Der Bundesrat hat in seiner 956. Sitzung am 31. März 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission eine Überarbeitung der europäischen Bankenregulierung eingeleitet hat. Diese gibt - mehr als drei Jahre nach Inkrafttreten der europäischen und nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Basel-III-Regelungen - die Möglichkeit, den in Folge der Finanzkrise geschaffenen Regulierungsrahmen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen, um so den Geschäftsmodellen der einzelnen Institute besser Rechnung zu tragen.
- 2. In diesem Zusammenhang erneuert der Bundesrat seinen Hinweis auf die besondere Rolle der Förderinstitute von Bund und Ländern, die ausschließlich im Auftrag ihrer jeweiligen öffentlichen Träger tätig sind und diese bei der Umsetzung ihrer wirtschafts-, struktur- und sozialpolitischen Zielsetzungen unterstützen. Von diesen Förderinstituten gehen aufgrund ihres risikoaversen Geschäftsmodells und der staatlichen Garantien ihrer öffentlichen Träger keine Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte aus. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die europäische Bankenregulierung die geschäftsmodellspezifischen Besonderheiten der Förderinstitute nur unzureichend berücksichtigt und bei ihnen zu hohen Belastungen führt, die ihre Förderfähigkeit mit zunehmender Tendenz beeinträchtigt.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich im weiteren europäischen Gesetzgebungsverfahren dafür einzusetzen, dass die Förderinstitute von Bund und Ländern aus dem Anwendungsbereich der europäischen Bankenregulierung - insbesondere der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU - ausgenommen werden, um auf europäischer Ebene eine regulatorische Gleichbehandlung ("level playing field") von nationalen und regionalen Förderinstituten herzustellen. Nach einer solchen Ausnahme der Förderinstitute aus der europäischen Bankenregulierung würden sie nach geltender nationaler Gesetzeslage weiterhin unter das Kreditwesengesetz fallen sowie einer entsprechenden Aufsicht auf nationaler Ebene, der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank, unterliegen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang daher grundsätzlich den von der Kommission vorgeschlagenen Entwurf für einen neuen Artikel 2 Absatz 5a der Richtlinie 2013/36/EU, der einen Katalog objektiver Kriterien enthält, auf dessen Basis die einzelnen Förderinstitute durch einen von der Kommission zu erlassenden Delegierten Rechtsakt vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/36/EU und damit auch der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ausgenommen werden können.
- 5. Er hält jedoch einzelne der von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien für nicht zielführend und bittet daher die Bundesregierung, sich für deren Überarbeitung einzusetzen.
- 6. Das Kriterium (Artikel 2 Absatz 5a Buchstabe a der Richtlinie 2013/36/EU in der Fassung des Vorschlags der Kommission vom 23. November 2016), wonach ein Institut die Voraussetzung "nach öffentlichem Recht errichtet" erfüllen muss, ist nicht ausreichend, um das Wesensmerkmal eines Förderinstituts zu beschreiben und ist zu streichen. Es ist vielmehr auf die Aufgabenstellung und den Förderauftrag der Institute als wirtschafts-, strukturoder sozialpolitisches Instrument zur Umsetzung und Begleitung staatlicher Förderpolitik im öffentlichen und gemeinschaftlichen Interesse abzustellen.
- 7. Das Verbot der Entgegennahme gedeckter Einlagen (Artikel 2 Absatz 5a Buchstabe e der Richtlinie 2013/36/EU in der Fassung des Vorschlags der Kommission vom 23. November 2016) ist nicht präzise genug gefasst. Denn ein Teil der Refinanzierung der Förderinstitute erfolgt durch Instrumente, die an institutionelle Investoren ausgereicht werden und als gedeckte Einlagen zu qualifizieren sind (wie beispielsweise Namensschuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen). Daher ist dem ihrem Geschäftsmodell immanenten Grundsatz folgend, kein Einlagengeschäft mit Privatpersonen zu tätigen, dieses Kriterium entweder zu streichen oder eine Formulierung zu wählen, die darauf abstellt, dass die Förderinstitute keine direkten Empfänger von Spareinlagen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sind.
- 8. Das Größenkriterium (Artikel 2 Absatz 5a Buchstabe g der Richtlinie 2013/36/EU in der Fassung des Vorschlags der Kommission vom 23. November 2016), wonach die Bilanzsumme unter 30 Milliarden Euro liegen muss, ist nicht geeignet, eine sinnvolle Differenzierung herbeizuführen und muss gestrichen werden. Jedes Förderinstitut wird insbesondere durch den Auftrag seines öffentlichen Trägers sowie dessen Größe geprägt. Größere Volkswirtschaften werden demnach in der Regel größere Förderinstitute haben als kleinere, da sie Institute mit einem größeren finanziellen Handlungsspielraum benötigen. Mit ihrer größeren Wirtschaftskraft bieten diese Träger aber auch eine größere Absicherung für die aus den staatlichen Haftungsinstrumenten resultierenden Risiken.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für die Erweiterung des Ausnahmetatbestandes des Artikels 2 Absatz 5a des Richtlinienvorschlags für rechtlich unselbstständige Förderbanken einzusetzen. Es sollte allen Förderbanken möglich sein, ihre Strukturen beizubehalten und gleichzeitig die Möglichkeit bestehen, von der Ausnahmeregelung zu profitieren. Unselbstständige Förderbanken sind regelmäßig Teil der Strukturen ihrer Kernbank ("Anstalt in der Anstalt"). Diese Strukturen sind auf das für die Kernbank geltende Aufsichtsregime ausgerichtet. Der Ausnahmetatbestand darf daher den unselbstständigen Förderbanken nicht dadurch von Anfang an verwehrt sein, dass sie sich strukturbedingt an das für die Kernbank geltende Aufsichtsregime halten.
- 10. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, im Rahmen der Überarbeitung der europäischen Bankenregulierung darauf hinzuwirken, dass der bestehende Rahmen mit größerer Verhältnismäßigkeit angewandt wird, insbesondere mit Rücksicht auf die Situation kleinerer oder bzw. und weniger komplexer Institute.
- 11. Im vorliegenden Richtlinienvorschlag kommt die konkrete Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips insbesondere in der Einfügung eines neuen Absatzes 3 in Artikel 94 der Richtlinie 2013/36/EU zum Ausdruck, der auf Erleichterungen bei der Anwendung der Bestimmungen über die Zurückbehaltung von Vergütungsbestandteilen und die Auszahlung in Instrumenten für kleine oder bzw. und nicht komplexe Institute sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem geringen Anteil variabler Vergütung abzielt. Die darin enthaltene Beschränkung der Erleichterungen auf Institute, deren Aktiva in den dem laufenden Geschäftsjahr unmittelbar vorangegangenen vier Jahren im Durchschnitt maximal fünf Milliarden Euro wert waren, ist aus Sicht des Bundesrates jedoch deutlich zu niedrig.
- 12. Der Bundesrat bittet vor diesem Hintergrund die Bundesregierung, sich im Rahmen der aktuellen Überarbeitung der europäischen Bankenregulierung dafür einzusetzen, dass in den zentralen bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen wie der Richtlinie 2013/36/EU oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ein ausreichend hoher, einheitlicher Schwellenwert als Definition für kleinere oder bzw. und weniger komplexe Institute verankert wird. Die im Rahmen des Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus verankerten Kriterien für "weniger bedeutende Banken" sind hierfür eine naheliegende Definition.
- 13. Darüber hinaus sollte aus Sicht des Bundesrates geprüft werden, ob neben der Größe als Kriterium für regulatorische Erleichterungen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergänzend auch weitere risikobeeinflussende Faktoren wie das Geschäftsmodell des Instituts, seine Komplexität oder der Grad seiner Vernetzung im Finanzsystem Berücksichtigung finden sollten.
- 14. Weiter bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf eine Klarstellung des Wechselspiels der Ausnahmekriterien in Artikel 94 Absatz 3 Buchstaben a und b der vorgeschlagenen Richtlinie hinzuwirken. Es ist nicht eindeutig ersichtlich, ob die beiden vorgenannten Kriterien für die Berücksichtigung eines Instituts kumulativ vorliegen müssen oder ob die Voraussetzung des Buchstaben b für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst zum Tragen kommt, wenn die Voraussetzung des Buchstaben a von einem Institut nicht erfüllt wird.
- 15. Der Richtlinienvorschlag ermächtigt die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), den aufsichtsrechtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess durch Erlass von Auslegungsstandards (sogenannte Level-2-Maßnahmen) weiter zu vereinheitlichen. Dies betrifft insbesondere die Vorgabe einheitlicher Schockszenarien zur Ermittlung des Zinsänderungsrisikos gemäß Artikel 98 Absatz 5a sowie die Präzisierung gemäß Artikel 104a Absatz 6, wie Risiken und Risikokomponenten im Zusammenhang mit der Festsetzung etwaiger zusätzlicher Eigenmittelanforderungen seitens der Institute berechnet werden müssen. Nach Auffassung des Bundesrates berücksichtigen diese Anforderungen die unterschiedlichen Strukturen in den Mitgliedstaaten nicht ausreichend, engen den Handlungsspielraum der nationalen Aufseher übermäßig ein und widersprechen dem Prinzip der Methodenfreiheit im Rahmen des internen Kapitaladäquanzprozesses, den die Europäische Bankenaufsichtsbehörde selbst in ihren Leitlinien als Ausgangspunkt für die Bestimmung von zusätzlichen Eigenmittelanforderungen im Kontext mit dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess ansieht. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb, sich bei den weiteren Beratungen auf europäischer Ebene gegen die Einführung weiterer Ermächtigungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zum Erlass von Auslegungsstandards in diesen Fällen einzusetzen.
- 16. Er bittet die Bundesregierung weiterhin, sich im weiteren Verfahren dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) in Bezug auf das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch keine Verschärfungen der Vorgaben des Baseler Ausschusses vorgenommen werden.
- 17. Die SREP-Eigenmittelempfehlung (Supervisory Review and Evaluation Process = aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess) soll nach Artikel 104b des Richtlinienvorschlags durch die nationale Aufsichtsbehörde implementiert werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung außerdem, sich in diesem Zusammenhang dafür einzusetzen, in dem Richtlinienvorschlag die Möglichkeit zu verankern, dass die SREP-Eigenmittelempfehlung weiterhin mit dem zu bildenden Kapitalerhaltungspuffer verrechnet werden kann. Die Eigenmittelempfehlung und der Kapitalerhaltungspuffer verfolgen das gleiche Ziel, eine hinreichende Kapitalausstattung in Zeiten des Stresses für etwaige Verluste sicherzustellen. Von Instituten zu verlangen, auf beiden Wegen Eigenkapital vorzuhalten, erscheint unangemessen und schränkt die Möglichkeiten der Kapitalverwendung bezüglich etwaiger Kreditvergaben unnötig ein. Im Übrigen darf die SREP-Eigenmittelempfehlung nicht dazu führen, dass sich das bestehende Gefälle zwischen systemrelevanten Instituten und anderen Instituten bei der Eigenmittelunterlegung wesentlich verschiebt. Außerdem sollte für kleine und mittlere Banken unter nationaler Aufsicht ein einfaches Verfahren im Rahmen des SREP gewählt werden.
- 18. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, auf die Berücksichtigung der besonderen Struktur von Sparkassen und anderen öffentlichrechtlichen Banken ebenso wie von Genossenschaftsbanken in Artikel 91 des Richtlinienvorschlags hinzuwirken. Hierzu sollte Artikel 91 Absatz 1 im Einzelnen dahingehend ergänzt werden, dass bei den Anforderungen an ein Leitungsorgan zwischen Geschäftsleitung und Aufsichts- oder Verwaltungsorgan unterschieden und sichergestellt wird, dass bei den Anforderungen die Größe und die Komplexität der Banken berücksichtigt werden müssen. Ziel muss es sein, die im Kreditwesengesetz bereits bestehenden Vorgaben EU-rechtlich zu verankern und keine weiteren Vorgaben für diese Institute vorzusehen. Anderweitige Vorgaben - wie die aktuell von der EBA und der EZB konsultierten Leitlinienentwürfe - können von der CRD als höherrangigem Recht nicht abweichen und damit die bewährten Strukturen in Deutschland in Frage stellen.
- 19. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung weiterhin auf, in Artikel 91 CRD darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedschaft in einem Aufsichts-/ Verwaltungsrat bei Personen, die Anteilseigner oder Träger der Bank vertreten, nicht den Anforderungen des Artikels 91 Absatz 8 CRD widerspricht. Hierdurch wird sichergestellt, dass Vertretern von Trägern einer Sparkasse oder einer anderen öffentlichrechtlichen Bank, die regelmäßig aus der Lokalpolitik oder aus dem öffentlichen Dienst stammen, nicht allein aufgrund dieser Tatsache Interessenkonflikte und daher die fehlende Unvoreingenommenheit und Integrität unterstellt werden. Durch eine solche Änderung der Richtlinie wäre im Interesse der öffentlichrechtlichen Banken in Deutschland für anders lautende Regelungen - wie die aktuell von der EBA und der EZB konsultierten Leitlinienentwürfe - kein Raum mehr.
- 20. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung außerdem auf, darauf hinzuwirken, dass die aktuell von der EBA und der EZB konsultierten Leitlinienentwürfe keine Anwendung finden, bis die Änderung der Richtlinie in Kraft tritt. Im Falle des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Änderung der Richtlinie wären die Leitlinienentwürfe entsprechend anzupassen.