COM (2018) 234 final; Ratsdok. 8531/18
969. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Informationen und Datenbestände des öffentlichen Sektors eine werthaltige Ressource mit hohem Potenzial für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft darstellen. Er erkennt das Bemühen der Kommission an, die bestehenden rechtlichen Grundlagen vor dem Hintergrund einer sich in den letzten Jahren veränderten Datenverwaltung und -nutzung anzupassen, um dieses Potential voll auszuschöpfen. Er erinnert an seine Stellungnahme vom 7. Februar 2012 anlässlich der letzten Änderung der Verordnung über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (BR-Drucksache 820/11(B) ).
- 2. Hinsichtlich der nunmehr vorgeschlagenen Neufassung der gebührenrechtlichen Vorgaben hat der Bundesrat allerdings erneut Bedenken, ob das Prinzip der Subsidiarität gemäß Artikel 5 Absatz 3 EUV gewahrt ist.
Die EU verfolgt das Ziel der möglichst niederschwelligen Weiterverwendung öffentlicher Daten als wertvolle Ressourcen. Dieses Ziel wäre auf der Ebene der EU nur dann zu verwirklichen, wenn Behördendaten auch unter homogenen Rahmenbedingungen hergestellt würden. Tatsächlich aber richtet sich das Datenangebot sowohl nach den in den einzelnen Mitgliedstaaten verschiedenen rechtlichen Grundlagen als auch nach der jeweiligen wirtschaftlichen Basis. Das gerade bei hochwertigen Datensätzen unverzichtbare ausgewogene Verhältnis zwischen Datenqualität und Refinanzierung kann in Anbetracht der durchaus verschiedenen Rahmenbedingungen alleine durch mitgliedstaatliche Regelungen wirksam gesichert werden. Vor diesem Hintergrund gibt der Bundesrat zu bedenken, ob ein Tätigwerden auf der Ebene der EU zu einer besseren Verwirklichung der beabsichtigten Ziele führen würde.
- 3. Für die Entwicklung eines fairen Binnenmarktes für Dienstleistungen, die auf Informationen des öffentlichen Sektors basieren, hält der Bundesrat den diskriminierungsfreien Zugang zu angemessenen Gebühren für zentral. Angemessene Gebühren sollen einerseits die Entwicklung einer europäischen Datenwirtschaft ermöglichen, andererseits aber auch den aus der Datennutzung entstehenden wirtschaftlichen Vorteil der Unternehmen abbilden und einen Beitrag für die Kosten der Erfassung und der Aktualisierung der Daten leisten.
- 4. Der Bundesrat hält es allerdings für nicht zielführend, dass die verstärkte Bereitstellung öffentlicher Daten für die Weiterverwendung mit dem Grundsatz einhergehen soll, dass die öffentlichen Stellen für ihre Daten grundsätzlich keine Gebühren verlangen dürfen, die über den durch die jeweilige Einzelanforderung verursachten Mehrkosten liegen. Dies stellt einen massiven Eingriff in das originäre Gebührenfindungsrecht der Mitgliedstaaten und die eigenverantwortliche Finanzierung der öffentlichen Verwaltung dar. Der Grundsatz führt auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung zu erheblichen Mindereinnahmen und greift damit unmittelbar in das Haushaltsrecht der Länder ein.
- 5. Der Bundesrat lehnt in diesem Zusammenhang die Streichung der Ausnahmeregelung des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe b) für "Dokumente, für die die betreffende öffentliche Stelle ausreichend Einnahmen erzielen muss, um einen wesentlichen Teil der Kosten im Zusammenhang mit ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung zu decken" ab.
- 6. Der Bundesrat lehnt die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Regelungen ab, die zu weiteren Belastungen der öffentlichen Haushalte führen. Dies betrifft zum einen Artikel 5 Absatz 4 des Richtlinienvorschlags, mit dem öffentliche Stellen verpflichtet werden, dynamische Daten unmittelbar nach der Erfassung mithilfe geeigneter Anwendungsprogrammierschnittstellen zur Weiterverwendung zugänglich zu machen. Die in Artikel 5 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Begrenzung dieser Verpflichtung soll erst dann wirksam werden, wenn die zeitnahe Bereitstellung der dynamischen Daten die finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der öffentlichen Stelle übersteigen würde. Damit wäre ein wirksamer Ausschluss zusätzlicher Belastungen der öffentlichen Hand nicht gewährleistet. Darüber hinaus lehnt der Bundesrat auch die Regelung in Artikel 6 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags ab, der die Weiterverwendung bestimmter hochwertiger Datensätze und bestimmter Forschungsdaten für die Nutzerinnen und Nutzer gebührenfrei stellt.
- 7. Die Kommission beabsichtigt die Erhebung kostendeckender Gebühren, bei deren Bemessung anteilig auch die Aufwendungen der Erfassung und der Aktualisierung der Daten berücksichtigt werden, zu verbieten. Diese Aufwendungen müssen folglich aus Steuermitteln finanziert werden. Dies führt zu einer öffentlichen Subventionierung und Wettbewerbsverzerrung der die Informationen nutzenden Unternehmen und widerspricht dadurch der Zielrichtung des Richtlinienvorschlags.
- 8. Den betroffenen Leistungsempfängern, insbesondere den Unternehmen der europäischen Datenwirtschaft, entsteht durch die gewerbliche Nutzung von Informationen des öffentlichen Sektors ein wirtschaftlicher Vorteil. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dieser wirtschaftliche Vorteil grundsätzlich auch Grundlage für die Gebührenbemessung sein sollte.
- 9. Wenn öffentliche Stellen ihre Leistungen im Wettbewerb erbringen, darf dies nicht wettbewerbsverzerrend wirken. Bei einem generell gebührenfreien Zugang zu umfangreichen öffentlichen Datenbeständen (beispielsweise Wetterdaten oder Geodaten nach der Richtlinie 2007/2/EG vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft - INSPIRE) ist jedoch eine Wettbewerbsverzerrung auch auf der Anbieterseite zu erwarten.
- 10. Die kostenlose zur Verfügungstellung von Datensätzen nach Artikel 13 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags gilt nach Absatz 3 dieser Vorschrift nicht für hochwertige Datensätze öffentlicher Unternehmen, wenn sich aus einer nach Absatz 7 dieser Regelung zu erlassenden Folgenabschätzung der Kommission nach Annahme eines delegierten Rechtsakts eine erhebliche Verfälschung des Wettbewerbs ergibt. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass sämtliche Verfälschungen des Wettbewerbs durch die Weitergabe von Informationen verhindert werden. Der in Artikel 13 Absatz 3 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Verzicht auf die kostenlose Verfügbarkeit von hochwertigen Datensätzen nur bei einer "erheblichen" Verfälschung des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten erfüllt dies nicht. Die Erstellung einer Liste hochwertiger Datensätze durch die Kommission kann für die Marktteilnehmenden eine wesentliche Vereinfachung darstellen. Insbesondere kommunale Unternehmen, wie die Stadtwerke, müssen jedoch davor bewahrt werden, dass ihre Erkenntnisse ohne Lizenzvergaben nach Artikel 8 des Richtlinienvorschlags verwendet werden können. Eine Beurteilung zwischen erheblichen und einfachen Wettbewerbsverfälschungen durch die Kommission kann dies nicht hinreichend sicherstellen. Die Kostenfreiheit muss bei jeder anzunehmenden Marktverfälschung ausgeschlossen sein.
- 11. Der Bundesrat lehnt die Regelung des Artikels 1 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags ab, nach der das Recht des Datenbankschutzes als geistiges Eigentumsrecht gemäß der Richtlinie 96/9/EG vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken in Verbindung mit §§ 87a fortfolgende Urheberrechtsgesetz für öffentliche Stellen nicht mehr anwendbar sein soll. Dadurch würden die angemessene Regelung von Nutzungsbestimmungen und die Erhebung von Nutzungsentgelten durch öffentliche Stellen ebenfalls eingeschränkt werden.
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 13. Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.