839. Sitzung des Bundesrates am 30. November 2007
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Kulturfragen und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass der Erwachsenen- und Weiterbildung
- 2. Zur Entwicklung des Bürgersinns und
- 3. zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, bei der Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels und bei der sozialen Integration eine zentrale Bedeutung zukommt. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission ihr Augenmerk auch auf die Zielgruppen der Geringqualifizierten, der Migranten und der Älteren richtet, deren Weiterbildungsbeteiligung zur Erreichung dieser Ziele gesteigert werden sollte. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme in BR-Drucksache 863/06(B) zur Mitteilung der Kommission über die Erwachsenenbildung "Man lernt nie aus".
- 4. Insgesamt erweckt die Mitteilung den Eindruck, dass die Kommission in dem Aktionsplan einen starken staatlichen Einfluss auf die Erwachsenenbildung unterstellt, wie beispielsweise in den Ziffern 2.1 Abs. 1 und 4, 2.2, 2.3 Abs. 2, 3.2 , 3.3 Abs. 2. Hierzu betont der Bundesrat jedoch, dass die Weiterbildung in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend nicht in staatlicher Trägerschaft liegt, sondern als pluralistisches System organisiert ist. Diese Organisationsform wird nicht zur Disposition gestellt, da sie allein eine rasche, bedarfsgerechte Anpassung des Weiterbildungsangebots an die wechselnden Erfordernisse einer globalisierten Wirtschaft und Gesellschaft gewährleistet.
- 5. Der Bundesrat bekennt sich zu dem Grundsatz, dass die Freiheit der Weiterbildungsanbieter auf selbständige Lehrplan- und Programmgestaltung sowie ihr Recht auf freie Auswahl des Personals nicht angetastet werden.
- 6. Die Forderung der Kommission nach der Notwendigkeit der Investitionen in die Erwachsenenbildung wird zwar grundsätzlich unterstützt. In vielen Mitgliedstaaten geschieht dies bereits. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf die der Kommission für den Zwischenbericht 2008 zum Arbeitsprogramm "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" aus Deutschland berichteten Maßnahmen, auf die zum Teil dem vorliegenden Aktionsplan widersprechende Feststellung der Kommission von einer steigenden Beteiligung am lebenslangen Lernen in ihrem Bericht "Education and Training 2010 - Draft Cross Country Analysis - 2008" und auf die Ausführungen im Nationalen Bildungsbericht 2006.
- 7. Der Bundesrat ist sich der Schlüsselposition des Fachpersonals in der Erwachsenenbildung für die Qualität der Angebote bewusst. In den Mitgliedstaaten müssen daher Anstrengungen unternommen werden, die Bildungsanbieter bei der Förderung der Professionalisierung ihres Personals zu unterstützen, etwa durch Planungssicherheit im Hinblick auf Qualitätsanforderungen und auf die Förderung. Der Bundesrat weist jedoch das Ansinnen der Kommission zurück, bis 2009 europäische Standards für Fachkräfte in der Erwachsenenbildung sowie Qualitätsstandards für Anbieter und zur Akkreditierung von Anbietern entwickeln zu wollen. Die Entwicklung von Bildungsstandards ist gemäß Artikel 149/150 EGV nicht Gegenstand gemeinschaftlicher Politik, sondern Angelegenheit der Mitgliedstaaten.
- 8. In den Ländern der Bundesrepublik Deutschland bestehen mit den staatlichen Anerkennungen für Weiterbildungsträger und -einrichtungen nach Landesrecht bereits staatliche Maßnahmen zur Überwachung der Anbieterqualität. Zur Qualitätssicherung in der Weiterbildung wurden in den vergangenen Jahren außerdem verstärkt marktkonforme Maßnahmen verbreitet oder (z. T. mit staatlicher Anschubförderung) neu entwickelt. Als Beispiele seien hier die Qualitätszertifizierungen nach ISO 9001 ff und die lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW2) genannt.
- 9. Der Bundesrat räumt derartigen marktkonformen und nachfrageorientierten Qualitätssicherungssystemen Vorrang ein vor der Einführung neuer staatlicher Maßnahmen zur Überwachung der Anbieterqualität.
- 10. Die Öffnung der Qualifizierungssysteme für Erwachsene wird in den Ländern bereits vorangetrieben, beispielsweise durch Stärkung der Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit von allgemeiner, beruflicher und akademischer Bildung. Die aktuelle Entwicklung des europäischen und der nationalen Qualifikationsrahmen wird diesen Prozess und die damit verbundenen Qualitätssicherungsverfahren beschleunigen. Der Bundesrat fordert, die Entwicklung der Referenzrahmen abzuwarten, bevor eine Analyse der Auswirkungen nationaler Reformen in Auftrag gegeben wird. Das gilt auch für den Vorschlag der Kommission, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit prüfen sollten, "nationale Ziele zur Höherqualifizierung der Zielgruppen" (hier: Geringqualifizierte, Migranten, Ältere) festzulegen.
- 11. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es in der Bundesrepublik Deutschland und in den Ländern keinen Rechtsrahmen zur Anerkennung und Validierung von informell oder nichtformal erworbenen Kompetenzen gibt. Um durch Erfassung und Dokumentation diese Kompetenzen für den individuellen Bildungsweg nutzbar zu machen, werden jedoch Pilotvorhaben mit begleitenden Beratungssystemen entwickelt
- 12. , wie z.B. der Profil-PASS als Bund-Länder-Verbundprojekt.
- 13. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Absicht, Weiterbildungsstatistiken so zu erheben, dass sie international vergleichbare Ergebnisse liefern und dass mögliche Verzerrungen der Statistik aufgrund unterschiedlicher Terminologie und Erhebungsmodi verhindert werden. Eine Analyse der Auswirkungen der nationalen Reformen in sämtlichen Bereichen des Bildungswesens auf den Sektor Weiterbildung und eine Kosten-Nutzen-Analyse erscheinen jedoch - jedenfalls für die Situation in Deutschland - unrealistisch: Zum einen ist die Weiterbildung in Deutschland als "Vierte Säule" des Bildungssystems pluralistisch, weitgehend nichtstaatlich und damit grundsätzlich anders organisiert als die Säulen Schule, Hochschule und duale Berufsausbildung. Zum anderen wirken sich Reformen in den anderen Bereichen des Bildungswesens in derart langfristigen Zeitzyklen auf den Sektor Weiterbildung aus, dass eine isolierte, kurzfristige Erhebung keine fundierten Aussagen erwarten lässt.
- 14. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die für 2008 vorgesehene Studie zur Ermittlung eines Satzes von Schlüsseldaten zur Erleichterung der Bestandsaufnahme des Sektors im Zweijahresrhythmus sich im Rahmen des Ratsbeschlusses zu einem kohärenten Indikatoren- und Benchmark-Rahmen zur Überwachung der Fortschritte bei der Erreichung der Lissabon-Ziele im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung bewegen muss. Die Länder lehnen Indikatoren ab, die über jene in diesem Rahmen festgelegten hinausgehen.
- 15. Der Bundesrat weist weiter darauf hin, dass inzwischen eine Inflation von Berichterstattungen zu den unterschiedlichen Themen und Einzelaspekten stattfindet. Unter Verweis auf die im Zweijahresrythmus zu erstellenden Berichte zum Arbeitsprogramm der EU-Bildungsminister und -ministerinnen weist der Bundesrat zusätzliche Einzelberichte zurück.
- 16. Der Bundesrat fordert, in dem Aktionsplan Erwachsenenbildung ein stärkeres Gewicht auf die Unterstützung von Maßnahmen zu legen, die die Weiterbildungsnachfrage fördern. Hierzu zählen z.B. neue Finanzierungsformen für Weiterbildung, Weiterbildungsberatung und -information und eine verbesserte Kommunikation des individuellen Nutzens von Weiterbildung.
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- 17. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Ausschuss für Frauen und Jugend empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.