Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Finanzausschuss (Fz),
der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In),
der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U),
der Verkehrsausschuss (Vk) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG
wie folgt Stellung zu nehmen:
A
Konzeption der Ausschüsse Fz, In, Vk und Wi
bei Annahme von Buchstabe A entfällt Buchstabe B
- 1. Das angestrebte Ziel des Richtlinienvorschlags, durch die Reduzierung von Schadstoffemissionen eine Verbesserung der Luftqualität zu erreichen, wird grundsätzlich begrüßt.
- 2. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich auch den Ansatz der Kommission, zur Verbesserung der Energieeffizienz und der Luftreinhaltung als Teil eines Maßnahmenbündels die Verbreitung emissionsarmer Kraftfahrzeuge zu fördern. Den vorliegenden Richtlinienvorschlag hält der Bundesrat allerdings nicht für zielführend. Er verweist auf Ziffer 8 seiner Stellungnahme vom 23. September 2005 zum Grünbuch über Energieeffizienz oder "Weniger ist mehr" in BR-Drucksache 554/05(B) , wonach derartige Maßnahmen auf nationaler bzw. regionaler Ebene besser angesprochen werden können.
- 3. Das Ziel der Verbesserung der Luftqualität durch Schadstoffreduktion sollte nicht im Wege der Einführung neuer kostenträchtiger Standards für öffentliche Stellen im Sinne des Richtlinienvorschlags verfolgt werden.
- 4. Der Vorschlag beschränkt sich auf die Aussage, dass er keine Auswirkungen auf den EG-Haushalt zeitigt.
- 5. Nach der sich aus Ziffer 14 der Erwägungsgründe ergebenden eigenen Einschätzung der Kommission wird der Richtlinienvorschlag jedoch zu Mehrkosten für die betroffenen Stellen führen ,ohne dass eine vollständige Kompensation durch Gemeinschaftsmittel vorgesehen ist.
- 6. Im nationalen Bereich würde neben den Landeshaushalten insbesondere die kommunale Ebene betroffen sein. Angesichts der insgesamt angespannten Finanzsituation {von Städten und Gemeinden} ist dies nicht akzeptabel.
- 7. Die in Ziffer 4 getroffene Aussage ist insoweit zutreffend, als die erheblichen Mehrkosten von den beschaffenden Gebietskörperschaften bzw. von den Verkehrsunternehmen (und damit über den Fahrpreis von den Nutzern des öffentlichen Verkehrs) zu tragen wären. Angesichts der bevorstehenden Kürzung von Mitteln für den öffentlichen Verkehr ist eine Übernahme durch die Länder auch nicht darstellbar. Eine Minderung der Attraktivität durch erhöhte Fahrpreise wäre im Hinblick auf die angestrebte Emissionsminderung indes kontraproduktiv.
- 8. Es ist zu berücksichtigen, dass die kommunale Ebene u. a. wegen der bekannten Feinstaubproblematik ein großes Eigeninteresse an der Verbesserung der Luftqualität in den jeweiligen Gemeinden hat und sich bei der Beschaffung neuer Nutzfahrzeuge in der Regel auch an der Umweltfreundlichkeit dieser Fahrzeuge orientieren wird. Dies kann allerdings nur im Rahmen der jeweiligen finanziellen Möglichkeiten erfolgen. Die in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags festgelegte Quote von 25 % wird dem nicht gerecht. Bei der Anschaffung neuer Nutzfahrzeuge sind die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten - auch in finanzieller Hinsicht - zu berücksichtigen. Eine über Empfehlungen hinausgehende verbindliche feste Quotierung ist hiermit nicht vereinbar. Insoweit steht der Richtlinienvorschlag auch nicht mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Einklang.
- 9. Eine Quotierung für Fahrzeuge, die der EEV-Norm entsprechen, könnte dazu führen, dass Kfz mit selektiver katalytischer Reduktion oder Erdgasantrieb kurzfristig eine verstärkte Nachfrage erfahren, wobei die Gefahr von Mitnahmeeffekten besteht. Hierdurch könnte sich die Einführung zukunftsweisenderer Technologien (z.B. Hybrid) im Zuge künftiger Euro-Standards verzögern. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass derzeit eine zielstrebige und vorhersehbare Weiterentwicklung der Euro-Normen dem Richtlinienvorschlag mit seinem knappen Umsetzungshorizont (zwölf Monate ab In-Kraft-Treten) vorzuziehen ist.
- 10. Außerdem besteht die Gefahr eines gespaltenen Markts zwischen privatwirtschaftlichen Käufen und Beschaffung mit öffentlichen Mitteln. Da der Druck zur Beschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge ohnehin durch die Weiterentwicklung der Euro-Abgasnormen und sonstige Maßnahmen zur Luftreinhaltung wächst, ist eine darüber hinausgehende Sonderregelung für die öffentliche Hand problematisch.
- 11. Zudem sind die Regelungen des Richtlinienentwurfs von sehr begrenzter Effektivität, da sie nur einen geringen Teil der Schadstoffemittenten des Kraftfahrzeugverkehrs erfassen.
- 12. Typischerweise eignen sich von öffentlichen Stellen beschaffte Spezialfahrzeuge für Feuerwehr, Entsorgung, Straßenreinigung, Winterdienst usw. nicht für den Ansatz der Kommission, da auf Grund der geringen Stückzahl ein nennenswerter EEV-Markt kaum entstehen wird und die Gesamtkilometerleistung dieser Fahrzeugsparte zu vernachlässigen ist. Es ist vielmehr zu befürchten, dass Sonderentwicklungsprogramme für Nischenprodukte erforderlich werden; dies würde sich in dauerhaft erhöhten Beschaffungskosten niederschlagen, die von der öffentlichen Hand nicht getragen werden können.
- 13. Es erscheint als nicht zielführend, für diese nur relativ marginale Reduzierung der Schadstoffemissionen des Straßenverkehrs einseitig die öffentlichen Haushalte zu belasten.
- 14. Der öffentliche Verkehr auf der Straße trägt bereits durch die bloße Vermeidung von Individualverkehr in großem Umfang zur Emissionsvermeidung bei und hat in den letzten Jahren durch Einsatz umweltfreundlicher Technologien bei Ersatz- und Neubeschaffungen erhebliche Vorleistungen erbracht. Eine zusätzliche Belastung durch verpflichtende Quoten für EEV-Fahrzeuge ist nicht verkraftbar zumal gemischte Fuhrparke zu erhöhtem Unterbringungs- und Instandhaltungsaufwand führen.
- 15. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Richtlinienvorschlag der Ziffer 5 des Beschlusses des Bundesrates vom 23. September 2005 zum Grünbuch der Kommission der EG über Energieeffizienz oder "Weniger ist mehr" widerspricht (BR-Drucksache 554/05(B) ): Dort wurde ausgeführt, dass Sonderanforderungen für den öffentlichen Sektor in seiner "Vorbildfunktion" zwar grundsätzlich sinnvoll seien, angesichts der angespannten Situation der öffentlichen Haushalte allerdings solche Maßnahmen vorrangig in Betracht kämen, die nicht mit zusätzlichen Kostenbelastungen verbunden seien.
- 16. Der Richtlinienvorschlag widerspricht auch dem Ziel eines anzustrebenden Standard- und Bürokratieabbaus. In diesem Kontext wird auf die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen umfangreichen Berichtspflichten hingewiesen, die zudem erhebliche Verwaltungskosten nach sich ziehen können.
- 17. Er ist insbesondere wegen des Bürokratieaufwands abzulehnen, der mit der geforderten Berichterstattung und der notwendigen Überprüfung verbunden ist.
- 18. Nach erster Einschätzung würde eine obligatorische Einkaufsvorgabe das Hauptziel des Vergaberechts, nämlich den wirtschaftlichen Einkauf durch die öffentliche Hand, gefährden. Im Übrigen sollte die - grundsätzlich wünschenswerte und mögliche - Berücksichtigung von Umweltschutzgesichtspunkten den Beschaffern vor Ort überlassen bleiben und nicht schematisch durch verbindliche Ziele vorgegeben werden.
- 19. Die Verpflichtung der Beschaffungsstellen, eine Quote für "saubere Fahrzeuge" zu berücksichtigen, würde nach dem geltenden Vergaberecht ein neues vergabefremdes Kriterium in das Beschaffungsverfahren einführen. Solchen vergabefremden Kriterien ist - unabhängig von der fachpolitisch ggf. wünschenswerten Motivation - mit großer Zurückhaltung zu begegnen, da sie tendenziell das an Wirtschaftlichkeitskriterien orientierte Vergabeverfahren verzerren.
- 20. Die hier vorliegende Initiative ist darüber hinaus auch deshalb bedenklich, weil sie versucht, mit Mitteln des Vergaberechts gemeinschaftsrechtliche Normen, deren Einhaltung freiwillig ist, für den partiellen Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens durch verbindliche Anweisungen zu verschärfen. Dies ist kompetenzrechtlich bedenklich. Es erscheint äußert fragwürdig, die umweltpolitische Ermächtigungsgrundlage des Artikels 175 EGV heranzuziehen, um mittels einer Beschaffungsregelung einer auf der Grundlage dieses Artikels 175 EGV getroffenen unverbindlichen Regelung Verbindlichkeit zu verleihen.
- 21. Im Ergebnis erscheint der Richtlinienvorschlag unverhältnismäßig.
- 22. Nach alledem wird die Bundesregierung daher gebeten, sich bei den Beratungen bzw. {der weiteren Behandlung der Angelegenheit in den EU-Gremien} dafür einzusetzen, dass die Kommission den Richtlinienvorschlag fallen lässt bzw. {der Richtlinienvorschlag abgelehnt wird}.
- 23. Sollte dieses Ziel nicht erreichbar sein, so ist zumindest sicherzustellen, dass den Ländern und Kommunen keine Mehrausgaben entstehen.
Konzeption des U
- 24. Der Bundesrat begrüßt den Richtlinienvorschlag der Kommission. Der Bundesrat erkennt hierin erhebliche Impulse und eine Chance für die technologisch führende deutsche Automobilindustrie, ihren Marktanteil bei umweltschonenden schweren Nutzfahrzeugen deutlich zu erhöhen und die europäische Marktführung bei erdgasbetriebenen schweren Nutzfahrzeugen weiter auszubauen. Der Bundesrat verweist hierzu auf die positiven Erfahrungen der deutschen Automobilindustrie bei der Einführung der Katalysatortechnik bei Pkw.
- 25. Der Bundesrat stellt fest, dass der Richtlinienvorschlag den technischen Systemwettbewerb verschiedener Antriebstechniken und Kraftstoffalternativen stärkt, der weitere Potentiale für das Einhalten von Luftqualitätsregelungen eröffnet und damit die Notwenigkeit von Verkehrsbeschränkungen reduziert sowie das Erreichen energie- und klimapolitischer Ziele erleichtert.
- 26. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass mit der Richtlinie Skaleneffekte erzielt werden. Der Bundesrat ist überzeugt, dass darüber hinaus auch Planungs- und Investitionssicherheit für die Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsorganisationen der Automobilindustrie sowie für Flottenbetreiber und ggf. indirekt auch bei der Tankstellen-Infrastruktur erzielt werden, die zu einer Entlastung bei den Zuschüssen aus öffentlichen Haushalten für den öffentlichen Personennahverkehr beitragen. Demonstrationsflotten haben die Kostenvorteile von Bussen mit EEV-Standard, insbesondere bei kleineren Wagniskosten aufgezeigt. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich für eine rasche Verabschiedung des Richtlinienvorschlags einzusetzen.
- 27. Der Bundesrat verweist auf die in einigen Ländern bei kommunalen Verkehrsunternehmen bereits seit 2003 eingesetzten Busflotten im EEV-Standard und erkennt die Wettbewerbsvorteile dieser Verkehrsunternehmen an.
- 28. Der Bundesrat stellt fest, dass mit der vorgeschlagenen Quote von 25 % sauberer Fahrzeuge genügend Handlungsspielraum für wirtschaftliche Abwägungen bei der Fahrzeugbeschaffung und für die Beschaffung von Fahrzeugen erhalten bleibt, für die kein EEV-Standard verfügbar ist. So sieht es der Bundesrat auch weiter als gewährleistet an, dass Fahrzeuge für alle Anwendungszwecke beschafft werden können.
- 29. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Verhandlung der Richtlinie darauf zu achten, dass die Berichterstattung den allgemeinen Bestrebungen zur Entbürokratisierung nicht entgegenläuft. Es wird vorgeschlagen, die Berichterstattung nicht jährlich, sondern in größeren Abständen zu fordern. Dabei sollte der Umfang der Berichterstattung nicht über die Daten hinausgehen, die dem Kraftfahrtbundesamtes vorliegen.
C
- 30. Der Bundesrat bekräftigt seinen Beschluss vom 27. Mai 2005, die Bundesregierung solle bei der EU mit Nachdruck darauf hinwirken, dass schnellstmöglich ein Vorschlag für eine Euro-6-Abgasnorm für Lkw vorgelegt wird - BR-Drucksache 144/05(B) -. Die flächendeckende Wirkung neuer Abgasstandards führt sehr effektiv zu nachhaltigen Verbesserungen der Luftschadstoffbelastung. Dies zeigen eindrucksvoll die Erfolge der europäischen Abgasnormgesetzgebung seit den 1990er Jahren: Nutzfahrzeuge stoßen im Vergleich zu 1990 nur noch 3 % der Partikel aus.