Gesetzesantrag des Landes Sachsen-Anhalt
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
(DRiG)

A. Zielsetzung

B. Lösung


* Die Bezeichnungen gelten in gleicher Weise für Richterinnen und Richter.

C. Alternativen

D. Kosten

Gesetzesantrag des Landes Sachsen-Anhalt Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes(DRiG)

Sachsen-Anhalt Magdeburg, den 14. Februar 2006
Der Ministerpräsident

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Sachsen-Anhalt hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten

mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beschließen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 820. Sitzung am 10. März 2006 zu setzen und nach Vorstellung im Plenum den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (DRiG)

Artikel 1

§ 37 Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713), zuletzt geändert durch Art. 15b des Gesetzes vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837), erhält folgende Fassung:

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

a) Regelungszweck

Mit der Gesetzesänderung soll das Instrument der Abordnung eines Richters* auf Lebenszeit ohne seine Zustimmung zu Vertretungszwecken erweitert und damit für die Praxis zum Ausgleich von Belastungsschwankungen im Einzelfall nutzbarer gemacht werden.

Die personalwirtschaftliche Situation in den Gerichtsbarkeiten ist in zunehmendem Maße durch haushaltswirtschaftliche Vorgaben geprägt. Dies bedeutet, dass künftig nicht mehr in dem bisherigen Umfang Richter auf Probe eingestellt werden, die ohne rechtliche Probleme verschiedenen Gerichten zugewiesen werden können, um Belastungsunterschiede auszugleichen.

Ferner entwickelt sich die personalwirtschaftliche Situation der einzelnen Gerichtsbarkeiten unterschiedlich. Dies hängt zum einen mit der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung zusammen. Zum anderen ist dies eine Folge von Gesetzesänderungen in den jeweiligen Rechtsgebieten.

Daher wird es künftig in zunehmendem Maße notwendig sein, auch Richter auf Lebenszeit in den Belastungsausgleich zwischen Gerichten einer Gerichtsbarkeit und auch zwischen verschiedenen Gerichtsbarkeiten mit einzubeziehen. Hierbei haben freiwillige Personalmaßnahmen immer Vorrang vor Entscheidungen, die gegen den Willen des Richters getroffen werden. Denn insbesondere die Motivation für die neue Tätigkeit ist bei Maßnahmen auf freiwilliger Basis immer größer als bei Personalverschiebungen gegen den Willen des Betroffenen.

Andererseits kann es - gegebenenfalls künftig in zunehmenden Maße - im Einzelfall geboten sein auch Maßnahmen gegen den Willen der Richter zu verfügen, wenn sich keine Freiwilligen finden die Freiwilligen jedoch nicht ausreichen oder aber Wechselabsichten nicht den personalwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. Je nach Entwicklung der oben dargestellten Parameter wird es dann erforderlich werden, Maßnahmen gegen den Willen zu treffen.

Jedoch bereits jetzt sind die dann benötigten Instrumente auf ihre Einsatztauglichkeit zu prüfen und ggf. zu optimieren. Dies soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf im Bereich der Abordnungen von Richtern zur Vertretung ohne ihre Zustimmung nach § 37 Abs. 3 DRiG geschehen.

Von der Abordnungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 3 DRiG ist bisher - soweit ersichtlich - im Land Sachsen-Anhalt und wohl auch in den anderen Bundesländern kaum Gebrauch gemacht worden. Zum einen war der Zwang der oben dargestellten Rahmenbedingungen in der Vergangenheit nicht so groß, dass zu unfreiwilligen Maßnahmen gegriffen werden musste.

Zum anderen ist die derzeit vorgesehene Abordnungsmöglichkeit innerhalb der Gerichtsbarkeit von maximal drei Monaten pro Geschäftsjahr zu kurz, um eine effektive Vertretung zu erreichen. Selbst bei Abordnungen innerhalb der gleichen Gerichtsbarkeit kann der Zuschnitt des vorübergehend zu bearbeitenden Dezernats so sehr von der bisherigen Tätigkeit abweichen, dass eine Einarbeitungszeit von ein bis drei Monaten notwendig ist. Dann muss die Abordnung nach bisheriger Regelung aber schon wieder enden. Es erscheint daher sinnvoll, die Abordnungsdauer zu verlängern, um nach einer notwendigen Einarbeitung in das fremde Dezernat dort auch eine tatsächliche Erledigungsleistung erzielen und somit zu einer echten Vertretung beitragen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn die Vertretung - wie nach der bisherigen Regelungen - nicht effektiv wirkt, während der Dauer der Abordnung sowohl das bisherige wie auch das fremde Dezernat nicht zielführend bearbeitet werden der personalwirtschaftliche Missstand also eher gleich bleibt, wenn nicht sogar vergrößert wird. Durch den Gesetzentwurf wird hingegen der Zeitraum der Abordnungsdauer von drei auf sechs Monate so verlängert, dass nach der Einarbeitung auch eine sachgerechte Bearbeitung des fremden Dezernats möglich wird und damit das Instrument der Abordnung zu Vertretungszwecken seine beabsichtigte Wirkung auch entfalten kann. Nur dann wird die unfreiwillige Abordnung, die auch weiterhin nur als ultima ratio Anwendung finden wird überhaupt ein sinnvolles Mittel sein, um anderweitig nicht zu lösende Vertretungssituationen sinnvoll und effektiv zu bewältigen.

Durch die Öffnung der Abordnung auch für gerichtsbarkeitsübergreifende Vertretungsfälle wird eine größere personalwirtschaftliche Flexibilität geschaffen. So besteht zum Teil eine größere Sachnähe zwischen einzelnen Gebieten verschiedener Gerichtsbarkeiten. Beispielhaft seien hier erwähnt das Arbeits- und das allgemeine Zivilrecht, das Arbeits- und die sozialrechtliche Arbeitslosenversicherung, das Sozialrecht und das Verwaltungsrecht im Bereich der ehemaligen Sozialhilfe. Diese Sachnähe ist oftmals größer als bei Sachgebieten innerhalb derselben Gerichtsbarkeit, wie z.B. beim Familienrecht, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und dem allgemeinen Zivilrecht im Verhältnis zum Strafrecht.

b) Bundeskompetenz

Die Bundeskompetenz zur Änderung von § 37 Abs. 3 DRiG ergibt sich aus Art. 98 Abs. 3 S. 2 GG.

c) Zustimmungsbedürftigkeit

Das Gesetz ist nicht zustimmungsbedürftig, da kein Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG geregelt wird.

d) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit

Der Ausdehnung des Abordnungszeitraums sind durch Art. 97 Abs. 2 S. 1 GG Grenzen gesetzt.

Danach können u. a. hauptamtlich und planmäßig angestellte Richter wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Rahmenbedingungen, welche die Gesetze bestimmen, an eine andere Stelle versetzt werden. Art. 97 GG verbietet ebenfalls alle Maßnahmen, die materiell einer Entlassung, einer dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder einer Versetzung in den Ruhestand gleichkommen, durch die also praktisch dasselbe wie durch eine der genannten förmlichen Maßnahmen erreicht wird. Damit verbietet Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG auch jede andere Maßnahme, durch die der Richter von seiner richterlichen Tätigkeit ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Feb. 1964 - 2 BvR 411/61 - BVerfGE 17, 252 ff.). Eine unfreiwillige Abordnung begegnet also so lange keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie in ihren Auswirkungen hinter einer unfreiwilligen Versetzung zurückbleibt und der Richter von seiner originären richterlichen Tätigkeit nicht längere Zeit ausgeschlossen wird. Dies ist bei einer Verlängerung der Dauer der möglichen Abordnung auf sechs Monate nicht der Fall.

Angesichts der Rechtsprechung des Dienstgerichts für Richter des Bundes (Urteil vom 23. August 1976 - RiZ (R) 002/76 - BGHZ 67, 159 ff.) zu der ähnlichen Konstellation der unfreiwilligen Übertragung eines weiteren Richteramtes nach § 27 Abs. 2 DRiG, nach der mindestens die Hälfte der Tätigkeit dem originären Amt zugeordnet sein muss, ist zu fordern, dass auch bei Abordnungen - bezogen auf einen überschaubaren Zeitraum - mindestens die Hälfte der Tätigkeit im originären Amt ausgeübt werden muss. Bei Betrachtung eines längeren Zeitraumes erscheint es jedoch notwendig, um dem Charakter der Abordnung als einer vorübergehenden Maßnahme Rechnung zu tragen und einem längeren Ausschluss von der originären Tätigkeit zu vermeiden, dass der Tätigkeit im originären Amt ein deutliches Übergewicht zukommt.

Daher ist es möglich, dass innerhalb von zwölf Monaten eine unfreiwillige Abordnung von maximal sechs Monaten ausgesprochen wird, da so mindestens die Hälfte der Tätigkeit im originären Amt ausgeübt wird. Längerfristig muss aber die originäre Tätigkeit überwiegen, so dass eine regelmäßige Wiederholung der halbjährlichen Abordnung in jedem Jahr ausscheidet.

Deshalb ist in dem Entwurf zusätzlich festgelegt, dass eine erneute unfreiwillige Abordnung erst nach zwei Geschäftsjahren zulässig ist. Somit entfallen bei längerfristiger Betrachtung ¾ der Arbeitskraft auf das originäre Amt. Zu betonen ist hier aber nochmals, dass unfreiwillige Abordnungen nur als ultima ratio in Betracht kommen und damit auch Wiederholungsfälle eher selten eintreten werden, diese jedoch abstrakt geregelt werden müssen.

Außerdem wird durch den angefügten weiteren Satz gewährleistet, dass zwei halbjährige Abordnungen nicht unmittelbar aufeinander folgen dürfen. Damit wird verhindert, dass der Richter bei Betrachtung dieser zwölf Monate ausschließlich das fremde Dezernat bearbeiten und nicht seine originäre Aufgabe erfüllen würde. Vielmehr muss nach dieser Regelung zwischen zwei sechsmonatigen, unfreiwilligen Abordnungen immer ein signifikanter Zeitraum der Tätigkeit im eigenen Dezernat liegen, um Art. 97 GG Rechnung zu tragen.

Die Erweiterung der Abordnungsmöglichkeit auf andere Gerichtsbarkeiten ist gemäß Art. 97 Abs. 2 S. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlich zulässig, da die Abordnung auch durch diese Veränderung keine versetzungsgleiche Wirkung erhält. Die für Art. 97 Abs. 2 S. 1 GG relevante vorübergehende Nicht-Wahrnehmung des originären Amtes durch die Abordnung wird durch die gerichtsverfassungsrechtliche Zuordnung der zeitlich begrenzten Tätigkeit nicht verändert. Der Richter ist in seinem originären Amt nicht tätig, solange er an einem anderen Gericht - seiner bisherigen oder einer fremden Gerichtsbarkeit - eingesetzt ist. Die Erweiterung der Abordnungsmöglichkeit auf andere Gerichtsbarkeiten führt im Hinblick auf Art. 97 Abs. 2 S. 1 GG nicht zu einer Verstärkung des Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit.

Das Übergreifen der Abordnungsmöglichkeit auf eine andere Gerichtsbarkeit hat eher Auswirkungen auf die persönlichen Belange des Richters. Diese beeinflussen aber nicht die generelle Verfassungsmäßigkeit der Abordnung, sondern betreffen die Frage der Rechtmäßigkeit der im Einzelfall getroffenen Abordnungsverfügung, insbesondere die Verhältnismäßigkeit.

Außerdem werden dadurch personalwirtschaftliche Belange berührt. Denn die Effektivität des Mittels einer kurzfristigen Abordnung zur Vertretung hängt davon ab, wie schnell sich der Richter in das fremde Aufgabengebiet einarbeiten kann. Dies mag zwar im Regelfall innerhalb der Gerichtsbarkeit leichter möglich sein als bei einem gerichtsbarkeitsübergreifenden Einsatz. Aber im konkreten Einzelfall kann auch die Einarbeitung über die Gerichtsbarkeitsgrenzen hinweg leichter sein als ein Wechsel innerhalb der Gerichtsbarkeit. Als Beispiel sei hier nur der Wechsel von einem arbeitsgerichtlichen in ein allgemeines zivilrechtliches Dezernat erwähnt.

Die Gerichtsorganisationsgesetze stehen dem Vorhaben nicht entgegen.


* Die Bezeichnungen gelten in gleicher Weise für Richterinnen und Richter.