A
Der Finanzausschuss (Fz) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bekräftigt die Notwendigkeit, die gesundheitliche Prävention in Deutschland zu fördern. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das von der Bundesregierung konkret vorgelegte Regelwerk.
Der Bund beruft sich auf seine Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung sowie für Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten (konkurrierende Gesetzgebung). Der Gesetzentwurf selbst nennt als Zweck, die Gesundheit durch gesundheitliche Aufklärung und Beratung zu fördern. Die Kompetenz des Bundes in Fragen der Gesundheit ist nicht umfassend, sondern insbesondere auf die eng umgrenzten Bereiche Sozialversicherung und Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten beschränkt. Allgemeine Gesundheitsprävention fällt damit in die originäre Zuständigkeit der Länder.
- 2. Dem Bund fehlt es also für wesentliche Teile des Gesetzes an der Gesetzgebungskompetenz.
- 3. Die Gesetzgebungskompetenz für Fragen der Sozialversicherung ist überschritten, weil der Regelungsgegenstand die Angelegenheiten der Solidargemeinschaft von Versicherten und Arbeitgebern verlässt und Gesundheitsprävention zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklärt.
Auch die Kompetenz für Maßnahmen zum Schutz vor gemeingefährlichen Krankheiten reicht nicht aus. Hiervon wären lediglich Präventionsmaßnahmen gegen lebensbedrohliche Erkrankungen (z.B. Krebsvorsorge, Impfungen gegen schwerste Infektionskrankheiten) gedeckt, nicht jedoch die Prävention gegen Krankheiten und die Förderung gesundheitsförderlicher Lebensweisen schlechthin, wie das Gesetz sie regeln will.
Nicht nachvollziehbar ist die Aussage in der Gesetzesbegründung, die Länder würden nicht beabsichtigen, eigene Landesgesetze zur Prävention zu erlassen. Auf eine solche "Momentaufnahme" kommt es bei der Frage nach der Gesetzgebungskompetenz nicht an.
Der Bundesrat erinnert an seine Entschließung vom 28. November 2003 zum Präventionsgesetz (BR-Drucksache 780/03(Beschluss) ). Er ist der Auffassung, dass der Bund aus den oben genannten Gründen für die Errichtung der in Artikel 2 vorgesehenen bundesunmittelbaren Stiftung "Prävention und Gesundheitsförderung" mit diesem Aufgabenbereich auch keine verfassungsrechtliche Kompetenz hat. Die Kompetenz der Länder darf nicht durch eine bundesunmittelbare rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts in diesem Bereich ausgehöhlt werden.
- 4. Der Bundesrat hat in seiner Entschließung (BR-Drucksache 780/03(Beschluss) ) festgestellt, dass keine zusätzlichen Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden dürfen. Dem wird der Gesetzentwurf insoweit nicht gerecht, als neben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine bundesunmittelbare rechtsfähige "Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" im Bereich der Prävention neu errichtet werden soll. Die Kosten, die den Ländern für den Aufbau der erforderlichen Verwaltungsstrukturen zur Erledigung der neuen Organisations- und Kontrollaufgaben und für die Erfüllung der neuen Berichtspflichten entstehen, müssen in nachvollziehbarer Weise dargelegt werden.
- 5. Ferner enthält der Gesetzentwurf Mehrbelastungen für die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Solche Belastungen - auch nur in geringem Umfang - sind in der jetzigen konjunkturellen Situation zu vermeiden.
- 6. Der Gesetzentwurf weist zahlreiche Überregulierungen auf, die nicht mit dem Ziel des Bürokratieabbaus übereinstimmen. Beispielhaft ist hier die Regelung zur Gesundheitsförderung in "Lebenswelten" (Artikel 1 § 17 PrävG-E) zu nennen.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Gesetzentwurf einer grundsätzlichen Überarbeitung bedarf. Daher sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren den vorstehenden Bedenken und den nachfolgenden Empfehlungen* Rechnung getragen werden.
- 8. Zu Artikel 1 (§ 9 Abs. 3 Satz 1,
§ 20 Abs. 5 Satz 1 PrävG) und
Artikel 15 (Überschrift, Absatz 1 Satz 2 - neu - Inkrafttreten)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
aa) § 9 Abs. 3 Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
Die Gesundheitsberichte werden erstmals zum 1. Juli 2009 erstellt.
bb) In § 20 Abs. 5 Satz 1 ist das Wort "fünf" durch das Wort "drei" zu ersetzen.
- b) Artikel 15 ist wie folgt zu ändern:
aa) Der Überschrift sind die Wörter "und Befristung" anzufügen. bb) Dem Absatz 1 ist folgender Satz anzufügen:
Es ist bis zum 31. Dezember 2010 befristet.
Bei Ablehnung der Ziffern 8 bis 12 wird der Klammerinhalt gestrichen.
Begründung
Eine "Ewigkeitsgarantie" für das Gesetz wäre im Hinblick auf die Effektivität und die Effizienz gesundheitlicher Präventionsmaßnahmen kontraproduktiv.
Die Befristung soll bewirken, dass das Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention vor Ablauf der Befristung daraufhin überprüft wird, ob es unverändert oder verändert weitergelten oder aber entfallen soll. Intention dieser Befristung ist es, dass vor deren Ablauf nicht nur allein über eine Verlängerung der Geltungsdauer entschieden wird, sondern dass das vorgeschlagene Gesetz auch auf Grund einer Evaluierung prinzipiell vollständig überprüft wird. Damit soll auch dem Aufbau neuer bürokratischer Strukturen entgegengewirkt werden.
Schließlich besteht auch in der Finanzwissenschaft einhelliger Konsens, dass es auf Grund der Notwendigkeit zu einer nachhaltigen Finanzpolitik angebracht ist, neue, ausgabewirksame Gesetzesbeschlüsse im Sinne einer "sunset legislation" zeitlich zu befristen.
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- 9. Zu Artikel 1 (§ 23 PrävG)
In Artikel 1 ist § 23 zu streichen.
Folgeänderungen:
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
aa) § 8 Satz 3 ist zu streichen.
bb) In § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 sind jeweils die Wörter "nach § 23" zu streichen.
cc) In § 19 Abs. 3 Satz 4 sind die Wörter "nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1" zu streichen.
- b)
In Artikel 6 Nr. 6 sind in § 20 Abs. 2 Satz 1,
in Artikel 7 Nr. 7 sind in § 12a Abs. 2 Satz 1,
in Artikel 10 Nr. 5 sind in § 45e Abs. 2 Satz 1 und
in Artikel 13 Nr. 7 sind in § 9a Abs. 2 Satz 1jeweils die Wörter "nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Präventionsgesetzes" zu streichen.
- c) In Artikel 10 Nr. 6 Buchstabe a sind in § 66 Abs. 2 die Wörter "nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 3 und 5 des Präventionsgesetzes" zu streichen.
- d) In Artikel 15 Abs. 2 ist die Angabe " § 23 Abs. 1 bis 5," zu streichen. Begründung
Bei der Prävention handelt es sich - wie im Gesetzentwurf dokumentiert (vgl. Artikel 1 § 6 PrävG-E) - um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Vorgesehen ist, dass die Sozialversicherung nahezu allein die Prävention finanziert. Eine Finanzierung von Maßnahmen aus Beitragsmitteln kann nur bei eindeutigem Versichertenbezug gerechtfertigt sein, z.B. im Bereich des Arbeitsschutzes, der betrieblichen Gesundheitsförderung und bei Maßnahmen der Individualprävention. Aufgabe der Sozialversicherung ist es, den Versicherten einen risikounabhängigen Schutz vor finanzieller Überforderung bei Eintritt bestimmter Versicherungsfälle zu geben (z.B. Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsunfähigkeit). Die nach dem Gesetzentwurf aus Beitragsmitteln finanzierten Maßnahmen - z.B. für Kampagnen - kommen der gesamten Bevölkerung zugute, ohne dass alle Bürger an der Finanzierung beteiligt wären. Insoweit muss eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung erfolgen. Darüber hinaus ist aus diesem Grunde eine Beteiligung der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu prüfen.
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- 10. Zu Artikel 1 (§ 24 PrävG)
In Artikel 1 ist § 24 zu streichen.
Als Folge sind in Artikel 15 Abs. 3 die Wörter "Artikel 1 § 24 und Artikel 14 treten" durch die Wörter "Artikel 14 tritt" zu ersetzen.
Begründung
Die Verpflichtung zur Verausgabung ohne Rücksicht auf den bestehenden Bedarf widerspricht der besonderen Verantwortung der Sozialversicherungsträger zur Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
- 11. Zu Artikel 2 (PrävStiftG)
Artikel 2 ist zu streichen.
Folgeänderungen:
- a) In Artikel 1 sind
- - § 7 Nr. 5,
- - § 8 Satz 4,
- - § 11,
- - § 12,
- - § 14 Abs. 2 und 3,
- - § 17 Abs. 3 Satz 2, Abs. 7 und 8,
- - § 20 Abs. 3 und 4,
- - § 22,
- (- § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 3,)* (- § 24 Abs. 2 Satz 3,)**
- - § 25 Satz 2 zweiter Halbsatz sowie
- - § 26 Abs. 2
zu streichen.
- b) In Artikel 3 sind
- - § 6 Abs. 2 Satz 2 sowie
- - § 11 Abs. 1
zu streichen.
- c) Artikel 4 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Nummer 2 sind in § 20 Abs. 2 die Wörter "sowie die Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" zu streichen.
bb) Nummer 7 ist zu streichen.
- d) In Artikel 6 Nr. 6 sind in § 20b Abs. 2 Satz 1 die Wörter "und deren Teilziele nach § 11 des Präventionsgesetzes sowie die Qualitätsstandards nach § 20 Abs. 3" zu streichen.
* Der Klammerinhalt entfällt bei Annahme von Ziffer 9
** Der Klammerinhalt entfällt bei Annahme von Ziffer 10 - e) Artikel 7 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Nummer 3 sind in § 8a die Wörter "und beteiligt sich an der Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" zu streichen.
bb) In Nummer 7 sind in § 12a Abs. 2 Satz 2 die Wörter "und deren Teilziele nach § 11 des Präventionsgesetzes sowie die Qualitätsstandards nach § 20 Abs. 3" zu streichen.
- f) Artikel 10 ist wie folgt zu ändern: aa) Nummer 5 ist wie folgt zu ändern:
- aaa) In § 45d sind die Wörter "und beteiligen sich an der Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" zu streichen.
- bbb) In § 45e Abs. 2 Satz 2 sind die Wörter "und deren Teilziele nach § 11 des Präventionsgesetzes sowie die Qualitätsstandards nach § 20 Abs. 3" zu streichen.
bb) Nummer 6 ist zu streichen.
- g) Artikel 13 ist wie folgt zu ändern:
aa) In Nummer 3 sind in § 6a die Wörter "und beteiligt sich an der Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" zu streichen.
bb) In Nummer 7 sind in § 9a Abs. 2 Satz 2 die Wörter "und deren Teilziele nach § 11 des Präventionsgesetzes sowie die Qualitätsstandards nach § 20 Abs. 3" zu streichen.
Begründung
Mit der Gründung einer Stiftung Prävention wird eine neue Präventionsbürokratie aufgebaut. Die Kosten der Sozialversicherungsträger für die Stiftung betragen jährlich 50 Millionen Euro. Die Aufgabe der Stiftung kann von einer Arbeitsgemeinschaft der Sozialversicherungsträger erfüllt werden. So ließe sich ein großer Teil der Mittel einsparen, die Aufgabe würde erfüllt und die Zusammenarbeit zwischen den Sozialversicherungsträgern würde verbessert werden.
Hilfsempfehlung zu Ziffer 11
- a) In Artikel 1 sind
- 12. Zu Artikel 2 (§ 1 PrävStiftG)
In Artikel 2 § 1 ist das Wort "Berlin" durch das Wort "Jena" zu ersetzen.
Begründung
Die Unabhängige Föderalismuskommission von Deutschem Bundestag und Bundesrat hat am 27. Mai 1992 zur Verlagerung von Bundesinstitutionen folgenden Beschluss mit Zweidrittelmehrheit gefasst:
- "Neue Bundeseinrichtungen und -institutionen sind grundsätzlich in den neuen Ländern anzusiedeln" (vgl. BR-Drucksache 450/92 und BT-Drucksache. 012/2853 (neu) Abschnitt II. Nr. 1).
Vor dem Hintergrund dieses Beschlusses wird "Jena" als Sitz der rechtsfähigen bundesunmittelbaren "Stiftung, Prävention und Gesundheitsförderung" vorgeschlagen.
Die fachlichen Voraussetzungen für den Standort Jena können als sehr gut bezeichnet werden:
Eine besondere Kompetenz der Region Jena bildet die außerordentlich breit gefächerte Wissenschaftslandschaft mit dem Institut für Molekulare Biotechnologie e. V., dem Hans-Knöll-Institut für Naturstoff-Forschung e. V., dem Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie, dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie sowie den Kliniken und Instituten der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Hinzu kommt die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e.V. (AGETHUR), die seit der politischen Wende mit zahlreichen Projekten u. a. zur Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten versucht, Prävention im Alltagsleben zu verankern.
Eine Stiftung "Prävention und Gesundheitsförderung" könnte das Wissen der ansässigen Unternehmen und der Universität nutzen und auf etablierte Kooperationen in diesen Bereichen zurückgreifen. Einer der von mehreren Jenaer Einrichtungen übergreifend angelegten Forschungsschwerpunkte ist alternsbedingte Erkrankungen und Mechanismen der vorzeitigen Zellalterung. Am Institut für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird seit mehreren Jahren interdisziplinär an der Primärprävention im Kinder- und Jugendalter geforscht.
Hinzu tritt basierend auf einer langjährigen feinmechanisch-optischen Tradition eine Bündelung wissenschaftlicher, technologischer und industrieller Kompetenz auf dem Gebiet der Medizintechnik, z.B. mit dem Schwerpunkt Ophthalmoinnovation (zur Erforschung und Entwicklung von Systemen für Diagnose und Therapie der Augenerkrankungen). Ferner ist die Bioinstrumente-Forschung - mit den Schwerpunkten individualorientierte Medizin, Bioinformatik und Nanobiotechnologie - zu nennen.
Schließlich gilt es, den Stiftungsgedanken in den neuen Ländern wiederzubeleben. Die Stiftung "Prävention und Gesundheitsförderung" könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten.
In Jena besteht eine gute Basis für Stiftungen. So hat Ernst Abbe mit seiner 1889 gegründeten Carl-Zeiss-Stiftung dem gesamten Stiftungswesen nachhaltige Impulse verliehen. Dieses Erbe wird heute sowohl durch die Carl-Zeiss-Stiftung als auch durch die nach der Wiedervereinigung gegründete Ernst-Abbe-Stiftung erfolgreich fortgeführt. Die Stiftung "Prävention und Gesundheitsförderung" würde damit vor Ort einen kompetenten Kooperationspartner vorfinden. Des Weiteren besteht seit Anfang des Jahres 2005 das Ernst-Abbe-Institut für Stiftungswesen als AnInstitut an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Friedrich-Schiller-Universität ist die erste in Deutschland, an der ein Institut dieser Prägung angesiedelt ist.
B
- 13. Der federführende Gesundheitsausschuss,
der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Ausschuss für Frauen und Jugend
empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.