Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Berlin, 25. März 2020
Parlamentarischer Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen als Anlage die Stellungnahme der Bundesregierung zur "Entschließung des Bundesrates für eine Gesamtstrategie und eine ergänzende Förderung mit dem Ziel einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung in Deutschland" vom 15. März 2019 (BR-Drs. 067/19(B) ).
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bilger
Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates für eine Gesamtstrategie und eine ergänzende Förderung mit dem Ziel einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung in Deutschland (BR-Drs. 067/19(B) vom 15. März 2019)
Entschließung:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten zu den grundlegenden Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft gehört. Die Versorgung muss deshalb überall sichergestellt werden ohne "weiße Flecken". Wo ein Flächenbezug mit marktwirtschaftlichen Mitteln nicht zu erreichen ist, muss der Staat gegensteuern. Der Ausbau einer leistungsstarken und verfügbaren Mobilfunkinfrastruktur in den urbanen Gebieten sowie in den ländlichen Räumen ist maßgeblich für künftige Anwendungen der Gigabitgesellschaft und entscheidend für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Weiterentwicklung zur Gigabitgesellschaft und der neuen 5G Welt nur erreicht werden kann, wenn der flächendeckende Ausbau mit 4G/LTE und Glasfaser realisiert wird. Deshalb reichen die Vereinbarungen vom Sommer 2018 aus dem Mobilfunkgipfel des Bundes mit einer 99-prozentigen Versorgung aller Haushalte nicht aus.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, eine Gesamtstrategie zum Glasfaserausbau und zur Mobilfunkversorgung zu entwickeln. Dabei ist zu prüfen, wie moderne Mobilfunkstandards unter Wahrnehmung der ausschließlichen grundgesetzlichen Kompetenz des Bundes mit einer flächendeckenden Versorgung umgesetzt werden können. Hierbei muss an die Versorgung der Fläche statt an die Versorgung der Haushalte angeknüpft werden.
- 4. Es sollte ein gemeinsames Verständnis von Bund, Ländern und Kommunen sowie Telekommunikationsunternehmen für "flächendeckend" im Sinne einer flächenbezogenen Versorgung erarbeitet werden. Dabei sind technischphysikalische und topographische Faktoren ebenso zu berücksichtigen wie die besondere Bedeutung einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
- 5. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass bei Verstößen gegen Versorgungsauflagen effektive Sanktionen verhängt werden. Die Mobilfunknetzbetreiber sind in der Pflicht, die Versorgungsauflagen zu erfüllen. Dabei ist eine Differenzierung und Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur vorzunehmen.
- 6. Der Bundesrat erwartet, dass der Bund alle gesetzlichen und finanziellen Aktivitäten prüft, die zur Umsetzung dieser Ziele erforderlich sind sowie geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung in der Fläche einleitet. Zudem ist dabei zu prüfen, wie die "weißen Flecken", in denen ein wirtschaftlicher Ausbau nicht möglich ist, mit Unterstützung des Bundes geschlossen werden können. Ergänzend zum Breitbandförderprogramm des Bundes erscheinen ein Mobilfunkförderprogramm des Bundes oder andere monetäre Anreizsysteme sachdienlich, um diese Ziele zu erreichen.
- 7. Der Bundesrat fordert den flächendeckenden Ausbau mit den für Mobilfunk bereits verfügbaren Frequenzen (u.a. Digitale Dividende II) zu realisieren.
- 8. Die langfristige, national und europäisch koordinierte Frequenzplanung mit ausreichendem und störungsfreiem Frequenzspektrum für Nutzer drahtloser Produktionsmittel in Kultur, Bildung, Forschung, Wissenschaft, Sport und Kirchen muss gewährleistet bleiben.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass einige Länder bereits eigene Mobilfunkförderprogramme betreiben oder planen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, eventuelle Maßnahmen kompatibel mit diesen Programmen auszugestalten, um eine effiziente Förderung des Mobilfunkausbaus sicherstellen zu können.
Stellungnahme der Bundesregierung
Zu Ziffern 1 bis 4, 6 und 9
- - Es ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, die Mobilfunkversorgung insbesondere in ländlichen Gebieten zu verbessern und so zur Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land beizutragen.
- - Die Bundesregierung erkennt die weiter wachsende Konvergenz der Telekommunikationsnetze und strebt an, bei Mobilfunk- und Glasfaserausbau Synergieeffekte zu heben, um knappe Ressourcen effizienter einzusetzen.
- - Verschiedene Maßnahmen der Bundesregierung sollen dazu führen, dass sich die Mobilfunkversorgung möglichst schnell spürbar verbessert. Zu diesen Maßnahmen zählen die Versorgungsauflagen, die im Rahmen der Frequenzversteigerungen in den Jahren 2015 und 2019 den Netzbetreibern auferlegt wurden, die Verträge, die der Bund mit den vier bundesweiten Netzbetreibern im September 2019 geschlossen hat sowie die im November 2019 beschlossene Mobilfunkstrategie der Bundesregierung.
- - Aufgrund der Versorgungsauflagen, die im Rahmen der Frequenzversteigerungen in den Jahren 2015 auferlegt wurden, müssen in den Mobilfunknetzen der Telekom Deutschland GmbH, der Vodafone GmbH und der Telefónica Germany GmbH & Co. OHG seit Anfang dieses Jahres bundesweit 98 Prozent aller Haushalte versorgt werden.
- - Aus der Frequenzversteigerung im Jahr 2019 folgt die Verpflichtung für die Netzbetreiber, 98 Prozent der Haushalte je Bundesland bis Ende 2022 mit 100 Mbit/s zu versorgen. Darüber hinaus sind sukzessive auch Straßen, Schienen- und Wasserwege zu versorgen sowie je Betreiber 500 Basisstationen in unversorgten Gebieten (sog. "weiße Flecken") zu errichten.
- - In den Maßnahmen ist daher sowohl ein Bezug auf die Haushalte als auch über die Regelungen bezüglich der Verkehrswege ein Flächenbezug enthalten.
- - Zudem hat der Bund mit den drei bestehenden bundesweiten Netzbetreibern Verträge abgeschlossen, nach denen bis Ende 2020 bundesweit 99 Prozent der Haushalte zu versorgen sind. Bis Ende 2021 sind 99 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland zu versorgen.
- - Die Netzbetreiber haben auch vor dem Hintergrund dieser Verpflichtungen angekündigt, stark in den Netzausbau zu investieren und beim Aufbau von ca. 6.000 neuen Standorten kooperieren zu wollen, um Funklöcher in dünn besiedelten Gebieten und entlang von Verkehrswegen zu schließen. Infolgedessen wird sich die Mobilfunkversorgung aller Betreiber verbessern.
- - Die Bundesregierung hat im November 2019 ihre Mobilfunkstrategie beschlossen. Ziel ist es, eine flächendeckende Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten (LTE/4G) zu bewirken. Diese stellt eine wichtige Grundlage für den weiteren Ausbau von 5G dar.
- - Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen dazu führen, dass perspektivisch 99,95 Prozent der Haushalte und 97,5 Prozent der Fläche Deutschlands versorgt werden.
- - Hierzu soll u.a. der Aufbau von bis zu 5.000 neuen Standorten in weißen Flecken mit Bundesmitteln gefördert werden. Das Ziel ist dabei die Einrichtung eines effizienten Verfahrens des Bundes, das Kommunen und Mobilfunknetzbetreiber entlastet und Unterstützung insbesondere bei der Suche nach geeigneten Standorten bietet. Eine Förderung wird nur in solchen Gebieten ausgereicht, in denen kein eigenwirtschaftlicher Ausbau und keine Aufrüstung bestehender Standorte vorgesehen sind, keine anderweitige Förderung besteht und in denen keine Versorgungsauflagen oder vertraglichen Verpflichtungen greifen. Die Eckpunkte des Förderverfahrens sind derzeit in der Abstimmung mit den anderen Ressorts. Im Anschluss werden Länder, kommunale Spitzenverbände und Unternehmen eingebunden.
- - Die Mobilfunkstrategie sieht die Gründung einer Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) vor, die nach Abschluss der dafür notwendigen formalen Schritte1 den Ausbau der Mobilfunknetze und die Durchführung des Förderprogramms unterstützen soll.
- - Teil des Maßnahmenmix der Mobilfunkstrategie ist auch die Vereinfachung der Grenzkoordinierung durch die Bundesnetzagentur. Diese regelt die Mobilfunk-Einstrahlung aus Deutschland in das angrenzende Nachbarland. Das Verfahren zur Grenzkoordinierung wurde im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens weiterentwickelt. Bislang konnten die Mobilfunkanbieter zahlreiche LTE-Stationen in den Grenzregionen nur mit eingeschränkter Leistung nutzen. Mit dem neuen Verfahren fallen diese Beschränkungen weg, sofern weiterhin die Störung ausländischer Betreiber vermieden wird. Die Mobilfunkanbieter setzen diese Maßnahmen Schritt für Schritt um. Dadurch soll sich nach Einschätzung der Netzbetreiber die Mobilfunkversorgung für etwa 780.000 Haushalte in Grenzregionen verbessern.
- - Ein schneller Ausbau von Mobilfunkstandorten bedingt in immer stärkerem Maße die Erhöhung der Akzeptanz in der Bevölkerung. Hier wird die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen neutrale Aufklärung bereitstellen.
- - Zudem dient die Bereitstellung von 100 MHz im Bereich 3,7 bis 3,8 GHz für lokale Zuteilungen der Stärkung der Industrie, des Mittelstands und der Forschung und damit der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt. Durch die Bereitstellung werden Unternehmen in die Lage versetzt, autarke und sichere 5G-Netze selbst aufzubauen, die auf die konkreten Bedürfnisse des Anwenders zugeschnitten sind. Das Antragsverfahren wurde im November 2019 gestartet.
Zu Ziffer 5
- - Im Falle der Nichterfüllung von Auflagen können bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Zwangs- und Bußgelder verhängt werden.
- - Nach Mitteilung der Bundesnetzagentur vom 10. Januar 2020 haben die Mobilfunknetzbetreiber die Frist zur Erfüllung der Auflage aus der Frequenzvergabe im Jahr 2015 zum 31. Dezember 2019 nicht eingehalten. Bis März 2020 wird die Bundesnetzagentur ihre Untersuchungen zur Umsetzung abschließen und dabei auch eruieren, welche Verzögerungen ggf. nicht durch die Mobilfunknetzbetreiber zu vertreten sind. Danach beabsichtigt die Bundesnetzagentur nach eigenen Angaben, den Unternehmen Nachfristen zur Erfüllung der Auflage zu setzen, ggf. unterteilt in mehrere Schritte.
- - Der Zwangs- und Bußgeldrahmen wurde mit dem 5. TKG ÄndG deutlich verschärft. Dieses trat am 12. Dezember 2019 in Kraft.
- - Der Zwangsgeldrahmen wurde von bis zu 500.000 Euro auf bis zu 10 Mio. Euro erhöht.
- - Bußgelder können nun in Höhe von bis zu 1 Mio. Euro oder bei juristischen Personen oder Personenvereinigungen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. Euro in Höhe von bis 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes festgesetzt werden.
Zu Ziffer 7
- - Für die Erfüllung der Auflagen und der Verträge sind insbesondere die Frequenzen unterhalb 1 GHz (Frequenzbereiche 700 MHz, 800 MHz sowie 900 MHz) geeignet, da mit diesen eine hohe Reichweite erzielt werden kann. Die Frequenzen im Bereich 700 MHz stehen seit Mitte des Jahres 2019 bundesweit zur Verfügung. Dies entspricht den Vorgaben der Vergabeentscheidung vom 28. Januar 2015 auf Grundlage des Eckpunktepapiers vom 12. Dezember 2014 (Beschluss der Regierungschefinnen und der Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin).
- - Auf europäischer Ebene beabsichtigt die Europäische Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Legislativvorschlag zur Festlegung eines neuen mehrjährigen Programms für die Frequenzpolitik vorzulegen. In dem sogenannten Radio Spectrum Policy Programme (RSPP) werden politische Leitlinien und Ziele für die strategische Planung und die Harmonisierung der Nutzung von Funkfrequenzen festgelegt werden. Das Beratergremium der Europäischen Kommission in frequenzpolitischen Fragen, die Radio Spectrum Policy Group (RSPG) wird die Arbeiten am RSPP durch eine Stellungnahme unterstützen. Wichtige Aspekte des RSPP sollen unter anderen die Bereitstellung von mindestens 12 GHz Frequenzen unter 100 GHz für drahtlose Dienste (einschließlich WLAN und 5G und darüber hinaus), eine Analyse für die Entwicklung und den Frequenzbedarf des terrestrischen Rundfunks und der PMSE (drahtlose Produktionsmittel) sowie eine mögliche Koordinierung zwischen ziviler und militärischer Frequenznutzung sein. Die Weltfunkkonferenz 2019 (WRC-19) der Internationalen Fernmeldeunion ITU hat einen Tagesordnungspunkt für die WRC-23 beschlossen, der die Überprüfung der Nutzungen der UHF-Frequenzen 470-960 MHz vorsieht. Zur WRC-23 soll geprüft werden, inwieweit die internationalen Vorgaben in der Vollzugsordnung für den Funkdienst, auch aufgrund geänderter Rundfunkinteressen, noch zeitgemäß sind. Auslöser ist die zunehmende Spektrumsnachfrage von Rundfunkanwendungen (Fernsehen und Funkmikrofone) und Mobilfunkanwendungen (öffentlicher drahtloser Netzzugang 5G/IMT, Sicherheitsbehörden einschl. Militär und Funkmikrofone). Somit steht ein umfassender nationaler, europäischer und internationaler Überprüfungsprozess bevor, der seitens der Bearbeitungen auf Ebene des Funksektors der Internationalen Fernmeldeunion (ITU-R) einem vorgegebenen Ablauf folgt. Umfangreiche technische und regulatorische Studien - die neben den Bedarfen auch die Effektivität und Effizienz der Nutzungen dieser UHF-Frequenzen belegen sollen, sowie Schutzkriterien zum Ermitteln der Funkverträglichkeit - sind erforderlich.
- - Die Bundesregierung und die Europäische Union (Europäischer Rat und Parlament) haben 2017 im Rahmen der 700 MHz-Entscheidung für den Mobilfunk zugesagt, dass zumindest bis zum Jahr 2030 das verbliebene UHF-Spektrum ohne Einschränkung für Fernsehen und drahtlose Produktionsmittel zur Verfügung stehen soll - unter Berücksichtigung von nationalem Bedarf und dem Grundsatz der Technologieneutralität.
- - Eine auf Fakten basierte, eingehende und ergebnisoffene Herangehensweise ist zu unterstützen sowie eine gesamtheitliche Betrachtung des Frequenzbereiches 470694 MHz ist zu ermöglichen, um die Grundlagen für Überlegungen an der WRC-23 zu schaffen.
Zu Ziffer 8
- - Insbesondere für den Frequenzbereich unterhalb 1 GHz existieren unterschiedliche Bedarfe aus den Bereichen wie BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben), Energie, Militär, PMSE (Programme Making and Special Events), Bahn, Rundfunk und öffentlicher Mobilfunk. Zuletzt wird auch auf die notwendige Notrufverfügbarkeit im Rahmen des eCall hingewiesen.
- - Die zukünftige Erfüllung dieser Bedarfe hängt von technologischen und internationalen Entwicklungen sowie von strategischen und wettbewerblichen Aspekten ab. Beispielsweise wird eine Übermittlung von Rundfunkinhalten über 5G erprobt (5G broadcast). Stärkere Kooperationen der Mobilfunknetzbetreiber untereinander werden u.a. durch network sharing (z.B. in Form von Multi Operator Core Network - MOCN) ermöglicht. Derzeit wird auch die Abschaltung der UMTS-Netze durch die Mobilfunknetzbetreiber geplant, voraussichtlich in den Jahren 2021/2022. Anschließend wird sich die Frage einer GSM-Grundversorgung durch einen oder mehrere Netzbetreiber über einen längeren Zeitraum stellen. Diese Entwicklungen und die sich hieraus ergebenden Fragen sollen Gegenstand einer Analyse des BMVI und der Bundesnetzagentur in den nächsten Jahren sein.
1 Die Gründung erfolgt, sobald die Voraussetzungen nach § 65 BHO erfüllt sind und die qualifizierte Haushaltssperre der Mittel durch den Bundestag aufgehoben wurde.