Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 10. September 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zu einer marktbasierten CO₂-Bepreisung in den Sektoren Gebäude und Verkehr zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 20. September 2019 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entschließung des Bundesrates zu einer marktbasierten CO₂-Bepreisung in den Sektoren Gebäude und Verkehr
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat betont, dass zur Erreichung des in Paris von der Völkergemeinschaft beschlossenen Ziels einer Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 2 Grad, besser jedoch auf 1,5 Grad, weitere erhebliche Anstrengungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene notwendig sind.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass Deutschland in den nicht durch das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) geregelten Sektoren seine ihm durch die Effort Sharing Regulation (Lastenteilung) der EU rechtsverbindlich auferlegten Ziele für 2020 und 2030 zu verfehlen droht. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung betrifft nur den Bereich des Emissionshandels und trägt somit nicht zur Erreichung der Ziele in den Sektoren der Lastenteilung bei.
- 3. Der Bundesrat sieht deshalb die Notwendigkeit, auch in den nicht dem EU-ETS unterfallenden Sektoren Verkehr und Gebäude den Treibhausgasausstoß zu bepreisen.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass mit dem EU-ETS ein wirksames mengengesteuertes und marktwirtschaftliches Instrument zur Reduzierung von Treibhausgasen vorliegt. Das EU-ETS garantiert als marktbasiertes Instrument im Gegensatz zu ordnungsrechtlichen oder planzentrierten Ansätzen, dass die limitierte Menge noch möglichen Treibhausgasausstoßes dort verwendet wird, wo sie nach der über den Markt koordinierten Einschätzung der Wirtschaftssubjekte den höchsten Nutzen schafft. Mit den zur 4. Handelsperiode (2021 bis 2030) in Kraft getretenen Änderungen zeigt das System zudem auch ein deutliches Preissignal.
- 5. Der Bundesrat hält deshalb langfristig die Integration der Sektoren Gebäude und Verkehr in den EU-ETS für die effizienteste Lösung zur Erreichung der europäischen Treibhausgasminderungsziele. Der Bundesrat sieht dies als einen Schritt auf dem Weg zu einem alle wichtigen Emittenten umfassenden globalen Emissionshandelssystem.
- 6. Als kurz- und mittelfristige Übergangslösung spricht sich der Bundesrat für ein vom EU-ETS unabhängiges nationales Emissionshandelssystem für die Sektoren Gebäude und Verkehr aus, das sich in den Zielen an der Effort Sharing Regulation und in der Methodik weitgehend am EU-ETS orientiert. Anzustreben ist eine baldmögliche Ausweitung auf andere bereitwillige Staaten im Sinne einer "europäischen Klimakoalition". Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die dazu erforderlichen Schritte einzuleiten und Verhandlungen mit potenziellen europäischen Partnern aufzunehmen.
- 7. Der Bundesrat hält es zur Sicherung der sozialen Akzeptanz und sozialen Ausgewogenheit der Regelungen zur CO₂-Bepreisung für erforderlich, die erhobenen Mittel vollständig für geeignete Kompensationsmaßnahmen zur Entlastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu verwenden (Aufkommensneutralität). Er hält es für sachgerecht, durch eine Senkung der regressiv wirkenden EEG-Umlage und der Stromsteuer, sowie über eventuelle weitere Senkungen energierelevanter Steuern einen Ausgleich zu schaffen. Die Reduzierung von monetären Belastungen fördert die Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom auch in den Sektoren Gebäude und Verkehr. Zudem hält der Bundesrat eine Finanzierung von Maßnahmen des Klimaschutzes wie der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung für zielführend. Darüber hinaus sind zur Reduktion des CO₂--Ausstoßes flankierende Maßnahmen in Form von Anreizen für den Ausbau CO₂-sparender Technologien zwingend erforderlich. Im Verkehrsbereich ist darüber hinaus der Ausbau klimafreundlicher Mobilitätsangebote mit Nachdruck voranzutreiben.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass bei einer Implementierung eines gemeinsamen nationalen Emissionshandelssystems für die Sektoren Verkehr und Gebäude spezielle nationale Sektorziele jeweils für Verkehr oder Gebäude sowie für die vom EU-ETS umfassten Sektoren nicht erforderlich sind, solche Sektorziele vielmehr einer Koordinierung über den Markt widersprechen.
- 9. Der Bundesrat betont die bei einer zukünftigen Ausweitung des EU-ETS fortbestehende Notwendigkeit, die Schutzbedürftigkeit durch direkte oder indirekte Kosten des Emissionshandels belasteter im internationalen Wettbewerb stehender Branchen intensiv zu prüfen, um das Risiko von Carbon Leakage zu verhindern.
Begründung nur gegenüber dem Plenum:
Es besteht in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit ein weitgehender Konsens, dass eine Bepreisung von Treibhausgasemissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr ein notwendiger Schritt zur Erreichung der Deutschland EU-rechtlich durch die Lastenteilungsverordnung vorgegebenen Reduktionsziele ist. Auf längere Sicht ist eine Integration dieser Sektoren in den EU-ETS auf europäischer Basis und darüber hinaus eine internationale Lösung wünschenswert, z.B. auf Ebene der G20.
Bis die Entwicklung einer derartigen umfassenden Lösung umsetzbar ist, bedarf es einer nationalen Übergangslösung. Hier spricht die Erfahrung der Überlegenheit marktbasierter Lösungen für ein in der Methodik weitgehend am EU-ETS orientiertes Handelssystem anstatt einer steuerlichen Regelung. Ein mengengesteuertes Handelssystem hat auch den Vorteil, durch die exakte Festlegung der Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate die Zielerreichung garantieren zu können. Ein steuerbasiertes System bedürfte unter prognostischer Unsicherheit zur Gewährleistung der Zielerreichung der ständigen Nachregelung. Es sollte zur Erreichung einer hohen Kohärenz der nationalen Klimaschutzpolitiken eine möglichst schnelle Einbeziehung anderer bereitwilliger Mitgliedstaaten in das Handelssystem angestrebt werden.
Die Mittelverwendung sollte neben dem Grundsatz der Aufkommensneutralität auch einen Beitrag zum Klimaschutz liefern. Dies spricht für die Option einer Senkung der auf der Einsatzenergie Strom liegenden monetären Lasten, so dass deren Verwendung in den Sektoren Gebäude und Verkehr wirtschaftlich im Sinne der Sektorenkopplung lohnender wird. Zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes im Verkehrsbereich ist es flankierend zwingend erforderlich, den Ausbau klimafreundlicher Mobilitätsangebote voranzutreiben. Darunter sind vor allem ein besseres Angebot der Bahn, der Ausbau von Schnellbuslinien und On-Demand-Angeboten, Forschung und Entwicklung an synthetischen Kraftstoffen, Implementierung von Wasserstoffantrieben, Ausbau von E-Mobilität und Ladeinfrastruktur, sowie Investitionen in vernetzte Mobilität und ein Systemupgrade für den ÖPNV zu fassen.