Der Präsident des Senats Bremen, den 17. Februar 2011
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden Entschließungsantrag Entschließung des Bundesrates zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft mit der Bitte um Beschlussfassung zuzuleiten.
Ich bitte Sie, gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung in den Ausschüssen zu veranlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Böhrnsen
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert wird sowie bestehende Diskriminierungen wegen des Geschlechts im Arbeitsleben beseitigt und künftige verhindert werden. Es sind klare und wirksame gesetzliche Regelungen zu schaffen, die Unternehmen der Privatwirtschaft in die Pflicht nehmen, jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu unterlassen und darüber hinaus durch positive Maßnahmen die Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb durchzusetzen.
Der Gesetzentwurf soll sich an folgenden Eckpunkten ausrichten:
- - Verpflichtung der Betriebe, durch Gleichstellungsprogramme oder andere Maßnahmen die Chancen- und insbesondere die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten.
- - Positive und zielgerichtete Maßnahmen der Arbeitgeber zur Förderung der Beschäftigung von Frauen in denjenigen Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind.
- - Bei der Vergabe von Praktikums- und Ausbildungsplätzen sollen geschlechtsspezifische Diskriminierungen vermieden werden.
- - Verpflichtung zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen mit überprüfbaren Zeit- und Zielvorgaben und Einführung einer 40 % Frauen-Quote für Aufsichtsräte.
- - Verpflichtung zur Förderung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit durch Schaffung von familiengerechten Arbeitsbedingungen. Anpassung von Arbeitszeit und Präsenzpflichten an die Erfordernisse der Kinderbetreuung und Pflegebedürftigkeit von Angehörigen.
- - Verbesserung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben. Dazu gehören Dokumentationspflichten des Arbeitgebers über Maßnahmen der Entgeltgleichheit, der Beschäftigung von Frauen sowie Nachweise der Frauenquote in Führungspositionen.
- - Unbürokratische Kontrollen, z.B. durch Betriebsräte oder betriebliche Frauenbeauftragte, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
- - Prüfung eines Verbandklagerechts.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (AGG) regelt den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung durch den Arbeitgeber in der Privatwirtschaft. Demgegenüber richtet sich das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG) vom 30.11.2001 an den öffentlichen Arbeitgeber. Fast zehn Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes und nach nunmehr vier Jahren Erfahrung mit dem AGG ist festzustellen, dass es in der Privatwirtschaft noch immer große Defizite gibt. Trotz vielfältiger Bemühungen der damaligen Bundesregierung und der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft ab 2001, die Chancengleichheit von Frauen und Männern durch freiwillige Vereinbarungen zu fördern, ist das Ergebnis unbefriedigend.
Auch heute noch beträgt der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern in Deutschland 23,2 % (Tendenz steigend). Überwiegend sind es Frauen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind und in sog. prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Frauen in Führungspositionen sind immer noch in der Minderheit. Das klassische Rollenverhältnis zwischen Männern und Frauen ist nicht aufgebrochen. Die äußeren Rahmenbedingungen müssen geändert werden, um die Entgelt- und Chancengleichheit von Frauen durchzusetzen. Es besteht dringender Handlungsbedarf auf gesetzgeberischer Ebene.
Deshalb muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz weiterentwickelt werden. Dabei kann die Übernahme bestimmter Grundsätze des Bundesgleichstellungsgesetzes hilfreich sein. Die freiwilligen Vereinbarungen der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft können ebenfalls als Vorbild dienen, um in der Privatwirtschaft weitere Standards gesetzlich festzuschreiben, damit die Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben voran gebracht wird.
Dazu gehört beispielsweise eine Verpflichtung der Betriebe, durch Gleichstellungsprogramme oder andere betriebliche Maßnahmen die Chancen- und Entgeltgleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten. Entgeltgleichheit meint damit die Entlohnung sowohl für gleiche als auch für gleichwertige Arbeit. Die Lohnmesssysteme eines Betriebes sind kritisch auf unmittelbare und mittelbare Diskriminierung hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Arbeitgeber sind zu verpflichten, sich durch geeignete Maßnahmen Klarheit über die bestehenden Entgeltstrukturen in ihrem Betrieb zu verschaffen.
Entsprechend den Regelungen im BGleiG muss es selbstverständlich bzw. verpflichtend werden, Frauen durch positive und zielgerichtete Maßnahmen in denjenigen Bereichen eines Betriebes zu fördern, in denen sie unterrepräsentiert sind.
Arbeitgeber sollen bei der Bereitstellung von Praktikums- und Ausbildungsplätzen verstärkt darauf achten, dass keine geschlechtsspezifische Diskriminierung erfolgt.
Die Arbeitgeber sind zu verpflichten, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Durch gezielte Maßnahmen ist die Gleichstellungskompetenz und -motivation von Führungskräften zu fördern. Auch in Führungspositionen dürfen Frauen nicht benachteiligt werden, indem sie schlechter als vergleichbare männliche Kollegen bezahlt werden.
Die betrieblichen Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der Chancengleichheit von Frauen und Männern müssen verbessert werden. Mit der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schaffung von familiengerechten Arbeitsbedingungen muss unter Berücksichtigung des betrieblich Machbaren ein entsprechender gesetzlicher Anspruch der betroffenen Arbeitnehmerin bzw. des betroffenen Arbeitnehmers korrespondieren. Unter besonderer Berücksichtigung der Situation alleinerziehender Mütter und Väter sind kinder- und familienfreundliche Arbeitszeiten und Präsenzpflichten zu gewähren. Der Arbeitgeber soll möglichst positive Maßnahmen und Initiativen entwickeln mit dem Ziel, männlichen und weiblichen Beschäftigten gleichermaßen die Übernahme von Familienarbeit zu ermöglichen.
Die bestehenden individuell ausgestalteten Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes reichen für eine wirksame Durchsetzung der Chancen- und insbesondere Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nicht aus. Es ist deshalb erforderlich, den Arbeitgeber gesetzlich zu verpflichten, sich durch systematische Maßnahmen Kenntnis von der Beschäftigten- und Entgeltstruktur in seinem Betrieb zu verschaffen und diese in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren.
Eine solche Dokumentation kann als Nachweis und Grundlage für eine gerichtliche Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen dienen.
Den betrieblichen Interessenvertretungen und den jeweiligen Frauenbeauftragten sollte es ermöglicht werden, die Einhaltung der Dokumentationspflichten des Arbeitgebers durch unbürokratische Kontrollen zu überprüfen. Dabei sollte auch eine mögliche Einbeziehung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach § 25 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geprüft werden.
Darüber hinaus ist zu prüfen, ob flankierend ein Verbandsklagerecht für bestimmte Interessenverbände eingeführt werden sollte, um die Durchsetzung der Pflichten des Arbeitgebers zu verbessern.
Gewerkschaften, aber auch Verbände, die satzungsgemäß die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter zum Ziel haben, könnten gegebenenfalls berechtigt werden, die Einhaltung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft aus eigenen Rechten zu überwachen und gerichtlich einzufordern.