COM (2018) 340 final
969. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung der Kommission, negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit durch die unsachgemäße Entsorgung von Kunststoffartikeln und kunststoffhaltigen Fanggeräten zu vermeiden oder wenigstens zu verringern und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft mit umweltfreundlichen, innovativen Geschäftsmodellen, Produkten und Materialien zu fördern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt insbesondere die Aktivitäten der Kommission, konkrete Maßnahmen anzustoßen, die den Eintrag von Einwegkunststoffartikeln und Fanggerät in die marine Umwelt reduzieren sollen. Der Richtlinienvorschlag umfasst Regelungsansätze, die einen Beitrag zur Verringerung des Aufkommens von Einwegkunststoffartikeln und zur verursachernahen Erfassung der nicht vermiedenen Einwegkunststoffartikel und von nicht mehr genutztem Fanggerät leisten können.
- 3. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis, der geeignet ist, die Verschmutzung der Oberflächengewässer, insbesondere der Meere, mit Plastikmüll zu verringern. Er teilt die Auffassung, dass in einigen Fällen das Problem der Vermüllung und sonstiger Umweltauswirkungen am wirksamsten durch ein innovatives Produktdesign und durch Umstellung auf nachhaltigere Ersatzstoffe angegangen werden kann.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission Umweltbelastungen durch Kunststoffe reduzieren möchte [und einen einheitlichen Rechtsrahmen vorschlägt, um mit einem breiten Maßnahmenbündel die Vermeidung, die Sammlung und das Recycling von Kunststoffen zu stärken]. Die vorgeschlagenen Maßnahmen können aus Sicht des Bundesrates eine Reduzierung bestimmter Kunststoffprodukte in der Umwelt bewirken.
- 6. Der Bundesrat ist besorgt über die stetig zunehmende Menge an Plastikmüll in der Umwelt, insbesondere in den Ozeanen und Meeren. Dies hat negative Folgen für Ökosysteme und die biologische Vielfalt. Gleichzeitig gehen wertvolle Materialien verloren, die der Wirtschaft als Ersatz für fossile Rohstoffe zur Verfügung stehen könnten.
- 7. Hinzu kommt, dass Kunststoffabfälle mit der Zeit zu Mikro- und Nanoplastik zerfallen, das von Meerestieren mit Nahrung verwechselt wird und sich daher mittlerweile in vielen Meerestieren befindet. Das Mikroplastik gelangt auf diesem Wege auch in die Nahrungskette bis hin zum Menschen, was insbesondere auch vor dem Hintergrund der daran anhaftenden Schadstoffe zusätzlich problematisch ist.
- 8. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass vorrangig die bereits bestehenden abfallrechtlichen Regelungen in allen Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt und vollzogen werden müssen. Während in Deutschland ein sehr hoher Anteil der Kunststoffabfälle erfasst und verwertet wird, weisen zahlreiche Mitgliedstaaten noch unzureichende Erfassungssysteme und eine hohe Deponierate auf.
- 9. Im Hinblick darauf, dass der weltweite Plastikeintrag in Gewässer und Meere nur zu 1 Prozent aus Europa stammt, hält der Bundesrat konzertierte Anstrengungen zum Aufbau effektiver Erfassungs- und umweltschonender Entsorgungsstrukturen in Ländern außerhalb der EU für besonders vordringlich.
- 10. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt umfassende und globale Maßnahmen erfordert, um weitere Einträge von Kunststoffabfällen in die Umwelt wirkungsvoll zu reduzieren. Zu diesen Maßnahmen müssen Abfall- und Vermüllungsvermeidung sowie Forschung im Bereich des Einsatzes alternativer Rohstoffe gehören.
- 11. Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Stellungnahme vom 2. März 2018 (BR-Drucksache 013/18(B) , Ziffern 2 bis 4), in der er auf die Notwendigkeit zur Schaffung eines klaren Rechtsrahmens und zur Kennzeichnung von biologisch basierten und biologisch vollständig abbaubaren Kunststoffen hinweist, die einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten und wesentlich zur Stärkung des ländlichen Raums beitragen können.
Begründung zu Ziffern 3 und 11 (nur gegenüber dem Plenum):
Biologisch abbaubare Kunststoffe können einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten. Ihre Bedeutung sollte im Sinne der Bioökonomiestrategie der EU aktiv ausgebaut werden. Denn bereits bei der Herstellung leisten biologisch basierte Kunststoffe einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.
Der Ersatz herkömmlicher Kunststoffe durch alternative Biokunststoffe auf der Basis land- und forstwirtschaftlicher Rohstoffe, vorrangig durch die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen, kann zudem wesentlich zur Stärkung des ländlichen Raums beitragen.
- 12. Der Bundesrat lehnt Verbote für einzelne Produkte als nicht zielführend und als ungerechtfertigte Produktdiskriminierung ab. Derartige Verbote behindern die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und können für einzelne Unternehmen eine Gefährdung ihrer Existenz darstellen. Der Bundesrat hält es zudem bei einzelnen Produkten (wie zum Beispiel Luftballonstäben) für fraglich, ob deren Anteil an der Meeresverschmutzung tatsächlich so gravierend ist. Damit könnten die vorgesehenen Produktverbote letztendlich reine Symbolpolitik darstellen.
- 13. Der Bundesrat hält es für sinnvoll, den Mitgliedstaaten die Wahl der geeigneten Maßnahmen zu überlassen, um die vorgegebenen Minderungsziele vor dem Hintergrund der jeweiligen Marktgegebenheiten zu erreichen. Diesen Weg hat die EU mit der sogenannten Plastiktüten-Richtlinie (Richtlinie (EU) Nr. 2015/720 vom 29. April 2015) gewählt. In Deutschland konnten beispielsweise bei der Verwendung von Plastiktüten mit einer freiwilligen Vereinbarung bereits gute Erfolge erzielt werden. So wird auf der Ebene der Mitgliedstaaten ein Wettbewerb um die besten Lösungen ermöglicht.
- 14. Der Bundesrat hält die in der vorgeschlagenen Richtlinie vorgesehenen unterschiedlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Kunststoffabfällen für erste wichtige Schritte, der Vermüllung der Umwelt und insbesondere der Ozeane und Meere entgegenzutreten. Hierzu zählen das Verbot bestimmter Einwegkunststoffartikel, die neuen Anforderungen an das Produktdesign bei Getränkebehältern und -flaschen sowie die Maßnahmen zur Verbrauchsminderung von Einwegkunststoffartikeln wie zum Beispiel Trinkbechern. Er hält in diesem Zusammenhang vor allem den vorgeschlagenen Einsatz von Mehrwegsystemen in hohem Maße für geeignet, diese Verbrauchsminderung erfolgreich herbeizuführen.
- 15. Aus Sicht des Bundesrates müssen vor der Festlegung von bestimmten Produkteigenschaften, wie zum Beispiel befestigte Verschlusskappen für Getränkeflaschen, die Auswirkungen umfassend geprüft werden. Nach Ansicht des Bundesrates könnte diese Regelung zu einer Einschränkung der Recyclingfähigkeit führen.
- 16. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die im Richtlinienvorschlag angesprochenen Einwegkunststoffe häufig aus Hygiene- oder Produktschutzgründen (zum Beispiel im Bereich der Lebensmittelverpackungen) Verwendung finden; eine Nutzung von Mehrwegprodukten ist hier in aller Regel ausgeschlossen. Die genannten Nutzenaspekte müssen daher gleichrangig in eine umfassende Umweltbilanz einfließen; es darf nicht lediglich auf die Abfalleigenschaft der Einwegkunststoffe abgestellt werden.
- 17. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission nicht die europaweite Pfandpflicht für Getränkeeinwegverpackungen aus Kunststoff als durchzuführende Maßnahme festschreibt, obwohl diese Maßnahme als am wirkungsvollsten zur Verringerung von Meeresabfällen identifiziert wurde. Der Bundesrat weist auf den Erfolg einer Pfandpflicht in Deutschland im Hinblick auf die Verringerung des Eintrags von Kunststoffen in die Umwelt und die sortenreine Erfassung von Kunststoffeinwegflaschen zum Recycling hin.
- 18. Auch die von der Kommission vorgeschlagene erweiterte Herstellerverantwortung, die sämtliche Kunststoffeinwegartikel betreffen soll, die nicht verboten werden, wird vom Bundesrat ausdrücklich unterstützt. Die hiervon erfasste Pflicht der Hersteller, die Kosten für die Sammlung, Beförderung und Behandlung der hieraus entstehenden Abfälle einschließlich der Kosten von Säuberungsaktionen und Sensibilisierungsmaßnahmen zu tragen, kann das Abfallaufkommen signifikant reduzieren und nicht verursachergerechte, die öffentlichen Haushalte belastende Gebührenerhöhungen vermeiden.
- 19. Der Bundesrat hält die Liste der Produkte sowie der Maßnahmen nicht für abgeschlossen und begrüßt, dass die Kommission eine Evaluierung nach sechs Jahren vornehmen möchte. In Anbetracht der teilweisen sehr schnellen Marktdurchdringung von bestimmten Kunststoffprodukten, die in die Umwelt gelangen, sollten Möglichkeiten geschaffen werden, kurzfristig Produkte in die Richtlinie aufzunehmen.
- 20. Nach Auffassung des Bundesrates sind weitere wesentliche Schritte zur Vermeidung von Kunststoffeinträgen in die Umwelt erforderlich. So sollten vor allem auch die Einträge von Mikroplastik in die Gewässer entscheidend minimiert werden. Der Einsatz von Kunststoffmikropartikeln in Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika sollte EU-weit unterbunden werden. Zudem ist es notwendig, den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt durch die Ausbringung von Komposten und Gärresten aus Biogasanlagen stärker als bislang zu begrenzen.
- 21. Der Bundesrat hält es für erforderlich, auf europäischer Ebene die vom Siedlungsabfall getrennte, haushaltsnahe Erfassung von Wertstoffen, wie Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen, weiterzuentwickeln, um vorrangig das Recycling zu fördern und die Landschafts- und Meeresvermüllung zu verringern.
B
- 22. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.