Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass die bisher für die Deutsche Bundesbahn festgelegte Zulässigkeit staatlicher Ausgleichszahlungen u.a. für Auflagen betreffend Kindergeldzulagen, Ruhegehälter und Renten sowie Kreuzungen aufgehoben wird. Diese Zahlungen könnten den Wettbewerb verfälschen.
Die aufzuhebende Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 gilt unmittelbar für die "nationalen Eisenbahnunternehmen" und damit heute für die DB AG als Nachfolgeorganisation der Deutschen Bundesbahn (und der Deutschen Reichsbahn). Für die öffentlichen nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) wurde eine Regelung in Artikel 3 Nummer 1a der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 getroffen. Hiernach kann eine Beihilfe gewährt werden. Die Regelung wurde in Deutschland durch Einfügung der §§ 6a bis 6g AEG (2. Gesetz zur Änderung des AEG vom 24. August 1976) umgesetzt und schließlich in § 16 AEG vom 27. Dezember 1993 übernommen. Somit sind die NE von der Aufhebung zumindest nicht direkt betroffen.
Aus Sicht des Bundesrates ist zugunsten der Eisenbahnen des Bundes (EdB) sicherzustellen, dass die bisher auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 geleisteten Ausgleichszahlungen für Bahnübergänge unter die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums subsumiert werden können. Gemäß der Begründung zu der vorgeschlagenen Verordnung (erster Kontext des Vorschlags, Seite 3) ist das der Fall. Allerdings gilt die Richtlinie 2012/34/EU in Deutschland erst nach der nationalen Umsetzung spätestens zum 16. Juni 2015. Vorher darf die Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 also nicht aufgehoben werden.
Außerdem sieht die Richtlinie 2012/34/EU vor, dass z.B. örtliche und regionale Schienennetze vom Anwendungsbereich ausgenommen werden können. Das gilt dann auch für entsprechende Infrastrukturen der EdB und der NE. Nach Auffassung des Bundesrates soll von den Ausnahmemöglichkeiten weitgehend Gebrauch gemacht werden, um die örtliche und regionale Infrastruktur der NE im eigenen Verwaltungsbereich zu halten, diese der kostenträchtigen Bürokratie und unverhältnismäßigen technischen Anforderungen aus EU-Vorschriften zu entziehen und nicht in die Pflicht zu geraten, analog der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) des Bundes mit der DB Netz AG für einen finanziellen Ausgleich der Infrastrukturbetreiber sorgen zu müssen, wie dies Artikel 8 der Richtlinie 2012/34/EU vorsieht. Denn viele dieser Infrastrukturen sind zwar aus touristischen Gründen erhaltungswürdig, dienen jedoch nicht in einem Ausmaß der verkehrlichen Daseinsvorsorge, dass unter den gegenwärtigen und absehbaren Problemen der öffentlichen Haushalte der Länder eine umfassende finanzielle Förderung gerechtfertigt wäre. Soweit von den Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch gemacht wird, darf dies nicht dazu führen, dass dann entsprechende Ausgleichszahlungen als Beihilfen angesehen werden.
Die bisherigen Ausgleichszahlungen für Bahnübergänge sind allerdings nicht als Beihilfe zur Herstellung einer ausgeglichenen Gewinn- und Verlustrechnung auf Grund der Marktschwäche des Eisenbahnverkehrs zu sehen. Sie dienen vielmehr dem Ausgleich von Lasten, die aus der Verpflichtung zur Zulassung von Bahnübergängen und der einseitigen Übernahme der Kosten dafür durch die Bahnen entstehen. Es handelt sich also um eine Leistungsbestellung zu Gunsten der Straßenbaulastträger, die nicht sinnvoll ausgeschrieben werden kann und auch dann abzugelten ist, wenn bereits ein ausgeglichenes Ergebnis vorhanden ist. Außerdem wird nicht nach der Veranlassung für eine Kreuzung unterschieden. Nach bisherigem Kreuzungsrecht hat z.B. der Veranlasser eines neuen Bahnübergangs die Kosten einschließlich der Ablösung der künftigen Betriebskosten zu tragen. Auch das stellt keine Beihilfe zu Gunsten des Infrastrukturbetreibers dar, weil er daraus in der Summe keinen wirtschaftlichen Vorteil zieht. Eine Beihilfe könnte für vorhandene Bahnübergänge dann vorliegen, wenn die Ausgleichszahlungen mehr als die Hälfte der Aufwendungen betragen.
Es ist zu beachten, dass die aufzuhebende Verordnung "Kreuzungen", d.h. Brücken und Bahnübergänge, behandelt.
Anders als bei Kreuzungen könnten aber Beihilfen vorliegen, wenn den NE Ausgleichsleistungen für Ruhegehälter und Renten gewährt werden. Diese laufen zwar aus, doch gewährleistet die gegenwärtige Regelung des § 16 AEG den sozialen Besitzstand für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den Genuss erhöhter Zahlungen der Bahnen kommen, weil dies zum Zeitpunkt ihrer Einstellung üblicher Bestandteil des Einkommens war. Dies gilt sowohl für Eisenbahnverkehrsunternehmen als auch für Eisenbahninfrastrukturunternehmen.
Für die den EdB überlassenen Beamtinnen und Beamten der ehemaligen Deutschen Bundesbahn übernimmt das Bundeseisenbahnvermögen die gegenüber Tarifbeschäftigten höheren Entgelte und die soziale Absicherung (Pensionen, Beihilfe, kein Entlassungsrisiko). Auch dies könnte den Tatbestand einer Beihilfe erfüllen. Auch hier wäre für die Sicherung des sozialen Besitzstandes der betreffenden Personen zu sorgen.
Insgesamt zeigt sich, dass nicht nur die EdB hinsichtlich der Kosten für Kreuzungen im örtlichen und regionalen Netz negativ betroffen sein können, sondern dass auch soziale Besitzstände der älteren Beschäftigten gefährdet sein könnten. Für die NE zeigt sich, dass bereits durch die Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 durch die Einführung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, die nur für Verkehrsdienste gilt, eine Rechtslücke entstanden sein könnte, die nun wieder geschlossen werden sollte, um berechtigte Ausgleichsleistungen, falls diese europarechtlich als Beihilfe angesehen würden, nicht zu gefährden.
Im Einzelnen weist der Bundesrat daher auf folgende Aspekte hin:
- 2. Der Bundesrat begrüßt die mit der Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 verfolgte Absicht, Widersprüche zum neueren Eisenbahnrecht der Union zu beseitigen und noch bestehende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen.
- 3. Er bittet die Bundesregierung, dafür einzutreten, dass soziale Besitzstände für ehemalige Bedienstete der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn erhalten bleiben und die Übergangsregelung für Bedienstete der nichtbundeseigenen Eisenbahnen gemäß § 16 Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) durch die Aufhebung nicht infrage gestellt wird.
- 4. Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Ausgleichsregelungen zugunsten der öffentlichen nichtbundeseigenen Schienenwegbetreiber für Mehraufwendungen an Bahnübergängen gemäß § 16 Absatz 1 Nummer 3 AEG nicht um Beihilfen, sondern letztlich um den Anteil der Aufwendungen an dem gemeinsamen Verkehrsbauwerk handelt, der dem Straßenbaulastträger zuzumessen ist, der aber aus Praktikabilitäts- und Sicherheitsgründen zunächst von dem Schienenwegbetreiber übernommen wird. Er bittet die Bundesregierung sicherzustellen, dass die ausgleichenden bisherigen gesetzlichen Regelungen für Kreuzungen durch die Aufhebung nicht infrage gestellt werden.