975. Sitzung des Bundesrates am 15. März 2019 der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Klimaschutzbericht 2018 zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung zur Kenntnis und begrüßt die kontinuierliche Berichterstattung über die nationale Emissionsentwicklung in den verschiedenen Handlungsfeldern, den Stand der Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsprogramms sowie die zu erwartenden Minderungswirkungen bis 2020.
- 2. Der Bundesrat bekräftigt, dass die Klimaschutzziele des Pariser Übereinkommens Leitlinie für eine zukunftsorientierte Klimaschutzpolitik sind. Der Bundesrat stellt fest, dass der Minderung der Treibhausgasemissionen eine gehobene Priorität einzuräumen ist und alle Anstrengungen unternommen werden müssen, dass Deutschland seinen erforderlichen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele leistet.
- 3. Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Bundesregierung im Klimaschutzbericht 2018 die Notwendigkeit bekräftigt, die im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 avisierten Minderungen der Treibhausgasemissionen tatsächlich zu erreichen.
- 4. Der Bundesrat bedauert allerdings, dass wie im Klimaschutzbericht 2018 eingeräumt wird, die angestrebten Minderungsziele für 2020 nicht erreicht werden und zu erwarten ist, dass mit den umgesetzten Maßnahmen die vorgesehene Minderung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 um circa 8 Prozentpunkte verfehlt wird.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die nationalen Klimaschutzaktivitäten zu verstärken, um das für 2020 angestrebte Treibhausgasminderungsziel zumindest zeitnah und das Ziel für 2030 mit Sicherheit zu erreichen. Der Bundesrat weist auf die anstehenden Haushaltsrisiken hin, die sich nach der EU-Lastenteilung (Effort Sharing Decision und Effort Sharing Regulation) durch nicht ausreichenden Klimaschutz auf nationaler Ebene ergeben.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, das angekündigte Klimaschutzgesetz umgehend vorzulegen, um der nationalen Klimapolitik die notwendige rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen. Im Gesetz ist ein Verfahren zu verankern, das dazu dient, erkennbare Zielverfehlungen rechtzeitig zu korrigieren. Zur Unterstützung der Klimaschutzanstrengungen in den Ländern ist im Gesetz eine Öffnungsklausel für die Landesklimaschutzgesetze aufzunehmen.
- 7. Der Bundesrat sieht es mit Blick auf das Ziel einer weitgehenden Treibhausgasneutralität für erforderlich an, das Ambitionsniveau für das Zieljahr 2050 zu konkretisieren.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" zum Ausstieg aus der Kohleverstromung verständigt hat. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die von der Kommission empfohlenen Maßnahmen nun zügig anzugehen, um Planungssicherheit zu schaffen, den Ausstieg aus der Kohleverstromung umzusetzen und den Klimaschutzzielen für 2020 noch möglichst nahe zu kommen. Das gilt insbesondere für die Maßnahmen, die auf kurze Frist einen CO₂-Minderungsbeitrag leisten sollen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, nach den Empfehlungen der Kommission unverzüglich ein entsprechendes Umsetzungsgesetz für den Einstieg in den Kohleausstieg vorzulegen und darin den Umsetzungspfad bis 2030 zu konkretisieren. Im System des Emissionshandels dadurch frei werdende Zertifikate sollen der Löschung zugeführt werden, um den damit erhofften Beitrag zum Klimaschutz sicherzustellen.
- 10. Der Bundesrat betont, dass alle Sektoren ihren Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen leisten müssen. Dabei hält der Bundesrat verstärkte Anstrengungen im Verkehrs- und Gebäudesektor für unabdingbar.
- 11. Der Bundesrat bekräftigt das dringende Erfordernis, die erneuerbaren Energien auszubauen, die Energieeffizienz zu steigern und die Kopplung der Sektoren Elektrizität, Wärme und Mobilität voranzubringen. Der Bundesrat hält eine Fortentwicklung des Systems der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiesystem für notwendig, um klimapolitische Impulse zu setzen und Hemmnisse für die Sektorkopplung zu beseitigen.
- 12. Der Bundesrat sieht insbesondere im Verkehrssektor einen deutlich gestiegenen Handlungsdruck zur Dekarbonisierung und zu notwendigen Treibhausgasemissionsreduktionen, der zudem mit erheblichen Risiken für den Bundeshaushalt durch die auf EU-Ebene beschlossene Verordnung zur Lastenteilung verbunden ist. Aus Sicht des Bundesrates muss diese Dekarbonisierung durch eine Strategie ergänzt werden, die neben der CO₂-Regulierung des Straßenverkehrs eine gezielte Steuerung der Verkehrsnachfrage und die Verkehrsverlagerung auf umweltverträgliche Verkehrsmittel wie die Schiene beinhaltet.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Zu Ziffern 1 bis 12:
Die Bundesregierung hat den Klimaschutzbericht 2018 Anfang Februar verabschiedet. Mit den Klimaschutzberichten begleitet die Bundesregierung in einem kontinuierlichen Prozess die Umsetzung der im Aktionsprogramm 2020 beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen. Der vorliegende Bericht beschreibt die aktuellen Trends der Emissionsentwicklung in den verschiedenen Handlungsfeldern, den Stand der Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsprogramms und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden Minderungswirkungen der einzelnen Maßnahmen bis zum Jahr 2020.
Bei der Weltklimakonferenz in Paris im Jahr 2015 haben sich die Vertragsstaaten erstmals auf ein Klimaschutzabkommen geeinigt, das alle Länder in die Pflicht nimmt. Mit dem Inkrafttreten und der jeweiligen Ratifizierung des Übereinkommens bekennt sich die Weltgemeinschaft völkerrechtlich verbindlich zu dem Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Auch der jüngste IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel verdeutlicht erneut die Dringlichkeit, mit der die Weltgemeinschaft handeln muss.
Die Umsetzung des Abkommens muss nun von den nationalen Regierungen vollzogen werden. Deutschland trägt als viertgrößte Industrienation der Welt eine herausragende Verantwortung für den globalen Klimaschutz und hat eine Vorbildwirkung. Um die Herausforderungen des Klimawandels erfolgreich bewältigen zu können, ist das Erreichen der internationalen und nationalen Klimaschutzziele unabdingbar. Die Dürre des Sommers 2018 in vielen Regionen von Deutschland führte beispielhaft vor Augen, welche Folgen der Klimawandel auch in Deutschland haben kann und wie wichtig deshalb eine zielgerechte Klimaschutzpolitik ist. Deutschland hat sich zum Ziel einer weitgehenden Treibhausgasneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts bekannt und dahingehend konkrete Leitbilder für die einzelnen Handlungsfelder für das Jahr 2050 entwickelt. Der Klimaschutzplan beschreibt für alle Handlungsfelder robuste transformative Pfade und unterlegt insbesondere das Minderungsziel für Treibhausgasemissionen für das Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 mit konkreten Sektorzielen, weiteren Meilensteinen und strategisch angelegten Maßnahmen.
Umso bedauerlicher ist es daher, dass die Bundesregierung im Klimaschutzbericht 2018 einräumen muss, dass die angestrebten Minderungsziele bei den Treibhausgasemissionen 2020 nicht erreicht werden. Für das Jahr 2020 ist eine Minderung an Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990 um 40 Prozent vorgesehen, der Klimaschutzbericht geht jedoch nur von einer Minderung um 32 Prozent aus.
Es sind die Anstrengungen zu intensivieren, die Ziele des eigenen Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 zu erreichen. Das von der Bundesregierung angekündigte Klimaschutzgesetz ist daher umgehend vorzulegen, um der nationalen Klimapolitik die notwendige rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen.
Der Klimaschutzbericht 2018 betrachtet die Entwicklung der Emissionen in den einzelnen Sektoren. Hier zeigt sich, dass im Bereich Verkehr die Emissionen seit dem Jahr 2010 wieder kontinuierlich zunehmen und im Jahr 2016 sogar das Niveau von 1990 wieder leicht überschritten haben. Diese Entwicklung unterstreicht die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Minderung der Emissionen im Verkehrsbereich.
Bereits heute gibt es verbindliche Zielvorgaben der Europäischen Union für die Bundesrepublik Deutschland.
Zu ihnen hat sich die Bundesrepublik bekannt und sie zwingen zu verstärkten Klimaschutzaktivitäten. Die Vereinbarungen zur Lastenteilung in der Europäischen Union (Effort Sharing Decision und Effort Sharing Regulation) sehen für die Sektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen (sog. Non-ETS-Bereich), für 2020 und 2030 verbindliche Ziele vor. Im Rahmen der Effort Sharing Decision (ESD) hat Deutschland zugesagt, seine Emissionen im Non-ETS-Bereich bis 2014 um 14 Prozent gegenüber 2005 zu mindern. Hierunter fallen insbesondere die Treibhausgasemissionen aus Verkehr, Gebäuden, Landwirtschaft und kleineren Industrieanlagen. Entsprechend der Effort Sharing Regulation (ESR) muss Deutschland seine Emissionen im Non-ETS-Bereich bis 2030 um 38 Prozent senken. Ein Verfehlen der Ziele hätte konkrete finanzielle Auswirkungen. Gelingt es Deutschland nicht, diese Ziele einzuhalten, muss Deutschland von anderen EU-Staaten Emissionsrechte erwerben. Hier drohen bei Zielverfehlung mittelfristig finanzielle Verpflichtungen in Milliardenhöhe.
Die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" hat ihren Abschlussbericht am 31. Januar 2019 der Bundesregierung übergeben. Die Kommissionsmitglieder verabschiedeten den Bericht mit breiter Mehrheit von 27 : 1 Stimmen. Die Kommission unterbreitet eine Reihe von Empfehlungen zum Ausstieg aus der Kohleverstromung und darüber hinaus. Das vereinbarte Ausstiegsdatum und der noch unkonkrete Umsetzungspfad bis 2030 gefährden eine über die Jahre notwendige kumulierte CO₂-Reduktion des Energiesektors. Daher ist eine klare Beschreibung des Ausstiegpfads von 2023 bis 2029 erforderlich, der mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist.