854. Sitzung des Bundesrates am 13. Februar 2009
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat erkennt die Zielsetzung der Kommission an, mit der Neufassung der Richtlinie einen Beitrag zur Umsetzung der Ziele des "Aktionsplans für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch und für eine nachhaltige Industriepolitik" beizutragen.
- 2. Der Bundesrat nimmt den Richtlinienvorschlag insoweit zur Kenntnis, dass die vorgesehene Kennzeichnung von Produkten einen Beitrag leisten kann, den Endverbraucher bei seiner Produktwahl in Richtung energieeffiziente Geräte zu beeinflussen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass das System praktikabel und verständlich ausgestaltet wird.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass ein europäischer Toprunner-Ansatz auf der Basis der bestehenden Instrumente den Anbietern und Verbrauchern neue Anreize für den Einsatz energieeffizienter Geräte geben könnte.
Er begrüßt grundsätzlich die Absicht der Kommission, die europäische Rechtsetzung im Bereich der Energieverbrauchskennzeichnung zu aktualisieren. Er stellt jedoch zugleich fest, dass der vorliegende Vorschlag den Anforderungen an eine längerfristig aktuelle Kennzeichnung, die sich an den Marktführern im Bereich Energieeffizienz orientiert, nicht gerecht wird.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich entsprechend den Meseberger Beschlüssen im weiteren Rechtsetzungsverfahren dafür einzusetzen, dass der Richtlinienvorschlag an die Anforderungen eines europäischen Toprunner-Ansatzes angepasst wird, dass insbesondere Verfahren für eine regelmäßige Aktualisierung der Kennzeichnung und eine Orientierung der Kennzeichnung an den marktbesten Geräten in den Entwurf aufgenommen werden.
Der vorliegende Verordnungsvorschlag entspricht den Anforderungen an einen europäischen Toprunner-Ansatz nicht. Zwar wird die Möglichkeit einer vereinfachten Aktualisierung über ein Ausschussverfahren und Durchführungsmaßnahmen vorgesehen, eine obligatorische Aktualisierung und Orientierung an den marktbesten Geräten fehlt jedoch. Um das ehrgeizige Ziel einer Verbesserung der Energieeffizient um 20 % realisieren zu können, sollte die Möglichkeit genutzt werden, die Kennzeichnung im Sinne des Toprunner-Ansatzes dynamischer zu gestalten und an den jeweils effizientesten auf dem Markt verfügbaren Geräten auszurichten.
Begründung zu Ziffer 3 (nur gegenüber dem Plenum):
Die vorgeschlagenen Änderungen sind grundsätzlich sinnvoll, allerdings bleibt die Novellierung weit hinter den Möglichkeiten zurück. Schon seit Jahren ist die Kennzeichnung merklich veraltet. In den Effizienzklassen C bis G gibt es in vielen Gerätekategorien laut der Hausgeräte-Datenbank des Niedrig-Energie-Instituts (NEI 8/2008) keine Geräte mehr auf dem Markt. Zugleich wurde die Skala bei Kühl- und Gefriergeräten und Waschmaschinen mit den Kategorien A++ und A+ nach oben erweitert, so dass ein einfacher Überblick über die bestehenden Gerätekategorien A bis G verloren ging. Damit erfüllt die europäische Kennzeichnung von Elektrogeräten schon seit längerem nicht mehr die ursprüngliche Intention einer griffigen und stimmigen Verbraucherinformation.
Der in Japan entwickelte und erfolgreich eingesetzte Toprunner-Ansatz verpflichtet die Anbieter und Hersteller von Elektrogeräten, sich mittelfristig an den jeweils besten am Markt verfügbaren Geräten zu orientieren. Für einen europäischen Toprunner-Ansatz wäre dies im Rahmen der Kennzeichnung und der Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von energieverbrauchsrelevanten Produkten zu realisieren. Dies hat sich die Bundesregierung im Meseberg Programm zu Eigen gemacht.
- 4. Der Bundesrat empfiehlt, die bisherige Klassifizierung mit Buchstaben (A bis G) zu überdenken, da diese Kennzeichnung durch Anhängen von Plus-Zeichen für den Verbraucher nicht mehr verständlich und transparent ist. Daher regt der Bundesrat an, im Sinne von größerer Transparenz und Verständlichkeit, eine neue Klassifizierung einzuführen, die zudem die ständige Entwicklung der Technik im Bereich der Energieeffizienz berücksichtigt und eine Verwechslung mit den bestehenden Klassifizierungen vermeidet.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass sich die Zielsetzung der Richtlinie auf Endverbraucherprodukte beschränken sollte. Im Rahmen der Durchführungsmaßnahmen sollte sichergestellt werden, dass Produkte, die sich ausschließlich an gewerbliche Nutzer richten, von der Kennzeichnung ausgenommen werden.
- 6. Der Bundesrat spricht sich außerdem für eine zurückhaltende Ausweitung der Produktpalette aus, da dies eine erhebliche bürokratische Mehrbelastung für die Unternehmen bedeutet und den Vollzugsaufwand für die den Ländern obliegende Marktüberwachung erhöht.
- 7. Kritisch sieht der Bundesrat allerdings die Regelung zur öffentlichen Beschaffung in Artikel 9 der vorgeschlagenen Richtlinie. Hiergegen bestehen folgende Bedenken:
- - Es erscheint generell unzweckmäßig, Regelungen für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens in einer Richtlinie zu Energieverbrauchsangaben zu treffen. Dies würde zu einer weiteren Zersplitterung des Vergaberechts führen und im Widerspruch zu den mit den Vergaberichtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG verfolgten Zielen der Deregulierung und Vereinfachung der Verfahren stehen.
- - Die Vorschrift ist in formeller Hinsicht äußerst bedenklich und in sich nicht schlüssig, da sie nach Absatz 1 einerseits für Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/18/EG oberhalb der EU-Schwellenwerte (zurzeit 206 000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge, 5 150 000 Euro für Bauaufträge) gelten soll, in Absatz 3 andererseits ein niedrigerer Schwellenwert von 15 000 Euro eingeführt wird. Hierfür fehlt es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage. Unterhalb der in den Vergaberichtlinien festgelegten Schwellenwerte gelten nur die aus dem Primärrecht abzuleitenden Vergabegrundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Nichtdiskriminierung. Für den Erlass weiterer Regelungen besitzt die EU keine Kompetenz.
- 8. - Auch in inhaltlicher Hinsicht ist die vorgeschlagene Richtlinie kritisch zu würdigen. Nach geltenden Vergabegrundsätzen und Vergaberegeln entscheidet der Auftraggeber entsprechend seinen Bedürfnissen über die Anforderungen an Lieferungen und Leistungen. Mit den Wertungskriterien und ihrer Gewichtung legt er fest, was für ihn wirtschaftlich ist. Dieser Entscheidungsspielraum des Auftraggebers würde durch die neuen Vorgaben unnötig eingeschränkt. Bei einer nicht absehbaren und von den Mitgliedstaaten schwer beeinflussbaren Anzahl von Produkten müssten die von der Kommission festgelegten Mindestanforderungen beachtet werden, wobei nicht auszuschließen ist, dass Umweltgesichtspunkte über die fachlichen Anforderungen gestellt werden.
- 9. - Aus vergaberechtlicher und vergabepolitischer Sicht ist die Instrumentalisierung des Vergaberechts zur Verfolgung umwelt-, verbraucherschutz- und produktpolitischer Ziele sehr kritisch zu beurteilen. Der Einsatz des Einkaufs der öffentlichen Hand zu Lenkungszwecken schränkt tendenziell die Anzahl der Wettbewerber ein und erhöht die Korruptionsanfälligkeit der Vergabe. Bei der Verfolgung vergabefremder Ziele kommt es unweigerlich zu einer Vernachlässigung des Hauptziels, des wirtschaftlichen Einkaufs, und zu einer Erhöhung der Beschaffungskosten.
- 10. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf eine Streichung von Artikel 9 des Richtlinienvorschlags hinzuwirken.