies ist zum Beispiel im Bereich der Fleischexporte aus der EU nach Afrika notwendig, um eine verstärkte Entwicklung der lokalen Produktion und Verarbeitung zu ermöglichen.
- 14. Die Förderung und Etablierung nachhaltiger Wertschöpfungsketten ist die wirksamste Methode der Armutsbekämpfung. Nach Auffassung des Bundesrates sind das Konzept des Fairen Handels mit seinen Kriterien wie existenzsichernden Einkommen, langfristigen Partnerschaften und nachhaltiger Produktion sowie die Orientierung an den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ein wichtiges Element bei der Ausgestaltung europäischer Handelspolitik.
- 15. Der Bundesrat hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer Förderung des fairen und ethischen Handels auf europäischer Ebene hervor und begrüßt die Bezugnahme auf Fair-Handelsgrundsätze. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Berücksichtigung von Kleinproduzenten und der Austausch von Best-Practice-Initiativen tragen zu einer Stärkung fairer Handelskonzepte bei. Er begrüßt die angekündigte Schaffung eines Wettbewerbes "EU City for Fair and Ethical Trade" als Instrument des Austausches der europäischen Städte und der Anerkennung von Best-Practice-Initiativen und als Anreizsystem für ein verstärktes europaweites Engagement lokaler Gebietskörperschaften.
- 16. Der öffentliche Sektor kann mit seiner Markt- und Nachfragemacht einen bedeutenden Beitrag zur Etablierung von Transparenz und Mindeststandards entlang von Lieferketten leisten und damit zudem seiner Vorbildfunktion gegenüber der Öffentlichkeit gerecht werden. Der Bundesrat hält es daher für sinnvoll, nach dem Vorbild der Vergabepraxis einiger Länder auch auf Ebene der EU Möglichkeiten zu schaffen, verstärkt faire und ökologische Standards als Vergabekriterien im öffentlichen Beschaffungswesen zu berücksichtigen.
- 17. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft bei der Ausgestaltung der Grundsätze einer werteorientierten Handelsstrategie zusammenzuarbeiten. Dabei ist darauf zu achten, dass insbesondere den zivilgesellschaftlichen Akteuren genügend Raum und Gelegenheit zur Beteiligung gegeben wird und deren Beiträge angemessen berücksichtigt werden. Voraussetzung für einen konstruktiven Dialog ist umfassende Transparenz. Daher befürwortet er die Veröffentlichung von Verhandlungsmandaten, Texten und abgestimmten Passagen im Rahmen zukünftiger Verhandlungsrunden für Handelsabkommen.
- 18. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die sozialen Folgen von Marktöffnung auch in Folgenabschätzungen thematisiert werden müssen. Die Erträge der Globalisierung müssen aus seiner Sicht auf der Basis klarer Rahmenbedingungen genutzt werden. Die Rahmenbedingungen müssen so ausgestaltet werden, dass politisch, gesellschaftlich oder aus Effizienzgründen unerwünschte negative Auswirkungen der Globalisierung abgemildert bzw. verhindert werden.
- 19. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die europäische Handels- und Investitionspolitik noch stärker in den Dienst von Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen zu stellen. Sie ist damit Teil der Investitionsoffensive für Europa, zu der er in seinem Beschluss vom 6. Februar 2015 (BR-Drucksache 580/14(B) ) Stellung genommen hat.
- 20. Die Kommission ist aufgefordert, alle Möglichkeiten für ein verbessertes Handlungsumfeld für Unternehmen auszuschöpfen, welches diese zu einem verstärkten internationalen Engagement ermutigt. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), deren Eintritt in ausländische Märkte noch immer von größeren Schwierigkeiten geprägt ist. Fortschritte beim Bürokratieabbau, bei der unternehmensfreundlichen Ausgestaltung der Zollformalitäten, der Vereinfachung von Ursprungsregeln, Nachweis- und Zertifizierungspflichten und beim Zugang zu Informationen über ausländische Märkte erhöhen die Chancen für KMU, international erfolgreich zu sein. Dabei hebt der Bundesrat hervor, dass Erleichterungen nicht auf Kosten des Umweltschutzes, des Tierschutzes, des Verbraucherschutzes, des Datenschutzes und der Arbeitnehmerrechte gehen dürfen. Gleichzeitig ist er der Auffassung, dass die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte integraler Bestandteil sein müssen.
- 21. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass sich Handelsabkommen nicht auf den Abbau von Zollschranken und Handelshemmnissen beschränken dürfen, sondern einen ganzheitlichen Ansatz erfordern.
- 22. Er weist nachdrücklich darauf hin, dass die Kommission keine Zuständigkeit hat, Leistungen der Daseinsvorsorge, das heißt Leistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse, rechtsverbindlich zu definieren. Aus diesem Grund sind die von der Kommission benannten Dienstleistungen im Abschnitt "öffentliche Dienste" (Nummer 2.1.1.) ausschließlich beispielhaft und ohne jedweden Bindungscharakter für die Mitgliedstaaten.
- 23. Freihandelsabkommen, die globale Maßstäbe setzen sollen, müssen aus Sicht des Bundesrates auch im Bereich Arbeit und Soziales Maßstäbe setzen. Es bedarf der Berücksichtigung internationaler Übereinkünfte und Normen in den Bereichen Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie der Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der IAO und der Bereitschaft, diese zu respektieren, zu fördern und wirksam umzusetzen.
- 24. Der Bundesrat betont, dass es möglich bleiben muss, die Schutzniveaus bestehender EU-weiter und nationaler Regelungen zu Schutz- und Sicherheitsstandards, unter anderem im Arbeits-, Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Verbraucher- und Umweltschutz, zu wahren und weiter zu verbessern. Durch eine gegenseitige Anerkennung von Standards dürfen bestehende Schutzniveaus nicht unterlaufen werden. Er begrüßt daher die Zusage der Kommission, dass kein Handelsabkommen der EU zu einem niedrigeren Niveau beim Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz, beim sozialen Schutz oder beim Arbeitsschutz führen wird, als es derzeit in der EU existiert, und dass kein solches Abkommen die Fähigkeit der EU und der Mitgliedstaaten einschränken wird, künftig auf der Grundlage des Maßes an Schutz, das sie für angemessen halten, Maßnahmen zur Erreichung von Allgemeinwohlzielen zu ergreifen. Veränderungen aufgrund eines Handelsabkommens dürfen nur zu einem höheren Schutzniveau führen.
- 25. Der Bundesrat begrüßt die Chance, durch Handelsabkommen nicht nur im bilateralen Verhältnis jeweils höhere Standards vereinbaren zu können, sondern auch global Maßstäbe zu setzen, die den Weg weisen für einen fairen globalen Wettbewerb und hin zu einer verantwortungsbewussten werteorientierten Handelspolitik. Dazu gehören auch Standards, die im Rahmen internationaler Organisationen, wie zum Beispiel der IAO, vereinbart wurden.
- 26. Die schleppende wirtschaftliche Entwicklung führt zu Armut in großen Teilen der Bevölkerung und ist neben Bürgerkriegsereignissen eine Hauptursache für die aktuellen Fluchtbewegungen. Der Bundesrat vertritt daher die Auffassung, dass es im Interesse der Industriestaaten ist, Handelsabkommen so auszugestalten, dass diese nicht nur dem Wachstum der eigenen Volkwirtschaft dienen, sondern auch einen positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung in der südlichen Hemisphäre haben.
- 27. Er begrüßt gleichzeitig die Zusage der Kommission, dass Handelsabkommen keine Verpflichtung der Staaten zur Privatisierung von Dienstleistungen enthalten und einer Ausweitung des Spektrums der Dienstleistungen, die der Staat der Öffentlichkeit anbietet, nicht entgegenstehen werden. Der Bundesrat wird bei der entsprechenden Ratifizierung die Freihandelsabkommen besonders auch im Lichte dieser Zusicherungen prüfen.
- 28. Der Bundesrat stellt fest, dass im Rahmen der Investor-Staat-Streitbeilegung das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit oberste Priorität haben muss.
- 29. Er begrüßt die Anstrengungen der Kommission, Investitionsschutzabkommen als Teil von bi- und multilateralen Handelsabkommen einschließlich des Investitionsstreitbeilegungssystems grundsätzlich zu reformieren und bestehende Defizite auszuräumen. Der Bundesrat geht davon aus, dass sowohl die Kommission als auch die Bundesregierung diese Grundsätze nach und nach in allen ihren Abkommen verankern. Langfristig befürwortet er die Einrichtung eines dauerhaften, multilateral legitimierten und rechtstaatlichen internationalen Handelsgerichtshofes, der mit unabhängigen, staatlich finanzierten Berufsrichtern besetzt ist, über eine Berufungsinstanz verfügt und dem Prinzip der Öffentlichkeit unterliegt. Die Vorschläge zur Errichtung eines Handelsgerichtshofes, der sich aus unabhängigen Richtern zusammensetzt, öffentlich tagt und eine Berufungsmöglichkeit zulässt, werden daher grundsätzlich unterstützt.
- 30. Kernanliegen des Bundesrates an den Investitionsschutz ist es, dass er das Recht der Regierungen zur Gesetzgebung und zum Erlass von Regelungen im öffentlichen Interesse in keiner Weise beeinträchtigen darf.
- 31. Er geht davon aus, dass die in der Mitteilung beschriebene Ausrichtung der Handelspolitik der EU bereits in den laufenden Verhandlungen zu Handelsabkommen Beachtung findet.
- 32. Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission aufgrund der Debatte zu TTIP gezogene Schlussfolgerung, dass die EU-Handelspolitik eine Politik für alle ist, welche für Wachstum, Beschäftigung und Innovation sorgen und dabei verantwortungsbewusst sein muss. Dies muss bei jedem Verhandlungsmandat deutlich von allen Akteuren berücksichtigt werden.
- 33. Im Interesse einer erfolgreichen Umsetzung der Strategie und angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen der Kommission empfiehlt der Bundesrat, Schwerpunktsetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über Freihandelsabkommen vorzunehmen, die europäische Interessen und wirtschaftliche Potentiale berücksichtigen.
- 34. Er hält es weiterhin für erforderlich, größtmögliche Transparenz in den Verhandlungen herzustellen. Der Bundesrat befürwortet die von der Kommission beabsichtigte engere Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, den Mitgliedstaaten und ihren nationalen Parlamenten sowie der Zivilgesellschaft als einen wichtigen Schritt. Er begrüßt die Zusagen der Kommission, eine offenere Verhandlungsführung zur Regel für alle Verhandlungen werden zu lassen, das heißt
- - künftig gegenüber dem Rat für eine Veröffentlichung der Mandate einzutreten, - gegenüber Verhandlungspartnern auf einen transparenten Ansatz zu bestehen,
- - eigene Texte laufend online zu stellen sowie
- - nach Abschluss von Verhandlungen die Abkommen unverzüglich und noch vor Abschluss der rechtlichen Überprüfung zu veröffentlichen.
- 35. Er weist ferner auf die drohenden Wettbewerbsnachteile der deutschen und europäischen Land- und Ernährungswirtschaft hin, die mit einer Anerkennung niedrigerer Standards in diesen Bereichen verbunden wären, und betont die Notwendigkeit, im Sinne von Land- und Ernährungswirtschaft sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher sicherzustellen, dass im Zuge von Handelsliberalisierungen keine Dumpingentwicklung oder Absenkung der Standards für Importware einhergeht. Ergänzend dazu ist es notwendig, die geografischen Herkunftsangaben umfangreich zu schützen und die Einführung qualitätsbezogener Kennzeichnungssysteme (zum Beispiel für Tierschutz) zu ermöglichen und zu gewährleisten.
- 36. Der Bundesrat betont, dass die Sicherung des Zugangs der EU-Länder zu Energie und Rohstoffen (Nummer 2.1.6.) im Einklang mit den Zielen der Ernährungssicherung und der Gesundheitssicherung in Entwicklungsländern stehen muss. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Schutz von Kleinbauern gegen das sogenannte Landgrabbing wichtig.
- 37. Der Bundesrat unterstützt die Kommission in ihren Überlegungen, das multilaterale Handelssystem neu zu beleben. Unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrung stellt er fest, dass multilaterale Abkommen auf eine größere gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Der Bundesrat sieht dabei folgende Chancen, teils auch Notwendigkeiten:
- - Der Verhandlungsprozess im Rahmen der WTO sollte transparent sein und relevante Akteure der Zivilgesellschaft sollten darin von vorneherein eng eingebunden werden. - Die Weiterentwicklung des internationalen Systems zur Streitschlichtung.
- - Ein internationales Handelsregime muss beachten, dass politische Handlungsspielräume auf nationaler Ebene erhalten bleiben, damit den in demokratischen Staaten etablierten Institutionen nicht die Entscheidungsgrundlage entzogen wird.
- - Die Bereiche müssen klar definiert werden, in denen regionale Vielfalt Priorität hat und die daher von einer Vereinheitlichung des Handelsregimes auszunehmen sind: Dazu gehören insbesondere die kommunale Daseinsvorsorge bzw. die öffentlichen Dienstleistungen, der Kultursektor und das Sozialwesen.
- 38. Bi- und plurilaterale Freihandelsabkommen sollten in der Perspektive verhandelt werden, weiteren interessierten Staaten den Beitritt zu diesen Abkommen zu ermöglichen und damit gleichgerichteten Vereinbarungen auf der Ebene der WTO den Weg zu ebnen.
- 39. Der Bundesrat begrüßt, dass die EU eine Schlüsselrolle beim Voranbringen der Verhandlungen für ein Abkommen über den Handel mit Umweltschutzgütern (Environmental Goods Agreement, EGA) mit weiteren WTO-Mitgliedern spielen wird, dies mit dem Ziel, den Handel mit entscheidenden grünen Technologien, wie der Erzeugung von erneuerbarer Energie, der Abfallbewirtschaftung und der Luftreinhaltung, zu erleichtern.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 40. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.