Verordnung der Bundesregierung
Zwanzigste Verordnung zur Änderung von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes

A. Problem und Ziel

Die Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) werden auf Grundlage des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2 BtMG an den aktuellen Stand der Erkenntnisse angepasst.

Mit dieser Verordnung wird zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung ein weiterer neuer psychoaktiver Stoff (NPS) in die Anlage II des BtMG aufgenommen. Damit sollen die Verbreitung und der Missbrauch dieses gesundheitsgefährdenden NPS eingedämmt werden und es soll die Strafverfolgung erleichtert werden.

Zudem wird in Anlage III des BtMG die bestehende Ausnahmeregelung für den Arzneistoff Clobazam um bestimmte flüssige Darreichungsformen erweitert.

B. Lösung

Erlass der vorliegenden Verordnung.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine. Mehrbedarfe durch den Erfüllungsaufwand im Bereich des Bundes sind finanziell und stellenplanmäßig in den jeweiligen Einzelplänen zu erwirtschaften.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Bundesverwaltung entsteht ein geringer zusätzlicher Vollzugsaufwand für die Strafverfolgung durch die Zollbehörden und das Bundeskriminalamt, da die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs aufgrund der Aufnahme eines weiteren NPS in die Anlage II des BtMG ausgeweitet wird.

Für die Überwachungsbehörden und Polizeibehörden der Länder kann ein erhöhter, derzeit aber nicht quantifizierbarer Vollzugsaufwand entstehen, da die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs aufgrund der Aufnahme eines weiteren NPS in die Anlage II des BtMG ausgeweitet wird.

F. Weitere Kosten

Keine.

Verordnung der Bundesregierung
Zwanzigste Verordnung zur Änderung von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 20. Mai 2020
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die von der Bundesregierung beschlossene Zwanzigste Verordnung zur Änderung von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.

Federführend ist das Bundesministerium für Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Zwanzigste Verordnung zur Änderung von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes*

Vom ...

Auf Grund des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) verordnet die Bundesregierung nach Anhörung von Sachverständigen:

Artikel 1

Die Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 358), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 17. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2850) geändert worden ist, werden wie folgt geändert:

1. In Anlage II wird die folgende Position alphabetisch in die bestehende Reihenfolge eingefügt:

INNandere nicht geschützte oder Trivialnamenchemische Namen
(IUPAC)
5F-MDMB-PICA
(5F-MDMB-2201)
Methyl{2-[1-(5-fluorpentyl)-1H-indol-3-carboxamido]-3,3-dimethylbutanoat}".

2. In Anlage III wird in der Position "Clobazam" die in der Parenthese dargestellte Ausnahme wie folgt gefasst:

"- ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 0,2 Prozent als Suspension, jedoch nicht mehr als 300 mg je Packungseinheit, oder je abgeteilte Form bis zu 30 mg Clobazam enthalten -".

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Der Bundesrat hat zugestimmt.

*Notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Mit dieser Verordnung werden auf der Grundlage der Ermächtigung in § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Satz 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) die Anlagen II und III des BtMG geändert.

Ein synthetisches Cannabinoid wird aufgrund des Ausmaßes seiner missbräuchlichen Verwendung und der unmittelbaren Gesundheitsgefährdung für die Konsumierenden in die Anlage II des BtMG aufgenommen. Zudem wird in Anlage III des BtMG die bestehende Ausnahmeregelung für den Arzneistoff Clobazam um bestimmte flüssige Darreichungsformen erweitert. Der Sachverständigenausschuss nach § 1 Absatz 2 BtMG wurde angehört und hat sich für die in dieser Verordnung enthaltenen Änderungen der Anlagen des BtMG ausgesprochen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Mit Artikel 1 Nummer 1 wird das synthetische Cannabinoid 5F-MDMB-PICA in die Anlage II des BtMG aufgenommen. Mit Artikel 1 Nummer 2 wird in Anlage III des BtMG die bezüglich des Arzneistoffs Clobazam bestehende Ausnahmeregelung für feste Darreichungsformen um bestimmte flüssige Darreichungsformen erweitert.

III. Alternativen

Keine.

IV. Regelungskompetenz

Die Regelungskompetenz für Artikel 1 Nummer 1 folgt aus § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BtMG, die Regelungskompetenz für Artikel 1 Nummer 2 folgt aus § 1 Absatz 2 Satz 2 BtMG.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Verordnung ist mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

Zu den Änderungen in Artikel 1 wurde die Notifizierung durchgeführt gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

VI. Verordnungsfolgen

Die Aufnahme des synthetischen Cannabinoids 5F-MDMB-PICA in die Anlage II des BtMG hat zur Folge, dass dieses als verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel im Sinne der Vorschriften des BtMG behandelt wird.

Die Erweiterung der in Anlage III des BtMG bestehenden Ausnahmeregelung für den Arzneistoffs Clobazam hat zur Folge, dass damit auch Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 0,2 Prozent als Suspension, jedoch nicht mehr als 300 mg Clobazam je Packungseinheit enthalten, nicht dem Betäubungsmittelrecht unterliegen und ohne Betäubungsmittelrezept verschrieben werden können.

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Durch die Erweiterung der in Anlage III des BtMG bestehenden Ausnahmeregelung für den Arzneistoff Clobazam unterliegen bestimmte flüssige Darreichungsformen nicht dem Betäubungsmittelrecht und können ohne Betäubungsmittelrezept verschrieben werden.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Die Verordnung berücksichtigt die Prinzipien der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Die mit der Verordnung vorgesehenen Regelungen unterstützen das Ziel "Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit zu vermeiden" und stärken den Gesundheitsschutz.

Durch die Aufnahme eines weiteren neuen psychoaktiven Stoffs (NPS) in die Anlage II des BtMG werden zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung die Verbreitung und der Missbrauch dieses gesundheitsgefährdenden synthetischen Stoffs eingedämmt. Zugleich soll die Strafverfolgung erleichtert werden.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Bund, Länder und Kommunen werden nicht mit weiteren Kosten belastet.

4. Erfüllungsaufwand

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Bundesverwaltung entsteht durch die Ausweitung der Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs aufgrund der Aufnahme eines weiteren NPS in die Anlage II des BtMG ein geringer zusätzlicher Vollzugsaufwand für die Strafverfolgung durch die Zollbehörden und das Bundeskriminalamt.

Für die Überwachungsbehörden und Polizeibehörden der Länder kann durch die Ausweitung der Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs aufgrund der Aufnahme eines weiteren NPS in die Anlage II des BtMG ein erhöhter, derzeit aber nicht quantifizierbarer Vollzugsaufwand entstehen.

Sollte im Bereich des Bundes ein Mehrbedarf an Sach- oder Personalmitteln entstehen, ist er finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan auszugleichen.

5. Weitere Kosten

Keine.

6. Weitere Regelungsfolgen

Diese Verordnung hat keine demographischen und keine gleichstellungspolitischen Auswirkungen.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung der Verordnung ist nicht vorgesehen. Die Anlagen zum BtMG werden fortlaufend anhand der mit ihrem Vollzug gesammelten Erfahrungen und auf der Grundlage von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bewertet.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

Die Anlage II des BtMG (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) wird ergänzt um das synthetische Cannabinoid 5F-MDMB-PICA.

Synthetische Cannabinoide sind Stoffe, die ein cannabisähnliches Wirkungsspektrum aufweisen und als Ersatz für natürliches Cannabis missbräuchlich verwendet werden. Das Wirkungsspektrum ähnelt meistens dem in der Cannabispflanze vorkommenden klassischen Cannabinoid delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Synthetische Cannabinoide haben jedoch gegenüber THC oft vielfach stärkere Wirkungen und Nebenwirkungen. Dazu zählen insbesondere erhöhter Blutdruck, Übelkeit, beschleunigter Puls, euphorisierende Wirkungen und psychische Störungen. Wegen der hohen Wirksamkeit besteht zusätzlich die erhebliche Gefahr einer Überdosierung.

Eine größere Zahl synthetischer Cannabinoide ist in Deutschland bereits den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt (zum Beispiel die sogenannten "Spice"-Wirkstoffe in Kräutermischungen). Seit dem Verbot der "Spice"-Wirkstoffe (insbesondere JWH-018) konnte beobachtet werden, dass vielfältige neue Kräutermischungen hauptsächlich über Internetplattformen auf den Markt gekommen sind. Die Kräutermischungen werden mit modifiziertem Design, in anderen Verpackungen und mit neuen Wirkstoffen kombiniert, aber auch als einzelne Wirkstoffe zum Selbstmischen angeboten und sind unter anderem laut Foreneinträgen in der Anbieter- und Konsumentenszene verbreitet. Auch Aufgriffe durch Polizei- und Zollbehörden in Deutschland sowie in anderen europäischen Ländern weisen auf eine weite Verbreitung hin.

5F-MDMB-PICA ist ein starker Agonist am CB1-Rezeptor und strukturell eng verwandt mit 5F-ADB (5F-MDMB-PINACA), MDMB-CHMICA und MMB-2201 (5F-AMB-PICA), die bereits dem BtMG unterstellt sind. Nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen gibt es seit dem Jahr 2016 zunehmend Hinweise auf ein Ausmaß der missbräuchlichen Verwendung und eine Gesundheitsgefährdung, die eine Unterstellung von 5F-MDMB-PICA gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BtMG rechtfertigen. Der Sachverständigenausschuss nach § 1 Absatz 2 BtMG hat sich daher für die Aufnahme von 5F-MDMB-PICA in die Anlage II des BtMG ausgesprochen.

5F-MDMB-PICA wird in Deutschland unter anderem mit fünf Todesfällen in Verbindung gebracht. In Österreich und der Schweiz gab es Warnmeldungen vor schwerwiegenden Vergiftungen mit Cannabis, das mit 5F-MDMB-PICA vermischt war. Des Weiteren hat das Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Drogenabhängigkeit die Aufnahme von 5F-MDMB-PICA wegen zahlreicher, auch letaler Intoxikationen in den Anhang II des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe empfohlen.

5F-MDMB-PICA ist zwar von der Stoffgruppe der synthetischen Cannabinoide des Neuepsychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) erfasst, jedoch sollen Stoffe, die sich als nicht nur gering psychoaktiv und als in besonderer Weise gesundheitsgefährdend erweisen sowie in größerem Ausmaß missbräuchlich verwendet werden, weiterhin in die Anlagen des BtMG aufgenommen werden. In diesen Fällen gehen die Regelungen des BtMG denen des NpSG vor.

Eine arzneiliche Anwendung dieses Stoffs, insbesondere als Fertigarzneimittel, ist für Deutschland derzeit nicht bekannt.

Eine Verwendung in der wissenschaftlichen Forschung oder als Referenzsubstanz für die Analytik ist nicht auszuschließen, daher ist die Aufnahme dieses Stoffs in die Anlage II des BtMG geboten. Damit wird ein erlaubnispflichtiger, legaler Handel mit diesem Stoff für Forschungs- und industrielle Zwecke ermöglicht. Über das umfassende Erlaubniserfordernis können Verwendungszwecke wirksam unterbunden werden, die mit den Zielen des BtMG nicht vereinbar sind.

Zu Nummer 2

Clobazam ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine. In Anlage III des BtMG wird die bestehende Ausnahmeregelung für Clobazam um bestimmte flüssige Darreichungsformen (Suspensionen) erweitert. Seit Mitte des Jahres 2019 wird eine Clobazamhaltige Suspension als Fertigarzneimittel in Deutschland in den Verkehr gebracht. Für ein vergleichbares Fertigarzneimittel ist die arzneimittelrechtliche Zulassung in nächster Zeit zu erwarten. Die Ausnahmevorschrift in Anlage III des BtMG umfasst bislang ausschließlich abgeteilte Formen im Sinne von festen oralen Darreichungsformen, wie zum Beispiel Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von bis zu 30 mg Clobazam.

Durch die Erweiterung der Ausnahmeregelung wird zusätzlich zur bestehenden Ausnahme für feste orale Darreichungsformen eine Ausnahme für flüssige orale Darreichungsformen (hier: Suspensionen) mit einer Wirkstärke von bis zu 0,2 Prozent (2 mg/ml) geschaffen, die auf eine Höchstmenge von 300 mg Wirkstoff je Packung begrenzt ist. Die maximale Wirkstoffmenge von 300 mg entspricht dem absoluten Wirkstoffgehalt einer Flasche mit 150 ml 0,2 prozentiger Suspension. Die Neuformulierung ist an die bestehenden Ausnahmevorschriften der Wirkstoffe Clonazepam und Diazepam in Anlage III des BtMG angelehnt, bei denen vergleichbare Ausnahmen für flüssige Darreichungsformen bestehen. Die in diesen Ausnahmevorschriften enthaltenen Ausnahmen gelten alle nur, wenn kein weiterer Stoff der Anlagen I bis III in der jeweiligen Zubereitung enthalten ist.

Clobazamhaltige Fertigarzneimittel als Suspension sind zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit Epilepsie zugelassen. Bei sachgerechter Anwendung einer Clobazam-Suspension ist die Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung vergleichsweise gering.

Aufgrund der eingegrenzten Anwendungsgebiete und insbesondere der Festlegung einer Höchstmenge von 300 mg Clobazam je Packung bleiben Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet.

Zu Artikel 2

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten der Verordnung. Da zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung die Verbreitung und der Missbrauch des gesundheitsgefährdenden NPS möglichst schnell eingedämmt werden sollen, ist ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung vorgesehen.