Der Bundesrat hat in seiner 919. Sitzung am 14. Februar 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Einheitliche Regeln sowie gleiche Maßstäbe für Kontrollen und Sanktionen sind für einen einheitlichen Binnenmarkt und faire Wettbewerbsbedingungen unerlässlich. Der Bundesrat begrüßt daher die Harmonisierungsbemühungen der EU in Zollfragen. Auch eine Gleichbehandlung bei EU-Zollrechts-Sanktionen ist wichtig zur Gewährleistung von Chancengleichheit und fairem Wettbewerb in der EU. Die mit der vorgeschlagenen Richtlinie verfolgten Ziele, Rechtsunsicherheit für Unternehmen zu beseitigen und mögliche Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt zu verhindern, werden vom Bundesrat geteilt.
- 2. Er nimmt den Richtlinienvorschlag der Kommission zur Kenntnis und geht davon aus, dass hierdurch die strafrechtliche Verfolgung von Zollvergehen und -verbrechen in den Mitgliedstaaten unberührt bleibt.
- 3. Es ist zutreffend, dass die Zollvorschriften innerhalb der EU weitgehend harmonisiert sind. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass zur einheitlichen Durchsetzung der Zollvorschriften in allen Mitgliedstaaten nicht nur die Harmonisierung der Sanktionen bei festgestellten Verstößen gehört, sondern insbesondere auch eine einheitliche Vorgehensweise der Zollbehörden bei der Häufigkeit und Intensität der durchgeführten Zollkontrollen, insbesondere auch im Rahmen der nachträglichen Betriebsprüfungen. In einem gemeinsamen Binnenmarkt sollten nationale Zollverwaltungen wie eine einzige Zollverwaltung handeln.
- 4. Der Bundesrat gibt mit Blick auf die Artikel 3 und 9 insbesondere zu bedenken, dass nach deutschem Verfassungsverständnis auch Verwaltungssanktionen gegen natürliche Personen ohne einen Schuldnachweis nicht verhängt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966 - BVerfG 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 <331>) und dass auch die Unschuldsvermutung gemäß Artikel 6 Absatz 2 EMRK es ausschließt, einen Angeklagten in strafähnlichen Verfahren jeder Verteidigungsmöglichkeit zu berauben (EGMR, Urteil Salabiaku vom 7. Oktober 1988, EGMR-E 4, 139 ff.; EGMR, Urteil Pham Hoang vom 25. September 1992, EuGRZ 1992, 472 f.).
- 5. Er erachtet es daher als problematisch, dass die Haftung für Verstöße gegen Zollvorschriften nach dem Richtlinienvorschlag in zahlreichen Fällen verschuldensunabhängig sein soll. Es entsteht der Eindruck, dass der Richtlinienvorschlag primär die Fiskalinteressen der EU im Auge hat. Aus Sicht des Bunderates sollte es bei der Ahndung von Zollrechtsverletzungen primär um die Schutzinteressen von Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern gehen. Wichtig ist, dass die Regeln einen fairen Interessenausgleich zwischen den Zollbehörden und den Wirtschaftsbeteiligten zulassen. Jeder Teilnehmer darf nur für die Tatbestände sanktioniert werden, die auch in seiner Einflusssphäre liegen. In diesem Zusammenhang sieht der Bundesrat die verschuldensunabhängige Haftung bei Zollrechtsverletzungen als besonders kritisch an und bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Haftungsbestimmungen für deutsche Unternehmen gegenüber der aktuellen Rechtslage nicht verschärft werden.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich für eine Vereinheitlichung der Sanktionen bei Zollrechtsverletzungen in der EU einzusetzen, hierbei jedoch auf Regelungen zu verzichten, die das Prinzip einer verschuldensunabhängigen Haftung zugrunde legen.