Der Bundesrat hat in seiner 910. Sitzung am 7. Juni 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt das Bemühen der Europäischen Kommission, mit Blick auf die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte ein Europa im Dienste der Bürgerinnen und Bürger schaffen zu wollen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, bestehende Formalitäten im Zusammenhang mit der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden im grenzüberschreitenden Verkehr mit dem Ziel zu vereinfachen, die Wahrnehmung des Rechts auf Freizügigkeit, des Niederlassungsrechts und der Dienstleistungsfreiheit zu erleichtern, ohne dabei das Gemeinwohlinteresse an der Gewährleistung der Echtheit öffentlicher Urkunden zu beeinträchtigen.
- 3. Er begrüßt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, auf eine Überbeglaubigung bestimmter Urkunden zu verzichten. Er begrüßt außerdem, dass der Verordnungsvorschlag Regelungen zur Überprüfung der Echtheit der Urkunde bei berechtigten Zweifeln vorsieht.
- 4. Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme vom 15. April 2011 (BR-Drucksache 831/10(B) ) zum Grünbuch der Kommission "Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger - Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkung von Personenstandsurkunden erleichtern" (COM (2010) 747 final) und weist nochmals darauf hin, dass bei einem Beitritt aller EU-Staaten zum bewährten CIEC-Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern/Zivilstandsregistern ein zusätzliches europäisches System nicht erforderlich wäre. Er wiederholt daher seine Auffassung, dass der Beitritt aller EU-Staaten zu diesem Abkommen offensiv verfolgt werden sollte.
- 5. Der Bundesrat hält die geplante Befreiung der Personenstandsurkunden vom grundsätzlichen Erfordernis der Legalisation bzw. der Apostille im Grundsatz für sachgerecht. Insoweit sieht er in der Einführung mehrsprachiger EU-Formulare als Alternative zu den nationalen Formularen einen ersten wesentlichen Schritt hin zu einer Vereinfachung der Verwaltungsformalitäten. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass damit der Übersetzungsaufwand für Unionsbürgerinnen und -bürger und Unternehmen verringert werden kann.
- 6. Der Bundesrat äußert Bedenken, soweit die Behörden der Mitgliedstaaten nach Artikel 5 Nummer 3 des Verordnungsvorschlags - uneingeschränkt - beglaubigte Kopien der in Artikel 3 des Verordnungsvorschlags genannten öffentlichen Urkunden annehmen sollen. Nach dem Wortlaut des Artikels 5 Nummer 3 des Verordnungsvorschlags macht es keinen Unterschied, ob die anzunehmende Kopie von der ausstellenden Behörde, einer anderen Behörde des gleichen Mitgliedstaats oder einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats beglaubigt wurde. Eine Behörde eines anderen Mitgliedstaats wird Verfälschungen des Originals in der Regel schlechter erkennen können als jene Behörde, die die Urkunde ausgestellt hat, oder eine andere Behörde des gleichen Mitgliedstaats, der entsprechende Urkunden zumindest bekannt sind. Da sich an Kopien Verfälschungen des Originals häufig kaum noch feststellen lassen, birgt die gegenwärtig vorgesehene Regelung nach Auffassung des Bundesrates somit ein relativ hohes Fälschungsrisiko in sich. Hiergegen sollten Sicherungsmechanismen vorgesehen werden, etwa indem nur solche beglaubigte Kopien angenommen werden müssen, die vom Aussteller der Originalurkunde oder zumindest von einer Behörde des gleichen Mitgliedstaats beglaubigt wurden. Der Bundesrat spricht sich deshalb für eine dahingehende Einschränkung der Regelung aus.
- 7. Ebenfalls Bedenken hat der Bundesrat gegen die in Artikel 6 des Verordnungsvorschlags geregelte generelle Akzeptanz nicht beglaubigter Übersetzungen von durch Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgestellten öffentlichen Urkunden. Diese Regelung erscheint mit tragenden und bewährten Grundsätzen des deutschen Personenstandsrechts kaum vereinbar und würde deshalb zu Vollzugsproblemen führen. Nach deutschem Personenstandsrecht sind die Standesämter verpflichtet, vor der Beurkundung eines Personenstandsfalles den zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln und abschließend zu prüfen (§ 5 PStV). Bei fremdsprachigen Urkunden soll eine deutsche Übersetzung gefordert werden (§ 2 PStV). Sofern die Urkunde in einer Fremdsprache verfasst ist, die im Mitgliedstaat nicht verbreitet ist, werden die Standesämter eine nicht beglaubigte Übersetzung kaum auf ihre Schlüssigkeit überprüfen können. Sie würden daher im Regelfall eine deutsche Übersetzung veranlassen.
Darüber hinaus schließt der Wortlaut des Artikels 6 des Verordnungsvorschlags nicht aus, dass die Übersetzung durch den Vorlegenden selbst erfolgt. Auch dies würde deutschem Personenstandsrecht ausdrücklich zuwiderlaufen (Ziffer A 4. 1.1 PStG-VwV). Bei einer Übersetzung durch einen Beteiligten des Beurkundungsverfahrens besteht ein Interessenkonflikt, der eine vollständige und richtige Beurkundung jedenfalls dann gefährdet, wenn die Behörde die Übersetzung nicht überprüfen kann. Die in Artikel 6 Nummer 2 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Regelung, wonach im Einzelfall bei berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit die Anforderung einer beglaubigten Übersetzung möglich ist, vermag den Konflikt zu deutschem Personenstandsrecht nicht zu lösen, da es sich bei Artikel 6 Nummer 2 um eine Ausnahmevorschrift und nicht um den Regelfall handelt.
Nach Auffassung des Bundesrates sollte daher generell die Möglichkeit bestehen, eine amtlich beglaubigte Übersetzung einer ausländischen Urkunde anfordern zu können. Da nach Artikel 11 ff. des vorliegenden Vorschlags mehrsprachige EU-Urkunden zur Verfügung gestellt werden sollen, die keiner Übersetzung bedürfen, besteht für die Bürgerinnen und Bürger eine leicht zugängliche, zumutbare und praktisch nutzbare Alternative, um Übersetzungen zu vermeiden, wie auch die gebräuchliche Verwendung mehrsprachiger Urkunden im Rahmen des genannten CIEC-Übereinkommens zeigt. Für Artikel 6 besteht somit keine Notwendigkeit. Der Bundesrat spricht sich deshalb für die Streichung dieses Artikels aus.
- 8. Auch ist der Bundesrat - wie die Kommission - der Ansicht, dass mit der Einführung mehrsprachiger EU-Formulare ein wertvoller Beitrag zur Verringerung von Verwaltungs-, Zeit- und Kostenaufwand geleistet wird. Er regt aus diesem Grunde gegenüber der Kommission die Prüfung an, ob nicht auch für Auskunftsersuchen im Fall des Vorliegens berechtigter Zweifel an der Echtheit öffentlicher Urkunden nach Artikel 7 des Verordnungsvorschlags ein entsprechendes EU-Formular in die Verordnung aufgenommen werden könnte. Die Vorgabe eines derartigen Formulars würde zum einen eine einheitliche Vorgehensweise gewährleisten, zum anderen ließe sich Übersetzungsaufwand reduzieren; gegebenenfalls entfiele dieser sogar ganz.
- 9. Im Hinblick auf die in Artikel 11 ff. des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Formulare besteht nach Auffassung des Bundesrates aus personenstandsrechtlicher Sicht noch Änderungs- und Ergänzungsbedarf.
Da die vorgesehenen EU-Urkunden auf Basis von Registereinträgen ausgestellt werden sollen, erscheint es sachgerecht, in alle Urkunden die Registernummern oder Registrierungskennzeichen aufzunehmen, um einen Rückbezug der Urkunde auf die Register zu ermöglichen und eine gegebenenfalls erforderliche Verifizierung der Urkunde zu erleichtern. Diese Angabe ist auch in allen Urkunden des CIEC-Übereinkommens (in Zeile 3) vorgesehen. Sofern ein Mitgliedstaat andere Registrierungszeichen zum Auffinden eines Eintrags oder einer Person verwendet, sollten diese in der Urkunde angegeben werden.
Zudem erscheint es notwendig, zu bestimmen, wie der ausstellende Mitgliedstaat verfahren soll, wenn in den EU-Formularen vorgesehene Angaben nach nationalem Recht im Registereintrag nicht vorhanden oder abweichend vermerkt sind. Dies betrifft für das deutsche Personenstandsrecht die Angaben zum gewöhnlichen Aufenthalt bei der Eheschließung und der Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in Zeile 12 der EU-Formulare nach den Anhängen III und IV und im Formular des Anhangs II die Zeilen 12 und 13 zu den Eltern des Verstorbenen.
Artikel 7 des CIEC-Übereinkommens vom 8. September 1976 sieht hierzu vor, ein Feld des Urkundenformulars durch Striche unbenutzbar zu machen, wenn eine entsprechende Angabe im Register nicht vorhanden ist.
Ferner sollte berücksichtigt werden, dass nach deutschem Personenstandsrecht (§ 40 Absatz 3 PStV) die Angabe eines Sterbezeitraumes im Register vermerkt sein kann. In Zeile 4 des EU-Formulars im Anhang II besteht hierfür gegenwärtig keine Eintragungsmöglichkeit.
Schließlich bedürfen aus Sicht des Bundesrates einige der Leittexte in den Formularen ausweislich der zu den jeweiligen Zeilen gegebenen Erläuterungen bzw. Übersetzungen der Korrektur. Dies betrifft zum Beispiel im Formular des Anhangs III den Leittext der Zeile 4 "Tag und Ort des Eintrags", der korrekterweise "Tag und Ort der Eheschließung" lauten müsste und den Leittext der Zeile 11 "Name vor der Eheschließung", der zutreffend "Name nach der Eheschließung" lauten müsste. Im Formular des Anhangs IV wären die Leittexte in Zeile 4 "Tag und Ort des Eintrags", in Zeile 5 "Name vor dem Eintrag" und in Zeile 11 "Name nach dem Eintrag" durch die Leittexte "Tag und Ort der Begründung", "Name vor der Begründung" und "Name nach der Begründung" zu berichtigen.
- 10. Aus Sicht des Bundesrates bedarf zudem das EU-Formular "Rechtsform einer Gesellschaft/eines Unternehmens und Vertretungsbefugnis" der weiteren Konkretisierung: Neben "Tag und Ort der Eintragung" sollte auch die eintragende Stelle angegeben werden. Die Darstellung der Vertretungsbefugnis als "allein" oder "gemeinschaftlich" dürfte den rechtlichen Gegebenheiten nicht immer gerecht werden. Vielmehr sollte die Vertretungsbefugnis für jeden Vertreter gesondert dargestellt werden können. Besteht eine gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis, bedarf es weiterer Angaben, etwa zur erforderlichen Mindestzahl von Vertretungsbefugten oder zu den Namen der anderen Vertretungsbefugten.
- 11. Im Bereich des Grundbuchrechts lehnt der Bundesrat eine umfassende Befreiung öffentlicher Urkunden aus den Mitgliedstaaten der EU von der Legalisation bzw. der Erteilung der Apostille ab, da er hierdurch die Verlässlichkeit des Grundbuchs beeinträchtigt sieht. Die für das Grundbuchamt verbindliche Regelung des § 29 GBO, die für die erforderlichen Erklärungen den Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden verlangt, dient dem Zweck, für unbewegliche Sachen eine sichere Eintragungsgrundlage zu schaffen. Die Echtheitsprüfung ausländischer Urkunden, zu der das Grundbuchamt verpflichtet ist, wäre ohne Apostille oder Legalisation wesentlich erschwert. Dies könnte in der Folge zu erheblichen Zeitverzögerungen und Unsicherheiten im Grundbuchverkehr führen.
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.