Der Bundesrat hat in seiner 843. Sitzung am 25. April 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die in der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament formulierten Ziele zur Stärkung von Innovation und Nachhaltigkeit der forstbasierten Industrie in der EU als Teil der Umsetzung der industriepolitischen Strategie der EU.
- 2. Mit der Mitteilung zur forstbasierten Industrie greift die Kommission den auf Wald und Forstwirtschaft gründenden Wirtschafts- und Produktionsbereich erstmals gezielt auf. Der Bundesrat betont in diesem Zusammenhang, dass der Begriff "forstbasierte Industrie" ausdrücklich alle Erzeuger, Vertreiber und Verarbeiter auch im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen und des Handwerks mit umfassen muss.
- 3. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass eine nachhaltige und produktive Waldbewirtschaftung zentrale Voraussetzung für die Versorgung der auf Forst und Holz basierenden Wirtschaft ist. Er ist der Auffassung, dass angesichts des bereits erreichten hohen Schutzniveaus die Notwendigkeit einer flächendeckenden und wirtschaftlich tragfähigen, nachhaltigen Forstwirtschaft verstärkt auch in anderen, die Forstwirtschaft berührenden Politikfeldern zu beachten ist.
- 4. Der Bundesrat begrüßt das Anliegen, die nachhaltige Versorgung der forstbasierten Industrie mit dem Rohstoff Holz zu verbessern. Hier sollten auch Maßnahmen zur Rohstoffmobilisierung im strukturell benachteiligten Kleinprivatwald ergriffen werden.
- 5. Der Bundesrat betont, dass die Verfügbarkeit und Preisbildung des Rohstoffs Holz sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage richten muss. Die Leistungsfähigkeit der forstbasierten Industrie sollte daher nicht von der "Verfügbarkeit von Holz zu einem konkurrenzfähigen Preis" abhängig gemacht werden. Vielmehr ist es generell Aufgabe eines jedes Unternehmens, Preisentwicklungen bei Vorprodukten durch effizienten Rohstoffeinsatz, Produktivitätssteigerungen und die Durchsetzung entsprechender Preise für die Endprodukte auszugleichen. Dies gilt sowohl für den Bereich der stofflichen als auch der energetischen Nutzung.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass die angesprochene Erzeugung von Biokraftstoffen auf Holzbasis nur sinnvoll ist, wenn deren Vorteilhaftigkeit in Bezug auf Energieeffizienz und Energieausbeute gegenüber anderen Verwertungspfaden tatsächlich nachgewiesen werden kann.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass die direkte und dauerhafte stoffliche Bindung von Kohlenstoff in Holzprodukten ("Produktspeicher Holz") einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Die in der Mitteilung unter Maßnahme Nummer 9 vorgesehene Untersuchung der Vorteile und Herausforderungen einer Einbeziehung der Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten in die internationale Klimaschutzpolitik wird daher unterstützt. Darüber hinaus wird anerkannt, dass eine gegebenenfalls mehrfache stoffliche und abschließende energetische Nutzung von Holz und Holzprodukten (z.B. Altpapier) die Ressourceneffizienz steigern und Nutzungskonkurrenzen entschärfen kann, soweit dies technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, bei der Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen auf die in solchen Nutzungskaskaden liegenden Wertschöpfungspotenziale zu achten. Dabei sind staatliche Zielvorgaben zum Umfang unterschiedlicher Verwendungszwecke von Holz jedoch nicht sachgerecht, da Verwendungszwecke und ihr jeweiliger Verwendungsumfang sich anhand marktwirtschaftlicher Mechanismen nach der im jeweiligen Verwertungspfad erzielbaren Wertschöpfung einstellen und auch künftig einstellen sollen.
- 8. Der Bundesrat regt an, dass zur Entspannung der Nutzungskonkurrenz außerdem Maßnahmen zur Erschließung neuer, bisher noch nicht genutzter Holzsortimente getroffen werden sollten, soweit dies nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien vertretbar ist.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass die Anpassung der Wälder an den Klimawandel in die Überlegungen zur Sicherung der Rohstoffbasis für die forstbasierte Wirtschaft einbezogen werden muss. Nur dauerhaft stabile, leistungsfähige und nicht allein durch Kalamitätsnutzung geprägte Wälder gewährleisten eine kontinuierliche und zuverlässige Versorgung der forstbasierten Industrie.
- 10. Insbesondere die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung der strategischen Rolle der forstbasierten Industrie bei der Eindämmung des Klimawandels sind geeignet, die Zukunftsfähigkeit dieses Industriezweigs als Lieferant eines im Sinne des Klimaschutzes nachhaltigen Rohstoffs zu sichern.
- 11. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, dass der Rohstoff Holz und die Nutzung von Abfallprodukten aus der holzbasierten Industrie einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der CO₂-Emissionen leisten können. Hierbei spielen neben der rein thermischen Verwertung vor allem auch Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung eine wichtige Rolle, weil sie die Energieeffizienz und damit die Klimaschutzwirkung deutlich verbessern.
Vor diesem Hintergrund spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass in dem vorgelegten Strategiepapier die entsprechenden Hinweise auf die Verwendung von Holzrohstoffen sowohl zur Energieversorgung der holzbasierten Industrie selbst als auch zur Bereitstellung von Biomasse zur Energieversorgung insgesamt dahingehend zu ergänzen sind, dass die energetische Nutzung von Holz und Holzreststoffen vorrangig in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen sollte.
- 12. Der Bundesrat stellt fest und bekräftigt, dass die in Deutschland und anderen EU-Ländern mit hohen Altpapier-Recyclingquoten praktizierte getrennte Erfassung von Altpapier beizubehalten ist, da ansonsten das Altpapier aufgrund von Kontaminationen mit Hausmüll im Recyclingprozess in der Papierindustrie nicht mehr einsetzbar ist.
- 13. Der Bundesrat begrüßt die Aussage der Kommission, dass die europäische Klimaschutzpolitik nicht zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der forstbasierten Industrie und zu Produktionsverlagerungen in Länder mit weniger strikten Anforderungen führen dürfe. Um dies zu erreichen bedarf der von der Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag zur Weiterführung des Europäischen Emissionshandelssystems nach dem Jahr 2012 an zahlreichen Stellen einer Korrektur.
Der Bundesrat bekräftigt seine in der Stellungnahme vom 14. März 2008 zu dem Richtlinienvorschlag (BR-Drucksache 102/08(B) ) dargelegte Position, dass die von der Kommission vorgeschlagenen, nur rudimentären Regelungen für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten nicht akzeptabel sind. Es ist keinesfalls hinnehmbar, dass die Kommission erst bis zum 30. Juni 2011 gemeinschaftsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsbestimmungen für diese EU-weite kostenlose Zuteilung erlässt und auch erst zu diesem Zeitpunkt Vorschläge für Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter energieintensiver Industrien vorlegt.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf EU-Ebene dafür einzutreten, bereits jetzt in der Emissionshandels-Richtlinie ausreichend detailliert festzulegen, dass die im internationalen Wettbewerb stehenden Anlagen - wie die der forstbasierten Industrie - genügend kostenlose Zertifikate auf der Basis EU-weiter Benchmarks erhalten, um sowohl unter Arbeitsplatz- als auch Klimaschutzaspekten negative Produktionsverlagerungen zu vermeiden. Eine solche Festlegung bereits in der Richtlinie ist auch erforderlich, um für die betroffenen Unternehmen die benötigte Investitionssicherheit zu gewährleisten. Eine - auch teilweise - Versteigerung von Zertifikaten für Industrieanlagen lehnt der Bundesrat zumindest solange ab, bis ein internationales Abkommen mit vergleichbaren anspruchsvollen Anforderungen für Wettbewerber in außereuropäischen Ländern vorliegt.
- 14. Der Bundesrat begrüßt das Bestreben der Kommission, eine Marktöffnungsstrategie zu erarbeiten und umzusetzen, die den Zugang zu Rohstoffen auf dem Weltmarkt sicherstellt und die Beseitigung von tarifären und nichttarifären Hemmnissen unterstützt. Durch die Beseitigung bestehender Handelshemmnisse kann eine Verbesserung der Rohstoffsituation erreicht werden.
- 15. Der Bundesrat bekräftigt im Hinblick auf die in der EU-Strategie vorgeschlagenen Maßnahmen seine am 23. September 2005 gefasste Entschließung zur Europäischen Forststrategie (BR-Drucksache 649/05(B) ), wonach insbesondere das Subsidiaritätsprinzip gewahrt und der forstpolitischen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden muss.