Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes

882. Sitzung des Bundesrates am 15. April 2011

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Mit der geplanten Aussetzung der Wehrpflicht und der damit einhergehenden Aussetzung des Zivildienstes werden Strukturen verändert, die das Leben von jungen Männern und die gesamte Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten prägten. Die verteidigungspolitische Lage, die zunehmende Wehrungerechtigkeit und der bildungspolitische Anspruch an eine beschleunigte Schul- und Hochschulausbildung machen die Konversion von Pflichtdiensten hin zu einem anderen System der Freiwilligkeit notwendig.

Der Zivildienst hat sich seit seiner Einführung im Jahr 1960 zu einem Dienst entwickelt, den junge Männer als bereichernd, prägend und als eine Erweiterung ihrer persönlichen und fachlichen Kompetenz erleben. In unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wurden im Rahmen des Zivildienstes wichtige Aufgaben von jungen Männern übernommen die Anerkennung des Zivildienstes und der Zivildienstleistenden in der Gesellschaft ist und war hoch. Dennoch ist der Zivildienst als Pflichtdienst nicht mehr zeitgemäß. Denn die verteidigungspolitische Lage, die zunehmende Wehrungerechtigkeit und der bildungspolitische Anspruch an eine beschleunigte Schul- und Hochschulausbildung machen die Konversion von Pflichtdiensten hin zu einem anderen System der Freiwilligkeit notwendig.

Die Bundesregierung hat es bislang versäumt, eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes anzustoßen, in einen engen Dialog mit der Zivilgesellschaft einzutreten und einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die beabsichtigte Veränderung zu erzielen. Bis zum heutigen Zeitpunkt mangelt es an durchdachten und praktikablen Lösungen für die Zeit nach dem Pflichtdienst.

Fehlendes Gesamtkonzept

Das von der Bundesregierung vorgelegte und vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zum Ersatz des Zivildienstes regelt die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes, der analog zum Zivildienst durch ein Bundesamt organisiert werden soll. Doch die Einführung eines neuen Freiwilligendienstes als "Lückenfüller" für den Zivildienst greift zu kurz. Notwendig ist vielmehr ein Gesamtkonzept für die Zeit nach dem Zivildienst, bei dem die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vor allem der bereits bestehenden Jugendfreiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) - und der dafür benötigten Strukturen im Vordergrund stehen.

Zu einem solchen Gesamtkonzept gehörte auch, in den Tätigkeitsbereichen des Zivildienstes, soweit möglich, die Entstehung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen zu fördern. Dabei ist wichtig, die Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze zu verhindern. Ein solches Gesamtkonzept hat die Bundesregierung bislang nicht vorgelegt.

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes entfällt ebenso die Möglichkeit für junge Männer, im Rahmen einer langjährigen Tätigkeit bei Einrichtungen des Zivil- und Katastrophenschutzes ihren Pflichtdienst abzuleisten. Für diese Einrichtungen fehlt ein Anschlusskonzept, das auf die besonderen Bedürfnisse hinsichtlich der Dauer und zeitlichen Einteilung des Dienstes eingeht. Der kurze Zeitraum für die Konversion zum 1. Juli 2011 sorgt bei Betroffenen zusätzlich für Verunsicherung - sowohl bei den jungen Menschen als auch bei den Einsatzstellen. Eine sorgfältige Vorbereitung seitens der Bundesregierung fand in der kurzen Übergangszeit nicht statt.

Gefahr der Doppelstrukturen

Die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes wird unnötige Doppelstrukturen im Freiwilligendienstbereich etablieren. Denn mit den Jugendfreiwilligendiensten FSJ und FÖJ hält die Zivilgesellschaft erfolgreiche und seit Jahrzehnten entwickelte Jugendfreiwilligendienste bereit, die sich bei den jungen Männern und Frauen hoher Beliebtheit erfreuen. Durch die Aussetzung des Zivildienstes und den damit frei werdenden Mitteln im Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hätte sich die große Chance ergeben können, einen deutlichen Ausbau und die Weiterentwicklung der bestehenden Jugendfreiwilligendienste durch den Bund voranzubringen. Diese Chance hat die Bundesregierung leichtfertig vertan.

Die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes birgt darüber hinaus die große Gefahr, dass die erfolgreichen etablierten Jugendfreiwilligendienste in breiter Trägerschaft durch einen staatlich gelenkten Freiwilligendienst des Bundes verdrängt werden. Denn Qualität muss gesichert sein. Freiwilligendienste sind auch Bildungsdienste. Und die Gesamtverantwortung der Zivilgesellschaft hat sich dabei bewährt. Das müsste auch für den Bundesfreiwilligendienst gelten.

Unterschiedliche finanzielle Voraussetzungen

Während für den Bundesfreiwilligendienst ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 550 Euro pro Platz vorgesehen ist, sollen FSJ und FÖJ ab Sommer 2011 mit 200 Euro pro Platz vom Bund gefördert werden. Es steht zu befürchten, dass Träger und Einsatzstellen die Schaffung eines Bundesfreiwilligendienstplatzes für attraktiver halten, als die Schaffung oder Erhaltung eines FSJ-/FÖJ-Platzes. Aus diesem Grund muss die Bundesregierung ihr Wort halten und die Pauschalen im FSJ und FÖJ ab Sommer 2011 tatsächlich auf 200 Euro erhöhen. Die bisherige Zusicherung, dass die Schaffung von Bundesfreiwilligendienstplätzen unmittelbar an die Bereitstellung von FSJ/FÖJ-Plätzen gekoppelt werden soll (Tandem-Modell), ist unzureichend. Sie muss auf eine solide finanzielle und rechtliche Grundlage gestellt werden.

Kindergeldanspruch

Nach dem vorliegenden Gesetz sollen die Freiwilligen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes beim Kindergeld anders behandelt werden als die Freiwilligen im FSJ/FÖJ, obwohl sie sich künftig gleichartig engagieren. Während im FSJ/FÖJ das Kindergeld für Personen bis zum 25. Lebensjahr weiter gezahlt wird, besteht im Bundesfreiwilligendienst nur der grundsätzliche Kindergeldanspruch bis zur Volljährigkeit. Das kann zu erheblichen Nachteilen für die Eltern und für die Freiwilligen selbst führen und die Akzeptanz der Jugendfreiwilligendienste gefährden.

Altersoffene Gestaltung

Der Bundesfreiwilligendienst soll nach dem vorliegenden Gesetz auch einer älteren Zielgruppe - Menschen während und nach der Berufsphase - offenstehen. Erfahrungen aus den Bundesprogrammen "Generationsübergreifende Freiwilligendienste" und "Freiwilligendienste aller Generationen" haben gezeigt, dass die Bedürfnisse von Menschen in verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich sind. Dem trägt das Gesetz nicht Rechnung. Das gilt sowohl für die Aufgabenprofile in den Einsatzstellen als auch für die pädagogische Begleitung, denn junge Menschen benötigen andere Seminarinhalte als ältere. Außerdem gibt es unterschiedliche Anforderungen bei der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Die Einbindung der älteren Zielgruppe in den Bundesfreiwilligendienst ist deshalb nicht zielführend. Vielmehr bedarf es weiterhin eines eigenständigen Konzeptes des Bundes zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements für Ältere wie im "Freiwilligendienst aller Generationen".

Jugendfreiwilligendienst mit Pflichtdienststruktur

Das vorliegende Gesetz ist an mehreren Stellen von der alten Pflichtdienststruktur des Zivildienstes geprägt. Sie wird auf den geplanten Bundesfreiwilligendienst übertragen. Die vorgesehene automatische Anerkennung der alten Zivildienstplätze als Einsatzfelder für den Bundesfreiwilligendienst ist nicht sachgerecht. Viele Zivildiensteinsatzplätze wie beispielsweise Tätigkeiten als Pförtner, Fahrer oder Hausmeister sind für einen Freiwilligendienst gänzlich ungeeignet. Pflichtdienststrukturen zeigen sich auch in der Vertragsgestaltung. Beim Bundesfreiwilligendienst soll, wie im bisherigen Zivildienst auch, ein Vertrag zwischen dem Bundesamt und dem oder der Freiwilligen geschlossen werden. Freiwilligendienste werden demgegenüber seit Jahrzehnten aus der Mitte der Zivilgesellschaft organisiert. Das müsste auch für den Bundesfreiwilligendienst gelten. Denn ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis in einem Freiwilligendienst ist der Lebenswirklichkeit junger Menschen nicht angemessen.

Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf,