Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) KOM (2005) 650 endg.; Ratsdok. 5203/06

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 17. Januar 2006 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 15. Dezember 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird an den Beratungen beteiligt.

Begründung

1. Hintergrund

1.1. Gegenstand des Vorschlags und Vorgeschichte

Das Brüsseler Übereinkommen von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen enthält Alternativregelungen, die dem Kläger die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen lassen, was dazu führen kann, dass eine Partei den Gerichten eines bestimmten Mitgliedstaats allein deshalb den Vorzug gibt, weil dessen Recht für sie am günstigsten ist. Um dieses Risiko zu verringern haben die Mitgliedstaaten 1980 auf derselben Rechtsgrundlage das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht geschlossen.

Der Vertrag von Amsterdam hat dem Internationalen Privatrecht gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs neue Impulse verliehen. So hat die Gemeinschaft auf dieser Rechtsgrundlage u. a. die so genannte Verordnung Brüssel 11 erlassen, die das Brüsseler Übereinkommen von 1968 in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten ersetzt hat. Am 22. Juli 2003 legte die Kommission einen Verordnungsvorschlag über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II")2 vor. Damit ist das Übereinkommen von Rom im Bereich des Internationalen Privatrechts auf Gemeinschaftsebene nunmehr das einzige Rechtsinstrument in Form eines völkerrechtlichen Vertrags. Die sich hieraus ergebenden Nachteile sind umso weniger gerechtfertigt, als Brüssel I, Rom II und das Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980 eine Regelung des Internationalen Privatrechts auf dem Gebiet der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse des Zivil- und Handelsrechts auf Gemeinschaftsebene anstreben und von daher ein untrennbares Ganzes bilden.

1.2. Begründung des Vorschlags

Wie wichtig kompatible Kollisionsnormen für die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen sind, hat der Wiener Aktionsplan3 deutlich gemacht. Im Maßnahmenprogramm aus dem Jahr 2000 zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung4 wird betont, dass es sich bei den Maßnahmen zur Harmonisierung der Kollisionsnormen um flankierende Maßnahmen handelt, die die Umsetzung dieses Grundsatzes erleichtern sollen. Erst unlängst erinnerte der Europäische Rat5 im Haager Programm daran, dass die Arbeiten an den Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse (Rom I) "zügig durchgeführt werden sollten". Dem Aktionsplan des Rates und der Kommission zur Umsetzung dieses Programms zufolge ist die Annahme eines entsprechenden Vorschlags "Rom I" noch im Jahr 2005 vorgesehen6.

2. Konsultationsergebnisse und Folgenabschätzung

Diesem Vorschlag ging eine umfassende Konsultation der Mitgliedstaaten, der übrigen EU-Institutionen und der Zivilgesellschaft auf der Grundlage des Grünbuchs vom 14. Januar 20037 voraus, gefolgt von einer öffentlichen Anhörung in Brüssel am 7. Januar 2004. In den etwa 80 Beiträgen zum Grünbuch8, die von staatlicher Seite sowie aus Lehre, Recht und Wirtschaft eingingen, wurde bestätigt, dass das Übereinkommen von Rom nicht nur allseits bekannt ist, sondern von der Fachwelt sehr geschätzt wird. Eine breite Mehrheit sprach sich für die Umwandlung dieses Übereinkommens in eine Gemeinschaftsverordnung aus, allerdings mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, bestimmte Vorschriften zu aktualisieren.

Bereits am 4./5. November 1999 hatte die Kommission eine öffentliche Anhörung zum Thema "Elektronischer Geschäftsverkehr: gerichtliche Zuständigkeit und anzuwendendes Recht" veranstaltet, zu der 75 schriftliche Beiträge eingegangen waren.

In ihren Stellungnahmen vom 29. Januar 20049 bzw. 12. Februar 0410 hatten sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und das Europäische Parlament für eine Umwandlung des Übereinkommens in eine Gemeinschaftsverordnung sowie für dessen Aktualisierung ausgesprochen.

Am 17. Februar 2005 wurde der von den Kommissionsdienststellen ausgearbeitete Vorentwurf für eine Verordnung "Rom I" von den Sachverständigen der Mitgliedstaaten erörtert.

Da sich der vorliegende Vorschlag nur begrenzt auf bereits bestehende Regelungen und die Adressaten auswirken wird, hat die Kommission beschlossen, auf eine förmliche Folgenabschätzung zu verzichten. Mit dem Vorschlag wird schließlich kein neues Regelwerk geschaffen sondern lediglich ein bestehendes Übereinkommen in ein Gemeinschaftsinstrument umgewandelt. Bei dieser Gelegenheit können bestimmte Vorschriften des Übereinkommens von Rom aktualisiert und klarer formuliert werden, was zur Rechtssicherheit beiträgt, ohne dass auf diese Weise neue Aspekte eingebracht würden, die das bestehende Rechtssystem inhaltlich ändern könnten. Bei allen Änderungen wurde den Ergebnissen der zahlreichen Konsultationen Rechnung getragen, die die Kommission zu diesem Vorhaben durchgeführt hat und die der Öffentlichkeit in großem Umfang zugänglich sind. Einzelheiten zu Art und Umfang der Änderungen sind den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln zu entnehmen (vgl. 4.2).

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

3.1. Rechtsgrundlage

Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam unterliegen Kollisionsnormen dem Artikel 61 Buchstabe c EG-Vertrag. Die Verordnung wird gemäß Artikel 67 EG-Vertrag in der durch den Vertrag von Nizza geänderten Fassung im Mitentscheidungsverfahren gemäß Artikel 251 EG-Vertrag erlassen. Gemäß Artikel 65 Buchstabe b schließen die "Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen , soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind, ein: Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen ". Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfügt daher bei seiner Entscheidung, ob eine Maßnahme für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, über einen gewissen Ermessensspielraum. Die Harmonisierung der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich. Titel IV EG-Vertrag, auf den sich der vorliegende Verordnungsvorschlag inhaltlich stützt, gilt gemäß dem Protokoll über die Position Dänemarks nicht für diesen Mitgliedstaat. Er gilt auch nicht für das Vereinigte Königreich und Irland, sofern diese Länder nicht ausdrücklich nach Maßgabe des sie betreffenden Protokolls im Anhang zum EG-Vertrag ihre Bereitschaft erklären sich dieser Initiative anzuschließen.

3.2. Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsprinzip

Das Ziel der geplanten Verordnung, gerichtliche Entscheidungen durch einheitliche Vorschriften zur Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts berechenbarer zu machen, kann wegen ihrer Wirkungen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden, sondern ist besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen.

Die Gemeinschaft kann folglich im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 EG-Vertrag tätig werden. Mit der Harmonisierung der Kollisionsnormen ohne Angleichung des materiellen Vertragsrechts wird zudem die Rechtssicherheit verstärkt und so den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in Artikel 5 in vollem Umfang Rechnung getragen.

Zur Wahl der Rechtsform heißt es unter Nummer 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit: "wäre unter sonst gleichen Gegebenheiten eine Richtlinie einer Verordnung ... vorzuziehen". Im vorliegenden Fall erweist sich eine Verordnung jedoch als das am besten geeignete Rechtsinstrument, da sie detaillierte präzise und vorbehaltlos geltende Normen setzt, die nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen. Würde den Mitgliedstaaten hingegen bei der Umsetzung dieser Normen ein gewisses Ermessen zugestanden, hätte dies erneut Rechtsunsicherheit zur Folge, was mit dem Vorschlag gerade vermieden werden soll.

4. Erläuterung der Artikel

4.1. Anpassungen aufgrund der Natur des Rechtsinstruments

Abgesehen von den inhaltlichen Änderungen (4.2) sind aufgrund der offenkundigen Unterschiede in der Rechtsnatur des Übereinkommens von Rom (nachstehend "das Übereinkommen") und einer Verordnung gewisse Anpassungen erforderlich: Außer den rein formalen Änderungen handelt es sich u. a. um die Möglichkeit der Vertragsstaaten, Vorbehalte zu erklären (Artikel 22), neue Kollisionsnormen nach entsprechender Notifizierung einzuführen (Artikel 23), oder um die zeitliche Begrenzung des Übereinkommens von Rom (Artikel 30). Auch die beiden Protokolle zur Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof werden mit der Verordnung gegenstandslos.

4.2. Anpassungen zur Aktualisierung der Übereinkommensvorschriften

Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Übereinkommen und Verordnungsvorschlag werden nur die Artikel erläutert, die eine inhaltliche Änderung gegenüber dem Übereinkommen darstellen.

Artikel 1
Materieller Anwendungsbereich

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der Anwendungsbereich der Verordnung "Rom I" dem Anwendungsbereich der Verordnung "Brüssel I" angeglichen und den Arbeiten des Rates und des Europäischen Parlaments am Entwurf "Rom II" Rechnung getragen werden. In Buchstabe e wird der Ausschluss von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen bestätigt, da wie auch in den Grünbuchbeiträgen mehrheitlich festgestellt wurde, erstere auf internationaler Ebene bereits zufrieden stellend geregelt sind und für die Frage des auf Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwendenden Rechts letztlich die Verordnung "Brüssel I" maßgebend sein sollte. In Buchstabe f werden der Buchstabe e sowie die gesellschaftsrechtlichen Aspekte des Buchstaben f des Übereinkommens zusammengefasst.

Da in Artikel 7 jetzt eine spezielle Regelung zur Stellvertretung aufgenommen wurde, wurde Buchstabe f erster Satz des Übereinkommens gestrichen. In Buchstabe i wird auf vorvertragliche Schuldverhältnisse verwiesen, die den Grünbuchbeiträgen zufolge entsprechend der Mehrheit der Rechtsordnungen in der Europäischen Union sowie der engen Auslegung des Vertragsbegriffs des Gerichtshofs im Rahmen seiner Rechtsprechung zu Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung "Brüssel I" wie folgt aufzufassen sind: Für die Zwecke des Internationalen Privatrechts gelten als vorvertragliche Schuldverhältnisse nur deliktische Schuldverhältnisse, die in der künftigen Verordnung "Rom II" geregelt werden.

Artikel 2
Anwendung des Rechts eines Drittstaats

Wie den Diskussionen über den Entwurf "Rom II" zu entnehmen ist, sorgt die Überschrift von Artikel 2 des Übereinkommens in den Sprachfassungen, die vom "Caractère universel" sprechen (deutsche Übersetzung: "Anwendung des Rechts von Nichtvertragsstaaten") regelmäßig für Verwirrung: Im Interesse der Klarheit erschien es sinnvoll, die Überschrift in diesen Sprachfassungen abzuändern.

Artikel 3
Freie Rechtswahl

Die vorgeschlagenen Änderungen zu Absatz 1 Satz 2 und 3 sollen das Gericht veranlassen, statt eines rein hypothetischen Willens den tatsächlichen, nicht ausdrücklich bekundeten Willen zu ermitteln: Die Änderungen stellen dabei zum einen auf das Verhalten der Parteien ab und zum anderen auf die Bedeutung der Rechtswahl, um auf diese Weise die Entscheidung des Gerichts berechenbarer zu machen.

Um die Parteiautonomie - Kernprinzip des Übereinkommens - weiter zu stärken, gestattet Absatz 2 es den Parteien, als anzuwendendes Recht ein nichtstaatliches Recht zu wählen.

Dabei wurde die Formulierung so gewählt, dass insbesondere die Wahl von UNIDROIT-Grundsätzen, der Principles of European Contract Law oder eines etwaigen künftigen fakultativen EU-Instruments zulässig, die Wahl der lex mercatoria aber als nicht präzise genug oder private Kodifikationen, die von der internationalen Gemeinschaft nicht hinreichend anerkannt sind, ausgeschlossen sind. Nach dem Vorbild des Artikels 7 Absatz 2 des Wiener Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf wird angegeben wie zu verfahren ist, wenn bestimmte vertragsrechtliche Aspekte im gewählten nichtstaatlichen Recht nicht ausdrücklich geregelt sind.

Absatz 4 gilt für den Fall einer "Gesetzesumgehung", bei der nicht nur die zwingenden internationalen Bestimmungen im Sinne von Artikel 8 Anwendung finden, sondern auch die zwingenden innerstaatlichen Vorschriften. Absatz 5 bezieht sich auf die Umgehung des Gemeinschaftsrechts.

Artikel 4
Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht

Die einschlägige Grundnorm des Übereinkommens, d.h. Anwendung des Rechts des Staates, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat wird beibehalten. Mit dem Vorschlag, die Vermutungen in feste Regeln umzuwandeln und die Ausnahmeklausel zu streichen, wird dabei gleichzeitig die Rechtssicherheit erhöht.

Angesichts der freien Rechtswahl als dem Fundament dieses Rechtsakts empfiehlt es sich, die bei unterlassener Rechtswahl anwendbaren Vorschriften so präzise und berechenbar wie möglich zu fassen, damit die Parteien sich bewusst entscheiden können, ob sie von der freien Rechtswahl Gebrauch machen wollen oder nicht.

Bei den Regelungsvorschlägen für die verschiedenen Vertragsarten wurden nur die unter Buchstabe g und h hinsichtlich der charakteristischen Vertragsleistung kontrovers diskutiert bzw. waren Gegenstand einer divergierenden Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten. Die letztlich gewählte Lösung lässt sich damit erklären, dass das materielle Gemeinschaftsrecht den Franchisenehmer und Vertriebshändler als schwächere Partei ansieht.

In Absatz 2 bleibt das Kriterium der "charakteristischen Leistung" für Verträge relevant, für die Absatz 1 keine Sonderanknüpfung vorsieht. Dies gilt u. a. für komplexere Verträge, die sich nicht ohne weiteres einem Bereich zuordnen lassen, oder für Verträge über gegenseitige Leistungen, die sämtlich als "charakteristisch" angesehen werden können.

Artikel 5
Verbraucherverträge

In Absatz 1 wird die Einführung einer neuen einfachen und berechenbaren Kollisionsnorm vorgeschlagen wonach nur das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers Anwendung findet, ohne den Unternehmer in seiner Vertragsgestaltung inhaltlich zu beschränken. Die entsprechende Regelung im Übereinkommen wurde bei der Konsultation zum Grünbuch vielfach kritisiert, da sie häufig die gleichzeitige Anwendung des Rechts des Unternehmers und der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Verbrauchers zur Folge hat. Bei einem Rechtsstreit führt diese komplexe Regelung zu zusätzlichen Verfahrenskosten, die umso weniger gerechtfertigt sind, als der Streitwert bei Verbrauchersachen häufig gering ist. Von den beiden in Frage kommenden Lösungsmöglichkeiten, um die gleichzeitige Anwendung mehrerer Rechtssysteme zu verhindern, d.h. entweder Anwendung des für den Unternehmer maßgebenden Rechts oder Anwendung des für den Verbraucher maßgebenden Rechts, ist nur letztere mit dem vom EG-Vertrag geforderten hohen Verbraucherschutzniveau vereinbar. Diese Lösung erscheint auch angesichts der wirtschaftlichen Realität gerecht:

Während ein Verbraucher seine Einkäufe nur gelegentlich im Ausland tätigt, können die meisten Unternehmer, die im grenzüberschreitenden Handel tätig sind, die mit einem anderen Rechtskreis verbundenen Kosten auf eine Vielzahl von Transaktionen umlegen. Diese Lösung ändert in der Praxis nichts an der Situation des Unternehmers, für den die Schwierigkeit bei der Abfassung seiner Standardverträge gerade in der Beachtung der zwingenden verbraucherrechtlichen Bestimmungen besteht, die bereits im Übereinkommen als die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates definiert sind, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da die übrigen Vertragsklauseln der Parteiautonomie unterliegen und somit von den Parteien nach ihren Vorstellungen ausgestaltet werden können, ist es somit unerheblich, ob für sie das Recht der einen oder der anderen Partei maßgebend ist. Absatz 2 präzisiert, die Voraussetzungen für die Anwendung der Sonderanknüpfung. Im ersten Satz wird daran erinnert, dass der Vertragspartner des Verbrauchers - ein vom Gerichtshof näher bestimmter Begriff - Unternehmer ist. Wie in der großen Mehrzahl der Grünbuchbeiträge gewünscht, sind im zweiten Satz die Voraussetzungen des Artikels 5 Absätze 2 und 4 Buchstabe b des Übereinkommens durch das Kriterium der auf einen anderen Mitgliedstaat "ausgerichteten Tätigkeit" ersetzt worden, das bereits in Artikel 15 der Verordnung "Brüssel I" verwendet worden ist, um der Entwicklung des Fernabsatzes Rechnung zu tragen, ohne den Anwendungsbereich der Sonderanknüpfung inhaltlich zu verändern. Bei Erlass der Verordnung "Brüssel I" haben Rat und Kommission in einer gemeinsamen Erklärung11 darauf hingewiesen, dass es zur Anwendung verbraucherschutzrechtlicher Bestimmungen nicht genügt, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet, sondern dass im Rahmen dieser Tätigkeit auch ein Vertrag geschlossen worden sein muss. Rat und Kommission haben in diesem Zusammenhang betont, dass "die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht, um die Anwendbarkeit von Artikel 15 zu begründen; vielmehr ist erforderlich dass diese Website auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbietet und dass tatsächlich ein Vertragsabschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer.

Dabei sind auf einer Website die benutzte Sprache oder die Währung nicht von Bedeutung."

Bei den in dieser Erklärung angesprochenen Websites muss es sich nicht unbedingt um so genannte interaktive Websites handeln: Eine Website, die beispielsweise zu einer Bestellung per Fax auffordert, zielt ebenfalls auf einen Vertragsabschluss im Fernabsatz ab. Nicht auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrags gerichtet ist demgegenüber eine Website, die sich zwar an Verbraucher in aller Welt richtet, um über ein Produkt zu informieren, die aber anschließend zwecks Vertragsabschluss an einen Vertriebshändler oder Handelsvertreter verweist. Anders als Artikel 5 Absatz 2 des Übereinkommens verlangt der Verordnungsvorschlag nicht mehr, dass der Verbraucher im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen haben muss; diese Bedingung macht bei über das Internet geschlossenen Verträgen ohnehin keinen Sinn mehr. Im letzten Satz dieses Absatzes wird allerdings eine Schutzklausel für den Unternehmer eingefügt, die u. a. dann zur Anwendung gelangt, wenn er einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen hat, der den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts nicht wahrheitsgemäß angegeben hat. Bei einem über das Internet geschlossenen Vertrag ist es Sache des Unternehmers, dafür zu sorgen, dass sein Mustervertrag ihm die Möglichkeit gibt, den Wohnsitz des Verbrauchers festzustellen.

Im Verordnungsvorschlag sind die Verträge, für die die Sonderanknüpfung gilt, nicht länger aufgeführt. Dementsprechend erstreckt sich der materielle Anwendungsbereich auf alle Verbraucherverträge mit Ausnahme der in Absatz 3 ausdrücklich ausgeschlossenen Verträge.

Artikel 6
Individuelle Arbeitsverträge

Die Grundregel in Absatz 2 Buchstabe a wurde durch die Formulierung "oder von dem aus" ergänzt um der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 18 der Verordnung "Brüssel I" und der weiten Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Arbeitsorts zu genügen. Mit dieser Änderung kann diese Bestimmung beispielsweise auf Arbeitnehmer angewandt werden, die an Bord von Flugzeugen arbeiten, wenn die Arbeit von einem festen Ort aus organisiert wird, an dem das Personal im Auftrag des Arbeitgebers weitere Pflichten erfüllt (Einchecken, Sicherheitskontrolle). Absatz 2 Buchstabe b wird somit seltener zur Anwendung gelangen.

Anschließend werden weitere Kriterien genannt, um festzustellen, ob die Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland als "vorübergehende Entsendung" einzustufen ist, ohne allerdings eine starre Begriffsbestimmung vorzunehmen. Mit dieser Änderung wird in erster Linie das Gericht dazu angehalten, die Intention der Parteien zu berücksichtigen.

Artikel 7
Vertreterverträge

Von den drei Rechtsverhältnissen, die aufgrund eines Vertretervertrags entstehen - Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem, zwischen Vertreter und Drittem und zwischen Vertretenem und Drittem - sind nur die ersten zwei im Übereinkommen geregelt. Die Befugnisse des Vertreters waren kraft Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe f ausgeschlossen. Dieser Ausschluss lässt sich sowohl auf die Unterschiedlichkeit der nationalen Kollisionsnormen zurückführen die bei der Aushandlung des Übereinkommens zutage trat, als auch auf die Existenz des Haager Übereinkommens vom 14. März 1978 über das auf Vertreterverträge und die Stellvertretung anzuwendende Recht. Da dieses Übereinkommen nur von drei Mitgliedstaaten unterzeichnet und/oder ratifiziert worden ist und sich die nationalen Lösungswege angenähert haben, ist dieser Ausschluss nicht mehr begründet. Im Verordnungsvorschlag werden alle Bestimmungen, die für aus einem Vertretervertrag entstandene Rechtsverhältnisse relevant sind, in einem Artikel zusammengefasst.

Artikel 8
Eingriffsnormen

In Absatz 1 wird eine Definition internationaler Eingriffsnormen vorgeschlagen, die sich an die Ausführungen des Gerichtshofs in seinem Urteil Arblade anlehnt12. Unter Rdnr. 31 des Urteils wird ausgeführt, dass die Einstufung einer nationalen Vorschrift als Eingriffsnorm sie nicht von der Beachtung des EG-Vertrags ausnimmt und dass die Motive, die derartigen nationalen Rechtsvorschriften zugrunde liegen, vom Gemeinschaftsrecht nur als Ausnahmen von den im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Gemeinschaftsfreiheiten berücksichtigt werden können. In Absatz 3 sind die Kriterien aufgeführt, die das Gericht heranziehen kann, um zu entscheiden, ob es die Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaats anwenden soll. In den Beiträgen zum Grünbuch wurden Urteile genannt, in denen auf ausländische Eingriffsnormen zurückgegriffen wurde, und zwar auch in den Mitgliedstaaten, die einen Vorbehalt zu Artikel 7 Absatz 1 des Übereinkommens angemeldet hatten. Die

Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung erscheint damit bestätigt, zumal die Verordnung "Brüssel I" mitunter alternative Zuständigkeiten vorsieht. Die Möglichkeit für das angerufene Gericht, Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaats zu berücksichtigen, der eine enge Verbindung zum Rechtsstreit aufweist und dessen Gerichte der Kläger ebenfalls hätte anrufen können erscheint somit für einen echten europäischen Rechtsraum als wesentlich.

Artikel 10
Formgültigkeit des Vertrags

Angesichts der zunehmenden Zahl der Fernabsatzverträge erscheinen die Übereinkommensvorschriften über die Formgültigkeit von Verträgen zu restriktiv. Um die Formgültigkeit von Verträgen oder einseitigen Rechtsgeschäften zu vereinfachen, werden ergänzende alternative Anknüpfungspunkte eingeführt. In die Absätze 1 und 2 wurden die besonderen Bestimmungen für von einem Vertreter geschlossene Verträge aufgenommen.

Artikel 13
Übertragung der Forderung

Die Übertragung einer Forderung und der rechtsgeschäftliche Forderungsübergang erfüllen wirtschaftlich gesehen dieselbe Funktion und werden nunmehr im selben Artikel geregelt. In Absatz 3 wird eine neue Kollisionsnorm für die Geltendmachung der vertraglichen Übertragung einer Forderung gegenüber Dritten eingeführt: Diese Kollisionsnorm wurde in den weitaus meisten Grünbuchbeiträgen befürwortet und hat auch in das UNCITRAL-Übereinkommen über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handel von 2001 Eingang gefunden.

Artikel 14
Gesetzlicher Forderungsübergang

Artikel 14 regelt den gesetzlichen Forderungsübergang (der rechtsgeschäftliche Forderungsübergang ist in Artikel 13 geregelt). Er kommt beispielsweise in den Fällen zum Tragen, in denen ein Versicherer Schadenersatz an einen Geschädigten geleistet hat und damit die Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Verursacher des Schadens erlangt. Die Änderung trägt den Arbeiten des Rates und des Europäischen Parlaments am Entwurf "Rom II" Rechnung. Damit soll der in manchen Rechtsordnungen unbekannte gesetzliche Forderungsübergang in verständlicher Form festgeschrieben werden.

Artikel 15
Schuldnermehrheit

Die Änderung trägt denselben Arbeiten Rechnung, um den gesetzlichen Forderungsübergang und die Schuldnermehrheit in zwei verschiedenen Bestimmungen zu regeln und die Kollisionsnorm im Fall der Schuldnermehrheit einfacher zu fassen. Der letzte Satz präzisiert die Situation eines besonders schutzwürdigen Schuldners.

Artikel 16 - Gesetzliche Aufrechnung Die Ausführungen im Grünbuch zur Zweckmäßigkeit einer Regelung der gesetzlichen Aufrechnung wurden in den Beiträgen bestätigt. Für die vertragliche Aufrechnung sind per definitionem die allgemeinen Bestimmungen der Artikel 3 und 4 maßgebend. Mit der vorgeschlagene Regelung soll die Aufrechnung erleichtert, gleichzeitig aber auch den berechtigten Erwartungen der Person entsprochen werden, die von sich aus keine Aufrechnung vorgenommen hat.

Artikel 18
Gleichstellung mit dem gewöhnlichen Aufenthalt

Wie im Vorschlag "Rom II" enthält Artikel 18 eine Definition des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt", insbesondere im Hinblick auf juristische Personen.

Artikel 21
Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, die eigene Rechtsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse haben, muss die Verordnung auch im Fall einer Normenkollision zwischen diesen Gebietseinheiten Anwendung finden, um für Berechenbarkeit und Rechtsicherheit zu sorgen und die einheitliche Anwendung europäischen Rechts auf alle Vertragsverhältnisse sicherzustellen, bei denen es zu einer Normenkollision kommt.

Artikel 22
Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten

Wie Artikel 20 des Übereinkommens bestimmt Artikel 22 den Bezug zu anderen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Buchstabe a bezieht sich auf spezielle Kollisionsnormen im sekundären Gemeinschaftsrecht, das in Anhang I aufgeführt ist.

Buchstabe b soll die Übereinstimmung mit einem fakultativen Rechtsinstrument gewährleisten das im Rahmen des Projekts "Europäisches Vertragsrecht" ausgearbeitet werden könnte. Buchstabe c schließlich stellt den Bezug her zwischen dem vorliegenden Verordnungsvorschlag und den Bestimmungen, die das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherstellen sollen.

Artikel 23
Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll ein gerechter Ausgleich zwischen der Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten einerseits und dem Ziel, einen echten europäischen Rechtsraum zu schaffen, andererseits hergestellt und gleichzeitig durch Veröffentlichung der Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten angehören, die Transparenz des geltenden Rechtssystems verbessert werden. Absatz 2 schreibt die Grundregel fest, wonach geltende internationale Übereinkommen der hier vorgeschlagenen Verordnung vorgehen. Er sieht jedoch eine Ausnahme für den Fall vor, dass sich alle relevanten Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem oder mehreren Mitgliedstaaten befinden. Das Nebeneinander zweier Rechtssysteme - Geltung der Übereinkommen für die Mitgliedstaaten, die sie ratifiziert haben, und Geltung der Verordnung für die übrigen Mitgliedstaaten - wäre dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts abträglich. Absatz 3 richtet sich ganz besonders an bilaterale Übereinkommen zwischen den neuen Mitgliedstaaten.


1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000, ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.
2 KOM (2003) 427 endg.
3 ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1, Rdnr. 40 c).
4 ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 8.
5 Haager Programm, Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 5.11.2004, Ziff. 3.4.2.
6 Vgl. Ziff. 4.3. c).
7 KOM (2002) 654 endg.
8 Einsehbar unter der Internetadresse: http://europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/rome_i/news_summary_rome1_en.htm
9 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung. INT/176 vom 29.1.2004.
10 Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Aussichten auf eine Angleichung des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union (KOM (2002) 654 - KOM (2002) 746 - C5-0201/2003 2003/2087(INI)), A5-0041/2004.
11 Einsehbar unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/unit/civil/justciv_conseil/justciv_de.pdf .
12 EuGH, Urteil vom 23.11.1999, verb. Rs. C-369/96 und C-374/96.
14 ABl. C vom , S. .
15 ABl. C vom , S. .
16 ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1. gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen17 wird betont, dass es sich bei den Maßnahmen zur Harmonisierung der Kollisionsnormen um flankierende Maßnahmen handelt, die die Umsetzung dieses Grundsatzes erleichtern sollen. Im Haager Programm18 wies der Europäische Rat darauf hin, dass die Arbeiten an den Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse zügig durchgeführt werden sollten.

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I)

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 5, Zweiter Gedankenstrich, auf Vorschlag der Kommission13, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 14, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag15, in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln. Hierzu muss die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, Maßnahmen erlassen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind und die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen fördern.

(2) Um die einschlägigen Bestimmungen des Vertrags von Amsterdam wirksam umsetzen zu können, hat der Rat (Justiz und Inneres) am 3. Dezember 1998 einen Aktionsplan zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts16 angenommen, in dem die Bedeutung kompatibler Kollisionsnormen für die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen herausgestellt und erforderlichenfalls eine Revision einzelner Bestimmungen des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht unter Berücksichtigung spezieller Bestimmungen über Kollisionsnormen in anderen Gemeinschaftsrechtsakten in Aussicht gestellt wird.

(3) Auf seiner Tagung vom 15./16. Oktober 1999 in Tampere hat der Europäische Rat die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen als Aktionsschwerpunkt für die Schaffung eines europäischen Rechtsraums gebilligt. Im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der 13 ABl. C vom , S. .

(4) Um Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen Wettbewerbern aus der Gemeinschaft zu vermeiden, den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten berechenbarer zu machen und die Rechtssicherheit sowie die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen zu fördern, müssen die in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts unabhängig vom Gerichtsstand dieselben Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts enthalten. Deshalb muss auch für eine weitest gehende Übereinstimmung zwischen der vorliegenden Verordnung, der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ("Brüssel I")19 und der Verordnung (EG) Nr. des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II") gesorgt werden.

(5) Im Interesse eines transparenten Gemeinschaftsrechts ist es erforderlich, dass die Kollisionsnormen zum größten Teil in einem einzigen Rechtsakt zusammengefasst sind oder dass in diese Verordnung eine Liste der Rechtsvorschriften zur Regelung besonderer Schuldverhältnisse aufgenommen wird.

(6) Der Anwendungsbereich der Verordnung muss so festgelegt sein, dass er mit der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 und der Verordnung (EG) Nr. des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II") in Einklang steht.

(7) Die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse müssen auf der freien Rechtswahl der Parteien gründen.

(8) Die Kollisionsnormen müssen, wenn sie zum allgemeinen Ziel dieser Verordnung, d.h. zur Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum, beitragen sollen, ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen. Dessen ungeachtet muss das Gericht über ein gewisses Ermessen verfügen, um in begrenzten Fällen das Recht bestimmen zu können das zu dem Sachverhalt die engste Verbindung aufweist.

(9) Bei Verträgen, bei denen die eine Partei als schwächer angesehen wird, sollte die schwächere Partei durch Kollisionsnormen geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(10) Insbesondere bei Verbraucherverträgen sollte die Kollisionsnorm eine Reduzierung der Kosten ermöglichen, die mit der Beilegung eines Rechtsstreits, der häufig einen 17 ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1. 18 Anlage I der Schlussfolgerungen des Vorsitzes vom 5.11.2004. 19 ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2245/2004 ABl. L 381 vom 28.1.2004, S. 10). geringen Streitwert aufweist, verbunden sind, und der Entwicklung des Fernabsatzes Rechnung tragen. Um die Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 zu wahren ist zum einen als Voraussetzung für die Anwendung der Verbraucherschutznorm auf das Kriterium der auf einen anderen Mitgliedstaat "ausgerichteten Tätigkeit" zu verweisen und zum anderen auf die Notwendigkeit, dass dieses Kriterium in den beiden Rechtsakten einheitlich ausgelegt wird. Hierzu wird in einer gemeinsamen Erklärung20 des Rates und der Kommission zu Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 ausgeführt, "dass es für die Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c nicht ausreicht, dass ein Unternehmen seine Tätigkeiten auf den Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, oder auf mehrere Staaten - einschließlich des betreffenden Mitgliedstaats - , ausrichtet, sondern dass im Rahmen dieser Tätigkeiten auch ein Vertrag geschlossen worden sein muss." Des Weiteren heißt es in dieser Erklärung, "dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht um die Anwendbarkeit von Artikel 15 zu begründen; vielmehr ist erforderlich dass diese Website auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbietet und dass tatsächlich ein Vertragsabschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer. Dabei sind auf einer Website die benutzte Sprache oder die Währung nicht von Bedeutung."

(11) Bei individuellen Arbeitsverträgen muss die Kollisionsnorm zur Anwendung des Rechts führen, das über äußerliche Merkmale hinaus die engste Verbindung zum Arbeitsverhältnis aufweist. Diese Kollisionsnorm lässt die Anwendung von Eingriffsnormen des Entsendestaats gemäß der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen21 unberührt.

(12) Bei Vertreterverträgen empfiehlt sich die Einführung einer Kollisionsnorm, die auf die drei aus einem solchen Vertrag entstandenen Rechtsverhältnisse zwischen Vertretenem, Vertreter und Drittem Anwendung findet. Für den Vertrag zwischen Vertretenem und Drittem gelten die allgemeinen Bestimmungen dieser Verordnung.

(13) Zur Wahrung der öffentlichen Ordnung der Mitgliedstaaten bedarf es spezieller Vorschriften für Eingriffsnormen und den Ordrepublic-Vorbehalt. Die Anwendung dieser Vorschriften muss im Einklang mit dem EG-Vertrag erfolgen.

(14) Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine klare Definition des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt", insbesondere im Hinblick auf juristische Personen, erforderlich. Im Unterschied zu Artikel 60 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 044/2001, der drei Kriterien zur Wahl stellt, muss sich die Kollisionsnorm auf ein einziges Kriterium beschränken, da es für die Parteien andernfalls nicht möglich wäre, das auf ihren Fall anwendbare Recht vorherzusehen.

(15) Es gilt den Bezug zwischen dieser Verordnung und anderen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts deutlich zu machen.

(16) Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren darf sich die Verordnung nicht auf von den Mitgliedstaaten in besonderen 20 Einsehbar unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/unit/civil/justciv_conseil/justciv_de.pdf . Rechtsgebieten geschlossenen Übereinkommen auswirken. Befinden sich jedoch alle relevanten Sachverhaltselemente im Gebiet der Europäischen Union, würde die Anwendung bestimmter internationaler Übereinkommen, denen nur wenige Mitgliedstaaten beigetreten sind, der Zielsetzung eines echten europäischen Rechtsraums zuwiderlaufen. In diesem Fall empfiehlt sich die Anwendung der Kollisionsnorm dieser Verordnung. Um die Übersicht über die geltenden einschlägigen internationalen Übereinkommen zu erleichtern, sollte die Kommission anhand der Angaben der Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der betreffenden Übereinkommen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichen.

(17) Da das Ziel dieser Verordnung, gerichtliche Entscheidungen durch einheitliche Vorschriften zur Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts berechenbarer zu machen, wegen ihrer Wirkungen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann, sondern besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 EG-Vertrag tätig werden. Entsprechend dem ebenfalls in diesem Artikel festgelegten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht die Verordnung, die die Rechtssicherheit stärkt, ohne dass es hierzu einer Harmonisierung des innerstaatlichen materiellen Rechts bedarf, nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(18) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. /Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beteiligen sich diese Staaten nicht an der Annahme dieser Verordnung; die Verordnung ist daher für diese beiden Mitgliedstaaten nicht bindend und ihnen gegenüber nicht anwendbar.

(19) Dänemark beteiligt sich gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht an der Annahme dieser Verordnung; die Verordnung ist daher für diesen Mitgliedstaat nicht bindend und ihm gegenüber nicht anwendbar -Haben folgende Verordnung erlassen:

Kapitel I
Anwendungsbereich

Artikel 1
Materieller Anwendungsbereich

Artikel 2
Anwendung des Rechts eines Drittstaats

Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.

Kapitel II
Einheitliche Kollisionsnormen

Artikel 3
Freie Rechtswahl

Artikel 4
Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht

Artikel 5
Verbraucherverträge

Artikel 6
Individuelle Arbeitsverträge

Artikel 7
Vertreterverträge

Artikel 8
Eingriffsnormen

Artikel 9
Einigung und materielle Wirksamkeit

Artikel 10
Formgültigkeit des Vertrags

Artikel 11
Geltungsbereich des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts

Artikel 12
Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit

Bei einem zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, geschlossenen Vertrag kann sich eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates rechts-, geschäfts- und handlungsfähig wäre, nur dann auf ihre aus dem Recht eines anderen Staates abgeleitete

Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit berufen, wenn die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss diese Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit kannte oder infolge eigener Fahrlässigkeit nicht kannte.

Artikel 13
Übertragung der Forderung

Artikel 14
Gesetzlicher Forderungsübergang

Ist ein Dritter verpflichtet, den Gläubiger einer vertraglichen Forderung zu befriedigen, ist für das Rückgriffsrecht dieses Dritten gegen den Schuldner der vertraglichen Forderung das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung des Dritten zur Befriedigung des Gläubigers anzuwenden ist.

Artikel 15
Schuldnermehrheit

Hat ein Gläubiger Rechte gegenüber mehreren Schuldnern, die gesamtschuldnerisch haften, und hat einer dieser Schuldner den Gläubiger bereits befriedigt, ist für das Recht dieses Schuldners, die übrigen Schuldner in Anspruch zu nehmen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Enthält das auf die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwendende Recht Vorschriften, die ihn vor Haftungsklagen schützen sollen, kann er sich gegenüber den anderen Schuldnern auf diese Vorschriften berufen.

Artikel 16
Gesetzliche Aufrechnung

Für die gesetzliche Aufrechnung gilt das Recht, das für die Verpflichtung maßgebend ist, gegen die aufgerechnet wird.

Artikel 17
Beweis

Kapitel III
Sonstige Vorschriften

Artikel 18
Gleichstellung mit dem gewöhnlichen Aufenthalt

Artikel 19
Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung

Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden materiellrechtlichen Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen.

Artikel 20
Öffentliche Ordnung

Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Artikel 21
Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede eigene Rechtsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse hat, so gilt für die Bestimmung des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat.

Artikel 22
Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten

Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung oder den Erlass von Rechtsakten durch Organe der Europäischen Gemeinschaften, die

Artikel 23
Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen

Kapitel IV
Schlussbestimmungen

Artikel 24
Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab Sie wird ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten anwendbar.

Sie gilt für nach ihrer Anwendbarkeit entstandene vertragliche Schuldverhältnisse. Sie gilt jedoch für vor ihrer Anwendbarkeit entstandene vertragliche Schuldverhältnisse, wenn ihre Bestimmungen zur Anwendung des Rechts führen, das nach Maßgabe des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 anwendbar gewesen wäre.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.


Geschehen zu Brüssel am ...
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident

Anhang I
Verzeichnis der Rechtsakte gemäß Artikel 22 Buchstabe a

Anhang II
Verzeichnis der bilateralen Übereinkommen gemäß Artikel 23 Absatz 3