Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 0153 - vom 18. Januar 2006.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 1. Dezember 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Vorbereitungen für die Sechste Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation in Hongkong
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Oktober 2005 zur Doha-Entwicklungsagenda der WTO,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Mai 2005 zur Bewertung der Doha-Runde nach dem Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 1. August 20041,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den WTO-Ministerkonferenzen, insbesondere die vom 25. Oktober 20012 und vom 3. Juli 20033,
- - unter Hinweis auf den Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 1. August 2004 zum Arbeitsprogramm von Doha,
- - unter Hinweis auf die von der Ministerkonferenz der WTO am 14. November 2001 in Doha angenommene Erklärung,
- - unter Hinweis auf die Ergebnisse der November-Tagung 2004 der Parlamentarischen Konferenz zur WTO, die von der Interparlamentarischen Union und dem Europäischen Parlament gemeinsam organisiert wurde,
- - unter Hinweis auf den EG-Vertrag, insbesondere die Artikel 36, 27 und 133,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das in der WTO verankerte multilaterale Handelssystem in den vergangenen fünfzig Jahren entscheidend zu Wirtschaftswachstum, Entwicklung und Beschäftigung beigetragen hat, dass die entsprechenden Vorteile jedoch - insbesondere für viele Entwicklungsländer - ungleich verteilt waren,
B. in der Erwägung, dass der internationale Handel bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Abbau der Armut eine wichtige Rolle spielen kann und dass die WTO-Minister anerkannt haben, dass alle Völker von den gestiegenen Chancen und vom steigenden Wohlstand profitieren müssen, die das multilaterale Handelssystem schaffen kann, sowie sich verpflichtet haben, die Bedürfnisse und Interessen der Entwicklungsländer - insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder - in den Mittelpunkt des Doha-Arbeitsprogramms zu stellen; mit der Feststellung, dass in diesem Zusammenhang ein besserer Marktzugang, ausgewogene Regeln sowie zielgerichtete und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattete Programme für technische Hilfe und Kapazitätsaufbau eine wichtige Rolle spielen müssen,
C. in der Erwägung, dass der Allgemeine Rat am 1. August 2004 die Ministererklärungen und -beschlüsse von Doha sowie das umfassende Engagement aller Mitglieder bekräftigte, diese in die Praxis umzusetzen, und einen Verhandlungsrahmen vorgab, um das Doha-Arbeitsprogramm voll und ganz zu verwirklichen und die in Doha eingeleiteten Verhandlungen erfolgreich abzuschließen,
D. in der Erwägung, dass der wirtschaftliche Fortschritt in den Entwicklungsländern Hauptziel der Doha-Entwicklungsagenda ist und dieses Ziel Richtschnur für alle Bereiche der Verhandlungen sein sollte, um echte und nachhaltige Entwicklungsergebnisse zu erzielen, sowie in der Erwägung, dass die sich aus den Verhandlungen ergebenden wirtschaftlichen Nettovorteile insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern zugute kommen müssen, um die Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele voranzubringen,
E. unter Hinweis darauf, dass ein erfolgreiches Ergebnis durch zusätzliche Chancen für die EU-Exporteure in einer wohlhabenderen und offeneren Weltwirtschaft und durch die Vorteile einer stabileren Welt zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu Wachstum und Sicherheit in Europa beitragen wird,
Allgemeine Aspekte
- 1. hält es für wesentlich, dass die Doha-Runde erfolgreich abgeschlossen wird, damit das multilaterale Handelssystem gestärkt wird, um so Fortschritt und eine harmonische Entwicklung der Weltwirtschaft zu sichern; bekräftigt, dass es nachdrücklich dafür eintritt dass die Entwicklung in den Mittelpunkt der Doha-Agenda gestellt wird, und betont dass die Verhandlungen im Dienste der Beseitigung der Armut und einer gerechteren Verteilung der Vorteile der Globalisierung stehen müssen; bedauert, dass bei den Verhandlungen im Vorfeld von Hongkong kaum Fortschritte erzielt wurden;
- 2. fordert die Kommission und die anderen Handelspartner auf, das ehrgeizige Programm der Doha-Entwicklungsagenda unter umfassender Achtung der Entwicklungsdimension zu respektieren; ist tief besorgt darüber, dass ein Scheitern gravierende und nachteilige Auswirkungen auf das multilaterale Handelssystem hätte; fordert daher eine konstruktive sechste Ministerkonferenz in Hongkong, um einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Entwicklungsagenda im Jahr 2006 vorzubereiten;
- 3. betont, dass das Ergebnis der Doha-Entwicklungsagenda ausgewogen sein und Verpflichtungen in jedem entscheidenden Sektor der Doha-Runde beinhalten muss;
- 4. fordert alle Beteiligten, insbesondere alle entwickelten und fortgeschritteneren Länder, auf ihren Verantwortlichkeiten im Vorfeld von Hongkong gerecht zu werden, um die Runde einem erfolgreichen Abschluss näher zu bringen, wobei alle Parteien die Anstrengungen unternehmen sollten, die mit ihrem Entwicklungsstand und ihrer Verhandlungsposition vereinbar sind;
Landwirtschaft
- 5. erinnert daran, dass das in Hongkong für den Bereich Landwirtschaft angestrebte Ergebnis die stufenweise, von allen entwickelten WTO-Mitgliedern parallel betriebene Einstellung aller Exportsubventionen beinhalten muss, auch derjenigen in Form von Nahrungsmittelhilfe oder durch Staatshandelsunternehmen und der sonstigen Ausfuhrsubventionen;
- 6. betont, dass ferner ein erheblicher Abbau der handelsverzerrenden internen Stützungsmaßnahmen sowie eine beträchtliche Verbesserung beim Marktzugang notwendig sind; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Unterstützung für die GAP-Reform;
- 7. unterstreicht, dass der Ansatz eines multifunktionalen Charakters der Landwirtschaft in der Europäischen Union in den Handelsverhandlungen respektiert werden sollte; bekräftigt dass die EU weiter mit Nachdruck nichthandelsbezogene Anliegen verfolgt, um die Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit, den Umweltschutz, die Arbeitsplätze im ländlichen Raum und die Entwicklung zu sichern;
- 8. fordert, dass in der laufenden Runde eine effektive Anerkennung geografischer Angaben als Faktor der regionalen Entwicklung sowie als Mittel zur Aufrechterhaltung der kulturellen Traditionen erreicht wird;
- 9. fordert nachdrücklich, dass unter uneingeschränkter Achtung der Grundsätze der Doha-Entwicklungsrunde eine Lösung für empfindliche Erzeugnisse gefunden werden muss; fordert dass eine wirksame Lösung für Baumwolle gefunden wird; unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass alle ausfuhrrelevanten Beihilfen für Baumwolle in den entwickelten Ländern bis Ende 2010 abgeschafft werden müssen, und fordert insbesondere die Vereinigten Staaten auf, der EU bei der Reform ihres Baumwollmarkts zu folgen;
Marktzugang für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse (NAMA)
- 10. unterstreicht, dass die WTO-Verhandlungen über den Marktzugang für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse möglichst rasch beschleunigt werden sollten, da die Handelshemmnisse zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern, aber auch zwischen den Entwicklungsländern selbst ein Hindernis für eine nachhaltige Entwicklung sind; erachtet es im Hinblick auf eine weitere allmähliche Süd-Süd-Marktöffnung als unerlässlich, dass die fortgeschritteneren Länder die Verantwortung übernehmen ihre Märkte für die am wenigsten entwickelten Länder zu öffnen; vertritt die Ansicht, dass das Problem der Aushöhlung von Präferenzen ebenfalls angegangen werden sollte;
- 11. besteht darauf, dass die im Rahmen der NAMA-Verhandlungen zu beschließende Formel den vereinbarten Grundsatz einer weniger als völligen Gegenseitigkeit ("lessthanfullreciprocity") und die Lage in den Entwicklungsländern in vollem Umfang widerspiegelt die im Allgemeinen hohe Industriezölle anwenden, die den Haushalten beträchtliches Einkommen bescheren; betont, dass die Formel einen angemessenen Schutz der im Werden begriffenen Industrien ermöglichen, die Industrialisierung und die wirtschaftliche Diversifizierung fördern und die Arbeitsplätze sichern muss, insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder;
- 12. stellt fest, dass es von strategischer Bedeutung ist, dass alle Handelspartner, sofern dies gerechtfertigt ist, auch ihre nichttarifären Handelshemmnisse beseitigen, da sie den Marktzugang behindern, was sogar in noch stärkerem Maße der Fall sein könnte, wenn die tarifären Hemmnisse weiter abgebaut werden;
Dienstleistungen
- 13. erkennt an, dass die Ministerkonferenz von Hongkong die Grundlagen für ein ehrgeiziges Abkommen über den Dienstleistungshandel festlegen muss, mit der einerseits der Marktzugang für Dienstleistungserbringer aus der EU verbessert und andererseits die Fähigkeit aller Mitglieder der WTO zur Regelung ihrer Dienstleistungssektoren im Einklang mit dem GATS-Abkommen gewahrt wird; stellt fest dass die EU ein starkes Interesse an der Ausweitung der Exportmöglichkeiten für Dienstleistungsanbieter hat; ist der Ansicht, dass in diesem Bereich, allerdings vorbehaltlich der Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungswesen sowie im audiovisuellen Sektor, wesentliche Fortschritte erzielt werden müssen;
- 14. fordert die entwickelten und die in einer raschen Entwicklung begriffenen WTO-Mitglieder dringend auf, das gleiche Engagement zu zeigen wie die EU mit ihrem revidierten Angebot vom Januar 2005 und entsprechende Angebote vorzulegen; betont, dass angesichts der bisherigen mangelnden Fortschritte in den Doha-Verhandlungen ergänzende Konzepte für eine weitere Marktöffnung für Dienstleistungen geprüft werden sollten, wobei die Interessen der am wenigsten entwickelten Länder berücksichtigt werden müssen; fordert eine stärkere Transparenz der GATS-Verhandlungen;
Entwicklungsfragen
- 15. ist der festen Auffassung, dass der Handel gekoppelt mit Beihilfen und Schuldenerlass für die Erreichung der Millenniumsziele 2015 von wesentlicher Bedeutung ist; fordert daher konkrete Ergebnisse in Bezug auf die Entwicklungsaspekte der Doha-Runde, die bereits während der Ministerkonferenz in Hongkong erzielt werden müssen; ist der Ansicht, dass die Verwirklichung der differenzierten Sonderbehandlung integraler Bestandteil der WTO-Abkommen sein sollte;
- 16. fordert alle entwickelten Länder auf, ihre Märkte durch einen zoll- und quotenfreien Zugang für alle Waren aus den am wenigsten entwickelten Ländern zu öffnen, wie es die Europäische Union, insbesondere im Zuge der "Everything but Arms"-Initiative, bereits getan hat; unterstützt uneingeschränkt die Idee einer "Freirunde" für die am wenigsten entwickelten und anfälligen Länder; betont, dass dies wichtige Impulse für den Nord-Süd-Handel bringen würde;
- 17. betont, dass die am wenigsten entwickelten Länder niemals in der Lage sein werden, Vorteile aus einer Öffnung der Märkte der entwickelteren Länder zu ziehen, sofern diese Maßnahmen nicht von handelsbezogener technischer Hilfe flankiert sind;
- 18. fordert ein kohärentes Verfahren für "Handelshilfe" für Entwicklungsländer, die Unterstützung für den Aufbau der nötigen Kapazitäten brauchen werden, um Nutzen aus den Verbesserungen beim Marktzugang und bei den Handelsregeln zu ziehen, und auch um sie zu befähigen, ihre Produktionsgrundlagen zu diversifizieren, Zolleinkünfte durch andere steuerliche Einnahmen zu ersetzen und die in der WTO eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen;
- 19. fordert umgehend eine dauerhafte Lösung im Bereich TRIPs (Handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum) und TRIMS (Handelsbezogene Investitionsmaßnahmen), um Ländern, die selbst keine Arzneimittel herstellen können und mit Problemen der öffentlichen Gesundheit kämpfen, Zugang zu Arzneimitteln zu ermöglichen
Weitere Themen
- 20. fordert die Ministerkonferenz von Hongkong auf, substanzielle Fortschritte auch in mehreren weiteren Bereichen zu erzielen; betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, den Handel zu erleichtern, um den Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen den Ländern, insbesondere den Entwicklungsländern, auszuweiten fordert nachdrücklich eine Vereinfachung der Zollverfahren und einen umfangreichen Abbau der diesbezüglichen Bürokratie;
- 21. betont die Bedeutung konkreter Ergebnisse hinsichtlich stabilerer multilateraler Vorschriften in Bezug auf Antidumping, Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, wobei die Bedürfnisse der Entwicklungsländer und der am wenigsten entwickelten Länder zu berücksichtigen sind; fordert Fortschritte in Bezug auf TRIPs sowie Maßnahmen gegen Fälschungen und Piraterie; ist der Ansicht, dass die Verwirklichung dieser Zielsetzungen das multilaterale Handelssystem stärken wird;
- 22. weist nachdrücklich darauf hin, dass auch nichthandelsbezogene Anliegen wie soziale, ökologische und kulturelle Fragen in die Doha-Runde einbezogen werden müssen; betont dass die Unterstützung der Bürger in den Mitgliedstaaten der WTO für die Fortschritte in Hongkong negativ beeinflusst werden könnte, wenn in den Handelsverhandlungen nicht über die Bereiche Beschäftigung und Soziales diskutiert wird;
- 23. fordert, dass im Rahmen der Verhandlungen über Handel und Umwelt geeignete Verfahren eingeführt werden, um zu gewährleisten, dass alle Handelsregeln voll und ganz den handelsbezogenen Maßnahmen entsprechen, die in den multilateralen Umweltabkommen (MEA) vorgesehen sind;
WTO-Reform und Transparenz
- 24. fordert die Kommission auf, es vor und während der Ministerkonferenz in Hongkong sowie im gesamten Verlauf der Verhandlungen umfassend zu informieren und mit ihm einen regelmäßigen Dialog über die wesentlichen Aspekte des EU-Verhandlungsmandats zu führen; erinnert daran, dass am Ende der Uruguay-Runde das Recht erlangt wurde, die Festschreibung der Ergebnisse nachfolgender Runden der Zustimmung des Europäischen Parlaments zu unterwerfen;
- 25. betont, wie wichtig es ist, die öffentliche und politische Unterstützung für das multilaterale Handelssystem der WTO aufrechtzuerhalten; unterstreicht, dass eine bessere Information der Öffentlichkeit und eine Debatte über die Reform der WTO dringend notwendig sind;
- 26. fordert nachdrücklich die dringend notwendige WTO-Reform, unter anderem eine Verbesserung der Verhandlungsverfahren, um Effizienz und Transparenz zu steigern und ein gewisses Maß an Konsens zwischen den WTO-Mitgliedern zu erreichen; betont ferner die Bedeutung einer Reform des WTO-Streitbeilegungsmechanismus;
- 27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem Generaldirektor der WTO zu übermitteln.
1 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0182.
2 ABl. C 112 E vom 9.5.2002, S. 321.
3 ABl. C 74 E vom 2.3.2004, S. 861.