Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April 2006 beschlossen, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen.
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, auf Zweiradhersteller und -handel sowie die betroffenen Interessen- und Verbraucherverbände dahingehend einzuwirken dass Verbesserungen bei der Sicherheitsausstattung von Fahrrädern durch unterhalb einer Verordnung liegende Alternativen angestrebt werden.
Begründung
Die vorliegende Verordnung widerspricht den auch von der Bundesregierung als wesentlich erachteten Grundsätzen zum Abbau überflüssiger bürokratischer Regelungen. Grundsätzlich sollte vor der Erarbeitung von Normen zunächst die Frage nach der tatsächlichen Notwendigkeit der Normsetzung und der Geeignetheit der Norm zur Erreichung des Regelungszieles gestellt werden.
Vorliegend bestehen grundsätzliche Zweifel an der Notwendigkeit zum Erlass der Fahrrad-Ausrüstungs-Verordnung (FAusrüstV). Nach der Begründung der Bundesregierung waren nach dem Forschungsbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2000 von allen Unfällen mit Personenschäden unter Beteiligung von Fahrrädern 2,4 % auf technische Mängel am Fahrrad zurückzuführen, allerdings waren bei der Hälfte dieser Unfälle die technischen Mängel nicht alleinige Unfallursache. Die Regelung, mit der eine Erhöhung der Verkehrssicherheit erreicht werden soll, erfasst somit nur ca. 1,2 % aller Unfälle mit Personenschäden unter Beteiligung von Fahrrädern, die einwandfrei auf technische Mängel zurückzuführen sind. Hier sind auch Unfälle mit alten, nicht ausreichend gewarteten Fahrrädern mit umfasst.
Nach diesen Untersuchungen scheinen die technischen Mängel an Neufahrrädern nicht das gravierende Problem bei der Verkehrssicherheit und die Ursache für Unfälle mit Personenschäden zu sein, so dass die Feststellung in der Verordnung, der Verzicht auf den Erlass der Verordnung sei aus Verkehrssicherheitsgründen nicht vertretbar, nicht nachvollzogen werden kann. Die Größenordnung der tatsächlich auf technische Mängel bei Neufahrrädern zurückzuführenden Unfälle dürfte vernachlässigbar sein und rechtfertigt nicht den Erlass umfangreicher zusätzlicher Normen.
Auch bestehen Zweifel an der Notwendigkeit der überaus zahlreichen und detaillierten Regelungen in der FAusrüstV. Beispielsweise wird in § 6 Abs. 9 Satz 1 vorgegeben, dass elektrische Leitungen bei Lichteinrichtungen paarweise geführt werden sollen; § 7 regelt unter Anwendung von vier Tatbestandsmerkmalen sehr detailliert, dass ein Fahrrad nur in Betrieb genommen werden darf, "wenn es mit einer am Lenker angebrachten helltönenden Glocke ausgerüstet ist". Fraglich ist auch, ob bei Freigabe der Lichtmaschinen mit einer Nennspannung von 12 V die Notwendigkeit weiterer Regelungen der Nennspannung und -leistung für Lichtmaschinen von 6 V gegeben ist.
Diese präzisen technischen Ausstattungsvorgaben verhindern zudem jegliche Art von Innovation bei der Sicherheitstechnik, da die Hersteller sich auf die Erfüllung des vorgegebenen Standards beschränken können.
Erschwerend kommt hinzu, dass die in der Verordnung festgelegten Sicherheitsanforderungen konsequenterweise auch auf Einhaltung geprüft werden müssen. Dies bedeutet für die Importeure und den Handel zusätzliche Prüfverfahren.
Für Fahrradnutzer ergeben sich zusätzliche Anforderungen bei der Inbetriebnahme und neue Bußgeldtatbestände bei Nichteinhaltung. Im Sinne der Stärkung der Eigenverantwortung von Wirtschaft und Verbrauchern sollte auf zusätzliche Anforderungen mit Sanktionsandrohung verzichtet werden.
Das Ziel der Erhöhung der Sicherheitsanforderungen kann ohne zusätzliche Normsetzungen erreicht werden. Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit durch Fahrradhersteller, Verkehrsclubs und Fahrradverbände, mit denen die Fahrradnutzer auf die Notwendigkeit regelmäßiger technischer Wartung von Bremsen, Beleuchtung etc. hingewiesen werden und ggf. das Angebot preisgünstiger Wartungschecks durch den Handel - ähnlich wie im Automobilbereich - hätten ebenfalls auch ohne zusätzliche rechtliche Normierung einen nachprüfbaren Effekt auf die Erhöhung der Sicherheit der im Gebrauch befindlichen Fahrräder.
Neben diesen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit bestehen weitere Alternativen zu einer Regulierung durch Normsetzung. Beispielsweise ist die Entwicklung eines Sicherheitsgütezeichens durch Hersteller, Handel, ADAC, ADFC und weitere Interessierte denkbar, mit dem garantiert wird, dass die Ausstattung einem der Verordnung nachgebildeten Katalog der Sicherheitsstandards entspricht. Denkbar ist ebenfalls eine Vereinbarung über Zielsetzungen bei Sicherheitseinrichtungen, deren Ausführungsmöglichkeiten in einem von Industrie und Handel erarbeiteten Lastenheft konkretisiert werden könnte.
Für diese Alternativen zur Verordnung spricht letztlich auch, dass nach eigenen Angaben der Verbände ab dem mittleren Preissegment die angebotenen Fahrräder sowie die im Handel angebotenen Ersatzteile bereits über die in der Verordnung niedergelegten Sicherheitsstandards verfügen. Ein großer Teil des auf dem Markt befindlichen Angebotes erfüllt daher bereits jetzt - auch ohne zusätzliche Rechtsnormen - die erwünschten Sicherheitsanforderungen. Auch bei einer Nichtzustimmung zur Verordnung ist eine Verschlechterung dieser bereits erreichten Sicherheitsstandards daher nicht zu befürchten.