COM (2018) 134 final; Ratsdok. 7407/18
968. Sitzung des Bundesrates am 8. Juni 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung des Verordnungsvorschlags, durch einen Abbau der hohen Bestände an notleidenden Krediten (non performing loans, NPLs) und durch Vorkehrungen gegen eine künftige Anhäufung neuer notleidender Kredite die Risiken im Bankensystem zu verringern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag darauf abzielt, dem Aufbau neuer notleidender Kredite (non performing loans, NPLs) in der EU durch Anpassungen in der Bankenregulierung entgegenzuwirken.
- 3. Auch er sieht NPLs als Problem in Bankbilanzen, da sie den Ertrag schmälern und durch Verluste das Kapital eines Kreditinstituts vermindern können. Im Extremfall droht die Insolvenz des Instituts, unter Umständen mit Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Letztlich können NPLs auch dazu führen, dass Banken gezwungen sind, weniger Kredite zu vergeben.
- 4. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass zur Erreichung dieses Ziels Strukturreformen zur Beseitigung von Schwächen des Insolvenzrechts und bei der Leistungsfähigkeit der Justiz von mindestens ebenso großer Bedeutung sind, die in einigen Mitgliedstaaten ein Hindernis zur Verwertung von Kreditsicherheiten darstellen. Die Bewältigung dieser Aufgaben liegt dabei in der primären Verantwortung der betroffenen Mitgliedstaaten.
- 5. Die Vorlage beinhaltet eine Definition des Begriffs "ausfallgefährdete Risikoposition" (non performing exposure - NPE), die zukünftig aufsichtsrechtlich einheitlich angewandt werden soll. Der Bundesrat sieht in dieser Vereinheitlichung einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zum konsequenten Abbau bestehender und der Verhinderung künftiger notleidender Forderungen.
- 6. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sieht es der Bundesrat als kritisch an, dass die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen strikten Vorgaben zur Mindestsicherung notleidender Risikopositionen undifferenziert auf alle Kreditinstitute unabhängig vom Ausmaß des institutsindividuellen Bestands an notleidenden Krediten Anwendung finden sollen. Gerade bei Kreditinstituten, deren Kreditportfolio eine hohe Qualität aufweist, würde die aus der Anwendung notwendige Umstellung bislang nicht anerkannter Besicherungen auf Vertragswerke entsprechend den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung (CRR)) einen erheblichen Zusatzaufwand und damit mittelbar höhere Kreditkosten für ihre Kunden verursachen, was außer Verhältnis zu ihrer individuellen Risikosituation steht.
- 7. Kritisch bewertet der Bundesrat die Vorlage insbesondere dahingehend, dass die mit der Vorlage vorgesehene massive Risikovorsorge (bis hin zu 100 Prozent des Kredits) in Verbindung mit der aufsichtlichen Möglichkeit, das harte Kernkapital zu kürzen, als "One-size-fits-all"-Ansatz ausgestaltet ist. Dieser Ansatz begegnet massiven Bedenken:
- - Die Risikovorsorge ist bei jedem notleidenden Kredit - egal wie hoch das Kreditvolumen ist - vorzunehmen. Die Einzelfallgerechtigkeit der Rechnungslegungsstandards geht damit verloren.
- - Aufgrund der zeitlichen und inhaltlichen Schärfe der Vorgaben und Konsequenzen sind die Institute praktisch gezwungen, Kredite frühzeitig abzuschreiben oder sich von ihnen zu trennen.
- - Der Ansatz stellt damit einen erheblichen Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen einer Bank dar, ohne dass bei einem ganz geringen NPE-Bestand das Risiko einer Gefährdung des Instituts im Raum steht.
- 8. Wie der Fortschrittsbericht der Kommission vom 14. März 2018 zeigt, untermauert auch die Datenlage diesen einheitlichen, pauschalen Ansatz nicht. Die Belastung der Bankenbilanzen mit NPE ist in einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und reicht von unter zwei Prozent bis knapp 50 Prozent.
- 9. Aus Sicht des Bundesrates sollte vielmehr darauf hingewirkt werden, einen Schwellenwert einzuführen, der sich zum Beispiel auf das Verhältnis der ausfallgefährdeten Kredite zur Bilanzsumme oder zur Kreditsumme des jeweiligen Instituts bezieht. Erst für NPEs über dieser Schwelle sollte ein Institut verpflichtet sein, massiv die von der Kommission angestrebte Risikovorsorge zu leisten. Risiken unterhalb der Schwelle können die Bankenaufseher über den SREP-Kapitalzuschlag auffangen, bei dessen Bemessung unter anderem das Kreditrisiko eines Instituts Eingang findet. Eine solche Differenzierung würde die unterschiedliche Ausgangslage von Instituten berücksichtigen, Handlungsspielräume der Banken erhalten und die Kreditversorgung durch kleine und mittlere Banken im regionalen Raum sichern.
- 10. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die Anwendung der Mindestdeckungsvorschriften an Schwellenwerte zu knüpfen und Kreditinstitute oder Institutsgruppen, bei denen die durchschnittliche Quote notleidender Kredite zum Gesamtbestand der Kredite einen Wert von drei Prozent nicht übersteigt, von der Anwendung der neuen Mindestdeckungsvorschriften auszunehmen.
- 11. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in Fällen ohne überhöhte Risiken durch die bereits bestehenden Instrumente im Rahmen der Säule-2-Vorschriften für die Bankenaufsicht ausreichende Möglichkeiten bestehen, Einfluss auf die Rückstellungspolitik der Institute zu nehmen und im Einzelfall spezifische Anpassungen der Eigenmittelberechnungen zu verlangen.
- 12. Bei Umsetzung des einheitlichen Ansatzes sind im Übrigen negative Auswirkungen auf den Sekundärmarkt nicht unrealistisch. Dafür spricht, dass dann innerhalb kürzester Zeit große Tranchen notleidender Kredite aus den Bankbilanzen auf den Markt kämen, die vor allem die bereits existenten Kredithandelsfirmen kaufen. So würde die Marktmacht der wenigen Kredithandelsfirmen zementiert. Durch Einführung eines Schwellenwerts könnte der Markt sukzessive erweitert und der Einstieg neuer Teilnehmer erleichtert werden.
- 13. Der Bundesrat spricht sich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Vermeidung übermäßigen Verwaltungsaufwands dafür aus, die vorgeschlagene Verordnung durch eine Bagatellgrenze bei der Ermittlung des 90-tägigen Zahlungsverzugs zu ergänzen. Auf diese Weise würden Kleinstkredite (zum Beispiel bis zu einem Betrag von 50.000 Euro) wie etwa Überziehungen von Zahlungskonten, für die in der bankwirtschaftlichen Praxis aus Wirtschaftlichkeitserwägungen üblicherweise keine Wertberichtigungen gebildet werden, von den Mindestdeckungsvorschriften ausgenommen.
- 14. Der Bundesrat spricht sich angesichts der mit der Neuregelung verbundenen technischen Umstellungen in den Kreditinstituten außerdem dafür aus, den Anwendungszeitpunkt und Referenzstichtag von dem von der Kommission vorgesehenen Stichtag (14. März 2018) auf einen Stichtag nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu verlegen, um den Kreditinstituten angemessene Übergangsfristen zu gewähren.
B
- 15. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.